Wo steht der VfL – wo geht die Reise hin?

Die Wolken über der Wirkungsstätte des VfL sind zunehmend dunkler. Foto: VfL Bochum

Der VfL Bochum spielt am 9. Spieltag der Bundesligasaison 2023/24 nur 2:2 gegen den FSV Mainz 05. In der letzten Minute der Nachspielzeit erzielen die Gäste glücklich den Ausgleich. Einer leichten Euphorie im Stadion wich die Ernüchterung. Die Mannschaft von der Castroper Straße wartet weiter auf den ersten Saisonsieg. Wo steht der VfL Bochum im Herbst 2023? Wird es ein trister Herbst, wie es schon so viele gab an der Castroper Straße, oder schafft das Team in den nächsten Spielen die Kehrtwende? Wir haben Meinungen gesammelt.

Stefan: Die Lockerheit, das Einfache ist weg

Ich fühle mich nach dem Schlafen immer noch leer vom gestrigen Spiel.

Der späte Knockout trägt natürlich einen großen Teil dazu bei, aber es ist viel mehr als das. Der VfL muss unglaublich viel für jedes Spiel investieren und selbst dann reicht es nur zu einem Minimalerfolg, wenn schon sehr viel glatt läuft. Siehe das Beispiel Leipzig, wo Manuel Riemann gleich zwei Elfmeter halten musste. Gegen ein Spitzenteam ist das bemerkenswert, aber es zieht sich durch die Saison.

Manuel Riemann. Foto: VfL Bochum 1848

Gegen Mainz hätte es vielleicht für drei Punkte reichen können, eigentlich sogar müssen. Aber deutlich vor beiden Gegentoren ist die Ordnung komplett verloren gegangen. Beim ersten Gegentor war locker zehn Minuten vorher schon komplett der Zugriff im Mittelfeld weg. Nach seinem ersten Startelfeinsatz nach langer Verletzung war Philipp Förster stehend KO und so funktionierte die intensive Spielweise nicht mehr. Hier hätte der Trainer früher eingreifen müssen. Am Ende ging dann wieder die Ordnung verloren. Die Umstellung auf zwei Spitzen mit dem Duo Asano / Daschner dahinter war auch nicht ideal, um eine Führung zu verwalten. Paciência versuchte, im Mittelfeld Bälle fest zu machen, aber so ballsicher er vorne ist, das funktionierte nicht mit Spielern überall um ihn herum.
Hier hätte man eventuell Wittek reinnehmen können und Danilo das Mittelfeld verdichten lassen, wo er bereits während des Spiels oft hin geschoben ist. Aber das sind jetzt alles nur Einzelaspekte. Fakt ist: Jeder kleine Fehler wird bestraft, jeder vergebenen Großchance trauert man am Ende nach.

Vielleicht braucht die Mannschaft einfach nur ein Erfolgserlebnis, um wieder lockerer zu werden, aber was wenn nicht?

Es kommen jetzt drei weitere Gegner, bei denen endlich auch mal drei Punkte rausspringen müssen. Idealerweise müsste man sechs bis sieben Punkte holen. Aber das ist leichter gesagt als getan, wenn man in neun Spielen fünf Punkte geholt hat. Die taktischen Veränderungen insbesondere mit Ball sehen zumindest in dem Licht auch nicht glücklich aus. Ich maße mir nicht an, diese als Grund zu sehen, dafür habe ich einfach nicht genug Ahnung, aber alles sollte auf dem Prüfstand stehen beim schlechten Saisonstart.

Natürlich ist auch die Verletzung von Bero bitter, dazu dann noch der Ausfall von Osterhage. Aber das kann keine Ausrede sein, wenn man in der Liga bleiben möchte. Es ist einfach so frustrierend und die Erholungsphase zwischen den Spielen dauert auch für mich immer länger.

Moritz: Zielsetzung noch nicht erfüllt

Die Mannschaft und das Trainerteam bekommen diese Saison den Bock einfach bisher nicht umgestossen. Die große Stärke des letzten Saison, aus Fehlern und Niedernlagen die richtigen Schlüsse zu ziehen und die entsprechenden Anpassungen vorzunehmen, ist in dieser Saison noch nicht zum Vorschein gekommen.

Die Ausrichtung im Sommer war klar. Den Kader punktuell verstärken und breiter aufstellen, um weniger leicht ausrechenbar zu sein und auf Gegner besser reagieren zu können. Auf einigen Positionen hat das sehr gut geklappt, auf anderen braucht der ein oder andere Spieler noch ein wenig um in der Bundesliga anzukommen. Grundsätzlich hat man jede Position doppelt besetzt. Das war in den letzten Jahren nicht immer so.

Neben einige derben Ausrutschern, welche es auch in der letzten Jahren gab, schafft man gegen angeschlagene Gegner zu punkten, sondern maximal unentschieden zu spielen.

So auch am Freitag Abend. Mit dem Druck der ersten zwanzig Minuten alleine, konnte man nicht auf die Siegerstraße kommen. Gladbach konnte eine schwache erste Halbzeit gegen uns besser nutzen. Nach dem Umstellungen der Mainzer hatten wir weniger Zugriff, fanden selber keine Mittel mehr um zu reagieren. Die Zielsetzung der Sommerpause konnte bisher noch nicht auf dem Platz umgesetzt werden. Die Mannschaft hat ihre Balance auf dem Platz noch nicht gefunden. Verbunden mit Pech im Abschluß und zwei unglücklichen Gegentoren konnte Mainz einen sehr glücklichen Punkt mitnehmen. Das ExpextedGoals-Verhältnis von 1.65 zu 0.38 spricht Bände. Man hat ein, auch vom Niveau her, echtes Kellerduell nicht für sich entscheiden können. Haste Scheisse am Fuß, haste eben Scheisse am Fuß. Der Brustlöser für das Team fehlt.

Glücklicherweise erging es der Konkurrenz an diesem Spieltag ähnlich wie uns. Tortzdem muss der VfL seine Hausaufgaben selber machen, Lösungen finden, gerade beim spielenden Personal und der Herangehensweise. Sonst wird es sicherlich kein goldener Herbst an der Castroper Straße.

Fehlt bisher das Glück im Abschluss:Philipp Hofmann. Foto: VfL Bochum

Robin: Kommt die Systemumstellung?

Diese gefühlte Niederlage auf fehlendes Spielglück zurückzuführen, wäre der falsche Ansatz. Gegen einen extrem verunsicherten Gegner hat man sich kaum eine Torchance aus dem Spiel herausspielen können. Wo dringend Kreativität in der zweiten Halbzeit gefragt war, wurden zwei Stoßstürmer eingewechselt. Über die Außenbahnen kommen keine Akzente nach vorne, welche uns letzte Saison stark gemacht haben. Spätestens jetzt sollte man ernsthaft überlegen, ob die Rückkehr zur Viererkette mit klassischen Flügelspielern nicht nochmal ein Versuch wert wäre.

Claudio: Innere Unruhe

Gefühlstechnisch hänge ich im luftleeren Raum. Und da ist der späte Nackenschlag nur ein Grund für. Ich bin innerlich hin- und hergerissen zwischen Geduld und Anerkennung, dass man versucht einen klaren eigenen Spielstil weg vom einfachen Hoch- und Lang der vergangenen Saison zu entwickeln und der einfachen Tatsache, dass gerade alles schlechter ist als in der letzten Saison. Inklusive Pokal haben wir nun 10 Spiele auf der Uhr – davon waren die wenigsten Auftritte wirklich überzeugend. Ja, wenn wir die Intensität hoch halten sieht das alles gefällig aus, die Mannschaft rennt und ackert, aber in einem Großteil der Spiele ist eher auffällig, wie wenig zusammen läuft. Natürlich kann man anführen, dass man gestern gegen Mainz die dominante Mannschaft war, nur sind wir mal ehrlich, wirklich strukturiert lief nach vorne auch wenig zusammen. Dazu kommt, dass Mainz in einer absoluten Formkrise steckt und selbst sehr wenig angeboten hat.

Ich will hier nicht zu einer flächendeckenden Generalkritik ausholen, aber meiner subjektiven Meinung nach ist das einfach in allen Belangen zu wenig. Natürlich haben wir gegen starke Gegner gespielt und nun einige Mannschaften vor der Brust, die tabellentechnisch eher unser Kaliber sind – aber mir geht es um dieses Grundgefühl, was mich einfach immer wieder beschleicht, dass mit dieser Mannschaft, mit diesem Kader eigentlich irgendwie mehr drin wäre, wenn man ein System, eine Ausrichtung findet, in der sich sie sich wirklich wohl fühlt. Ich will hier nicht die leidige 3er / 4er-Ketten-Diskussion aufmachen, darum geht es mir auch nicht und die würde die das Problem auch zu sehr vereinfachen. Es geht um Abstände, die Balance im Mittelfeld, das Flügelspiel – und das ist unabhängig von der Telefonnummer, die wir spielen. Es fühlt sich an wie ein Auto, bei dem man eigentlich weiß, dass es kaputt ist, immer wieder Zicken macht, aber zwischendurch noch rund läuft. Wir können drei Kreuze machen, dass die Tabelle aktuell im unteren Drittel so eng zusammen ist. Holt man gegen Darmstadt, Köln und Heidenheim ordentlich Punkte, ist man erstmal wieder dran und bekommt Ruhe rein. Das Pendel kann aber auch ganz schnell in die andere Richtung ausschlagen. Die nächsten Wochen sind ein Tanz auf Messers Schneide.

 

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Autor: Moritz Möller

Über 20 Jahre begleitet mich der VfL jetzt schon - oder ich ihn. Ein Heimspiel Anfang der 90ziger gegen Leverkusen war der Auslöser, dann ging es auf einmal aus der zweiten Liga nach Europa, Abstieg, Aufstieg, wieder Europa, Abstieg und Relegation. Manch euphorische Saisonphasen die vom Auf.... träumen ließen, dazwischen Heimspiele mit 9000 Zuschauern gegen Aue, Mettbrötchen auf dem Weg nach Oberhausen, eine enttäuschende Auswärtsbilanz meinerseits und viele andere schöne Erinnerungen gehören dazu. Immer dabei: Dauerkarte, ein Fiege und eine Gruppe aus guten Freunden in Block Q sind für mich mit dem VfL einfach untrennbar verbunden.

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