Aufstieg VfL Bochum? – Ist Erfolg planbar?

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Der VfL Bochum steht nach 11 langen Jahren in der zweiten Liga kurz vor der Rückkehr ins Fußballoberhaus. Im ersten Jahr noch denkbar knapp in der Relegation gescheitert, gab es in den Folgejahren viele Anläufe, um den Sprung nach oben in die erste Bundesliga zu schaffen. Man sah einige Sportvorstände kommen und gehen an der Castroper Straße, noch mehr Trainer und viele erfolgsversprechende Rezepte für den Aufstieg wurden den leidgeplagten Anhängern präsentiert. Am 34. Spieltag steht der VfL Bochum an der Tabellenspitze und hat den Aufstieg vor Augen. Was ist in den letzten beiden Jahren anders gelaufen, dass das nun der Fall ist?

Mai 2019 – Nach einer Saison, die relativ typisch war für die Jahre des VfL Bochum in der zweiten Liga, in die man mit Ambitionen und Hoffnungen startete, zwischendurch an den vorderen Plätzen geschnuppert hatte um am Ende abgeschlagen auf einem 11. Tabellenplatz landete, hielt der 34. Spieltag der Saison 2018/19 ein Heimspiel für die VfL- Anhänger bereit. Man durfte noch mal ins Aufstiegsrennen eingreifen: Union Berlin war mit 5.000 Fans zu Gast an der Castroper Straße und hatte die Möglichkeit, im Fernduell mit dem SC Paderborn den direkten Aufstieg perfekt zu machen. Eine innige Fanfreundschaft verbindet das Ruhrgebiet und Ostwestfalen nicht gerade, doch unter den blau-weißen Besuchern machte sich Sympathie für den Underdog gegen den Hauptstadtklub breit. Erst Anthony Losilla im strömenden Regen nach einer sehenswerten Kombination und später Silvere Ganvoula durch einen verwandelten Foulelfmeter brachten unter dem Jubel der knapp 20.000 Bochumer den VfL in Front. Union Berlin startete eine Aufholjagd und glich in der Schlussphase der Partie aus. Die Bochumer in Person von Manuel Riemann, der mit starken Paraden vor der Westkurve mit den Berliner Anhängern im Rücken das Unentschieden festhalten konnte, ermöglichten dem SC Paderborn den direkten Aufstieg.

Auf dem Weg nach Hause hielt der Blick auf das Smartphone für viele Anhänger des VfL einen weiteren Aufreger bereit. In der MixedZone berichtetet der langjährige VfL-Kapitän Stefano Celozzi sichtlich bewegt den Medienvertretern:

Vor drei Tagen wurde mir mitgeteilt, dass ich mir einen anderen Verein im Sommer suchen soll und man mit mir nicht mehr plant für die neue Saison.“

Celozzi spielte in dieser Saison sicher nicht mehr so stark auf wie in seiner Anfangszeit an der Castroper Straße. Sein Spiel hatte an Dynamik verloren, viele Fans monierten Celozzis Sicherheitspässe und häufig hatte Jan Gyamerah den Vorzug auf der RV- Position bekommen. Da dieser aber auch häufig in der Innenverteidigung benötigt wurde, kam Celozzi regelmäßig zum Einsatz. Trotzdem war er für viele Anhänger der Inbegriff eines loyalen Kapitäns mit 128 Spielen in 5 Jahren für den VfL.

Stefano Celozzi – Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Einen Tag später wurde bekannt, dass man Tim Hoogland ebenfalls einen Abschied im Sommer nahegelegte. Genauso wie für Celozzi war es nicht Hooglands beste Saison im VfL-Trikot, trotzdem hatten beide in einer verletzungsgeplagten Saison den Laden mit zusammen gehalten und vor Schlimmerem bewahrt. Beide besaßen noch gutdotierte Verträge aus einer Zeit, als der VfL unter Gertjan Verbeek die Spieler unbedingt halten und mit ihnen aufsteigen wollte. Nicht die ideale Kombination, um Begehrlichkeiten bei anderen Verein zu wecken. Mit Jan Gyamerah, Lukas Hinterseer, Robbie Kruse und Sidney Sam verließen weitere Gesichter der Mannschaft die Castroper Straße.

März 2021 – Pressekonferenz vor dem Spitzenspiel am 25. Spieltag gegen den HSV. Sportvorstand Sebastian Schindzielorz wird gefragt, was sich im letzten Jahr, als man vor der Corona-Pause auf Platz 15 stand, geändert und zu dieser Entwicklung des VfL geführt hat. Diesen „Umbruch im Kader im Sommer 2019 mit einem Eingreifen in die Hierarchie des Kaders und unpopulären Maßnahmen“ bezeichnete er als den Startpunkt für die Entwicklung des VfL. Diese hat ihn an die Spitze der zweiten Liga geführt mit einem Etat, der Ligadurchschnitt ist und den VfL vor finanziellen Schwergewichten wie dem Hamburger Sportverein, Fortuna Düsseldorf, Hannover 96 oder dem 1. FC Nürnberg rangieren lässt. Und das in einer Saison, deren Fokus darauf lag, eine ruhigere Spielzeit zu absolvieren.

Doch was ist seit diesem Sommer passiert und an welchen Stellschrauben haben der Verein vordergründig in Person von Sebastian Schindzielorz, Ilja Kaenzig und Trainer Thomas Reis gedreht, um den VfL so erfolgreich zu machen? Begeben wir uns ein wenig auf Spurensuche.

Trainer und Kader stehen häufig im Fokus der Öffentlichkeit, aber auch das „Drumherum“ soll hierbei unter die Lupe genommen werden.

Transferpolitik & Talentförderung

Die Transferpolitik von Sebastian Schindzielorz war für viele Beobachter nicht immer direkt durchschaubar. Auch wir haben uns an anderer Stelle darüber ausgelassen. Mittlerweile nach knapp zwei Jahren ist mit einem Schritt zurück das vielzitierte „Big Picture“ etwas deutlicher zu erkennen. Im Interview mit Sport1 erläuterte er das Konzept ein wenig näher. Für ihn fußt es auf zwei Säulen.

Sebastian Schindzielorz - Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)
Sebastian Schindzielorz – Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Säule I: Talentförderung – Spieler entwickeln und fördern. Eine Losung, die nicht nur beim VfL Bochum ausgegeben wurde. Allerdings verweist Schindzielorz explizit darauf, dass an den Talenten festgehalten wird, wenn es mal nicht bei Ihnen läuft oder die Entwicklung stagniert. Durch die viel diskutierte Abschaffung der U23 noch durch Vorgänger Christian Hochstätter mussten andere Wege eingeschlagen werden, um die jungen Talente an den Seniorenbereich heran zu führen. So wurden Spieler wie Paul Grave, Stelios Kokovas, Moritz Römling oder eben auch Armel Bella Kotchap früh ins Profi-Training und die Trainingslager eingebunden. Bella Kotchap war aufgrund seiner enormen Physis sogar schon mit 16 regelmäßig dabei. Der großer Entwicklungsschritt folgte für ihn dann aber in der A-Jugend. Zuletzt wurde mit Tjark Ernst ein großes Torwarttalent auch während der Corona-Zeit ins Profi- Training integriert, mit ihm Stürmer Luis Hartwig – der einen langfristigen Profivertrag unterschrieben hat – und mit Verthomy Boboy ein weiteres IV-Talent, um nur Einige zu nennen. Dies war in Zeiten von regelmäßigen Testungen im Rahmen der Corona- Pandemie und entsprechendem organisatorischem Aufwand ein großer Vertrauensbeweis.

Maxim Leitsch oder auch Jan Gyamerah sind Beispiele dafür, an jungen Talenten festzuhalten, wenn die Entwicklung entweder stagniert oder aufgrund von langwierigen Verletzungen sogar der Schritt in den Profibereich in Gefahr ist. Beide hat man sie auch während ihrer Verletzungen unterstützt und einen Plan entwickelt, um sie körperlich stabiler zu machen.

Dieses Vertrauen in die Spieler in langfristige Verträge umzumünzen, um so Werte für den Club zu schaffen, ist ein weiterer fester Aspekt in der Säule Talentförderung.

Säule II: „Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich auch am liebsten einen 20-jährigen deutschen U-Nationalspieler verpflichten, weiterentwickeln und irgendwann mit Gewinn transferieren“, erklärte Schindzielorz zuletzt in einem Interview. So geht es im deutschen Profifußball nicht nur ihm. Zudem gehörte der VfL in den letzten Jahren sowohl sportlich als auch finanziell nicht zu den attraktivsten Vereinen in Deutschland.

Robert Zulj und Simon Zoller – Bild: VfL Bochum

Daher sind die Spieler in der Säule II in Schindzielorz` Konzept sogenannte „Dellenspieler“. Ein Begriff, den er selber gar nicht so gerne mag, auch nicht falsch verstanden wissen möchte und auch nicht despektierlich meint. Er selber umreißt diese Spieler selber so: Spieler, die mit ihren Fähigkeiten und ihrer Mentalität auf einem höheren Niveau anzusiedeln sind und ggf. auch schon waren, aber nicht mehr im Fokus ihrer aktuellen Vereine sind.

Hierzu zählen das Top-Scorer Duo „ZZ-Top“ Robert Zulj und Simon Zoller, der griechische Kühlschrank Vasilios Lampropoulos, der mit für ungeahnte Stabilität in der Bochumer Hintermannschaft sorgte, mit Cristian Gamboa ein WM-Teilnehmer für Costa Rica und mit Danny Blum eine echte Waffe auf der linken Außenbahn. Manch einer fühlt sich bei diesen talentierten Spielern, die ihren zweiten oder dritten Frühling erleben, an die Mannschaft erinnert, die mit Klaus Toppmöller 1995 aufstieg und deren Kader sich wie ein Who-is-who der großen, ehemaligen Talente las.

Lernen im Maschinenraum

Säule II weist deutliche Paralellen mit seinem Vorgänger Christian Hochstätter auf und Sesi sieht auch die Zeit unter Hochstätter als sehr prägend an: „Für mich war gut und wichtig, dass ich nach dem Ende meiner aktiven Laufbahn von Christian Hochstätter und Ansgar Schwenken die Chance bekommen habe, richtig hinter die Kulissen zu schauen. Ich habe viele Besprechungen mitverfolgen dürfen und die ganzen Prozesse im Hintergrund mitbekommen, auch wenn ich da noch nicht entscheidungsbefugt war. Dieser Einblick in den Maschinenraum hat mir als Ex-Profi, der viele Kabinen gesehen hat, sehr geholfen.“

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Schindzielorz kennt die Abläufe beim VfL und weiß wie und vielleicht auch warum es nicht geklappt hat mit der Rückkehr in die Beletage des deutschen Fußballs. Beim besten Versuch, der auf Platz Fünf endete, war der Kader unter Gertjan Verbeek talentiert, die Spielidee ballbesitzorientiert mit offensivem Pressing ungewöhnlich für Liga zwei. Aufgrund fehlender Konstanz reichte es nicht für einen Platz ganz oben. Später weicht Hochstätter von seiner Linie ab, entwicklungsfähige Spieler zu holen und setzt auf fertige (satte) Spieler, zwar mit individueller Qualität, die aber für die zweite Liga nicht die nötige Gier mitbringen.

Mehrere Trainerwechsel innerhalb einer Saison sind die Folge. Als Schindzielorz die sportliche Verantwortung im Februar 2018 übernimmt, muss der Ex-Profi erst mal einen neuen Trainer finden und seine Wahl fällt auf den erfahrenen Robin Dutt. Dieser gibt der Mannschaft zügig Selbstvertrauen, durch ein festes Spielsystem und eine eingespielte erste Elf. Am Ende gibt es den sechsten Platz für den VfL in der Endabrechnung.

Die folgende Saison bringt nicht den gewünschten nächsten Schritt in der Entwicklung und lässt den Plan reifen, besagten Umbruch im Kader vorzunehmen. „Das es am Anfang etwas ruckelt“, war laut dem Vorstand Sport einkalkuliert, aber es wird direkt turbulent. Ein katastrophaler Saisonstart bedeutet das Ende von Robin Dutt beim VfL. Am Ende hatte er das Team mit dem Mix aus starken Einzelspielern mit Ecken und Kanten sowie jüngere Spieler aus einer neuen Generation Fußballer nicht mehr so erreicht wie zu Anfang seiner Zeit beim VfL.

Trainer Thomas Reis

Als Nachfolger präsentiert Schindzielorz mit Thomas Reis jemanden, der den VfL genauso gut kennt wie er selbst. Von Einigen als preiswerte und naheliegende Lösung belächelt, soll er mit seiner Erfahrung aus dem Jugendbereich im Umgang mit jungen und entwicklungsfähigen Spielern die Mannschaft nach vorne bringen. Und: Reis kennt das Umfeld und die Fans des VfL, deren Ansprüche und die Sehnsucht nach der ersten Liga.

Bei der Antrittspressekonferenz spricht er davon, dass er seine Mannschaften gerne entwickelt. Mit Pressing und schnellem Spiel nach vorne sollen die Spiele gewonnen werden, aber erstmal muss Reis die Mannschaft für sich gewinnen.

Und er macht wenig Kompromisse. Auf der Ersatzbank bleiben am Spieltag auch mal Plätze leer, wenn die Trainingsleistung nicht stimmt. Im Trainingslager werden die Leistungsträger Soares, Ganvoula und Blum für ein Testspiel nicht berücksichtigt, weil sie ein Lauftraining nicht mit Vollgas angehen. Erste Erfolge werden sichtbar, aber der Mannschaft fehlt die Konstanz. Immer wieder gibt es Unsicherheiten und Vorsprünge werden verspielt.

Reis beschreibt sich selber als Trainer, der den Spielern Hilfestellungen geben kann in Form einer klaren Struktur im taktischen Bereich und einem klaren Rahmen, in dem sie sich bewegen können. Aber der Rest muss von Ihnen selbst kommen. Sie sollen eine Gier nach Erfolg entwickeln und immer weiter Gas geben. Gerne vergleicht er das mit Jungprofis, die lange für den ersten Profivertrag trainieren und dann im ersten Profijahr die Füße hochlegen. Da muss man noch mal einen Gang hochschalten. Das Erreichte ist gerade gut genug.

Nach dem Re-Start zeigt seine Mannschaft das auch auf dem Platz. Nach Führungen wird weiter nach vorne gespielt, Sprints auch noch in der Nachspielzeit angezogen. Auf Niederlagen reagierte das Team immer mit einem direkten Sieg als Antwort.

Im Rückblick bezeichnet sich Reis auch als Spieler „der nicht immer einfach war“. Ein möglicher Grund für seinen Führungsstil als Trainer. Klare, gerade Linie auf der eine Seite, Freiraum, den einige seiner Spieler anscheinend benötigen, auf der anderen Seite. Er gibt der Mannschaft die Möglichkeit, eigene Hierarchien aufzubauen oder Sachen intern zu regeln.

Mentalitätsliga

Nach einem holprigen Saisonstart steht das Spitzenspiel zuhause gegen Fürth an. „Hergespielt“ wurde man im eigenen Stadion sagt Reis danach. Unterschiedsspieler Zulj sitzt auf der Tribüne, er hatte sich im Training nicht dem Teamgedanken untergeordnet. In der Länderspielpause folgt eine Aussprache zwischen Trainer und Mannschaft.

Das nächste Auswärtsspiel beim großen HSV gewinnt der VfL in beeindruckender Art und Weise 3:1. Im Interview danach sagt Robert Zulj: „Ich bin ein Spieler, der seine Meinung hat. Das passt den Leuten nicht immer, aber das weiß ich auch. Ich freue mich aber, dass ich heute ein gutes Spiel gemacht habe und dem Trainer zeigen konnte, dass auf mich Verlass ist.“

Der Trainer lebt den Ehrgeiz und die Gier, die er von der Mannschaft fordert, immer vor: Auf PKs wird auch nach Siegen selten etwas beschönigt, auch wenn er bei schwächeren Auftritten Wille, Einsatz und Mentalität lobt, werden Fehler klar angesprochen.

Reis versucht, sich und das Spiel der Mannschaft weiter zu entwickeln, passt Nuancen an, gibt den Spieler Vertrauen. Seine zurückhaltende Wechselbereitschaft wird häufiger kritisiert, trotzdem verändert meist nur wenig. Das Spiel gegen die Raute stellt einen Schwachpunkt in der Hinrunde da, aber auch hier findet das Trainerteam um Thomas Reis immer mehr Lösungen, ohne die eigenen Stärken aufzugeben.

Das Team hinter dem Trainer

Zum Trainerteam gehört seit dem Sommer 2020 auch Markus Gellhaus – ein erfahrener Co- Trainer. Nach dem Weggang von Matthias Lust wird der ehrgeizigen Heiko Butscher sein Nachfolger. Bei der bei der U-19 soll er Erfahrung sammeln, sein eigenes Team zu entwickeln, zu führen und sich für höhere Aufgaben zu bewähren. Daher suchte man zusätzliche Unterstützung für Thomas Reis. Paderborn, Mönchengladbach, Augsburg, Hertha BSC, Hannover 96 und St.Pauli als Stationen, fast immer in der Rolle des Zuarbeiters, in der er sich sieht, mehrere Aufstiege in Liga Eins und Zwei: Gellhaus scheint der erfahrene Gegenpart aus dem Profibereich zu sein, den Thomas Reis als Vertrauensperson gesucht hat.

Markus Gellhaus und Thomas Reis. Foto: VfL Bochum

Spiel- und Trainingsphilosophie der Beiden sind auf einem Nenner, gegenseitige Wertschätzung und eine vertrauensvolle Arbeit sind die Schlagworte, die fallen, wenn beide auf die Zusammenarbeit angesprochen werden. Das bestätigt Gellhaus im Interview mit MeinVfL, dem offiziellen Mitgliedermagazin des VfL, und auf die Frage, wie die Zusammenarbeit mit Thomas Reis sei:

„Kurz gesagt: Überragend! Thomas ist menschlich und fachlich top. In Sachen Spiel- und Trainingsphilosophie ticken wir sehr ähnlich. Das spiegelt sich dann in der täglichen Arbeit, also bei der Trainingsplanung und Durchführung, wider. Das ist es, was mir Spaß macht.“ – Markus Gellhaus

Mit einem weiteren VfL-Urgestein in Person von Patrick Fabian wurde das Team hinter dem Team im Sommer ergänzt. Fabian besetzt die seit der „Beförderung“ von Sebastian Schindzielorz vakante Position als Assistent der Geschäftsführung/Sport. „Patrick Fabian wird künftig eng im Austausch mit der Mannschaft und dem Trainerteam stehen sowie die organisatorischen Prozesse mit begleiten“, erläutert Schindzielorz. Der ehemalige VfL-Kapitän begleitet unter anderem das Gespräch mit Gerrit Holtmann, in dem man unseren Highspeed-Spieler sehr schnell von der Philosophie und Mentalität des Vereins überzeugte.

Feintuning in der Corona-Saison

Nach ersten Erfolgen in Form der „Corona-Meisterschaft“ plant der VfL die Saison 20/21. Schnell wird klar: eine Saison ohne Winterpause und mit einem intensiven Spielplan und mehreren englischen Wochen wird die Mannschaft mental und körperlich noch mehr fordern.

Mit Maik Liesbrock wurde ein erfahrener Physiotherapeut zur Verstärkung des Staff gewonnen, der vorher sechs Jahre lang als Leiter Physiotherapie mit den Dauerläufern von Eintracht Frankfurt unterwegs war. Zusammen mit Athletiktrainer Jörn Menger und Leistungsdiagnostiker Rexhep Kushutani, die das Athletikkonzept beim VfL Bochum schon seit fast 10 Jahren umsetzen, wurden Überlegungen angestellt, wie die Gefahr einer Überlastung minimiert und mehr Zeit in die Regeneration investiert werden kann. Dabei sollte keine wertvolle Trainingszeiten für das Trainerteam verloren gehen. Durch die Erweiterung der medizinischen Abteilung wird die gezieltere individuelle Begleitung der Spieler gewährleistet und die Regeneration nach den Trainingseinheiten und Spielen gefördert.

Aus Sicht von Jörn Menger stehen dabei zwei Faktoren primär im Vordergrund, welche die erfolgreiche Saison unter athletischen Gesichtspunkten erklären: „Zum einen habe ich mit Thomas Reis und Markus Gellhaus ein Trainerteam, welches mir als Athletiktrainer vollständig vertraut und mich bestmöglich unser Athletikkonzept umsetzen lässt. Und zum anderen steht die Mannschaft mit vollem Einsatz hinter den, zugegebenermaßen nicht immer freudespendenden, athletischen Inhalten und setzt diese überragend um. Diese beiden Faktoren erzeugen eine enorme Leistungskultur und -entwicklung innerhalb der Mannschaft, welche aus athletischer Sicht ihren Anteil zum bisherigen Saisonverlauf hat.“

Auch Trainer Thomas Reis hat während der ganzen Saison immer wieder darauf geachtet, dass seine Spieler eine Auszeit für den Kopf zu bekommen. Nach den intensiven englischen Wochen oder längeren Phasen, in denen die Anspannung und Trainingsintensität hoch waren, gab es immer wieder mehrere Tage am Stück frei.

Zudem war der Verein sowohl nach der Coronapause im letzten Jahr als auch zum Start der aktuellen Saison darum bemüht, das Hygienekonzept konsequent umzusetzen, setzte auf das Verständnis der Spieler und bezog diese direkt mit ein, damit sie mit der entsprechenden Eigenverantwortung an die Saison rangehen. Zwischendurch wurde immer wieder nachjustiert. Beispielsweise geschah dies durch die Einführung der regelmäßigen Testungen in einem „Drive-In- Prinzip“. Lange wurde den U19- Talente eine Teilnahme am Training der Profis ermöglicht. Diejenigen, welche regelmäßig am Präsenzunterricht in der Schule teilnahmen, wurden aus dem Trainingsbetrieb genommen.

In dieser Situation bestand auch für das Trainerteam die Aufgabe darin die Spieler hinter der ersten Elf bei Laune zu halten. Aufgrund der geringen Fluktuation in der Startelf und der tendenziell eher niedrigen Wechselbereitschaft innerhalb eines Spiels waren die Einsatzzeiten begrenzt.

Spielerentwicklung

Thomas Reis hat den Ehrgeiz, jeden Spieler weiterzuentwickeln und dadurch in der täglichen Trainingsarbeit auch bei der Stange zu halten. Laut Co-Trainer Gellhaus gelingt das Reis auch, da dieser als Trainer immer den Kontakt zur Mannschaft hat, nah dran ist, mit dieser diskutiert und kommuniziert und dadurch es schafft, die Mannschaft mitzunehmen und eine Einheit zu formen. Reis‘ Zielsetzung, die Mannschaft und damit die Spieler zu entwickeln, trägt auch dazu bei, die Konzentration und die Identifikation mit dem Ziel hochzuhalten.

So gehören zu den prominentesten Beispielen mit Entwicklungssprüngen in der Saison sicherlich Gerrit Holtmann und Herbert Bockhorn. Ersterer hat seinen Abschluss und die Entscheidungsfindung klar verbessert, wodurch sein Spiel nun nicht mehr nur auf Geschwindigkeit beruht. Letzterer hat sich vom reinen „Role Player“ zu einer starken Alternative auf mehreren Positionen entwickelt.

Beim Thema „Role Player“ in Form von Einwechselspielern stechen in dieser Saison sowohl Milos Pantovic als auch Thomas Eisfeld heraus: Beiden blieb häufig in dieser Saison nur die Rolle als Einwechselspieler. Beide haben diese immer voll angenommen und waren da wenn sie gefordert wurden. Pantovic mit bisher fünf Scorern und einigen herausgeholten Freistößen, die zu Toren nach Standards führten, Eisfeld mit sechs Scorern, zwei direkt verhandelten Freistößen und vier Vorlagen unter anderem für das wichtige 1:0 durch Anthony Losilla beim Auswärtssieg in Fürth.

Thomas Eisfeld Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

An Spielern wie Zulj, Zoller, Holtmann, Bockhorn, aber auch Lampropoulos – um nur einige zu nennen – wird auch ein weiterer Aspekt der Transferstrategie von Sebastian Schindzielorz klar: Neben den oben schon erwähnten „Dellenspielern“, deren Status im abgebenden Verein eine Verpflichtung erst möglich machen, sind klare Spielerprofile für die einzelnen Positionen definiert welche als Grundlage dienen. Neben einem passenden Charakter und der entsprechenden Mentalität lassen sich die Spielerprofile am Spiel der letzten Monate bzw. Jahre ableiten und die Art und Weise wie Thomas Reis und sein Team Fußball spielen lassen. Dazu gehören: Gute Geschwindigkeit, Tiefe im Spiel, gute, stabile Verteidiger, spielerische Elemente im Zentrum.

Mit der Verpflichtung von Christopher Antwi-Adjei verfolgt der VfL diese Vorgabe klar. Auch mit Blick auf die Anforderungen, die auf einen Aufsteiger in der ersten Bundesliga zukommen. Hier wird das Spiel des VfL sicherlich durch weniger Ballbesitz und noch mehr durch Konter und Umschaltspiel geprägt sein wird.

Durch den Aufschwung der letzten Zeit bestätigen sowohl Sportvorstand als auch Trainer, dass der VfL wieder attraktiver geworden ist für Spieler, an die vorher nicht zu denken war. Die frühe Planungssicherheit mit Ambitionen für die erste Liga bzw. Spitze der zweiten Liga, sorgen dafür dass der VfL interessant ist für junge Spieler. Unteranderem auch Jung- Profis größerer Vereine bei denen steht der nächste Entwicklungsschritt im Vordergrund und nicht die Entlohnung.

„Wir können nur gewinnen und haben schon gewonnen, weil die Außenwahrnehmung des VfL sich zum positiven gewandelt hat.“ – Thomas Reis

Ilja Kaenzig

Neben einigen sportlichen Problemen sah Sebastian Schindzielorz sich mit seinem Vorstand-Kollegen Ilja Kaenzig, der einige Wochen später als er beim VfL einstieg, vor allem einem Problem gegenüber: Der Kommunikation. In der Krise hatten sich die Fans in turbulenten Wochen und Monaten vom Verein entfernt. Mit einer Fanclubtour und einer Kommunikationsoffensive schafften es die Beiden wieder, mehr Ruhe in die Beziehung zwischen Fans und Verein zu bringen. Der Erfolg tat sein übriges: Trotz eines Jahres ohne Stadionbesuch ist die Euphorie in der Stadt riesig. Vor dem Auswärtsspiel beim 1.FC Nürnberg standen über 5000 Fans an der Castroper Straße Spalier, um die Mannschaft auf den Weg ins Frankenland zu schicken.

Foto: Claudio Gentile

Mit Ilja Kaenzig hat der VfL einen sehr erfahrenen und überzeugten Fußballromantiker als „Sprecher der Geschäftsführung“ gewinnen können, der den VfL als klaren Gegenentwurf zur Fußballepoche aus Glamour, Geld und Entertainment sieht. Seine Erfahrung aus über 25 Jahren Profifußball, 13 davon in der Bundesliga, kann er nun an der Castroper Straße einbringen. Mit Sebastian Schindzielorz und Thomas Reis verbindet ihn, dass bei allen das teamorientierte Arbeiten und der Teamgeist im Fokus steht. So hört man von Kaenzig wenige Statements in der Öffentlichkeit. Was dieser mit schweizerischer Pragmatik wie folgt erklärt: „Bei Clubs wo noch mehr Leute reden ..(als Trainer und Sportvorstand)… endet es selten gut.“

Und Kaenzig macht alles dafür, dass es gut endet beim VfL. Sein Konzept sieht vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Erfolg zwangsläufig eintreten muss. Kontinuität auf und neben dem Platz, sowie Ruhe im Umfeld sind wichtig, um in das richtige Fahrwasser zu kommen. Ebenso wichtig findet es die ehemalige rechte Hand des „Schwergewichts der Bundesliga“ Reiner Calmund, einen längeren Lauf zu starten und daraus die richtige Siegermentalität zu entwickeln. Im Kalenderjahr 2018 war man es schon mal soweit und dann kam die Delle, die zur Verpflichtung von Thomas Reis führte. Für Ilja Kaenzig sieht die Lage so aus: man habe eine „…Individuell starke Mannschaft, mit einem Etat aus dem Mittelfeld der Liga. Reis kann Individualisten und starke Persönlichkeiten führen und zu einer Mannschaft formen, die vorne mitspielen kann.“

Ilja Kaenzig – Foto: VfL Bochum

Laut ihm strahlen Reis und Schindzielorz die gleiche Ruhe aus und bewahren diese bei vermeintlichen Höhenflügen. Wie bei der starken Serie nach dem Re-Start, wodurch sich besagter Lauf zur Siegermentalität entwickeln konnte. „Hart arbeiten, Demut bewahren, Moment genießen.“ ist das Credo mit dem der Schweizer mit solchen Situationen umgeht.

Erfolg ist planbar, nur nicht der Zeitpunkt – Der Unterschied ist mit guter, kompetenter Arbeit auszumachen, aber nicht der Zeitpunkt. Irgendwann ist aber auch der VfL Bochum dran. – Ilja Kaenzig

Am Ende läuft es, wenn nach ihm geht, auf eine Sache hinaus: „Erfolg ist planbar, nur nicht der Zeitpunkt – Der Unterschied ist mit guter, kompetenter Arbeit auszumachen, aber nicht der Zeitpunkt. Irgendwann ist aber auch der VfL Bochum dran. Den Zeitpunkt zu bestimmen wann der Erfolg eintritt, ist bei keinem Projekt im Fußball möglich.“

Selten in den letzten 11 Jahren war der VfL Bochum dem Zeitpunkt so nah wie jetzt!

Autor: Moritz Möller

Über 20 Jahre begleitet mich der VfL jetzt schon - oder ich ihn. Ein Heimspiel Anfang der 90ziger gegen Leverkusen war der Auslöser, dann ging es auf einmal aus der zweiten Liga nach Europa, Abstieg, Aufstieg, wieder Europa, Abstieg und Relegation. Manch euphorische Saisonphasen die vom Auf.... träumen ließen, dazwischen Heimspiele mit 9000 Zuschauern gegen Aue, Mettbrötchen auf dem Weg nach Oberhausen, eine enttäuschende Auswärtsbilanz meinerseits und viele andere schöne Erinnerungen gehören dazu. Immer dabei: Dauerkarte, ein Fiege und eine Gruppe aus guten Freunden in Block Q sind für mich mit dem VfL einfach untrennbar verbunden.

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