Wittek, Letsch und der VfL – ein perfektes Match?

Foto: VfL Bochum 1848 e.V.

Der VfL Bochum verpflichtet Maximilian Wittek. Völlig überraschend und aus dem Nichts konnte der VfL am Montagabend Vollzug melden. Zwar gab es vor einigen Wochen schon mal lose Gerüchte zu dem Spieler, doch wirklich heiß war die Spur bis zuletzt nicht. Umso erfreulicher, dass diese Kaderlücke nun geschlossen werden konnte. Wir stellen euch unseren neuen Mann für die linke Schiene vor.

Erste Sandkörner im Getriebe gab es bereits in der Vorbereitung, aber spätestens nach dem Pokalaus in Bielefeld rumorte es doch hörbar im Bochumer Umfeld, dass für das von Letsch angedachte fluide System (wir haben es am Montag ausführlich diskutiert) nicht das ideale Personal vorhanden ist. Generell war die linke Seite nach den Abgängen von Holtmann und Stafylidis sowohl quantitativ als auch qualitativ etwas dünn besetzt. So war ein Spieler für die „linke Schiene“, der sowohl ein starkes defensives Skillset mitbringt als auch offensiv vor allem bei asymmetrischen Verschiebungen brauchbar ist, eine der offensichtlichen Baustellen im Kader. So einen „Alleskönner“ zu bekommen ist in den Preisklassen, in denen sich der VfL Bochum bewegt, nicht einfach. Der Name Maxi Wittek stand aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit mit Trainer Thomas Letsch immer wieder ganz oben auf den Wunschzetteln vieler Fans.

Dass es aber auch im dritten Jahr Bundesliga noch keine Selbstverständlichkeit ist, einen Leistungsträger aus den Niederlanden zum VfL zu transferieren, zeigt das Statement von Marc Lettau, dass ein Transfer lange Zeit finanziell nicht darstellbar schien. Mit Maxi Wittek bekommen wir nun aber einen sehr erfahrenen Mann im besten Fußballeralter. Er stammt aus der Jugend des TSV 1860 München und kam dort in der Saison 2014/15 auch zu seinen ersten Einsätzen in der zweiten Bundesliga. Im Sommer 2017 wechselte er dann nach Fürth, wo er für weitere drei Jahre im deutschen Süden die Fußballschuhe schnürte. Insgesamt kommt er bis heute auf 156 Spiele in der 2. Bundesliga – 6 Tore und 18 Assists gelangen ihm dabei.

Nachdem sein Vertrag in Fürth im Sommer 2020 ausgelaufen war, wechselte er in die Niederlande zu Vitesse Arnheim. Er etablierte sich dort als absoluter Stammspieler und wurde maximal von kleineren Verletzungen ausgebremst. Dort traf er auch auf unseren heutigen Trainer Thomas Letsch. Dass die beiden anscheinend ein Match auf sportlicher und persönlicher Ebene waren, zeigt auch sein Zitat als sein damaliger wie zukünftiger Trainer zu uns an die Castroper gewechselt war.

Thomas war einer der besten Trainer, den ich je hatte.
Maximilian Wittek im Interview mit der Bild im September 2022

Insgesamt kam Maxi Wittek in Holland auf 111 Einsätze (9 Tore/21 Vorlagen) für Vitesse Arnheim. 14 Spiele davon waren auf internationalem Parkett in der UEFA Conference League und der Qualifikation für die Champions League.

Foto: VfL Bochum 1848 e.V.

Manchmal gibt es sowas wie das „Perfect Match“ vielleicht auch im Fußball. Auch wenn Maxi Wittek noch kein Spiel für den VfL gemacht hat und man den Tag nicht vor dem Abend loben sollte, könnte das hier genauso ein Volltreffer sein. Ein Spieler im besten Fußballer-Alter, Trainer und Spieler kennen und schätzen sich, er steht „voll im Saft“, kennt das System des Trainers in- und auswendig, der VfL hat exakten Bedarf für sein Skillset, als etablierter Stammspieler in Holland ist die Bundesliga von der Attraktivität der Liga her auch für den Spieler genau das richtige Regal für den nächsten Schritt. Die Vorzeichen passen. Vielleicht schon zu gut? Wird sich zeigen. Wundern würde es mich auf jeden Fall nicht, wenn Wittek am Samstag gegen Stuttgart direkt in der Startelf steht.

Taktische Einbindung (von Tobias Wagner)

Maxi Wittek bringt nun endlich das Profil des sogenannten Schienenspielers in den Kader. Meine Aufstellung am Ende der ausführlichen Taktikanalyse sah „Jimmy“ Antwi-Adjei bereits in einer solchen Rolle. Unser Neuzugang kann diese Rolle jedoch balancierter ausfüllen und im Spielaufbau etwas tiefer unterstützen, wodurch Bernardo aus etwas zentralerer Position wie ein Halbverteidiger aufbauen kann. Dies liegt ihm nach eigener Aussage mehr als die Rolle als Außenverteidiger, die er voraussichtlich gegen Bielefeld ausfüllen sollte.

Ich mag die Position links in der Dreierkette. Da kann ich meine Stärken einbringen. Die sehe ich bei mir eher in der Defensive. Auf der Position kann ich aber auch etwas zum Spielaufbau beitragen.
Bernardo im Interview mit der WAZ

Im weiteren Verlauf des Spielaufbaus kann Wittek dann auch höher die Breite besetzen und ggf. bei Aufbau über rechts sogar in die Spitze vorstoßen. Er würde damit in etwa die Rolle einnehmen, an der Soares sich in der Vorbereitung ein paar Mal versucht hat. Bei Angriffen über links kann er mit Stöger und Daschner kombinieren, die ihn in der Folge dann auch weiter in die Tiefe schicken können. Mit seinem starken linken Fuß wären Flanken von der Grundlinie auf Hofmann und die nachrückenden Bero und Losilla ein gutes Mittel.

Update meines Vorschlags mit Maxi Wittek.

Jimmy wäre mit Wittek eine Option für die Hybridposition aus Flügelspieler und Stürmer auf der rechten Seite. Er könnte anders als Asano und auch Zoller die Rolle etwas mehr wie ein Flügelspieler interpretieren. Da er Rechtsfuß ist, könnte er ebenfalls die Grundlinie anvisieren und Flanken oder flache, scharfe Rücklagen bringen. Somit hätte der VfL links mit Wittek einen Schienenspieler und rechts die doppelte Flügelbesetzung aus dem 4-2-3-1 bzw. 4-3-3.

Sobald Kwarteng wieder fit ist, wäre es gegen Gegner wie Darmstadt und Heidenheim auch eine Option, Wittek als Außenverteidiger spielen zu lassen. Kwarteng oder auch Jimmy könnten dann invers (mit dem starken Fuß nach innen ziehend) spielen, um den Flügel für nachstoßende Läufe von Wittek zu öffnen. Ein solche Rolle hat er zuletzt in Arnheim oder damals bei Fürth bereits eingenommen.

Wittek als Außenverteidiger in einem 4-2-3-1

Zusammenfassend gibt Wittek Letsch weitere Optionen. Durch sein balanciertes Profil kann die linke Seite wieder etwas symmetrischer und damit eventuell auch für die Spieler klarer interpretiert werden. Insbesondere Bernardo sollte von Wittek profitieren, da er ihn in Spielaufbau und Defensive entlasten wird. Auch als Außenverteidiger passt Wittek gut zu den Profilen von Jimmy und Kwarteng. Wir freuen uns darauf, zu sehen was Letsch mit ihm vorhat!

Datensicht (von Daniel Zeuthen)

Die Datensicht bestätigt die Hartnäckigkeit von Letsch und Lettau. Maximilian Wittek passt genau in das gesuchte Profil und hat das Potenzial eine wirkliche Verstärkung für den VfL Bochum zu sein.

In den letzten beiden Jahren war Maximilian Wittek der offensive Antreiber bei Vitesse. 6 bzw 7 Torvorlagen in den Ligaspielen waren die Topwerte des Teams, und entsprechen seinen “Erwarteten Assists”, einem statistischen Wert, der angibt wie viele seiner Pässe zu Assists hätten werden sollen. Dieser Wert entspricht einem absoluten offensiven Topspieler. Dazu kommt, dass er obwohl er nicht allzu häufig in der gegnerischen Box auftaucht, selbst regelmäßig zu guten Torchancen kommt.

Mit einer laut Sportschau.de 2019/2020 gemessenen Höchstgeschwindigkeit von ca. 9,6 Metern pro Sekunde ist er überdurchschnittlich schnell. Hier wird er vermutlich zusammen mit Bernardo, der 2016/2017 sogar auf 9,7 m/s kam, eine Seite bilden, deren Schwäche in eine Stärke verwandelt wurde. Danilo kommt in den meisten Spielzeiten und zuletzt lediglich auf etwa 9 m/s, und auch Ordets ist mit 9,2 m/s deutlich langsamer im Topspeed.

Datenprofil von Maxi Wittek in der Saison 21/22 – Daten: Wyscout

Im Ballbesitz scheint Maxi Wittek sehr direkt in seinem Spiel nach vorne. Er sucht häufig den direkten Ball in die Tiefe, spielt diese aber mit einer hohen Genauigkeit. Insbesondere Takuma Asano könnte mit seinen Tiefensprints stark davon profitieren. Diese Direktheit zeigt sich in den vorherigen Spielzeiten auch in überdurchschnittlichen Werten für Schnittstellenpässe in den Raum, und “smarte Pässe”, die ebenfalls versuchen gegnerische Linien zu überspielen, um einen Angriff entscheidend zu beeinflussen.

Ähnlich wie bei den angekommenen smarten und Schnittstellenpässe sind Witteks Werte im Bereich Dribblings in der letzten Saison schwächer, als es in allen Spielzeiten zuvor und der hier gezeigten Saison 21/22 der Fall war. Sonst waren diese immer in etwa leicht über dem Durchschnitt. Das könnte zum Beispiel daran liegen, dass er in der letzten Spielzeit weitestgehend als Linksverteidiger auflaufend eine andere taktische Rolle einnahm.

Smarterscout.com Profil von Maxi Wittek 22/23 als Linker Verteidiger
Smarterscout.com Profil von Maxi Wittek 22/23 als Linker Schienenspieler

Der Scouting-Anbieter smarterscout ist in seiner Bewertung etwas differenzierter. In seiner Rolle als linker Verteidiger konnte er demnach in der letzten Saison mehr offensiv beitragen als die meisten anderen Außenverteidiger. Das sind Werte eines absoluten Topspielers. Allerdings liefert smarterscout ebenso ein wenig Grund für gemäßigtere Erwartungen. Seine Leistungen als linker Schienenspieler werden hier in den letzten Jahren als nicht so stark bewertet.

Wie passt letzteres mit den Wyscout Daten zusammen, die ihm sehr starke Werte bescheinigen? Einerseits ist die Eredivisie deutlich schwächer als die Bundesliga, und Vitesse verhältnismäßig stärker als ein dortiger Durchschnittsclub. Andererseits könnte auch ein hoher Fokus von Vitesse auf die linke Seite die Häufigkeiten seiner Offensivaktionen begünstigen. Die Qualität der Aktionen bleibt bei bloßen Häufigkeiten unberücksichtigt.

Trotz der Prise Skepsis bin ich sehr hoffnungsvoll. Maxi Wittek passt laut Daten genau in das gesuchte Profil. Er könnte das Puzzlestück sein, das dem Kader noch fehlte. Er ist ein schneller, aggressiver Spieler, der die gesamte Flanke bespielen kann, und ist extrem offensivstark ohne dabei defensiv schwach zu sein. Wie stark er wirklich für den Underdog VfL Bochum sein kann werden wir vielleicht schon am Wochenende sehen.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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