Die Rothosen geben ein Stelldichein anne Castroper

...nicht das große Geld! Das Motto gilt mittlerweile auch für den Hamburger Sport Verein. Foto: Tim Kramer
Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Das Spiel des Jahres wirft seinen Schatten voraus. Für mich persönlich ist es das zweite Spiel in dieser Saison, in dem ich hin und her gerissen sein werde. Am Samstag werde ich nämlich meinen angestammten Platz in der Ostkurve aufgeben und auf der Gegengerade Platz nehmen. Doch warum ist dieses Spiel so besonders? Wie kann man die Hamburger knacken? Was ist überhaupt los beim Traditionsverein aus dem hohen Norden? Wusstet ihr, dass Hannes Wolf in Bochum geboren wurde? Gesprächsstoff über den Gegner aus Hamburg erfahrt ihr aus unserem Vorbericht.

Konnte sein hohes Gehalt viel zu selten rechtfertigen und erhält deshalb keinen neuen Vertrag beim HSV: Lewis Holtby. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Man merkt, dass ein anstehendes Fußballspiel etwas besonderes ist, wenn die Vorfreude von Tag zu Tag steigt und man weiß, dass, egal wie das Spiel ausgeht, der Tag einem im Gedächtnis bleiben wird. Lange Zeit ist unser VfL bereits in der zweiten Liga und versucht Jahr für Jahr, in die Beletage des deutschen Fußballs zurückzukehren. Dort, wo bis zum letzten Sommer der Hamburger Sport Verein seit Gründung der Bundesliga am 28. Juli 1962 (Dass die Liga in der verbotenen Stadt nördlich von Lüdenscheid gegründet wurde, tut ja nichts zur Sache) stets Mitglied war und sich einen Namen als Dino der Liga machte. Vielerorts wurde zufrieden genickt, als im letzten Sommer der erste Abstieg der Vereinsgeschichte aus der Bundesliga verkraftet werden musste. Doch dieser Abstieg glich mehr einer Erleichterung, musste man die vergangenen Jahre zu oft gegen den Abstieg ankämpfen und war in Treibsand geraten ob der immensen Investition an Geldern in Beine, die schlussendlich die erhoffte Besserung nicht in den Volkspark brachte.

Zerbricht sich derzeit wohl den Kopf über seine Zukunft: Lukas Hinterseer. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Vom Abstieg zum Neuanfang

Einige sagten, dass ein Abstieg wie ein reinigendes Gewitter wirken kann. Ich, als Kaufmann, war lange skeptisch und rechnete stets vor, dass ein Klassenerhalt, so schwierig er auch sein mag und zu welchem Zeitpunkt auch immer er gefeiert werden durfte, dem Verein finanziell helfen würde. Dennoch war immer im Hinterkopf präsent, dass das nächste Fettnäpfchen rund um den HSV anstehen würde. Dass wieder eine Geschichte deutschlandweit die Runde machen wird und zur Belustigung beiträgt, wenn gleich teilweise aus einer Mücke ein Elefant gemacht wurde. Nach einigen Monaten in der zweiten Liga muss ich sagen, dass dieses Gefühl gewichen ist. Beim Hamburger SV herrscht ein neuer, ein frischer Wind. Ich spreche nicht von der stetigen Brise der Nordsee, sondern von frischen Kräften, die mobilisiert wurden. Von altbekannten Gesichtern und neuen Gesichtern, die eine gemeinsame Idee haben und diese seither eisern fortführen. Der HSV hat sich gewandelt und gibt nicht mehr Geld aus, dass er sich von einem reichen Gönner leiht. Wenngleich dieser omnipräsent in der Presse mit dem Verein in Verbindung gebracht wird. Die Rothosen haben mit Ralf Becker einen Mann aus Kiel geholt, der mit dem arbeitet, was ihm zur Verfügung steht. Im letzten Bericht wurde gerade der Abschied von Bernhard Peters publik. Im Nachgang nur ein notwendiger Abgang und ein kleines Störfeuer, welches den Weg in der Jugendabteilung, so sieht man es aus der Ferne, derzeit nicht beeinträchtigt. Der alte und neue starke Mann auf der Kommandobrücke ist Bernd Hoffmann, der einst den HSV in die Top 20 der umsatzstärksten Vereine in Europa führte und nun mit einer neuen Vision die zuletzt in die Jahre gekommene Fregatte HSV wieder flott machen möchte. Für das Geld um die benötigten Ersatzteile zu besorgen, sorgt die Besatzung aber lieber selber.

Die neue Marschroute bei Transfers im hohen Norden

Becker arbeitet derzeit bereits am Kader für die neue Saison. Jan Gyamerah folgte dem Ruf und wird in der kommenden Saison das Trikot der Hamburger überstreifen. Ein ablösefreier Verlust für unseren VfL, aber ein günstiger Gewinn für die Breite durch einen variabel einsetzbaren Spieler für den HSV. Auch an Lukas Hinterseer, im Sommer ebenso ablösefrei, ist man in Hamburg interessiert. Doch warum? In Hamburg wie in Bochum hört man, dass Hinterseer nicht die Klasse für die erste Liga hat und nur in der zweiten Liga beständig trifft. Seine Zeit in Ingolstadt hat es doch bewiesen! Doch wie konnte sich der FC Ingolstadt in der ersten Liga behaupten? Ein Standort so klein, dass selbst Arbeitskollegen von mir aus Ingolstadt über den Verein lächeln. Durch eine gemeinsame Spielidee und mannschaftliche Geschlossenheit. In ein Kollektiv kann sich der als Stürmer immens arbeitende Hinterseer eingliedern, wodurch er in der ersten Liga auch für ein Team interessant werden dürfte, welches oftmals die Null halten möchte.  Mit Abgängen gen Hamburg hat der VfL Bochum zuletzt immer wieder Erfahrungen gemacht. Der Abgang von Michael Gregoritsch hat damals jedoch zumindest Geld eingespielt, welches reinvestiert werden konnte.

Im Hinspiel agierte der VfL kompakt und zielstrebig, genau das, was es benötigt um den HSV zu schlagen. Foto: einsachtvieracht

Beim Hamburger SV geht die Suche nach kostenfreien Verstärkungen derzeit weiter. Jeremy Dudziak vom Lokalrivalen FC St. Pauli, ebenso wie sein Teamkollege und Ex-HSV Spieler Alex Meier, stehen angeblich auf der Einkaufsliste von Ralf Becker. Hingegen wird Lewis Holtby, ein Synonym für die verfehlte und zu teure Einkaufspolitik der letzten Jahre beim HSV, den Verein im Sommer verlassen.  Er macht Platz für weitere neue Gesichter. Eines dieser neuen Gesichter läuft Holtby bereits seit Winter den Rang ab. Berkay Özcan verkörpert die neue Galligkeit und Freude am Spiel beim HSV. Für kleine Ablöse aus Stuttgart gekommen, ist Özcan bereits so etwas wie das Herzstück des HSV, wenn Aaron Hunt fehlt. Der Schattenmann von Özcan ist kurioserweise ebenfalls aus Stuttgart gekommen, jedoch bereits im vergangen Sommer und lediglich zur Leihe: Orel Mangala. Der junge Belgier hat die Anlagen in der ersten Liga ein großartiger Spieler zu werden und organisiert das Mittelfeld sowie die Balleroberung der Hanseaten. Bis er jedoch dieser großartige Spieler sein wird, muss Mangala noch einiges lernen. Gerade im defensiven Stellungsspiel und der Wachsamkeit! Der HSV ist nicht mehr wiederzuerkennen und hat die Transferpolitik der erfahrenen Mannen, die über ihrem Zenit sind, aufgegeben und viele spannende und junge Spieler in seinen Reihen.

Das Hinspiel bot auch abseits des Platzes Spektakel. Leider immer wieder sehr kostspielig für den VfL. Foto: einsachtvieracht

Wie kann man die Rothosen schlagen?

Die Mannschaft ist zuweilen zu inkonstant. Trotz eines sehr guten Starts und fantastischen 20 Minuten gegen den SV Darmstadt 98 mit einer schnellen 2:0 Führung dank klasse Flügelspiel und lustvollen Ballstafetten, musste man sich am Ende 2:3 geschlagen geben. Dem gebürtigen Bochumer Hannes Wolf war es nicht gelungen, durch seine Wechsel die Mannschaft neu zu beleben und den Schlendrian aus den Köpfen zu bekommen. Hier muss Robin Dutt ansetzen und die Kompaktheit des Hinspiels erneut von unserer Mannschaft auf den Rasen bekommen.

Im Hinspiel agierte unser VfL defensiv äußerst konzentriert und hielt die Räume in der eigenen Hälfte sehr kompakt. Nach vorne setzte man gute und zielstrebige Nadelstiche. Eine Auswärtstaktik wie aus dem Lehrbuch. Ähnliches darf man auch am kommenden Samstag anne Castroper erwarten, denn der Favorit kommt aus Hamburg und muss gewinnen, um im Rennen mit dem 1. FC Köln und Union Berlin einen der direkten Aufstiegsplätze zu ergattern. Lust auf eine Relegation hat in Hamburg wahrlich niemand.

Grätscht Kyriakos Papadopoulos bereits am Samstag wieder für die Rothosen? Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Leider ist seit der Rückrunde gerade diese Kompaktheit ein großes Problem bei unseren Jungs. Die Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr sind, wohl auch geschuldet durch einige Wechsel und Änderungen, zu groß. Woran liegt das? Zum einen durch die Abkehr der grundlegenden Spielidee. Die meist sichere Grundordnung des 4-2-3-1 gab Robin Dutt des Öfteren in dieser Saison auf, um mit einer Doppelspitze zu agieren. Der Versuch einer Grundordnung mit Dreierkette im Spiel gegen Kiel, inklusive Verteilung einer Chance für unsere Youngster, endete in einem spielerischen Debakel. Die Rückkehr zur seit Jahren bekannten Grundordnung führte zu einem wichtigen Sieg gegen Heidenheim und einem weiteren Rückschlag in Bielefeld. Man spürt von der Tribüne aus, dass etwas nicht stimmt. Liegt es an den vielen auslaufenden Verträgen? Wurde im Hintergrund bereits Klartext gesprochen und im Sommer wird ein Umbruch stattfinden, so dass die Motivation im Team leidet? Ich könnte nur spekulieren.

Der torgefährlichste Hamburger spielt auch um einen neuen Vertrag im Sommer: Pierre-Michel Lasogga. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Einige Ideen zur Startelf und Ausrichtung gegen den HSV

Möchte man den HSV jedoch schlagen, bedarf es einer Kompaktheit, viel Tempo und Zielstrebigkeit, um nach Ballgewinn die Viererkette unter Druck zu setzen. Douglas Santos agiert arg offensiv und ist der verkappte Spielmacher bei den Norddeutschen. Santos ist in meinen Augen der beste Spieler der zweiten Liga und gehört definitiv in höhere Sphären. Im Sommer wird er dem HSV wohl viel Geld in die Kasse spülen. Durch die bereits angedeuteten Probleme von Mangala im defensiven Stellungsspiel, können in den halb linken Räumen der Hanseaten durch präzise Druckpässe und Tempodribblings immer wieder Lücken gerissen werden. Demnach würde ich mir dort Mut von Robin Dutt wünschen. Mit Simon Zoller auf der Außenbahn sowie Chung-yong Lee und Tom Weilandt hätten wir disziplinierte Spieler, die sowohl defensiv wie offensiv ihre Aufgabe erfüllen. Lukas Hinterseer reibt sich vorne gegen Rick van Drongelen und David Bates auf, wird vermutlich wenig Spielanteile haben, bindet jedoch beide Innenverteidiger, um Räume für unsere offensive Dreierkette hinter ihm zu reißen. Sollte es für Hinterseer (noch) nicht reichen, dürfte Zoller in vorderster Front beginnen.

Die grau schraffierten Zonen werden wohl extrem wichtig sein. Das Hamburger Dreieick Santos, Özcan und Jatta beschäftigt oftmals die rechte Abwehrseite der Gegner mit kurzen Pässen, Läufen in die Tiefe und überraschenden Seitenwechseln. Auffällig dagegen sind die Löcher, die Mangala immer wieder hinter Douglas Santos stopft, welcher in seiner Rolle eher als spielmachender Sechser denn als Linksverteidiger agiert. Hier sollten Pantovic oder Zoller, je nachdem ob Hinterseer spielen kann, viel Raum vorfinden, um zu attackieren im Umschaltspiel.

Defensiv wird uns die Athletik von Jan Gyamerah definitiv fehlen. Bakary Jatta ist derzeit super in Form und mit seiner Schnelligkeit wird er Stefano Celozzi vor einige schwierige Aufgaben stellen. Jedoch hätte ich als Trainer vermutlich auf Gyamerah verzichtet, zeigte er zuletzt doch deutlich, dass er sich sehr mit dem Wechsel zum HSV beschäftigt hat. Eine schlechte Aktion und der Unwillen des Ruhrstadions wäre auf ihn eingeprasselt. Patrick Fabian könnte einen Startelfeinsatz erhalten, um gegen den körperlich agierenden Pierre-Michel Lasogga zu agieren. Generell wird es wichtig sein, auf die Schnittstellenpässe des Hamburger Zentrums, nach Einleitung der defensiven Außenbahn, zu achten. Mit diesen Bällen bringen die Hanseaten immer wieder Bakary Jatta und aussichtsreiche Laufduelle oder können durch eine schnelle Verlagerung der Seiten hinter die Abwehrkette der Gegner kommen. Die linke Seite der Hanseaten ist daher mit dem invers agierenden und spielgestaltenden Douglas Santos hinter dem atheltischen Bakary Jatta besetzt. Auf der rechten Defensivseite behält Gotoku Sakai meist seine defensivere Position und sichert mit Mangala und den beiden Innenverteidigern die Umschaltangriffe der Gegner ab. Der Hamburger Rechtsaußen agiert daher meist ebenso invers. Eine Asymmetrie, die uns aus der Zeit von Gertjan Verbeek bestens vertraut sein sollte.

Volles Lazarett beim VfL

Neben dem gesperrten Jan Gyamerah muss Robin Dutt vermutlich auf Sebastian MaierSidney Sam und Tom Baack verzichten sowie auf die Langzeitverletzten Maxim Leitsch, Jannik Bandowski und Baris Ekincier. Ebenfalls und neu im Lazarett angekommen sind Vitaly Janelt und Danilo Soares, weshalb unser Trainerteam sich in der Defensive einiges einfallen lassen muss, um das Tempo der Hanseaten auffangen zu können.

Hannes Wolf hingegen verzichtet mit Sicherheit auf Hee-chan Hwang, Stephan Ambrosius und Jairo Samperio, welcher jedoch auf den Rasen zurückgekehrt ist und Laufeinheiten absolviert. Besser sieht es bei Kyriakos Papadopoulos aus, der vielleicht erstmals wieder in den Kader rutschen könnte. Auch Kapitän Aaron Hunt könnte vielleicht noch in den Kader zurückkehren. Bei Orel Mangala zwicken die Muskeln, eventuell kann der Organisator im Mittelfeld also nicht Mitwirken.

Der Rahmen für das Spiel am Samstag dürfte gegeben sein. Das Wetter soll trocken, sonnig und mit 16 Grad frühlingshaft werden, das Ruhrstadion dürfte ausverkauft sein und wir werden ein Spiel vom Kaliber Spiel des Jahres erleben. Durch die Ausfälle in der Defensive beim VfL sehe ich den HSV klar in der Favoritenrolle. Dafür sprechen auch die bisher konstant erfolgreichen Auftritte des HSV in der Fremde. Dennoch sollten wir gemeinsam diesen Spieltag anne Castroper und das Flair aus Bundesligazeiten genießen! Ich freue mich immens auf das Spiel! Glück Auf!

Written by Sebastian Hettmann

Als ich zum ersten Mal bewusst im Ruhrstadion war, spielte der VfL Bochum in der Saison 2002/2003 gegen den Hamburger Sport Verein und ein direkt verwandelter Eckstoß sowie einige Anekdoten von meinem Großvater lassen mich seither den Rothosen die Daumen drücken. Ich kam allerdings nie wieder vom Ruhrstadion los und bin seitdem regelmäßig ins Ruhrstadion gegangen. Seit der Saison 2006/2007 fiebere ich als Dauerkarteninhaber im Block N2 bei Spielen unseres VfL mit.

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