Letschs Systemupdate führt zu Betriebsausfall

Taktikanalyse der Vorbereitung und des Pokalaus des VfL Bochum bei Arminia Bielefeld

Foto: VfL Bochum 1848

Als Thomas Letsch ankündigte, die Mannschaft und die Spielweise nach dem erneuten Klassenerhalt weiterzuentwickeln, klang es erst einmal nach den üblichen Floskeln. Doch spätestens seit der Erkenntnis der Medien, dass dies vor allem über eine Umstellung auf Dreierkette passieren soll, gibt es rund um den VfL eine Systemdiskussion. Mit dem Pokalaus in Bielefeld ging der erste Pflichtspieleinsatz des neuen Systems in die Hose. Wir blicken auf das Spiel und analysieren wo es tatsächlich Änderungen gab, wie diese aussahen und ob das Systemupdate doch noch erfolgreich werden kann.

Schon vor den ersten Testspielen beschrieb ich in unserer Inventur des Kaders, dass das asymmetrische System aus der Rückrunde den Weg in mögliche Dreierketten erleichtert. Diese Einschätzung wurde in den Testspielen bestätigt. Zwar gab es immer wieder auch Tests mit drei Leuten in Aufbau und Verteidigung (Erste Halbzeiten gegen Emden und Verl sowie gegen Parma), in den zweiten Hälften und zwischendrin (Düsseldorf) wurde jedoch wieder das System der Vorsaison mit leichten Asymmetrien gespielt. Gegen Spezia und Luton gab es Mischsysteme, in denen gegen den Ball mit vier Leuten in letzter Linie verteidigt wurde, während bei Ballbesitz meist drei Mann den Aufbau übernahmen.

Schon in der letzten Saison gab es des Öfteren asymmetrische Formationen. Dabei spielte der rechte Außenverteidiger (Janko, Osei-Tutu oder Stafylidis) höher und etwas eingerückt, während der linke Außenverteidiger (Soares oder Heintz) den Kontakt zu den Innenverteidigern hielt. Asano positionierte sich rechts entweder eingerückt hinter oder neben der Spitze, während Antwi-Adjej links breiter und etwas tiefer spielte.

Diese Asymmetrie ist auch für die neue Saison denkbar und bereitet auch bei einem nominellen 4-3-3 bzw. 4-2-3-1 den Weg für situative Dreierketten vor. Passlack passt mit seinem Profil für die vorgeschobene Rechtsverteidigerrolle.
Bewertung der Ausgangssituation für mögliche Dreierkettensysteme in der letzten Inventur des Kaders

Etwas Theorie zum Einstieg

Bevor wir in die Analyse einsteigen, noch kurz etwas Theorie zur Dreier- bzw. Viererkette. Der Begriff kommt daher, dass in einem ballorientierten System mit Raumdeckung die Spieler in Richtung Ball verschieben und dabei ähnliche Abstände halten – ganz genau wie bei einer Kette. Auf diese Weise kann Druck auf den Ballführenden gemacht werden, während der Raum Richtung Tor gleichmäßig besetzt und somit abgedeckt ist. Diese Kettenmechanismen gibt es nicht nur in der Abwehr, sondern auch in Mittelfeld und Angriff, so dass die typischen Telefonnummern wie 4-4-2 oder 3-5-2 entstehen. Dabei orientiert sich die Begrifflichkeit rein an dem Verhalten gegen den Ball.

Mit dem Ball basieren die üblichen Zahlenfolgen auf der Staffelung der Spieler im Spielaufbau. Die Grundlage dafür ist das so genannte Positionsspiel, in dem die Spieler bestimmte Grundräume  besetzen, um gute Verbindungen zwischen den Mannschaftsteilen zu haben und den Gegner laufen zu lassen. Hier würde also geschaut, wie viele Leute übernehmen den Aufbau und wie viele Spieler bieten sich zwischen den verschiedenen Ketten des Gegners an.

Der VfL Bochum spielt nun schon seit langer Zeit extrem mannorientiert. Anstatt einer Orientierung im Raum werden Gegenspieler belauert und in Zweikämpfe verwickelt, sobald der Ball in ihre Richtung kommt. Die oben beschriebenen Kettenmechanismen gibt es also nicht. Zwar wird unter Letsch stärker in Richtung Ball verschoben und auch mal Gegenspieler fern vom Ball frei gelassen, dabei erfolgt aber eher eine Übergabe von Gegenspielern als ein Verschieben als Block bzw. Kette. In einem mannorientierten System ist entscheidender, wo sogenannte freie Spieler positioniert sind, da diese es ermöglichen, bei einem verlorenen Zweikampf abzusichern und wieder an den Mann heranzukommen.

In Ballbesitz ist der lange Ball seit längerem unser erstes Stilmittel. Einen geordneten Aufbau im Positionsspiel gibt es nur selten. Stattdessen wird auch im eigenen Ballbesitz eher eine Defensivformation eingenommen, um den sogenannten zweiten Ball zu gewinnen. Also auch hier machen die Begrifflichkeiten wie Dreier- und Viererkette nur wenig Sinn.

Die Presse ist deswegen meist dazu übergegangen, anhand der Spielerprofile die Grundformationen zu benennen. Spielt ein Innenverteidiger wie Loosli oder Bernardo im Raum des linken Außenverteidigers, während Gamboa oder Passlack im Raum des rechten Außenverteidigers spielen, so wird das ganze als Dreierkette bezeichnet. Schließlich stehen ja drei Innenverteidiger auf dem Platz.

Was hat der VfL denn nun tatsächlich in der Vorbereitung gemacht?

Lösen wir uns also vom Thema Dreier- und Viererkette und schauen konkret was der VfL in der Vorbereitung einstudiert hat.

Gegen Emden gab es in Hälfte 1 im Aufbau eine Torwartkette mit Römling und Loosli neben Esser. Ordets ging vor ins Mittelfeld. Daschner ließ sich als Sechser oft im Aufbau fallen. Soares und Passlack spielten quasi Außenstürmer und gingen immer wieder auch mit in die Tiefe. Vorne spielten Hartwig, Broschinski und Zoller sehr variabel in den Positionen. In der zweiten Hälfte gab es wieder asymmetrische Außenverteidiger und offensive Flügelspieler im asymmetrischen System. Gamboa und Jimmy deckten die Flügel ab. Jimmy dabei deutlich höher, dafür Tutu als Achter eher nach rechts. Holtmann spielte als umtriebiger Stürmer neben Hofmann.

Gegen Verl spielten erneut Gamboa und Jimmy auf den Außen. Gamboa spielte erneut eher wie ein Außenverteidiger, Jimmy reihte sich am ehesten in der Mittelfeldreihe ein. In der zweiten Hälfte gab es dann ein komisches Experiment mit sehr breiten und hohen Stürmern Tutu und Holtmann, welches wir hier mal nicht weiter beleuchten wollen.

Gegen Düsseldorf gab es das System aus der Vorsaison. Soares und Passlack verhielten sich wie Außenverteidiger. Mit Ball versuchte der VfL meist grad die Flügel runter zu spielen. Tutu und Holtmann als offensive Flügelspieler rückten oft auf eine Seite. Auch Daschner als Zehner ging weit raus. Tutu bekam es trotz der Sondereinheit gegen Verl mit dem Anlaufen im Bogen noch nicht so hin wie Asano, so dass der Weg auf den Düsseldorfer Außenverteidiger fast immer offen war. Passlack durfte ein Sprintsondertraining machen, um diesen zu übernehmen, ohne jedoch jemals Zugriff zu bekommen, da der Weg aus seiner tiefen Grundposition zu weit war. Durch dieses Herausrücken und Tutus zentralere, Asano-artige Position könnte man im Pressing von einem 3-4-1-2 sprechen, seine tiefe Grundposition war aber die eines Außenverteidigers.

Was gegen die Fortuna auffiel war die geringe Anzahl an langen Bällen. Esser für Riemann veränderte das Spiel. Mit Ausnahme vereinzelter individueller Lichtblicke von Daschner und Tutu hat der VfL im Ballbesitz keine Lösungen. Soares und Losilla sind kaum zu sehen. Die flache Ausrichtung des bekannten Systems fokussierte Spieler wie Daschner, Tutu und Passlack, die der Verantwortung noch nicht voll gerecht werden konnten.

Mit den Wechseln in der zweiten Hälfte hängt der Spielaufbau nun komplett an Stöger, der sich überall rund um die Abwehr anbietet, um von Beginn den Takt vorzugeben. Das 2:1 ist ein gutes Beispiel. Stöger beginnt im Aufbau, geht dann auf den Flügel, kombiniert sich in den Halbraum und gibt den Assist für Broschinski. Dabei spielen Oermann und Loosli beide gute Pässe im Aufbau. Grad Loosli spielt sehr ruhig durch die Schnittstellen und provoziert so das Pressing. Dies wird jedoch noch kaum ausgenutzt.

Gegen Spezia gab es dann erstmalig das Mischsystem. Gegen den Ball spielte Loosli breit und Gamboa agierte als Teil der Abwehrreihe. Mit Ball rückte Gamboa aggressiv vor, während Loosli  tief blieb oder zentral neben Losilla einschob – ein bisschen wie Heintz zum Ende der letzten Saison.

Gegen Parma Calcio sah es auch gegen den Ball häufig nach drei bzw. fünf Spielern in letzter Linie aus. Das Spiel gegen den Ball war dabei aber sehr unorganisiert. Es gab wildes Herausrücken aus den Grundpositionen, völlig ohne Kettenmechanismen.

Beispielhafte Defensivstaffelung gegen Parma Calcio. Quelle: YouTube

Im Bild ist Loosli mit seinem Mitspieler weit herausgerückt. Ordets ist freier Mann schiebt aber nicht richtig durch, um die Lücke hinter Loosli zu schließen (Stichwort Kettenmechanismen). Soares wird überlaufen.

Mit Ball recht sauberer Aufbau aus einer 3-2-3-2 Staffelung. Dabei rückt Passlack stets ins Zentrum, entweder in der zweiten oder dritten Linie, so dass rechts nur dynamisch Daschner die Breite gibt. Soares rückte links am Flügel auf. Teilweise wird Passlack so freier Mann und versucht direkt in die Spitze weiterzuspielen. Das klappt vereinzelt, insgesamt wirkt alles aber noch recht wild. Bei zweiten Bällen ist er völlig ohne Präsenz. Sein Einrücken führt im Umschaltmoment zu Lücken auf rechts, die Bero, Losilla, Ordets und Masovic teilweise alle gleichzeitig schließen wollen. Dadurch entsteht ein offenes Zentrum, da Soares und Loosli sich an ihren Gegenspielern auf links orientieren.

Beispielhafte Offensivstaffelung gegen Parma Calcio. Quelle: YouTube

Im Bild sieht man den Aufbau im 3-2-3-2 (Ordets zentral hinten ist nicht mehr im Bild). Soares am Bildrand sehr hoch. Passlack läuft ins Zentrum und wird von Loosli mit einem schönen, flachen Diagonalball angespielt, den er direkt in Richtung Daschner (vorderer offensiver Spieler) weiterleiten kann.

Das Spiel gegen Luton konnte ich leider nicht live sehen und es gibt keine Übertragung. Die folgenden Bilder aus dem Stadion zeigen aber, dass dort gegen den Ball mit vier Leuten verteidigt wurde, während drei Leute den Spielaufbau übernahmen.

Beispielhafte Defensivstaffelung gegen Luton. Foto: Marvin Stemmann

Das Bild zeigt deutlich eine 4-2-3-1-Staffelung in der Erwartung der Verteidigung eines langen Balles mit Ordets als freiem Mann in der Abwehr. Stöger folgt seinem Gegenspieler fast in die nächste Linie. Passlack rückt klar an die Abwehr heran, sogar deutlich näher als sein Gegenspieler. Jimmy in der vorderen Dreierreihe, obwohl ein freier Gegenspieler hinter ihm steht.

Beispielhafte Offensivstaffelung gegen Luton. Foto: Marvin Stemmann

Im Spielaufbau gibt es drei Leute breit in der Aufbaulinie. Die beiden Schienenspieler sind auf Höhe der Sechser, wobei Stöger breiter spielt als Jimmy, der Richtung Mittelkreis einrückt. Asano läuft aus dem Zentrum heraus. Es ergibt sich eine 3-4-3-Staffelung im Aufbau.

Fragen vor dem Spiel gegen Bielefeld

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das System nicht wirklich umgestellt, sondern insbesondere in Ballbesitz erweitert wurde. Gegen den Ball bestimmen nach wie vor die Mannorientierungen das Bild. Häufig werden vier Leute in letzter Linie positioniert, um gegen typische 4-3-3 oder 4-2-3-1 Systeme einen Überzahlspieler zu haben. In der vorderen Reihe wird nach wie vor gerne der rechte Flügel vorgeschoben, um den Gegner zu Pässen ins Zentrum zu zwingen, die dann durch die Mittelfeldspieler gewonnen werden können. Durch die 3-5-2-Diskussionen wurde dieses Vorgehen nun jedoch direkt als zweite Spitze interpretiert.

Mit Ball gibt die Höhe der Außenverteidiger bzw. Schienenspieler neue Variationsmöglichkeiten. Diese können wie Angreifer eingesetzt werden (Emden), in den Zehnerraum einrücken (Parma) oder klassisch im Aufbau die Breite geben (Luton, Verl). Außerdem geben die Verpflichtungen von Bero und Daschner neue Möglichkeiten im offensiven Zentrum. Bero kann Läufe aus der Tiefe an die Strafraumecken anbieten, während Daschner aus dem Zehnerraum kreativ werden kann, mit in die Spitze stößt bzw. versucht am Flügel bei Kombinationen zu helfen. Letzteres ist ähnlich zu dem, was auch Förster letzte Saison bereits getan hat.

Für die Abwehrreihe sowie Stöger und Losilla bleibt eigentlich alles beim Alten. Seit der Rückrunde wurde in Ballbesitz sowieso meist in einen Dreieraufbau geschoben, da der Rechtsverteidiger für zweite Bälle vor- und einrückte.

Wir zentralen Mittelfeldspieler müssen uns dadurch nicht wirklich umstellen. Die Aufgaben bleiben die gleichen. Das System steht sowieso nur auf dem Papier. Im Spiel ist es immer etwas anderes.
Kevin Stöger im Interview mit Reviersport

Die Frage war also nun wie viel Risiko Thomas Letsch gehen möchte. Besetzt er die Außen offensiv (Antwi-Adjei, Passlack) und lässt sie weit aufrücken? Gibt er im Zentrum Daschner und Stöger die Chance oder setzt er eher auf die etwas defensivstärkere Variante mit Bero?

Letsch geht (fast) all-in

Personell ging Letsch volles Risiko. Er setzte sowohl außen als auch im Zentrum auf die offensiveren Optionen. Auch gegen den Ball ließ er fast komplett Mann gegen Mann spielen (siehe rote Zuordnungen in der Formationsgrafik). Gegen Bielefelds 4-3-3 wurde Passlack freier Spieler, der etwas vorgeschoben vor der Dreierkette wartete und nicht direkt auf den gegnerischen Außenverteidiger rausschob. Dies war sehr ähnlich zu der Variante im Testspiel gegen Fortuna Düsseldorf und auch in der Rückrunde der letzten Saison.

Grundformationen in der ersten Halbzeit

Dank Philipp Rentschs Nachfrage auf der PK wissen wir nun auch, wie der Plan von Letsch aussehen sollte. Er sprach gegen den Ball von einer Mischung aus 3-5-2 und 4-3-3. Der Ursprung dieser Mischung ist genau die freie Rolle von Passlack. Ging er in die Abwehrreihe, war es ein 4-3-3, ging er (eher selten)  auf den Außenverteidiger vor, war es das 3-5-2.

Das 4-2-2-2 mit Ball geht nicht auf

Die Idee mit dem Ball ist jedoch spannender. Letsch sprach von einem 4-2-2-2. Dies ist verwunderlich, da in der Vorbereitung im Aufbau stets ein Aufbau mit drei Leuten bevorzugt wurde. Zum anderen deutete es an, dass Bernardo und Passlack in Ballbesitz auf gleicher Höhe und Antwi-Adjei als Halbzehner neben Daschner spielen sollten. Jimmy spielte zwar teilweise eingerückt und  Bernardo nah an der Aus-Linie, Letzterer rückte aber fast nie weiter auf. So wurde er leicht isoliert und Jimmy musste für die langen Bälle entlang der Linie (oder oft auch ins Aus) wieder zum Flügel. Es gab also eher die durch die Pfeile in der Formationsgrafik angezeigte 3-3-2-2-Zick-Zack-Staffelung mit klarem Fokus auf die linke Seite zu sehen.

Das für eine 4-2-2-2 typisches Vertikalspiel mit flachen Bällen in die Spitze (vordere 2) und Ablagen auf die Halbzehner (mittlere 2) gab es so gut wie nie zu sehen. Durch die tiefen Außenverteidiger gab es auch wenig Möglichkeiten für Flügelverlagerungen. War ein Flügel angespielt, musste es dort mit Gewalt durch.

Ein weiteres Stilmittel waren lange Bälle, die jedoch oft zu Daschner anstatt zu Hofmann gingen. Unser Neuzugang konnte nur selten Bälle behaupten und weiterleiten bzw. ablegen. Stöger war oft zu breit, um sich im Loch zwischen Bernardo und Jimmy anzubieten. Losilla blieb als Konterabsicherung tief.

Probleme mit dem Konzept des freien Manns auf Außen

Die tiefe Konterabsicherung war auch notwendig, da ein freier Spieler auf Außen wenig Absicherung bietet. Zentral waren alle Verteidiger in direkten Duellen. Passlacks Positionierung war oft wenig hilfreich, da er recht nah an die Verteidiger ran ging und somit zu Abstimmungsproblemen bezüglich von Übergaben führte.

Bei weitem Herausrücken der Offensivspieler auf den Torwart oder durch von Passlack auf den Außenverteidiger wurde wie unter Letsch üblich nachgeschoben und übergeben, um keine Spieler frei zu lassen und ballnah Überzahl herzustellen. Auch hier gab es jedoch bei den Übergaben noch oft Abstimmungsprobleme.

Spielverlauf bis zum Tor

Trotz all dieser Probleme war der VfL zu Beginn leicht überlegen und ließ wenig zu. Das direkte Spiel in die Tiefe auf dem Flügel auf die ausweichenden Jimmy und Asano führte zu ein paar ansatzweisen Durchbrüchen. Die fehlende Möglichkeit einer ruhigen Ballzirkulation nahm Bochum aber auch die Kontrolle. Anders als Dresden im ersten Saisonspiel, schaffte es Bochum nie, die Außenverteidiger herauszuziehen und die Räume zu bespielen. Stattdessen gab es viele Einwürfe durch Jimmy, die bis auf einen Kopfball von Losilla aber wenig Ertrag brachten.

Das Spiel kippt

Zwischen der 25. und 30. Minute kam Bielefeld zu zwei Torchancen, die sie direkt verwandelten. Das erste Tor folgte auf einen Konter nach einem Fehlpass von Stöger. Zuvor trat Bernardo erstmals als aufrückender Außenverteidiger in Erscheinung, da er von Riemann mit einem hohen Pass (wohl nicht ganz freiwillig) die Linie heruntergeschickt wurde. Der Angriff wurde nach weiteren Stationen auf links abgebrochen und zurück auf Stöger gespielt. Aus meiner Sicht musste Stöger diesen Pass auch versuchen. Daschner wäre frei vorm Tor gewesen, da Bielefelds Außenverteidiger das Abseits aufgehoben hätte. Leider spielte er den schwierigen Direktpass etwas zu lasch, so dass er leicht abgefangen werden konnte.

Bielefeld spielte den Ball in den offenen Raum hinter Bernardo. Hier hätte Ordets aggressiver verteidigen müssen. Er zögerte, voll auf Wintzheimer mitzugehen, obwohl er von Masovic abgesichert wurde. Nach einer unfreiwilligen Hackenablage blieb er sogar stehen, anstatt weiter durchzulaufen. Bernardo kam trotz des Rückstands noch in den Zweikampf, konnte die Flanke aber nicht verhindern. Am Ende ließ Passlack seinen Mann laufen. Masovic hatte vorher sogar noch Blickkontakt mit Passlack, wo er bestätigte, dass er mit geht, so dass Masovic als freier Mann nicht aufnahm. Für mich geht das Tor deshalb auf Ordets und Passlack. Stöger und Bernardo, die hier häufig kritisiert wurden, trifft nur eine kleine Schuld. Passlack war nach der Situation noch mehr von der Rolle und zeigte zwischen den beiden Toren noch zwei weitere Böcke.

Das 2:0 fiel dann mit viel Pech nach einer Ecke. Das Tor ging am ehesten auf Daschner als direkten Gegenspieler, da er nach dem ersten Duell die Orientierung verlor. Bernardo hatte beim Kopfball zwei Mitspieler mit hartem Körperkontakt und konnte deshalb nicht weiter klären. Der Rückraum um Daschner war aber auch offen, da Bielefeld durch die Manndeckung der Bochumer viele Spieler mit Läufen in Richtung Tor zog.

Der VfL passt an

Nach dem zweiten Tor fand unser Team endlich eine bessere Struktur. Passlack wurde gegen den Ball verantwortlich für den Bielefelder Flügelstürmer. Dadurch wurde Masovic freier Mann im Zentrum. Mit dem Ball wurde klarer mit symmetrischer Viererreihe aufgebaut. Durch den Aufbau mit zwei klaren und breiteren Innenverteidigern bekam der VfL Überzahl gegen den Stürmer und konnte Riemann als Libero besser einbinden.

Asano war bereits vor dem Tor sehr aktiv. Er bot immer wieder Läufe in die Tiefe an, die von den Außenverteidigern bedient werden konnten. Das Anschlusstor fiel durch eine tolle Kombination vom Flügel ins Zentrum über Daschner, Stöger, Jimmy, Hofmann und Asano.

Bero bringt weiteren Schwung

Nach der Einwechslung von Bero in der zweiten Halbzeit ging die Tendenz mehr in Richtung drei Mann im Aufbau und in der letzten Verteidigungslinie. Passlack wurde wieder freier Spieler. Bero spielte Zehner hinter bzw. neben Hofmann und Asano. Jimmy positionierte sich etwas defensiver, aber mit Ball erst noch hoch eingerückt. Der Fokus im Spielaufbau ging noch mehr auf zweite Bälle. Bero konnte sein sehr gutes Timing und Zweikampfverhalten so direkt gewinnbringend einsetzen.

Grundformationen von der 46.-69. Minute

Ab etwa Minute 55 spielte Jimmy dann breiter als echter Schienenspieler. Durch die tiefere, breite Position bekam Bochum mehr Struktur in Ballbesitz. Außerdem lockte Jimmy den Außenverteidiger  an, wodurch Asano und Bero in die Lücken starten konnten. Auch Losilla bekam vor der Dreierreihe nun endlich die Möglichkeit, am Spielaufbau teilzunehmen. Bero bot wie beschrieben aus der hohen Grundposition seine bekannten Läufe an die Strafraumkanten an. Erstes Beispiel ist die Chance von Losilla in Minute 53, zweites Beispiel die Chance von Masovic in Minute 65. Aus meiner Sicht war dies die beste Phase im Spiel.

Letsch wird nervös

Trotz der sehr guten Phase schien Letsch nervös zu werden und er erhöhte das Risiko. In der 69. Minute kam Broschinski für Losilla. Es blieb beim 3-4-1-2. Bero ging auf die Sechs, Asano auf die Zehn, Brosinski spielte als zweite Spitze neben Hofmann.

Grundformationen von der 69.-83. Minute

Durch die Wechsel ging die Kontrolle verloren, da wieder direkter gespielt wurde und es somit mehr hin und her ging. Der Wechsel von Gamboa für Passlack in der 77. Minute änderte taktisch nichts. Es war jedoch sofort sichtbar, dass unser Costa Ricaner die Rolle als freier Rechtsverteidiger vom Ende der vergangenen Saison kennt. Er verstand es sehr gut, sich in die Abwehrreihe einzuklinken oder sein Herausrücken zu timen. Zudem bot er mehr Vorstöße an, so dass nun auch Flanken von der rechten Seite kamen, auch wenn diese keine größeren Chancen einbrachten.

Mit Zoller kommt die Raute

Der Wechsel von Zoller für Jimmy in der 83. Minute führte erneut zu Rotationen. Zoller ging auf die 10 und Asano auf links. Asano interpretierte die Rolle als Schienenspieler wieder höher und enger. Somit ging die Staffelung nach den Wechseln mehr in Richtung 4-3-1-2. Diese Formation hat auch unser Kollege Philipp Rentsch in seinem oben zitierten Tweet für die zweite Hälfte ausgemacht.

Grundformationen von der 83.-120. Minute

Mit diesem Wechsel wurde die Leistung wieder etwas besser. Asano konnte aus der äußeren Position besser die Lücken anlaufen und bekam mit Zoller weitere Verstärkung. Stöger kurbelte gegen ein sich zurückziehendes Bielefeld weiträumig an. So konnte er auch nach dem Pass von Riemann in Ruhe flanken. Zoller kam am langen Pfosten frei und hatte die notwendige Ruhe und Präzision. Nach dem 2:2 gab es noch mehrere gute Möglichkeiten. Es war unglücklich, dass es nicht mehr geklappt hat, das Spiel in der regulären Spielzeit zu drehen.

Die erste Hälfte der Verlängerung blieb ohne taktische Änderungen. Der Druck ging etwas verloren, der VfL wurde gegen Ende aber wieder überlegener. Stöger als zentraler Sechser mit Bero, Zoller und Asano davor funktionierte weiterhin gut. 

Asano musste dann in der zweiten Hälfte der Verlängerung raus. Die fehlen intensiven Sprints hatten anscheinend Wirkung gezeigt. Osterhage übernahm die Position als linker Achter oder Flügel oder Schienenspieler.  Es passierte nicht mehr viel. Beide Mannschaften waren platt. Osterhage unternahm viel, es fehlt ihm aber nach wie vor die Technik und Übersicht, um die Situationen sauber auszuspielen. So nahm das Schicksal seinen Lauf.

Fazit

Das Spiel gegen Bielefeld bestätigte den Trend der Testspiele. Es wird viel versucht aber noch greifen die Räder nicht immer ineinander.

Gegen den Ball heißt es nach wie vor Manndeckung mit Nachschieben Richtung Ball, was für die neuen Spieler nach wie vor gewöhnungsbedürftig ist. Nur Bero scheint hier keine Probleme zu haben. Hier würden die vielzitierten Ketten in ihrer theoretischen Form wohl tatsächlich sogar helfen. Wobei keines der Tore gegen Bielefeld aus dem organisierten Verteidigen fiel. Das 1:0 war ein Konter, das 2:0 eine Ecke.

Mit Ball verwirrte Letsch die Mannschaft wohl durch ein neues System. Das 4-2-2-2 gab es zwar schon mal als Gegneranpassung, mit Ball wirkte es jedoch nicht einstudiert. Vor allem nach dem letzten Test mit dem Hybridsystem mit vier Mann gegen und drei Mann mit dem Ball war dies wohl auch für die Mannschaft überraschend.

Es war auf dem Platz ein sehr komisches Gefühl. Wir haben den Gegner etwas anders erwartet. Wir haben Zeit gebraucht, um uns umzustellen. Fakt ist, wir haben die Partie verloren. Viel zugelassen haben wir nicht, offensiv war das aber zu wenig, wir haben wenig rausgespielt. Daran müssen wir arbeiten.
Anthony Losilla im Interview mit Reviersport

Die Phase von der 55. bis zur 69. Minute lässt jedoch hoffen. Hier funktionierte das neue Hybridsystem schon sehr gut. Bero in offensiver Rolle ist eine echte Alternative. Daschner könnte dann als Alternative zu Hofmann ausprobiert werden, um noch mehr Spielfreude mitzubringen. Er könnte als falsche Neun kombinieren und Räume für die nachstoßenden Läufe von Jimmy, Bero und Asano schaffen. Mit Gamboa für Passlack wäre es wahrscheinlich aktuell stabiler. Bernardo sollte mit jedem Tag Training auch mehr in die Defensivabläufe eingebunden werden. Das untenstehende Ergebnis kann sowohl als 4-2-3-1 als auch als 3-5-2 interpretiert werden, je nachdem ob man links oder rechts rum dreht 😉.

Vorschlag für die Startformation gegen den VfB Stuttgart

Hoffen wir das Thomas Letsch die richtigen Schlüsse zieht und wir einen erfolgreichen Saisonstart feiern können. Glück auf, nur der VfL!

Autor: Tobias Wagner

Ich bin seit meinem fünften Lebensjahr Fan des VfL. Die Hochzeiten des Vereins mit den beiden UEFA-Cup Teilnahmen habe ich in meiner Jugend live miterlebt. Von da an war klar - für mich gibt es nur den VfL. Die Jungs von Spielverlagerung weckten meine Begeisterung für die Taktikanalyse. Auf erste Taktikanalysen, die noch direkt an den VfL versendet wurden, folgte der Blog "Blau-weiße Taktikecke". Später wurde ich dann selbst Autor bei Spielverlagerung und Trainer verschiedener Jugendmannschaften (U14-U16). Meine Begeisterung für Fußball, Training, taktische Raffinessen und statistische Spielereien möchte ich nun hier mit Euch teilen.

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