Die Inventur des Kaders (Teil 3): Ein harter Winter?

Trainerbüro
Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Die vergangenen Tage hinterließen eine Menge verbrannte Erde. Dennoch möchten wir versuchen, nach vorne zu blicken und, trotz der andauernden, internen Grabenkämpfe, das sportliche nicht außer Acht zu lassen. Uns steht eine Rückrunde bevor, bei der es um die schnellstmögliche Sicherung der zweiten Liga geht, um die Planungssicherheit zu haben, dem Chaos im Verein in Ruhe zu begegnen. Das Sportliche und die daraus erzielten Gelder sind nach wie vor die Grundlage für alles Weitere. Höchste Zeit also, eine erneute Inventur des Kaders durchzuführen!

Abgang oder kein Abgang? – Das ist hier die Frage!

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Die personelle Situation im Verein ist unsicher wie lange nicht mehr. Zuletzt wurde offensichtlich, dass Felix Bastians keine Lust verspürt, unter Christian Hochstätter dem Verein treu zu bleiben. Es wurden Gerüchte bekannt, dass im Falle eines Bastians-Abgangs auch Robbie Kruse und Tim Hoogland den Verein verlassen wollen würden. In der Summe würden diese Wechsel die gesamte Statik der Kaderstruktur verändern. Wir müssten mit Felix Bastians unseren konstantesten Spieler der letzten Jahre, mit Robbie Kruse den besten Scorer der Hinrunde sowie mit Tim Hoogland einen wichtigen Stabilisator und Führungsspieler ersetzen. Hinzu hält sich das Gerücht, dass mit Görkem Saglam ein großes Talent im Mittelfeld mit einem Wechsel liebäugelt. Alle diese Verluste aufzufangen, ist eine Mammutaufgabe, welche für einen Zweitligisten ohne großen finanziellen Aufwand im Winter kaum möglich ist. Demnach wird man intern alles daran setzen, die Saison mit den genannten Spielern gemeinsam zu beenden. Am Ende des Textes werden wir dennoch versuchen, ein Szenario zu beschreiben, in dem diese potenziellen Abgänge durch realistische Neuzugänge aufgefangen werden. Vorher werden wir jedoch auf die bisherige Saison zurückblicken und die einzelnen Mannschaftsteile unter den gewonnenen Erkenntnissen neu bewerten.

Der Status Quo des Kaders

Vom Langzeitverletzten Timo Perthel und Torhüter Manuel Riemann abgesehen, ist die Mannschaft in der Hinrunde im Großen und Ganzen ohne längere Ausfälle geblieben. Die Breite des Kaders war somit nicht notwendig. Einige Spieler waren komplett außen vor. Andere haben zeitweise gespielt, sind jedoch nicht regelmäßig genug im Kader gewesen, um ihren eigenen Ansprüchen zu genügen.

Positiv zu erwähnen sind die Leistungen von Kevin Stöger, Robbie Kruse, Felix Bastians, Stefano Celozzi und Jan Gyamerah. Kruse wurde nach kurzer Eingewöhnung mit Stöger zusammen zur Gesicht der Offensive. Celozzi hat sich über Spielpraxis von den Verletzungspausen der vergangenen Saison erholt und spielt wieder so konstant wie man es von ihm aus den vorherigen Saisons gewohnt ist. Felix Bastians geht trotz der internen Streitigkeiten auf dem Platz als Führungsspieler voran und stabilisiert die Abwehr. Jan Gyamerah hat sich vom Talent zum Stammspieler entwickelt und zeigt souveräne Vorstellungen als Hybrid aus Innen- und Außenverteidiger.

Die anderen Spieler hatten teilweise gute, aber auch schlechte Phasen oder suchen weiterhin ihre Form. Als prominente Beispiele sind hier sicherlich Sidney Sam und Alexander Merkel zu nennen, welche die hohen Erwartungen bzw. die Leistungen in der Vorbereitung in der Hinrunde zu keiner Zeit bestätigen konnten. Auch Thomas Eisfeld, der neben Celozzi zum Führungsspieler aufsteigen sollte, wurde durch kleinere Verletzungen  zurückgeworfen und von Stöger aus der Kreativzentrale verdrängt.

Unsere Schnapper: Nicht immer schuldlos, aber mit positiver Entwicklung

Durch die Verletzungen und Patzer von Stammtorhüter Manuel Riemann schien es kurzfristig auf einen Konkurrenzkampf um die Nummer 1 hinauszulaufen. Doch auch Vertreter Felix Dornebusch zeigte zu Beginn einige Wackler. Zwar ist der Trend positiv. So zeigte er in den beiden neuerlichen Siegen gegen Union Berlin und Regensburg gute Aktionen. In Regensburg war er gar ein Garant für den Sieg! Zu Beginn der Rückrunde sollte jedoch der wieder genesene Riemann zwischen den Pfosten stehen.Nach seinem ersten Ausfall zeigte Riemann wieder solide Spiele, weshalb seine groben Schnitzer zu Beginn der Saison hoffentlich der Vergangenheit angehören.

Hinter unseren beiden ersten Torhütern, hat sich Talent Florian Kraft als dritte Kraft etabliert, weshalb ein Abschied für den vierten Keeper Martin Kompalla immer wahrscheinlicher wird.

In der Innenverteidigung steht und fällt vieles mit Bastians

In der unter Rasiejewski installierten Dreierkette duellieren sich Jan Gyamerah, Patrick Fabian, Tim Hoogland, Felix Bastians, Maxim Leitsch und, überraschenderweise, Anthony Losilla um die drei Plätze. Mit der tieferen Aufstellung von Losilla als zentraler Mann brachte Rasiejewski dem Team mehr Sicherheit und stabilisierte die Defensive. Auch nachdem Hoogland nach auskurierter Verletzung in den Kader zurückkehrte, verteidigte der Franzose diese Position. Ob dies zukünftig so bleibt, oder Losilla zurück ins Mittelfeld oder gar auf die Bank versetzt wird, bleibt abzuwarten. Auch mit Hoogland und Losilla gemeinsam auf dem Feld, haben wir in der Vergangenheit viele gute Spiele des VfL Bochum gesehen. Beide können sowohl im defensiven Mittelfeld sowie auf der zentralen und Halbposition in der Abwehr spielen.

Auf der Letzteren ist Jan Gyamerah die positive Erscheinung der Saison. Mit seiner guten Athletik und fairen Zweikampfhärte ist er sehr gut für diese Position geeignet. Patrick Fabian stellt den klassischen Manndecker dar und kann dort jederzeit eingesetzt werden, wobei er jedoch nach seinen Verletzungen hinsichtlich Endgeschwindigkeit und Beweglichkeit abfällt. Auf links bleibt Felix Bastians die Konstante. Maxim Leitsch hatte in diesem Jahr bereits einige Chancen, sich in Ligaspielen zu zeigen. Zeitweise wurde er dabei jedoch als offensiv orientierter Außenverteidiger eingesetzt, was ihm nicht lag und auch nicht zu seinem Spielerprofil passte. Als Halbverteidiger zeigte er bereits ansprechende Leistungen, wobei er noch einiges dazu lernen muss. Gerade in chaotischen Momenten und unter Druck passieren ihm noch Fehler, so dass seine Leistungen oft noch inkonstant sind. Einen Abgang von Felix Bastians könnte Leitsch wohl nicht auf Anhieb auffangen. Bastians verteidigt extrem weiträumig, wodurch er den offensiver ausgerichteten Soares gut abdecken kann. Zudem schiebt er die Offensivbemühungen immer wieder proaktiv an. Für Leitsch ist dieses Anforderungsprofil noch etwas zu groß.

Tom Baack durfte noch keine Zweitligaluft schnappen und wird vermutlich erst in der kommenden Saison eine Alternative im Kader werden. Bis dahin kann er in der A-Jugend Praxis als Führungsspieler sammeln und lernt im Training bei den Profis die tägliche Härte in der zweiten Liga.

Auf den Außenbahnen fehlt die Dynamik

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Eine besondere Komponente in unserem Spiel sind seither die Außenverteidiger. Durch die schwere Verletzung von Timo Perthel krankte es auf der linken Seite in der vergangenen Saison. Hier konnte Christian Hochstätter mit Danilo Soares einen spielstarken Mann gewinnen, welcher unser Team zu Beginn der Saison (mit-)trug. Zweikampfstark, trickreich, stets anspielbar und vor Spielfreude strotzend, präsentierte sich der Brasilianer im Spätsommer. Leider ließ mit den Temperaturen auch Soares zunehmend nach. Statt isolierte Situationen technisch aufzulösen, wuchs der Frust von seinen Teamkollegen allein gelassen zu werden. Häufig wirkt der Brasilianer wie eine Ein-Mann-Armee, dessen Dribblings selten in die mannschaftlichen Abläufe eingegliedert sind. Versuche Felix Bastians oder Maxim Leitsch als Konkurrenz zum Brasilianer aufzubauen, wurden jedoch schnell wieder eingestellt. Nico Rieble hatte keine Chancen sich bisher zu präsentieren.

Auf der anderen Seite ist mit Stefano Celozzi wieder Konstanz eingekehrt. Unser neuer Kapitän fing sich in der Hinserie und konnte seine guten Leistungen wieder beständig abrufen. Da Atalan und Rasiejewski versuchten,  Celozzi mit seiner Ballsicherheit im zentralen Mittelfeld zu etablieren, konnte Luke Hemmerich vom FC Schalke 04 Startelfeinsätze und Spielminuten als Alternative für die rechte Außenverteidigerposition sammeln. Sicherlich gewöhnt er sich derzeit noch an die Liga – in der schweren Phase, in der es im Team generell nicht lief, machte er seine Sache jedoch ordentlich und konnte beim Rasiejewski-Debüt im wichtigen Heimsieg gegen Sandhausen über 90 Minuten mithelfen. Leider lief es danach nicht immer so gut und das Pokalspiel in Paderborn stellte den Tiefpunkt seiner Hinrunde dar. Die folgenden beiden Partien in der Liga durfte Hemmerich zwar erneut von Beginn an auflaufen, seit der Rückkehr von Celozzi auf die rechte Seite hat er es jedoch nicht mehr in den Kader geschafft. Für Selim Gündüz, die zweite Alternative für diese Position, ist die Situation nicht besser. Unser Bochumer Junge stagniert leider weiterhin und wirkt bei seinen Einsätzen übermotiviert. Sein Spiel ist zu fehlerbehaftet und seine Dribblings versprechen nur selten Erfolg.

Auffällig ist seit Perthels Ausfall die fehlende Dynamik auf den Flügeln. Celozzi und Soares sind kombinationsfreudige Außenverteidiger, die gerne invers vom Flügel in die zentralen Räume dribbeln. Gerade Celozzi wird als Anspielstation im Spielaufbau benötigt und agierte zuletzt fast wie eine Mischung aus Außenverteidiger und Mittelfeldspieler. Kompensiert wurde dies durch eine breitere Stellung von Sam oder Hinterseer, die jedoch ebenfalls lieber in zentrale Räume gehen als Flanken von der Grundlinie zu schlagen. Diese wären jedoch notwendig, damit unsere abschlussstarken Stürmer nicht ausschließlich mit dem Rücken zum Tor agieren müssten,  sondern Hereingaben von Außen verwerten könnten.

Lösungsvorschläge: Mehr Dynamik durch Bandowski und situative Positionswechsel

Seit Verbeek ist die linke Seite die präferierte Durchbruchzone. Insbesondere unter Ismail Atalan erhielt Soares den Auftrag, offensiv zu agieren, um die bekannte Asymmetrie entstehen zu lassen, und Robbie Kruse zentral Freiräume zu verschaffen. Soares sucht dabei jedoch nur selten die Grundlinie. Einzig die Vorstöße von Felix Bastians bringen diese Dynamik mit – aufgrund seiner Position jedoch zu selten. Jannik Bandowski kann diese Stärke einbringen. Er besitzt eine ähnliche Dynamik wie Timo Perthel und konnte den Punktgewinn in Duisburg durch eine fantastische zweite Halbzeit sicherstellen. Seitdem hat es Bandowski jedoch schwer, in den Kader zu kommen. Auch der Trainerwechsel hat keinen positiven Effekt für ihn gebracht. Natürlich können wir sein aktuelles Leistungsniveau im Training nicht beurteilen. Seine physischen Grundlagen machen ihn jedoch zu einem vielversprechenden Kandidaten für die Position des durchbruchsorientierten Linksverteidigers.

Auf der rechten Seite könnte die Dynamik bei identischem Personal durch einen kleinen Kniff entstehen: Im Rahmen einer Positionsrotation geht Celozzi zurück auf rechte Aufbausposition aus der Abwehrkette, während Gyamerah aus der Tiefe die Linie entlang startet. Celozzi kennt diese Position bestens aus dem asymmetrischen System Verbeeks und Gyamerah kann den Tempovorsprung ausnutzen. Somit könnte der VfL kurzfristig Dynamik aufbauen und den Gegner überraschen. Gyamerah hat eine gute Hinrunde hinter sich und wird von Spiel zu Spiel ruhiger und besser. Warum nutzt man nicht seine Dynamik, welcher er bereits als Rechtsverteidiger oder Rechtsaußen zeigte, situativ während des Spiels aus? Er geht tendenziell eher zur Grundlinie, wodurch Flankenläufe wahrscheinlicher wären. Hinzu kommt, dass mit Lukas Hinterseer ein kopfballstarker Mittelstürmer im Strafraum wartet.

Die ideale Besetzung im Zentrum scheint noch nicht gefunden

Eine Vielzahl an Variationsmöglichkeiten besteht im Mittelfeldzentrum. Bisher hat sich beim VfL Bochum hier vieles auf Kevin Stöger konzentriert, der auf seiner neuen Position im zentralen Mittelfeld das Herz und den Motor des Spiels darstellt. Steht Stöger auf dem Feld, hat man das Gefühl, dass jederzeit ein Überraschungsmoment eintreten kann. Egal ob durch Schnittstellenpässe oder lange Bälle in den Lauf, Stöger hat das gesamte Spielfeld im Blick und trifft fast immer die richtigen Entscheidungen. Zusammen mit seinem kongenialen Partner Robbie Kruse ist er maßgeblich an zahlreichen Toren und Punktgewinnen beteiligt.

Neben Stöger ist jedoch noch vieles offen. Um sich voll zu entfalten, benötigt Stöger einen Mitspieler, der ihn absichert und das Verbindungsglied zwischen Offensive und Defensive darstellt. Zuletzt spielte sich Vitaly Janelt wieder in die Startelf und in den Blickpunkt, nachdem er im Laufe der Hinrunde immer wieder kleinere Verletzungen auszukurieren hatte. In diesen Einätzen sah man erneut seine Klasse, die ihn wohl bald in die erste Liga führen wird. Er hat für sein Alter bereits eine immense Ruhe am Ball, ein tolles Zweikampfverhalten und Stellungsspiel. Damit konnte er altgediente Haudegen wie Anthony Losilla und Tim Hoogland hinter sich lassen. Unser verkanntes Genie aus Ostwestfalen, Robert Tesche, konnte sich zu Beginn der Saison in die Startelf kämpfen. Im Anschluss wurde er jedoch nach dem Trainerwechsel gänzlich aus dem Kader verbannt. Zuletzt schaffte er es zurück in den Spieltagskader und erhielt drei Kurzeinsätze. Man sollte Tesche noch nicht abschreiben, könnte er doch mit seiner Erfahrung den ein oder anderen Impuls geben.

Sidney Sam wurde zuletzt oft in einer Hybridrolle aus Flügelspieler und Zehner eingesetzt. Zu den möglichen Kandidaten für eine offensive Mittelfeldposition gehört auch Thomas Eisfeld, von dem man sich endlich wieder eine konstante, gesunde Rückrunde wünscht. Eisfeld ist jemand, der unser Spiel positiv beeinflussen und lenken kann, und durch seine Läufe in die Spitze auch häufig zu Chancen kommt. Er wurde jedoch zuletzt durch Verletzungen zu oft zurückgeworfen. In Kombination mit Janelt und Stöger könnte Eisfeld für eine spielerisch ansprechendere Rückrunde sorgen!

Die weiteren Kandidaten für die offensive Mittelfeldposition haben eher geringe Aussichten auf steigende Spielanteile in der Rückrunde. Görkem Saglam scheint zuletzt auf dem Abstellgleis gelandet zu sein. Um die tatsächlichen Gründe für diese Entwicklung zu benennen oder einschätzen zu können, sind wir nicht oft genug beim Training dabei. In den Spielen wirkte er engagiert wie eh. Seine rückläufigen Einsatzzeiten könnte man daher mit den Gerüchten um einen Wechsel im Winter verbinden. Hier werden die kommenden Wochen neue Erkenntnisse bringen. Alexander Merkel ist nach einem kurzen Hoch und einer tollen Vorbereitung unter Ismail Atalan wieder von der Bildfläche verschwunden. Eine Trennung im Winter, spätestens im Sommer, scheint die einzige sinnvolle Lösung für beide Seiten zu sein. Julian Tomas wird zwar in der ersten Mannschaft geführt, spielt jedoch gänzlich in der A-Jugend.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Der Platzhirsch im Sturm hat sich durchgesetzt

Mittelstürmer Nummer 1 ist Lukas Hinterseer. Was träumten wir Fans noch vor der Saison von einem Sturm mit Hinterseer und Dimitrios Diamantakos; ja man vermochte es sich gar nicht vorzustellen, wer wohl auf der Bank Platz nehmen muss. Nach der Hinrunde bleibt jedoch festzuhalten, dass Hinterseer sich seinen Platz im Sturm durch konstante Leistungen erarbeitet hat. Seine Torausbeute mit 5 Treffern ist in Ordnung, wenn sie auch mit etwas mehr Killerinstinkt vor dem Tor noch besser sein könnte. Er harmoniert zunehmend besser mit Robbie Kruse und ackert und rackert im Sturm. Diamantakos hingegen hat immer wieder mit seinem Rücken zu kämpfen. Es bleibt zu hoffen, dass ihm die Winterpause gut tut und er seine Wehwechen auskurieren kann. Der Grieche im Vollbesitz seiner Kräfte hat zu Beginn der Saison gezeigt, dass er über einen Torriecher verfügt und uns technisch wie spielerisch weiterhelfen kann.

Hinter und neben dem Stoßstürmer blühte Robbie Kruse nach kurzer Anlaufzeit auf. Seine 4 Tore und 3 Vorlagen waren allein in der zweiten Halbzeit in Darmstadt, gegen Sandhausen und in Regensburg für 9 Punkte gut! Ansonsten belebt Kruse unser Spiel durch seine Läufe in die Tiefe, in denen er oftmals von Stöger blendend in Szene gesetzt wird. Im Aufbauspiel tendiert Kruse mit seinen Dribblings nach innen und kann auch so Gefahr vor dem Tor erzeugen. Bei der Wahl der Zielräume für seine Dribblings und Läufe vergisst Kruse jedoch ebenso die Grundlinie wie Soares, wodurch unser Offensivspiel einseitig wird. Die Gegner können sich auf das Zustellen der Wege ins Zentrum konzentrieren.

Von Sidney Sam hatte man sich ebenso wie von Kruse Spielwitz und Ideen erhofft. Sam scheint allerdings derzeit mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein. So bleibt er weiterhin ein Schatten des Spielers, der er sein könnte. Gerade in Paderborn und gegen Union Berlin merkte man Sam das mangelnde Selbstvertrauen an, als er jeweils frei vor dem Tor zu Abschlüssen kam, für die er sich wohl selbst am meisten schämt. Momentan fehlen ihm Spielfreude und Biss, die zwei wichtigsten Zutaten seines Spiels. Es bleibt zu hoffen, dass er durch gute Aktionen sein Selbstvertrauen zurückgewinnt. Dazu ist jedoch der Wille essentiell, auch durch schwierige Situationen und in harte Zweikämpfe zu gehen. Danach sieht es bei ihm aktuell jedoch nicht aus. Es ist wahrscheinlicher, dass er erneut die Flucht ergreift. Kaiserslautern wird bereits als mögliches Ziel gehandelt.

Neben den beiden ist Johannes Wurtz meist als rechte, hängende Spitze aufgeboten worden. Im vergangenen Jahr lebte Wurtz von seiner guten Form und guten Scorerwerten, mit denen er unserer Offensive half, durch eine von Verletzungen geprägte Saison zu kommen. Mit Hinterseer und Kruse hat Wurtz nun jedoch Mitspieler bekommen, die seine primären Stärken besser auf den Platz bringen und seine bevorzugten Räume besetzen. In der Hinserie konnte man immer wieder erkennen, dass Wurtz und Hinterseer sich auf dem Feld zu ähnlich sind, so dass unsere Raumaufteilung im Sturm oftmals suboptimal ist. Die Läufe in die Tiefe, die Wurtz letzte Saison noch auszeichneten, kommen nun von Kruse, der von Stöger auch als primäres Ziel anvisiert wird. Somit wirkt Wurtz auf dem Platz oft orientierungslos und kann seine Stärken nicht einbringen.

Ulrich Bapoh und Vangelis Pavlidis spielten in dieser Hinrunde keine Rolle, wobei Bapoh natürlich in der A-Jugend für Furore sorgt. Für Pavlidis wird es sehr eng überhaupt in den Kader zu kommen. Eine Leihe würde ihm gut tun.

Auf diese Spieler könnte verzichtet werden

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Wie bereits oben beschrieben, können uns Kompalla, Rieble, Merkel, Pavlidis und Gündüz ersatzlos verlassen, da die Positionen bereits doppelt besetzt sind und etwaige Engpässe durch die Variabilität innerhalb des Kaders anderweitig aufgefangen werden können. Für die Spieler wäre es weiterhin schade, im Team zu verbleiben, wenn keine Perspektive auf Einsatzzeiten bestünde. Eine Trennung ist somit sinnvoll und notwendig, um die Trainingsgruppe kompakter zu gestalten. Sollten uns darüber hinaus jedoch weitere Spieler verlassen, müssen diese Spieler definitiv ersetzt werden, um die Variabilität zu wahren und unserem Chef-Trainer genügend Optionen an die Hand zu geben.

Diese Neuzugänge könnten Sinn ergeben

Dieser Teil ist mit Vorsicht zu genießen und ich möchte ihn in zwei Szenarien aufteilen. Im ersten Szenario bleiben uns Felix Bastians, Robbie Kruse, Tim Hoogland und Görkem Saglam erhalten. Das zweite Szenario stellt den Worst Case dar und wir müssen die zuvor genannten Spieler sehr kurzfristig ersetzen.

Szenario 1 (Gezielte Verstärkung): 

Szenario 1

Derzeit ist unser Kader variabel aufgestellt und durchaus in der Lage, die Saison erfolgreich zu Ende zu spielen. Mit Thomas Eisfeld und einem fitten Dimitrios Diamantakos erhält man in der Offensive Power zurück, die uns in weiten Teilen der Hinrunde einfach gefehlt hat. Einzig eine Alternative zu Sidney Sam wäre wünschenswert, um auf der rechten Offensivseite eine Option mehr zu haben. Durch die oben anvisierten Abgänge bliebe ein gewisser Spielraum im Gehaltsbudget, der beispielsweise für Steven Skrzybski genutzt werden könnte. Skrzybski ist bei Union Berlin in Ungnade gefallen und liebäugelt mit einem Wechsel im Winter. Durch sein Tempo und seine Zielstrebigkeit zum Tor, wäre er ein gutes Äquivalent zu Robbie Kruse und eine Verpflichtung in Hinblick auf einen möglichen Abgang von Sidney Sam und/oder Robbie Kruse im kommenden Sommer.

Neben Neuverpflichtungen könnte auch eine weitere Leihe sinnvoll sein, um kostengünstig den Kader zu erweitern. Beispielsweise könnte Jacob Bruun Larsen den Kader verstärken. Der Däne hat leider vermehrt mit Verletzungen zu kämpfen gehabt und beim Nachbarn aus Dortmund eine Vielzahl von qualitativ hochwertigen Mitspielern vor sich. Eine Leihe zu uns könnte ihm Spielpraxis verschaffen. Sein Tempo mit dem Ball ist bemerkenswert, wobei er auch eine brillante Technik am Ball hat. Hinzu kommt die enorme Abschluss- sowie Standardstärke des Dänen.

Auf einem ähnlichen Niveau, jedoch mit Drittligaerfahrung gespickt, ist Martin Kobylanski. Bei Preußen Münster ist er der Mann für die besonderen Momente und ist ebenso stark mit dem Ball und im Tempo wie Bruun Larsen. Für Kobylanski müsste man mit Sicherheit eine Ablöse zahlen, jedoch läuft sein Vertrag 2019 aus. Der nächste Schritt für ihn kann nur ein Wechsel in die 2. Liga sein. Bei einem Interesse aus Bochum werden sich sowohl Preußen Münster als auch Kobylanski die Offerte anhören.

Zu guter Letzt hat Bernard Tekpetey vom FC Schalke 04 seinen Leihvertrag aufgelöst, da er nicht genug Spielpraxis beim SCR Altach sammeln konnte. Wie die anderen Spieler auch, verbindet Tekpetey Schnelligkeit, Dribbling und einen guten Abschluss und wäre damit eine sinnvolle Ergänzung für unsere Offensive. Im vergangenen Sommer gab es bereits Gerüchte um eine mögliche Leihe nach Bochum, Tekpetey und der FC Schalke 04 favorisierten damals aber die Leihe nach Österreich. Gut möglich, dass der VfL Bochum eine der Optionen darstellt, die die Schalker im Rahmen des Trainingslagers mit Tekpetey und seinem Berater prüfen möchte.

Szenario 2 (Kompletter Umbau):

Szenario 2

Im Worst-Case Szenario obliegt es Christian Hochstätter, die Abgänge von drei Spielern aufzufangen, die unser Spiel über lange Zeit geprägt haben und ein hohes Ansehen innerhalb der Mannschaft genießen.

Für Tim Hoogland bedarf es eines Abwehrspielers, der sowohl Erfahrung und Führungsqualitäten mitbringt, Geschick im Zweikampf besitzt als auch den Spielaufbau beherrscht. Im Winter vermutlich ein Spielerprofil, welches nicht zu erhalten sein wird. Demnach bedarf es vor allem Erfahrung und Zweikampfgeschick. Diese Attribute könnte uns Roman Brégerie verleihen, welcher zudem über ein herausragendes Kopfballspiel verfügt und offensiv bei Standards gefährlich wird. Der Vorteil einer Verpflichtung von Brégerie bestünde darin, dass er mit Anthony Losilla bereits einen alten Weggefährten aus seiner Zeit bei Dynamo Dresden auffindet und die zweite Liga wie seine Westentasche kennt. Brégerie wäre demnach eine Soforthilfe, um sich Zeit zu kaufen und Maxim Leitsch und Tom Baack zu entwickeln oder extern nach Neuzugängen Ausschau zu halten. Eine weitere Alternative wäre Marvin Friedrich, welcher für seine gute Spieleröffnung bekannt ist und eine geschickte Zweikampfführung aufweist. Seine mangelnde Spielpraxis in den deutschen Profiligen spricht jedoch klar für Brégerie.

Ohne Neuzugang müsste der Abgang von Bastians durch das Kollektiv aufgefangen werden. Rasiejewski wäre zu einer Umstrukturierung der Rollenverteilungen gezwungen, da Leitsch die linke Seite hinter Soares aktuell nicht alleine schließen kann. Der Zentralverteidiger oder Sechser müssten weiter herüberschieben, wodurch gefährliche Lücken im Zentrum entstehen.

Justin Hoogma, der Sohn vom Ex-Hamburg-Profi Nico-Jan Hoogma, zeigte in den Niederlanden, dass er wie Bastians er ein moderner Verteidiger mit feiner Technik und guter Grundschnelligkeit ist. Die TSG Hoffenheim wurde auf ihn aufmerksam und holte ihn im Sommer in den Kraichgau. Seitdem spielt Hoogma in der Regionalliga Südwest. Für seine Klasse sicherlich zu niedrig. Bei uns könnte der Linksfuß Spielpraxis sammeln.

Robbie Kruse stellt derzeit den Dreh- und Angelpunkt im letzten Drittel dar und müsste durch einen qualitativ hochwertigen Spieler ersetzt werden. Dieser Spieler müsste mit guten Gefühl für Sprints in die Tiefe ausgestattet sowie dribbel- und abschlussstark sein. Robert Zulj hat in der Vergangenheit bei Greuther Fürth unter Beweis gestellt, dass er genau darin auf dem Niveau der zweiten Liga herausragend  ist – ein trickreicher, abschlussstarker Spieler mit vielen Ideen in der Offensive. Unabhängig von einem Abgang von Robbie Kruse sollte man sich mit Robert Zulj beschäftigen, sofern dieser seinen Wechsel zur TSG Hoffenheim bereits bereut. Christian Hochstätter könnte seine guten Beziehungen zur TSG bemühen, um mit Hoogma und Zulj Ersatz für Felix Bastians und Robbie Kruse per Leihe nach Bochum zu holen.

Zuletzt wäre auch Marvin Stefaniak eine tolle Option für unsere Offensive. Beim VfL Wolfsburg bekommt er kein Bein an den Boden. Er hat jedoch in Dresden bewiesen, dass er eine Offensive anführen und den Unterschied ausmachen kann. Durch seine Interpretation der Position wäre Stefaniak ebenfalls ein Linksaußen, der nach innen zieht und so dem Spiel von Stöger unter Verbeek ähnelt. Mit Stefaniak/Zulj, Stöger und Eisfeld auf dem Platz, könnte eine Abgang von Kruse definitiv aufgefangen werden.

 Hochstätter ist am Zug

In den kommenden Tagen wird sich entschieden, ob es für den VfL Bochum ein harter Winter wird. Es geht darum, eine gemeinsame Basis mit der Mannschaft zu finden und so die drohenden Abgänge einiger Leistungsträger aufzuhalten. Sollte dies nicht geschehen, warten auf Christian Hochstätter viele Überstunden und eine hohe Handyrechnung im Winter.

Autor: Sebastian Hettmann

Als ich zum ersten Mal bewusst im Ruhrstadion war, spielte der VfL Bochum in der Saison 2002/2003 gegen den Hamburger Sport Verein und ein direkt verwandelter Eckstoß sowie einige Anekdoten von meinem Großvater lassen mich seither den Rothosen die Daumen drücken. Ich kam allerdings nie wieder vom Ruhrstadion los und bin seitdem regelmäßig ins Ruhrstadion gegangen. Seit der Saison 2006/2007 fiebere ich als Dauerkarteninhaber im Block N2 bei Spielen unseres VfL mit.

Schreibe einen Kommentar

Laden...

0

Was haben wohl Zlatan Ibrahimovic und Marcel Maltritz gemeinsam? – Teil 2 des großen Interviews mit Marcel Maltritz

Atalans Amtszeit – Zwischen Dominanz und Instabilität