Ein Warnschuss zur richtigen Zeit?

Der VfL Bochum verliert zum Auftakt der Saison 2023/24 das erste Pflichtspiel. In der ersten Runde des DFB-Pokals scheidet die Elf von Thomas Letsch im Elfmeterschießen gegen Bielefeld aus. Dabei waren Verein und Anhänger mit großer Euphoerie in die neue Spielzeit gestartet. Ein Kommentar.

Schon im Laufe der Vorbereitung gab es immer wieder kritische Stimmen hinsichtlich des gespielten 3-5-2-Systems. Zwar zeigte die Mannschaft oft ordentliche Leistungen, aber vollends sicher wirkte sie dabei nicht. Zweifler fühlten sich gestern bestätigt. Doch lag es wirklich nur am System oder macht man es sich damit zu einfach?

Insgesamt wirkte der Aufritt wenig souverän. Raumaufteilung und Laufwege, elementare Automatismen, waren kaum zu erkennen. Das kann am Anfang der Saison vorkommen. Aber letztendlich standen gestern acht von elf Spieler auf dem Platz, die auch schon in der vergangenen Saison zusammengespielt haben. Kann man da mehr mehr erwarten? Muss man sich dann eben doch den Vorwurf gefallen lassen, dass es das System ist? Die Mannschaft sich (noch) nicht wohl fühlt?

Vor allem wenn man sich die Raumaufteilungen in der Heatmap anschaut, wird man sehen, dass es kein klassisches 3-5-2 war, Jimmy sehr weit nach vorne geschoben war. Auch Thomas Letsch betonte auf Nachfrage von Philipp Rentsch, dass es ein „fluides System“ sei. Viel Struktur erkannte man trotzdem eher selten. In der erste Angriffsreihe turnte auch ein Hofmann dort irgendwo im Nirgendwo rum. Vielleicht war es in der vergangenen Saison eine unserer Schwächen, nur einen Zielspieler vorne zu haben. Ja, das ganze Gebilde war wenig flexibel. Dass man dort ansetzt, ist richtig. Vielleicht war diese Einfachheit aber eben genau auch unsere Stärke.

Einer der Lichtblicke war Bero. Mit seiner Einwechslung zur Halbzeit für den blassen Daschner kam deutlich mehr Struktur ins Bochumer Spiel. Ob es daran lag, dass er das 3-5-2 und die zugehörigen Abläufe noch sehr gut aus Letsch Zeit in Arnheim kannte oder er einfach vom Typ deutlich besser ins Spiel passte – man weiß es nicht. Er empfahl sich jedenfalls deutlich für einen Startelfeinsatz in Stuttgart.

Vielleicht war es der Warnschuss, den die Mannschaft gebraucht hat. Man wird auch in der kommenden Saison nur Punkten können, wenn ein Rädchen wieder ins andere greift, die Mannschaft diszipliniert spielt und absolut jeder an sein Leistungslimit geht. Vielleicht war die Niederlage auch dazu gut, um den Verantwortlichen vor Augen zu führen, dass man für ein 3-5-2 (noch) nicht die die ideale Kaderbesetzung hat.

Will man mit einer Dreierkette spielen, braucht es subjektiv gesehen für mich zwingend auf der linken Schiene eine weitere Alternative. Selbst mit einer gewissen Asymmetrie (Passlack defensiver, Jimmy weiter nach vorne geschoben) ist das Ganze für mich nur eine „Option“ als wirklich die stärkste Lösung, mit der man in die Saison gehen sollte. Ich will keine Schnellschüsse ziehen, aber sollte man hier nicht noch nachlegen, wage ich die Prognose, dass man relativ schnell wieder das 433/4231 der letzten Saison sehen wird.

Nach einem Spiel soll niemand Panik schieben, vor allem nicht im DFB-Pokal. Man muss auch nicht alles einreißen. Ernst nehmen muss man die Niederlage trotzdem. Ich hoffe, dass für das kommende Spiel in Stuttgart daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. Wie diese auch immer aussehen.



Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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