Eine Wundertüte mit Tendenz zum Negativen

Am Samstag ist bei uns in Bochum der VfL Wolfsburg zu Gast. Die Wolfsburger sind relativ gut in die Saison gestartet, konnten aus den letzten sechs Ligaspielen aber nur noch einen Sieg holen. Auch wenn der Verein auf Grund seiner Verflechtungen zum VW-Konzern immer wieder in Kritik steht, auf der sportlichen Seite hat man Kader mit vielen interessanten Talenten zusammenstellen können. Wir sprechen mit Wolfsburg-Fan Thorben über Entwicklung, Erwartungshaltung und Niko Kovac.

Wie ist derzeit die Stimmung in Wolfsburg?

Sehr gemischt. Der Sieg über RB macht vieles aus der eigentlich sehr schlechten Stimmung der letzten zwei Monate wett, übertüncht aber auch ein bisschen, dass schlechte Spiele und Klatschen wie die gegen Gladbach vor ein paar Wochen deutlich häufiger vorkommen als man es inner- und außerhalb des Vereins vor der Saison erwartet hat. Irgendwo sind wir Fans auch verärgert, dass es offenbar vor allem an der Motivation der Spieler hängt, was für ein Spiel wir auf dem Platz sehen – So sehr man gegen Leipzig gebrannt und sich in die Zweikämpfe geworfen hat, so leer und ausdruckslos war das Spiel in Gladbach oder große Teile der Partie gegen Werder. Wir sind momentan eine Wundertüte mit Tendenz zum Negativen, und da hat wohl jeder, Verantwortliche wie Fans, mehr erwartet. Ein bisschen Hoffnung, dass der wiederholte Sieg gegen den vormaligen Angstgegner neue, positive Kräfte freisetzt, haben wir alle, aber realistisch betrachtet ist momentan jede Partie zu einem großen Teil Glücksspiel, insbesondere auswärts.

Wie sehr schmerzt die sicher geglaubte Europacup-Quali, die man am letzten Spieltag verspielte oder wäre Europacup nur „Bonus“ gewesen?

Persönlich schmerzt sie sehr – die Ausgaben, die wir haben, der Anspruch an den Club, die Erwartungen der Fans schreien einfach nach Europapokal, und dann versemmelt man ihn daheim gegen einen feststehenden Absteiger nach Führung, weil man, siehe oben, eine absolute „Nullbockpartie“ hinlegt. Vielleicht wirkt dieses Spiel auch noch ein wenig nach, denn so, wie wir momentan spielen, hätten wir international eh nichts zu suchen. Bleibt natürlich die Frage, ob eine Europapokalsaison die Spieler eher motiviert oder eher zusätzlich geschlaucht hätte. Vermag mir da kein Urteil zu bilden, aber schlussendlich bleibt natürlich der Wunsch, wieder Europapokalnächte zu erleben und vielleicht auch selbst mal mitfahren zu können. War als Schüler und Student in unserer jeweiligen Prime leider nicht drin, und wann das nächste Mal die Möglichkeit besteht, liegt angesichts unserer derzeitigen Platzierung wohl eh in den Sternen.

Spiegelt der aktuelle Tabellenplatz die Leistungsstärke des VfL wieder?

Definitiv. Allein von den Zahlen her haben zehn Clubs mehr Tore geschossen als wir, zehn dagegen auch mehr kassiert. An guten Tagen können wir mit Clubs wie Leipzig, Dortmund und Co. konkurrieren, sie teilweise sogar schlagen, an schlechten Tagen ergaunern wir uns gegen die sog. „Kellerkinder“ knappe Siege oder schärfen unsere Auswärtsschwäche. Liefe alles optimal, die Mannschaft müsste sicher deutlich weiter oben stehen, aber das ist eben nicht der Fall – In der momentanen Leistungsfähigkeit liegen wir exakt im Mittelfeld der Liga, und Platz acht spiegelt das sehr gut wieder. Spötter würden sagen „Graue Maus der Liga, das passt!“, aber es ist tatsächlich so – Viel mehr scheint aktuell nicht drin zu sein.

Die Wolfsburger Mannschaft beim Torjubel beim Champions-League-Spiel in Salzburg Foto: Werner100359 (Wikimedia Commons)

Wie bewertest du die bisherige Saison der Neuzugänge?

Da wir sowieso eine durchwachsene Saison spielen, können natürlich auch die Neuzugänge nicht so wirklich durchstarten. Positiv bewerten würde ich momentan definitiv Joakim Maehle, der eine tolle Dynamik ins Spiel bringt, Moritz Jenz, der auf Anhieb einer unserer stärksten Innenverteidiger geworden ist und, aus verschiedenen Gründen, leider nicht immer den Vorzug erhält, Vaclav Cerny, der eindeutig zeigt, dass er ohne seine schwere Verletzung weder in Enschede noch bei uns gelandet wäre und, als „Quasi-Neuzugang“ Aster Vranckx, der nach seiner Leihe zum AC Milan endlich zeigt, dass seine Qualitäten im defensiven Mittelfeld uns auf Dauer weiterhelfen können, nachdem noch im Sommer gerüchtehalber der Abschied aus Wolfsburg im Raum stand.

Neutral stehen für mich Lovro Majer, Tiago Tomás und Rogério da. Lezterer hat gegen Leipzig das Siegtor geschossen, defensiv aber noch Schwächen abzustellen, bis er tatsächlich dauerhaft eine stabile Alternative hinten rechts sein kann. Tiago Tomás zeigt ab und zu seine Qualitäten als Flügelspieler, Dribbling und Tempo sind seine Stärken, aber teilweise verschwindet er auf dem Platz auch einfach, wenn es nicht läuft. Ein bisschen wie Omar Marmoush – Unterschiedsspieler, wenn es läuft, aber nicht auszumachen, wenn es darum geht, zu ackern, zu kämpfen und, ganz Bochumer Tugenden, den Rasen zu pflügen. Majer, unser Top-Transfer, konnte bisher noch nicht umfassend zeigen, weshalb er in der kroatischen Nationalmannschaft seinen Platz hat und teilweise auch als „Mini-Modric“ bezeichnet wird. Natürlich gibt es wunderschön anzuschauende Einzelaktionen, Schlenzer an die Latte oder, wie gegen Heidenheim am 1. Spieltag, Dribblings, wo er zwei bis drei Gegenspieler einfach stehen lässt. Aber der Takt- und Ideengeber, den wir uns erhofft haben, der angesichts einer Ablöse von 25 Millionen Euro auch irgendwo erwartet wird und der uns immer noch, massiv fehlt, der ist er (noch) nicht. Wir alle hoffen, dass er in diese Rolle noch hineinwächst und die Abstimmung mit den Kollegen besser wird, dann haben wir sicher noch viel Freude an ihm!

Die Neuzugänge scheinen den VfL als Zwischenschritt zu Topclubs zu nutzen. Ist der VfL in der Riege der Ausbildungsvereine angekommen?

Ganz ehrlich, waren wir jemals mehr? Klar hat man sich, gerade in der Zeit unter und nach Felix Magath, als Top-Club geriert, der im Konzert der Großen mitspielen wollte und dafür auch ordentlich Kohle ausgegeben hat. Aber Erfolg hatten wir quasi ausschließlich mit jungen Spielern, die, gut ausgebildet, bei uns den Zwischenschritt vom Jugendclub in die höheren Weihen der großen Ligen machen wollten. Einen Julian Draxler vermisst hier in Wolfsburg keiner, einen Diego ebenso wenig. Edin Dzeko, Grafite, Marcel Schäfer, Kevin de Bruyne, Koen Casteels, Diego Benaglio, Micky van de Ven, das sind die Spieler, die uns groß gemacht haben und die, im Gegenzug, auch wir groß gemacht haben. Einige davon waren kürzer, einige länger hier, Koen bleibt noch bis Ende der Saison, Schäfi arbeitet, mit dem in Bochum bestens bekannten, Sebastian Schindzielorz, inzwischen als Verantwortlicher im sportlichen Bereich bei uns. Grafite besucht den Club immer wieder, gerade in den letzten Wochen war er wieder im Stadion – Das ist die Wolfsburger DNA, so, wie wir sein wollen. „Ausbildungsclub“ klingt immer so negativ, ist aber eigentlich eine Auszeichnung für gutes Scouting und herausragende Bedingungen und Förderung für die jungen Spieler, die hier ankommen.

Man müsste viel mehr Geld investieren und das viel zielstrebiger, um mehr aus uns zu machen. Auf diesem Weg würde man die Geschichte des Clubs, die Verbundenheit zur Stadt und die ofmals belächelte Verbindung zum Werk verlieren, sich von den Fans, die man hat, noch mehr entfremden, lange bevor man auch nur ein billiger Abklatsch von Chelsea, Man City oder PSG wäre. Das möchte wahrscheinlich keiner von uns, deshalb sind wir mit dem Status Quo als „Ausbildungsverein“ für die Großen der Liga und international, sehr zufrieden!

Welcher Neuzugang oder Spieler im Kader konnte bisher noch nicht so „zünden“ wie gewünscht? Bzw von wem erwartest du dir noch eine Leistungssteigerung?

Negativ bewerte ich bisher leider Cedric Zesiger. Der Sprung aus der Schweiz in die Bundesliga gelingt ihm noch nicht so wirklich, und durch die Konkurrenz mit Maxence Lacroix und Moritz Jenz reduziert sich natürlich auch seine Spielzeit erheblich, wenn beide gesund sind. Körperlich ist Cesi eine Bank, in der Luft kommt kaum jemand gegen ihn an, aber auf dem Boden, gerade im Tackling, muss er noch einiges zulegen.
Oben genannt wurde ja beispielsweise auch Lovro Majer, dazu kommen Patrick Wimmer (Stichwort letztes Auswärtsspiel in Bochum), auch Sebastiaan Bornauw hat momentan massive Probleme und baut regelmäßig Fehler ein, die uns ab und zu auch Punkte kosten. Amin Sarr, ausgeliehen aus Lyon, findet für mich noch gar nicht statt, bei ihm könnte es ein sehr kurzer Stint in Wolfsburg werden. Steigern könnten sich wahrscheinlich fast alle außer Koen Casteels noch, der für mich schlicht einer der besten Keeper der Liga ist und den wir schmerzlich vermissen werden nach Ende seines Vertrages.

Wie kann man Sesis Arbeit im Verein bewerten? Als Außenstehender bekommt man ja nicht viel mit, wie er hinter den Kulissen arbeitet.

Als VfL-Fan ist das sehr ähnlich! Eigentlich relativ positiv. Natürlich ist nicht wirklich klar, wer welche Entscheidungen trifft, aber strategisch bin ich mit den meisten Entscheidungen, die unsere sportlichen Leiter treffen, doch sehr einverstanden. Wie oben schon geschrieben sind wir sportlich darauf angewiesen, Talente zu sichten und zu entwickeln – dass da immer auch Fehler passieren können, ist logisch, aber Stand jetzt wäre ich mit der Arbeit unseres Duos Schäfi/Sesi mehr als zufrieden. Die üblichen Kritikpunkte, die man quasi jedem Funktionär irgendwann mal anlasten kann, fallen für mich da nicht wirklich ins Gewicht.

Welcher Abgang wird bisher schmerzlich vermisst bzw. konnte man noch nicht auffangen?

Natürlich Micky van de Ven. Die Abgeklärtheit und Zweikampfstärke, die er trotz seines jungen Alters mitgebracht hat, sind schlicht nicht zu ersetzen. Jenz und Zesiger sind qualitativ sehr gute Verteidiger, nach denen sich viele Bundesligisten die Finger lecken würden. Gerade S04 war ja mehr als verschnupft, dass man Moritz Jenz zu einem Bundesligisten ziehen lassen musste, weil man aufgrund des Abstieges die finanziellen Erwartungen Lorients nicht bedienen konnte oder wollte. Diese sportliche Extraklasse, die Micky mitbringt und auf Grund derer er jetzt absolut verdient bei Tottenham Premier League spielt, bringt einfach kaum ein Spieler mit, und wenn, dann ist er für uns einfach nicht leistbar. Natürlich fehlt darüber hinaus auch ein Lukas Nmecha, der zwar kein Abgang ist, aber durch seine Verletzung(en) so lange nicht zur Verfügung steht/stand, dass man beinahe das Gefühl hatte, er wäre einer. Macht unseren Sturm deutlich ineffektiver, auch wenn Jonas Wind selbstverständlich einen grandiosen Saisonstart hatte. Mit beiden vorgenannten Spielern in ihrer Prime wären wir deutlich stabiler und gefährlicher unterwegs und wahrscheinlich in den internationalen Plätzen.

Besonders zu nennen ist hier auch noch Josh Guilavogui. Sportlich hat er seinen Zenit längst überschritten, das muss man zugeben, auch wenn ich ihm in Mainz natürlich jede einzelne Minute von Herzen gönne und hoffe, dass er bald wieder genesen und zurück auf dem Bundesligarasen ist, aber innerhalb der Mannschaft ist er kaum zu ersetzen. Eine Frohnatur mit unheimlichen Verantwortungsgefühl, der es immer wieder geschafft hat, die Jungs zu einem Team zusammen zu schweißen und aus Einzelkämpfern etwas größeres zu machen – Gerade auch, weil er sich um die Jungen und die Neuzugänge fast schon väterlich gekümmert hat. Wenn es darum ging, vorweg zu gehen, dann war er immer ganz vorne dabei, hat seine Knochen für den Club hingehalten und sich nie versteckt, wenn es Schelte gab, ob nun durch den Trainer, die Medien oder durch uns Fans, während er neben dem Platz immer und immer wieder versucht hat, von seinem Wohlstand und dem Glück, dass er durch sein Talent erfahren hat, Ärmeren und Benachteiligten etwas zurückzugeben. Ihm hat man die Identifikation mit dem VfL Wolfsburg angesehen und angemerkt, und dafür wird er hier in Wolfsburg immer offene Türen und Herzen einrennen, sollte er jemals den Wunsch verspüren, dauerhaft nach Deutschland und Wolfsburg zurückzukommen nach seiner aktiven Karriere. Ihn menschlich zu ersetzen, das wird nicht funktionieren, und ich gehe davon aus, dass man das in der Kabine doch auch merkt.

Gibt es jemand im Kader, der die Tore von Jonas Wind perspektivisch ersetzen könnten? Bisher scheint man sehr von Winds Toren abzuhängen?

Jonas Wind ist momentan DER Stürmer, auch aufgrund der Verletzungsmisere bei Lukas Nmecha. Perspektivisch verteilen sich die Hoffnungen so ein bisschen auf alle Offensivspieler, die wir haben – Cerny habe ich ja bereits angesprochen, aber gerade auch Tiago Tomás, Dzenan Pejcinovic, Jakub Kaminski, Ulysses Llanez und Kevin Paredes haben nicht ohne Grund vielerorts U-Nationalmannschaften durchlaufen und wurden von verschiedenen höherklassigen Clubs gejagt. Mancher ist momentan verletzt oder leidet unter schlechter Form, aber fiele Jonas Wind jetzt aus, dann müsste einer von den Genannten diese Verantwortung übernehmen, und zuzutrauen wäre es jedem von ihnen. Wer es letztendlich packt oder packen würde, da vermag ich mir keine Aussage zu erlauben, aber die Hoffnung darauf besteht definitiv!

Wout Weghorst, in Wolfsburg von 2018 bis 2022 unter Vertrag, mittlerweile in Hoffenheim. Foto: Steffen Prößdorf (Wikimedia Commons)

Der Kader der Wölfe strotzt vor Potential. Reicht Maximilian Arnold als Identifikationsfigur und Leitwolf aus und bringt er es momentan auf den Platz?

Tja, das Strotzen ist ja nicht das Problem, eher die Konvertierung dieses Potential in Tore und Spielzüge. Bei Maxi Arnold gab es in letzter Zeit etwas Sand im Getriebe im Verhältnis zu Kovac, gegen Leipzig saß er beinahe das gesamte Spiel auf der Bank, während er in Gladbach trotz vorheriger Differenzen mit Kovac durchgespielt hat. Was genau vorgefallen ist, entzieht sich meiner Kenntnis, aber man muss ihm anrechnen, dass er trotzdem mit vollem Elan weiter arbeitet und versucht, sich wieder in die Mannschaft zu spielen. Svanberg und Vranckx harmonieren momentan als DM/ZM-Verbund sehr gut und bringen die Aggressivität mit, die Kovac gerne sehen möchte, da ist es auch für einen Maximilian Arnold schwierig, wieder in die Mannschaft zu rutschen, und dort profitiert er auch ein Stück weit von Kovacs Faible für Rotation. Ab und zu wäre jedoch ein weiterer Leitwolf neben ihm ganz praktisch, um das einigermaßen junge Team zu führen und diese Last auch auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch hier könnte ein Grund für die schwankenden Leistungen der letzten Woche liegen, denn eine tatsächliche Führungsstruktur hat sich da noch nicht herauskristallisiert neben Maxi, der als eine Art „graue Eminenz“ und „Mister VfL Wolfsburg“ nicht nur unser Rekordspieler, sondern auch Gesicht und Herz der Mannschaft und des ganzen Clubs ist.

Spaltet Nico Kovac den Verein oder ist er noch der richtige Trainer?

Für mich ist er das, für viele andere nicht, das merke ich gerade hier in den Foren immer wieder. Wir Fans sind auf jeden Fall gespalten, auch wenn das nach Außen hin verwundert. Viele kreiden ihm an, den Schritt der Weiterentwicklung noch nicht vollzogen zu haben, vom Kampffussball mit körperlichen Tugenden hin in eine Richtung, die Leverkusen gerade vormacht. Man wirft ihm die teils übertriebene Rotation und taktische Umänderung eigentlich funktionierender Systeme vor und die Verunsicherung, die in der Mannschaft herrscht, weil die Gründe für diese Rotation oft nicht wirklich nachvollziehbar sind, auch nicht für die Spieler selbst. Persönlich würde ich ihm die Chance geben, das Ruder herumzureißen und die Mannschaft wieder zu stabilisieren, weil ich weiterhin in das vertraue, was er darstellt und dem Club eingeflößt hat, weil personelle Stabilität in letzter Zeit bei uns viel zu kurz kam und die Grundtugenden, für die Kovac steht, für mich erste Basis für einen erfolgreichen VfL sind. Ob das reicht, ob ich da einer Mindermeinung anhänge oder mich komplett täusche? Keine Ahnung, aber noch bin ich bereit, über Spiele wie gegen Gladbach hinwegzusehen, in denen es schlicht an allem gefehlt hat, was Fussball ausmacht. Die Mannschaft scheint das ähnlich zu sehen, sonst hätte sie sich gegen Leipzig nicht dann den Allerwertesten aufgerissen, als es darauf ankam. Ob das reicht, gerade auch unseren Verantwortlichen, wird man dann sehen. Es bleibt auf jeden Fall spannend!

Gibt es Gründe für die Formdelle von Ridle Baku?

Gute Frage, nächste Frage. Ein bisschen ärgert es mich, da Ridle als echter Meenzer natürlich auch ein bisschen meinen eigenen Lokalkolorit zum VfL bringt, aber ich bin zuversichtlich, dass sich diese Formdelle wieder gibt. Dafür ist Ridle Profi genug, und wer weiß? Wenn er das in den Griff bekommt, ist der Sprung zur Nationalmannschaft in diesen stürmischen Zeiten vielleicht gar nicht mehr so weit, wie er momentan scheint. Das könnte Zusatzmotivation sein, nachdem in der letzten Sommerpause immer wieder mal das Gerücht aufkam, er wolle den Verein verlassen. Persönlich bin ich froh, dass er geblieben ist!

Ist die Champions League noch ein Ziel ins Wolfsburg oder hat man die aufgrund der Finanzkraft der Konkurrenten eher abgeschrieben und würde sie als „Bonus“ mitnehmen?

Definitiv Bonus. Die Bayern, Dortmund, Leipzig und Leverkusen sind uns meilenweit voraus, und dann kommen Clubs wie Hoffenheim, Gladbach, Freiburg, Frankfurt und Stuttgart, die bei guten Saisonverläufen mindestens ebenbürtig sind. Klar herrscht hier finanziell keine Armut, aber verglichen mit den ersten vier genannten Clubs muss man aus Wolfsburger Sicht einfach konstatieren, dass für die Champions League verdammt viel zusammenlaufen muss. Natürlich will man des Öfteren in die Europa- oder Conference League, aber die höheren Weihen machen in neun von zehn Fällen die Großen unter sich aus. Wichtig für uns wäre nur, in diesem zehnten Fall parat zu stehen und den Platz, der über bleibt, aufzulesen, wenn sich die Chance dazu bietet. Eigentlich genau das, was letzte Saison so spektakulär misslungen ist.
Wer von uns ernsthaft höhere Ansprüche hat, der müsste halt auch dementsprechend wieder die Schatulle aufmachen.

Wo landet der VfL Wolfsburg am Ende der Saison?

Verdammt gute Frage! Ich persönlich gehe von einer Platzierung ähnlich wie der jetzigen aus. Irgendwo im Mittelfeld der Tabelle, wenn sich bis zum Januar nicht noch massiv etwas ändert. Bekommt Kovac uns in den Griff, dann kann es die Europa League werden, ja, aber momentan sieht es nicht so aus, und angesichts unserer Leistungen wäre das bisher auch nicht verdient. Aber, um mal den Allgemeinplatz zu bedienen: „Die Saison ist noch lang!“. Am Ende sind wir wahrscheinlich genau so überrascht wie ihr, wenn sich noch Grundlegendes ändert, aber die Hoffnung muss man ja nicht unbedingt schon vor Weihnachten aufgegeben.

Was hält man in Wolfsburg vom VfL Bochum?

Puh, ohne Kontakt zur Szene eigentlich schwer zu sagen. Würde mich aber wundern, wenn man gegen den VfL irgendetwas hätte. Ehrlicher Fussball, ein geiles Feeling an Bundesligawochenenden und ein fast schon ikonisches Stadion – der VfL Bochum ist für mich und wahrscheinlich auch für viele andere eine Art lebendes Fossil im positivsten Sinne. Ein Stück Bundesliga der alten Schule, dass den Sprung in die 2020er-Jahre gemeistert hat und jetzt hoffentlich wieder seinen Stammplatz in der Liga einnimmt, den es schon zu meiner Jugendzeit hatte. „Bochum“ und „Bundesliga“ gehören für mich einfach zusammen, und Auswärtsfahrten nach Bochum sind immer wieder ein kleines Highlight. Der Stolz auf den Verein ist riesig, und es macht einfach Spaß, diesen Vibe am Spieltag mitzunehmen und einen Nachmittag Bundesliga so zu verbringen, wie er sein sollte. Das wissen, denke ich, auch viele Wolfsburger zu schätzen.

Für mich persönlich geht es am Samstag auch wieder ins Stadion, und ich freue mich riesig drauf. Der Vorteil am Wohnort im Südwesten Deutschlands ist, dass man viele Auswärtsspiele in NRW, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern mitnehmen kann, während man sonst in der eigentlichen Szene nicht so vernetzt ist.

Was denkst du ist für den VfL Bochum in dieser Saison drin?

Der Klassenerhalt sollte machbar sein. Mainz und Union sind Clubs, die eigentlich nicht da unten stehen dürften – Beide haben den Trainer gewechselt und es wird spannend sein zu sehen, wie sich das auf die Tabelle auswirkt. Der Effzeh ist momentan für mich, leider, das schwächste Team der Liga, noch hinter dem SVD, und gerade scheint Baumgarts Ansatz der Motivation und Verbesserung von Spielern, die eigentlich nominell kein Bundesliganiveau haben, nicht zu fruchten. Wo früher Jungs wie Huseinbasic brilliert haben, nachdem sie aus der vierten Liga kamen, hat man momentan das Gefühl, Köln könnte jahrelang spielen und würde kaum Chancen kreieren. Rechnet man dann noch Darmstadt dazu, die nominell eigentlich letzter sein müssten, Werder, dass eine noch unkonstantere Saison als wir spielt und Heidenheim, dass sich für einen erstmaligen Aufsteiger in die Bundesliga grandios präsentiert, aber natürlich eigentlich auf prädestiniert für den Abstiegskampf ist, dann gehe ich mindestens von einem Platz im unteren Mittelfeld für unsere Bochumer Namensvettern aus. Wenn man weiterhin so stabil punktet, auch mal Spitzenteams wie Leipzig einen Punkt abluchst, dann interessieren Klatschen wie gegen Bayern nicht und man hält souverän die Klasse. Ich würde es euch gönnen! Bochum ist immer eine Reise wert und eines meiner Auswärtshighlights.

Dein Spieltipp?

Natürlich würde ich mich über einen Auswärtssieg freuen, gerade letzte Saison war es für uns Wolfsburger ja ein ziemlich entspannter Besuch anner Catsroper. Realistisch betrachtet rechne ich eher mit einem Unentschieden, gerade auch aufgrund der ansteigenden Formkurve der Bochumer. Sieben Punkte aus sieben Spielen mögen nicht nach viel klingen, aber für mich ist die Kontinuität wichtig – Zuhause ist Bochum eh immer unangenehm zu bespielen, und wenn sich der VfL auch nur einigermaßen darauf besinnt, dann wird das am Samstag ein hartes Stück Arbeit!

Vielen Dank für das Interview!

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Autor: Matthias Rauh

Obwohl in Bayern wohnhaft besitze ich eine Dauerkarte beim VfL und versuche, jedes Heimspiel und jedes Auswärtsspiel im Süden vom VfL mitzunehmen. Meine Begeisterung für den VfL entwickelte sich in der Saison 2006/07, endgültig besiegelt wurde sie bei dem eigentlich völlig belanglosen Spiel Karlsruher SC gegen den VfL im Jahr 2008. Während eines Fußballturniers wollten meine Mannschaftskameraden in der Bundesligakonferenz ständig die Zwischenstände von Bayern München und Nürnberg wissen, ich erntete misstrauische Blicke, als ich den Zwischenstand von Bochum wissen wollte. Abstieg, Relegation, Funkel, Neururer... ich bin immer noch dabei und freue mich immer mehr auf Spiele wie Bochum gegen Sandhausen als Bayern gegen Dortmund.

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