Aller guten Dinge sind drei – Analyse der Hinrunde 2020/21

Eine taktische und statistische Analyse der Hinrunde des VfL Bochum in der Saison 2020/2021. Quelle: Einsachtvieracht

Der VfL Bochum begeistert in der aktuellen Saison wieder mit offensivem und dominantem Fußball. Platz 4 in der Liga und das Erreichen der 3. Runde im DFB-Pokal belegen diese Dominanz. Wir analysieren gemeinsam mit meinVfL1848Stats und Global Soccer Network (GSN) wie Thomas Reis unseren VfL über drei Phasen in der Hinrunde 2020/21 entwickelt hat.

13 Spiele sind in der Saison 2020/21 gespielt. Damit ist bereits mehr als ein Drittel der Saison vorüber. Grund genug, die kurze Pause zwischen Weihnachten und Neujahr zu nutzen, um die bisherigen Leistungen genauer zu analysieren. Dabei haben wir uns mit meinVfL1848Stats und Global Soccer Network zusammengetan, um unsere auf Beobachtungen basierenden Hypothesen mit Daten zu unterfüttern. Die Analyse startet auf mannschaftstaktischer Ebene, später gehen wir dann auf die einzelnen Mannschaftsteile und die prägenden Spieler genauer ein.

Mannschaftstaktik – Die Suche nach der Balance zwischen Kontrolle und Durchschlagskraft

Die Hinrunde der Saison 2020/21 kann in drei Phasen unterteilt werden. Die Phasen sind in Abbildung 1 durch die dicken Linien getrennt. Phase 1 umfasst das DFB-Pokal Spiel gegen FV Engers sowie die ersten vier Ligaspiele gegen St. Pauli, Karlsruhe, Osnabrück und Braunschweig.  Die zweite Phase ist das kurze 4-3-3 Intermezzo gegen Aue, Würzburg und Greuther Fürth. Die Spiele nach der Länderspielpause beginnend mit dem Sieg gegen den HSV fallen in Phase 3. Dabei fällt nur die erste Phase mit 5 Punkten aus 4 Spielen hinsichtlich des Punkteschnitts ab (1,25 Punkte pro Spiel). Sowohl in Phase 2 (6 Punkte aus 3 Spielen) als auch in Phase 3 (12 Punkte aus 6 Spielen) holte man eine durchschnittliche Punktausbeute von 2 Punkten pro Spiel. Phase 3 wurde jedoch in Presse- und Fankreisen deutlich positiver aufgenommen und es scheint als hätte Thomas Reis dort sein System und Stammpersonal gefunden.

Abbildung 1: Komplettübersicht der betrachteten Spiele der Saison 2020/21. Ein Anklicken der Tabelle öffnet die Grafik zum Hereinzoomen. Quellen: FiveThirtyEight (ExpG), WhoScored (Spieldaten und Noten)

Schaut man etwas tiefer, so können Gründe für diese Wahrnehmung angeführt werden. Zum einen waren die Gegner in Phase 2 gefühlt schwächer als in Phase 3. Zudem konnte die durchschnittliche Tordifferenz von 1,7:1,3 (Tore:Gegentore) auf 2,5:1,0 gesteigert werden. Wie Abbildung 2 zeigt, war das Pressing, gerade zu Beginn der dritten Phase, gegen die beiden Schwergewichte aus Hamburg und Düsseldorf auf absurd hohem Niveau, so dass selbst diese Mannschaften auf weniger als 5 Ballaktionen kamen bevor ein Bochumer Spieler eine Defensivaktion anbringen konnte. Die erwartete Tordifferenz (Expected Goals, ExpG), die aus der Qualität der Abschlusspositionen bei Schüssen oder Ballaktionen berechnet wird und mit diesem Jahr auch bei den Fernsehübertragungen Einzug erhalten hat, war mit Ausnahme des Spiels gegen Hannover immer positiv für unseren VfL. Der Ballbesitz konnte in dieser Phase konstant gesteigert werden (das Spiel gegen Düsseldorf, welches quasi über die gesamte Spielzeit in Überzahl bestritten wurde, nehmen wir hier mal raus), so dass wir im Spiel gegen Heidenheim schon über Vergleiche mit dem FC Barcelona und die neu gewonnene Ruhe bei Führungen schwärmen durften.

Abbildung 2: Entwicklung von Metriken zur Bewertung der Spieldominanz über die bisherigen Spiele der Hinrunde 2020/21. Quelle: meinVfL1848Stats

Doch was genau hat Reis eigentlich in den jeweiligen Phasen taktisch gemacht? Und was hat ihn dazu bewogen? Diese Fragen können wir natürlich nur aus der Ferne beantworten. Seine Kommentare bei Pressekonferenzen und die verfügbaren Daten bieten jedoch bereits ein gutes Bild.

Phase 1 – Eingewöhnung

Phase 1 kann in gewisser Weise als Eingewöhnungsphase betrachtet werden. Mit Ausnahme von Gerrit Holtmann waren die Neuzugänge noch nicht verfügbar, da sie entweder noch nicht verpflichtet (Raman Chibsah, Erhan Masovic, Soma Novothny), verletzt (Bockhorn) oder noch nicht weit genug (Bonga) waren.

Somit setzte Reis auf das bewährte asymmetrische 4-2-3-1-System aus der Vorsaison (Abbildung 3, links). Nur der durch eine Corona-Infektion in der Vorbereitung ausgefallene Danny Blum wurde zu Beginn durch Gerrit Holtmann beziehungsweise nach dessen roter Karte gegen Karlsruhe durch Milos Pantovic ersetzt. Die Asymmetrie resultierte aus einer starken Linkslastigkeit, die durch die starken Aufbauspieler Danilo Soares, Robert Tesche und Maxim Leitsch auf dieser Seite geprägt war. Diese Spieler wurden durch den Linksaußen unterstützt, der entweder mit auflösenden Dribblings und Tiefenläufen (Holtmann, Blum) oder im Kombinationsspiel (Pantovic) unterstützte. Die Idee war es, die Angriffe von dort einzuleiten, um dann entweder Robert Zulj im Zentrum, Silvère Ganvoula in der Spitze oder den tororientiert vorstoßenden Simon Zoller auf Rechts in Position zu bringen.

Ganvoula agierte darüber hinaus aus einer leicht nach rechts versetzten Position als Zielspieler für lange Bälle und wich ebenfalls viel nach links aus, um die Angriffe auf dieser Seite zu unterstützen. Rechtsverteidiger Gamboa war mehr in die tiefe Ballzirkulation eingebunden und verblieb bei Angriffen als Absicherung in der Restverteidigung, um das Konstrukt zu balancieren (mehr dazu später in Abbildung 9). Vasilios Lampropoulos agierte etwas zentraler als Zirkulationsspieler und tiefe Absicherung.

Abbildung 3: Übersicht der taktischen Grundordnungen in den 3 Phasen. Gezeigt sind die durchschnittlichen Positionen (Kreise) und typische Bewegungsmuster aus dieser Grundposition (Pfeile). Quellen: Einsachtvieracht (Aufbereitung und Design), WhoScored (Grundpositionen)

Der starke Flügelfokus in dieser Phase war etwas überraschend, da unser VfL in der Vorbereitung gegen Schalke und Dortmund mit einem starken Aufbauspiel unter Druck und scharfen Pässen in den Zehnerraum bzw. die Halbräume gefiel. Die ersten Gegner hatten diese Spiele scheinbar auch beobachtet und setzten mit einem starken Zentrumsfokus (St. Pauli, Osnabrück, Braunschweig) und Manndeckungen gegen Robert Zulj (Karlsruhe, Osnabrück) dagegen. Mit der Überladung auf links konnte der VfL meist trotzdem gut aufbauen und ins zweite Drittel gelangen. Oft fehlten dann jedoch die Verbindungen ins Zentrum, da Losilla tiefer blieb und oft in die Abwehrreihe abkippte während Zulj durch die Kompaktheit bzw. Manndeckungen aus dem Spiel genommen wurden. So blieb nur der Durchbruch auf dem Flügel.

Die Gegner stellen sich auf den VfL ein

Wie die Kurve der Pressingmetrik Pässe pro Defensivaktion (PPDA) in Abbildung 2 zeigt, war diese Phase auch durch Probleme im Pressing geprägt. Dies hatte Gründe in der individuellen Pressingbeteiligung der ersten Linie (Ganvoula, Blum) im hohen 4-4-2-Mittelfeldpressing, in das auch immer wieder Angriffspressingphasen eingestreut wurden, ging aber auch auf gute Anpassungen der Gegner zurück.

So fehlte im Spiel gegen St. Pauli der Zugriff im hohen Pressing, da Pauli die Außenverteidiger im Aufbau sehr tief hielt, wodurch die Bochumer Außen sehr weite Bögen hätten laufen müssen, um diese beim Anlaufen der Innenverteidiger im Deckungsschatten zu halten. Da sie aber, auch aufgrund der geringen Abdeckung der ersten Linie, den Kontakt zum Zentrum halten wollten, blieben sie passiv. Ein ähnliches Dilemma gab es für die Sechser, da die beiden Sechser von Paulis 4-2-3-1 flach gestaffelt blieben, wodurch unklar war, wer wann auf wen vorschieben sollte.

Auch der Karlsruher SC zog sich im Aufbau sehr tief zurück, um die Bochumer herauszulocken, und Entscheidungskonflikte zwischen riskantem hohen Pressing und stabiler Kompaktheit zu erzeugen. Wie schon St. Pauli zog man sich im Aufbau sehr tief zurück, um die Bochumer herauszulocken, und Entscheidungskonflikte zwischen riskantem hohen Pressing und stabiler Kompaktheit zu erzeugen. Ging Bochum das Risiko ein versuchte der KSC schnell mit langen Bällen oder über die Außen das Mittelfeld zu überbrücken, um so Lücken in die Bochumer Defensive zu reißen.

Der VfL Osnabrück und Eintracht Braunschweig schafften mit der Raute bzw. der Dreierkette ebenfalls sehr viel Präsenz im tiefen Aufbau, so dass die Bochumer eher situativ auf ungenaue Pässe pressten, als konsequent draufzugehen. In diesen Spielen war man jedoch auch ohne aggressives Pressing deutlich überlegen und die Probleme lagen eher im spielerischen Bereich und insbesondere in der Abschlussschwäche. Die erwarteten Tore nach Schüssen bzw. Ballaktionen in Abbildung 1 zeigen, dass man diese Spiele bei durchschnittlichem Abschlussglück mit zwei (Osnabrück) bzw. einem Tor (Braunschweig) Abstand hätte gewinnen können. Mit einer besseren Strafraumbesetzung und genaueren Flanken nach den guten Durchbrüchen auf Außen gegen Osnabrück und einer ruhigeren Spielanlage in Überzahl gegen Braunschweig hätten aber auch noch bessere Chancen herausgespielt werden können.

Robert Zulj und Simon Zoller können es nicht fassen, dass die Dominanz gegen Braunschweig nicht in Tore umgemünzt werden konnte. Bild: VfL Bochum

Gerade gegen Braunschweig zeigte sich unser VfL vom 3-4-3 Pressing der Löwen aus der 3-4-1-2-Grundformation unbeeindruckt und bot erstmals eine gute Spielkontrolle und klare Dominanz des Mittelfeldzentrums, indem im eigenen Spielaufbau geschickt die Überzahl im Mittelfeld aufgrund der hohen Position von Martin Kobylanski ausgespielt wurde. Das Spiel stellt gar mit 33% der Angriffe durchs Zentrum den Maximalwert der bisherigen Hinrunde dar. Leider wurden viele der von Zulj eingeleiteten Angriffe nicht konsequent ausgespielt, sondern endeten mit halbherzigen Flanken oder Abschlüssen, ehe der überraschende Ausgleichstreffer durch Kaufmann quasi völlig aus der Luft fiel. Die Ruhe im Spielaufbau ging verloren und der VfL verfiel in die bekannten Muster. Man spielte zu früh lang, Ballverluste nahmen zu. So schaffte es Braunschweig, dem VfL ein mannorientiertes, unkompaktes Gebolze aufzuzwingen, in dem sie durch konsequenteres Nachrückverhalten, vor allem von Ben Balla, die zweiten Bälle gewannen. Reis Wechsel gingen in diesem Spiel überhaupt nicht auf. Die Viererkette wurde aufgelöst und auf ein 3-4-1-2 umgestellt. Es ging von nun an verzweifelt über Außen. Als dann mit Blum der einzige Spieler ausgewechselt wurde, der auf der Seite Läufe in die Tiefe anbot und gute Flanken schlug, nutzten auch die zwei Stürmer im Zentrum nicht mehr viel. Das erste Spiel wurde verloren, wodurch die Phase 1 enden sollte.

Phase 2 – Kontrolle

In Phase 2 versuchte Thomas Reis auf die angesprochenen Probleme mit den Verbindungen ins Zentrum sowie den fehlenden Zugriff im hohen Pressing zu reagieren. Durch die Umstellung auf 4-3-3 hatte er eine weitere zentralere Anspielstation im zweiten Drittel, die er mit Thomas Eisfeld sehr spielmachend und passsicher besetzte (siehe Abbildung 12). Zeitgleich ersetzte er mit Silvère Ganvoula, Robert Zulj und Danny Blum drei eher pressingfaule Spieler durch die Arbeiter Soma Novothny, Thomas Eisfeld und Milos Pantovic. Eisfeld und Pantovic hatten sich nach ihren Einwechslungen gegen Braunschweig angeboten, da sie zumindest versuchten, die Verbindungen ins Zentrum herzustellen und flach Chancen herauszuspielen. Dies wurde von Reis in der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Aue in einem Plädoyer für Pantovic bestätigt. Ich empfehle diese Pressekonferenz komplett anzusehen, da sie wohl eine der besten öffentlichen Auftritte von Thomas Reis darstellt. Er ist rhetorisch erstaunlich stark. Bei Chibsah und Novothny weicht er aus, um nicht öffentlich zu kritisieren. Ähnlich bei den Fragen zu Blum, Ganvoula und Zulj. Bei Pantovic nutzt er die Chance, die Stärken detailliert zu beschreiben.

Robert Tesche musste in Phase 2 für Thomas Eisfeld weichen. Foto: David Matthäus Photography

Eher verwunderlich war, dass auch Robert Tesche aus der Startelf verschwand. Im Gesamtkonstrukt machte dies jedoch mit der Hereinnahme von Eisfeld Sinn. Die spielmachendere und zurückgezogene Rolle von Eisfeld brachte ihn häufig in die Räume, die sonst Tesche dominierte. Sie harmonierte gleichzeitig mit der weiträumigeren und offensiveren Spielweise Chibsahs.  Dieser sollte wohl zudem gegen den Ball mehr Dynamik und Zweikampfwucht beim Nachrücken aus der zweiten Pressingreihe einbringen.

Pantovics Einrücken in den linken Halbraum konnte gut kompensieren, dass Novothny gegenüber Ganvoula eher rechtsseitig in den Halbraum zurückfällt und generell weniger weiträumig agiert. Komplettiert wurde dies durch eine deutlich offensivere Interpretation der Außenverteidigerposition von Soares sowie eine zurückhaltendere Rolle von Losilla. Der VfL holte in gewisser Weise die gute alte Verbeek-Transformation raus, bei der aus dem 4-3-3/4-2-3-1 ein 3-4-3/3-5-2 entsteht. Gamboa blieb tiefer, Soares rückte auf, dafür fiel Zoller weiter zurück, während Pantovic weit, fast neben Novothny einrückte.

Im Spiel gegen Aue ging der Plan auf. Das Spiel war das bis dato beste Spiel in allen Statistiken von Abbildung 2. Dass es am Ende durch die Wechsel von Zulj für Chibsah, Blum für Zoller und Ganvoula für Novothny (siehe Abbildung 1) entschieden wurde, zeigt einen weiteren positiven Aspekt des Systemwechsels. Man konnte die Gegner mit der besseren Ballzirkulation müde spielen und dann deutlich Offensivpower nachlegen. Dies war in Phase 1 ohne Systemwechsel nicht möglich, da auf der Bank nur Spieler mit weniger Durchschlagskraft saßen.

Probleme mit der Raute

Die Herrlichkeit war jedoch nur von kurzer Dauer. Würzburg und besonders Greuther Fürth zeigten die defensiven Probleme des 4-3-3 mit Rautenformationen schonungslos auf. Das Pressing aus dem 4-3-3 war gegen Würzburg als 4-2-1-3 organisiert. Pantovic, Novothny und Zoller stellten gemeinsam die erste Aufbaureihe zu. Dadurch entstand im Mittelfeld eine 3 zu 4 Unterzahl. Da Eisfeld für ein aggressives Pressing bereits früh vorrückte, mussten Chibsah und Losilla gegen die restlichen Mittelfeldspieler improvisieren. Die ungestüme Art Chibsahs mit oft fehlender Vororientierung machte die Lage noch schlimmer. Statt in Unterzahl den wichtigen Raum vor der Abwehr abzusichern, rückte er häufig heraus. Dabei gelang es ihm nur selten, den Ball tatsächlich zu erobern. Nach einem Pass rollte die volle Wucht auf Losilla und die Abwehrkette zu. Die Folge waren frühe Gegentore und eine gelbe Karte, die dazu führte, dass Losilla gegen Würzburg das Spielfeld nach 25 Minuten bereits hochgradig gelb-rot gefährdet verlassen musste. Mit Tesche erhöhte der VfL die Stabilität wieder etwas und erneut konnten die Einwechslungen von Blum und Ganvoula das Spiel am Ende zu Gunsten unseres VfLs drehen. Die Statistiken zu den erwarteten Toren in Abbildung 1 und 2 zeigen jedoch deutlich wie glücklich dieser Sieg war.

Gegen Fürth stellte Reis nur minimal um. Novothny blieb etwas tiefer und orientierte sich am Sechser der Fürther, so dass die Sechser und Achter mannorientiert verteidigen konnten. Dadurch wurde jedoch der Druck auf das Aufbauspiel geopfert, was zum zweitniedrigsten Pressingwert nach dem KSC-Spiel in Abbildung 2 führte. Die Kleeblätter konnten über die Außenverteidiger aufbauen und die Achter und Außenverteidiger erneut vor schwere Entscheidungen stellen. Wer rückt raus? Wer sichert ab? Diese Unsicherheit sah man im Spiel des VfL deutlich. Auch in Ballbesitz gab es unglaubliche technische Probleme. Es spielte eine Mannschaft mit klarem Plan gegen eine taktisch total überforderte Mannschaft, die an diesem Tag auch individuell unterlegen war. Dieses Mal konnten auch die Einwechslungen nicht helfen.

Es waren jedoch nicht nur die generellen strukturellen Problemen des 4-3-3 gegen die Raute, die neben der bereits genannten Unterzahl im Zentrum auch durch unklare Rollen der Verteidiger der Viererkette gegen die beiden schwimmenden Stürmer begründet sind, wodurch zwei Spieler vier Verteidiger binden können. Auch der Verlust der individuellen Qualität durch die Herausnahme von Blum, Ganvoula, Holtmann und Zulj wurde mehrfach thematisiert. Wir wollen dieses Thema später im Artikel noch einmal anhand von Statistiken aufgreifen. Hier sei nur erwähnt, dass für mich vor allem der Wechsel von Tesche zu Chibsah kritisch war. Chibsah konnte mich weder offensiv noch defensiv überzeugen. Seine offensiven Läufe wirkten meist improvisiert, auch wenn er gegen Würzburg ein paar gelungene Aktionen hatte. Seine Passtechnik erschien unausgereift, da die Pässe häufig hoppelten und zentral auf den Empfänger gespielt wurden, wodurch diese schwer direkt zu kontrollieren waren. Defensiv war er oft nicht auf der Höhe, da keine Vororientierung stattfand und er so häufig nur reagieren konnte.

Thomas Reis griff in Phase 2 mit nicht immer nachvollziehbaren Personalentscheidungen hart durch. Foto: VfL Bochum

Neben den mannschafts- und individualtaktischen Problemen schien es auch zwischenmenschlich zu knistern. Gegen Fürth war Robert Zulj nicht einmal im Kader, obwohl ein Platz im Kader frei blieb. Diese Entscheidung mit dem Spruch „Einen Platz im Kader muss man sich verdienen“ zu kommentieren, war eine klare öffentliche Ansage an den Spieler. Sowas feuert häufig zurück. Zulj wurde gegen Aue bestraft, kam rein und filetierte direkt die gegnerische Abwehr. Darauf wurde er erneut bestraft und gegen Würzburg nicht einmal eingewechselt, obwohl das Spiel lange auf der Kippe stand. Ich war persönlich fest davon überzeugt, dass Bestrafung für diesen Charakter nicht wirkt und Reis Zulj bereits verloren hätte. Zum Glück gab es im Anschluss eine Länderspielpause, welche die nächste Phase einleiten sollte.

Phase 3 – Gnadenloses Angriffspressing

In Phase 3 gab es die Rückkehr zum 4-2-3-1 und eine Begnadigung der vermeintlichen Diven Blum und Zulj. Thomas Reis fand offensichtlich den richtigen Zugang zu den Spielern, denn plötzlich ackerten die beiden im Pressing wie nie zuvor.  Zulj äußerte nach dem Spiel gegen Hamburg explizit, dass er die Entscheidung des Trainers akzeptiert, da er Reis nach dem Spiel gegen Würzburg klar die Meinung gegeigt hatte, was zum Ausschluss führte: „Ich bin ein Spieler, der seine Meinung hat. Das passt den Leuten nicht immer, aber das weiß ich auch. Auch Blum sprach nach dem Spiel gegen Düsseldorf davon, dass der Trainer der „Kapitän“ sei.

Angetrieben von Simon Zoller, der von der rechten Seite in den Sturm versetzt wurde, um ein gnadenloses Angriffspressing anzuführen, liefen auch die neuen Außen Blum und Holtmann unerbittlich an und unterstützten ihre Außenverteidiger defensiv. Im hohen Pressing wurde, wie in Phase 1, im Bogen angelaufen, um das Spiel ins Zentrum zu lenken wo Losilla und Tesche auf Ballgewinne lauerten, die Zulj als lauernder 10er veredeln sollte. Die Außenverteidiger rückten ebenfalls früher und weiter hinaus, um hinter den sehr offensiv pressenden Flügelspielern zu unterstützen.

Armel Bella-Kotchap kam in Phase 3 für Vasilios Lampropoulos ins Team und überzeugte mit starkem Defensiv- und Aufbauspiel. Foto: Volker Barth

Abgesichert wurde das Ganze durch Leitsch und Armel Bella-Kotchap. Letzterer rückte für Lampropoulos in die Mannschaft, der aufgrund der Länderspielpause erst kurz vor dem Spiel zurückkehrte. Diese Umstellung passte jedoch auch taktisch, da Armel Bella-Kotchap schneller und weiträumiger als unser griechischer Kühlschrank ist, was ihm erlaubt, noch größere Räume hinter dem hohen Pressing zu kontrollieren. Zusammen mit Leitsch bildete er so ein sehr balanciertes Abwehrduo, in dem jeder sowohl die Rolle des herausrückenden als auch des absichernden Verteidigers einnehmen konnte. Die ganz tiefen Bälle wurden von Torwart Riemann abgelaufen, der von nun an noch mehr als Libero spielte. Die ersten Spiele dieser Phase gegen den HSV und Fortuna Düsseldorf sollten die bisherigen Rekorde der Pressingmetrik PPDA (Abbildung 2) darstellen.

Die rechte Seite bringt Balance ins Bochumer Spiel

In Ballbesitz wurde das Spiel ebenfalls balancierter. Durch die neue, inverse Rolle von Danny Blum sowie die aktivere Spielweise von Bella-Kotchap im Aufbauspiel, die auch Gamboa ein weiteres Aufrücken erlaubte, wurde nun auch die rechte Seite zur permanenten Gefahr. Das Verhältnis der Angriffsseiten veränderte sich von 39%:35% in den Phasen 1 und 2 zu 37%:38% in Phase 3. Das machte es den Gegnern noch schwerer das Aufbauspiel des VfL zu verteidigen. Dazu standen nun die individuell stärksten Spieler alle direkt in der Startelf.

Im defensiven Mittelfeld übernahm Tesche wieder das Kommando. Er sorgte für die Verbindung zwischen den Seiten und spielte immer wieder flache Pässe und hohe Verlagerungen in die Tiefe. Er verband die in Phase 2 fehlende defensive Raumkontrolle mit der von Eisfeld erwarteten Rolle im Spielaufbau.

In den höheren Räumen bekamen Holtmann, Zulj und Blum mehr Räume, da Zollers mobile Spielweise mit vielen diagonalen Sprints einen Großteil der Abwehrkette band. Holtmann konnte nun endlich seine Geschwindigkeit und Dribbelstärke auch in zentraleren Räumen einbringen und wurde ein wichtiger Spieler für das Übergangsspiel. Zulj wurde erneut der Unterschiedsspieler für die finalen Pässe und konnte auch im Abschluss von den von Zoller geschaffenen Räumen profitieren. Die Kombination aus individueller Klasse und verbessertem Offensivspiel resultierte in einer Steigerung der durchschnittlichen erzielten Tore von 1,3 in den Phasen 1 und 2 auf 2,5 in Phase 3, und das obwohl die erwarteten Tore auf Basis der Abschlusssituationen nur von 1,5 auf 1,9 gesteigert werden konnten.

Silvère Ganvoula musste seine Durchschlagskraft in Phase 3 von der Bank kommend einbringen. Foto: Fabian Budde (Photomafia Bochum)

Das Problem, von der Bank nicht nachlegen zu können, bestand in Phase 3 nicht mehr so extrem wie in Phase 1, da mit dem wieder genesenen Herbert Bockhorn ein weiterer durchschlagskräftiger Außenspieler auf der Bank Platz nahm und Ganvoula jederzeit einen Wechsel von einer mobilen auf eine kopfballstarke Sturmspitze ermöglichte. Dazu zeigte Pantovic als Joker eine neuartige Effizienz vor dem Tor.

Die derzeitige Hochphase

Das Spiel gegen den Hamburger SV bildete den furiosen Auftakt der 3. Phase. Es fehlte noch etwas die Tiefe im letzten Drittel, ansonsten war es wohl das beste, was unser VfL spielen kann. Blum und Holtmann blieben noch zu oft vor der Kette stehen, wo sie die neu gewonnenen Räume auskosteten. Dabei hätten sie noch häufiger, wenn der Ball zentral war, in die gefährlichen Räume vor dem Tor starten müssen. Tesche hatte einen super Tag und hätte so sicherlich neben Zulj Assists sammeln können. Hamburg bot genug Raum hinter der Abwehr an.

Der Aspekt der fehlenden Tiefe von den Außenspielern wurde von Reis in der zweiten Hälfte des Spiels gegen Düsseldorf explizit adressiert: „In der zweiten Halbzeit wollten wir dann mehr Tiefe für die Außenspieler reinbekommen. Das hat ganz gut geklappt.“ Die Folge war ein Kantersieg gegen früh dezimierte Rheinländer. Im Gegensatz zum Spiel gegen Braunschweig in Phase 2 spielte der VfL schon in Halbzeit 1 das 1:0 nach der roten Karte dominant und kontrolliert runter.

Das Spiel gegen Holstein Kiel stellte nur einen kleinen Dämpfer dar. Auch wenn die Pressingmetrik und der Ballbesitz gegen die ambitionierte und spielstarke Mannschaft sanken, war es von den Chancen immer noch ein ausgeglichenes Spiel, das grad in Halbzeit 1 sogar über weite Phasen mit schönen Spielzügen und guten Ballgewinnen dominiert wurde. Schlechte Flanken und Abschlüsse vom sonst auffälligen Holtmann sowie ein unglücklicher Elfmeter brachten den VfL um den verdienten Lohn. Auch Zulj blieb etwas blass. Der Doppelschlag zum KO ging letztendlich auf eine dumme Aktion von Torhüter Riemann zurück. Die Mannschaft wollte flach aufbauen und positionierte sich in breiter Aufbaustellung, trotzdem schlug er den Ball lang. Als der Kopfball verloren ging stand die Mitte offen, 1:2, der Anfang vom Ende.

Im Spiel gegen den SC Paderborn zeigte sich die Besonderheit dieser Phase. Anstatt nach einer Niederlage zu wechseln, wurde der Weg mit der gleichen Elf fortgesetzt und diese machte die Sache sofort wieder gut. Das offensive Pressing bis auf den Torhüter versetzte die Paderborner Aufbauspieler in Verzweifelung, so dass Sky-Kommentator Dahlmann schon nach langen Bällen bettelte, um Ballverluste zu vermeiden. Diese gab es jedoch und sie wurden gerade in Person von Tesche aufgesammelt und zu perfekten Kontern veredelt. Dabei profitierte er davon, dass Blum, Holtmann, Zoller und selbst Zulj ständig in die Tiefe gingen. Leitsch, Bella-Kotchap, Tesche und Co. kombinierten sich nach Belieben durch das nicht gerade schwache Pressing der Mannen von Steffen Baumgart. Das 3:0 war vielleicht etwas zu hoch, stellte aber den verdienten Lohn für eine großartige Leistung dar.

Vasilios Lampropoulos erwischte bei seiner Rückkehr gegen Hannover 96 einen schlechten Tag. Bild: VfL Bochum

Das Spiel gegen Hannover 96 offenbarte jedoch, dass es auch in Phase 3 Kryptonit für unseren VfL gibt: Lange Bälle, Wucht und schlechter Rasen. Ersteres umgeht unser starkes Pressing, Zweiteres nutzt die fehlende Dynamik und Körperlichkeit unserer Sechser aus, Drittes bremst unser schnelles Kombinationsspiel. Hannover und das Greenkeeper Team der HDI Arena wandten dieses Kryptonit, dass auch der KSC bereits in niedrigeren Dosen versuchte, in Perfektion an. Dazu kam ein frühes Gegentor nach einem Abstimmungsfehler, bei dem die Mannschaft zu stark zum Ball verschob und anschließend nach einem verlorenen Kopfballduell in der Mitte komplett offen stand. Reis wusste zwar, „dass Hannover hohe Bälle spielt, wenn wir sie vorne anlaufen“. Sein Plan ging jedoch nicht auf. Die Pause für Bella-Kotchap, der trotz absurd starker Leistungen noch zu einzelnen individuellen Aussetzern neigt, feuerte direkt zurück. Lampropoulos öffnete mit seinem Herausrücken letztendlich das Zentrum vor dem 0:1 und verursachte den Elfmeter vor dem 0:2. Chibsah war der naheliegende Ersatz für Losilla, zeigte jedoch erneut die bekannten Schwächen bei der Orientierung im Mittelfeldzentrum. Die Folge war ein 0:2, das sogar hätte noch höher ausfallen können. Die erwarteten Tore sprachen mit 0,3:3,2 ein klareres Bild.

Wie bereits gegen Paderborn kam der VfL im Spiel gegen Heidenheim als Phoenix aus der Asche zurück. Dabei versuchte Heidenheims Trainer Frank Schmidt ein weiteres Gegenmittel, das unserem VfL in Phase 2 noch Schmerzen bereitet hatte – die Mittelfeldraute. Sie wurde von ihm explizit im Sky-Interview als „eine Anpassung an die vom VfL bevorzugt bespielten Räume“ angekündigt. Dazu kam, dass Reis Mittelfeld-Mastermind Robert Tesche eine Pause verordnete. Sein Vertreter Erhan Masovic machte jedoch direkt eine gute Figur und zeigte überlegtes  Stellungsspiel und starkes Umblickverhalten zur Vororientierung – Dinge, die Chibsah bis dahin vermissen ließ. Gegen das geballte Mittelfeldzentrum gab es auch 1-2 Fehlpässe, er zeigt aber auch bereits gute Aktionen unter Druck.

Nach dem 1:0 machte unser VfL das Spiel breit und zeigte die neue Sicherheit im Positionsspiel auf dem wohlgepflegten heimischen Rasen. Eine Passfolge von 32 Pässen ohne Unterbrechung durch einen Ballkontakt des Gegners war unter anderem die Folge. Der Sky-Kommentator zog bereits Vergleiche zum FC Barcelona, was sicherlich übertrieben ist, aber die Außenwahrnehmung des VfL schön zusammenfasst.

Das Highlight des Jahres

Den Jahreshöhepunkt im doppelten Sinne stellte das DFB-Pokal Drama gegen den FSV Mainz 05 dar. Die Mainzer pressten flexibel aus dem 4-4-2 mit viel Herausrücken in 4-3-3 und 4-1-3-2 Staffelungen. Hinter den ersten Pressinglinien gab es jedoch Räume für unseren VfL, die Holtmann und Blum teilweise gut ansteuerten, dann jedoch nicht ausspielen konnten, auch weil die Bewegungen in die Spitze noch nicht stimmten.

Wie Hannover 96 setzten die Mainzer auf Konter, bei der sie ihre individuelle Qualität und Wucht im Mittelfeld und Angriff ausspielen konnten. Auch hier sahen unsere Sechser gegen die Dribblings und dynamischen Nachrückbewegungen oft hilflos aus. Die Unterstützung von Blum war zu halbherzig.

Als das Spiel eigentlich schon fast gegessen war, zeigte die Mannschaft jedoch, warum Thomas Reis vor dem Spiel sagte „Die 1. Bundesliga ist für mich eine Qualitätsliga, die 2. Bundesliga eine Mentalitätsliga“. Mit heroischem Einsatz und einem Seitentausch von Blum und Holtmann konnte der Anschluss geschafft und sogar der Ausgleich geschafft werden. Der Rest ist bereits Geschichte.

Einschub – Kurzanalyse des Spiels gegen Darmstadt 98

Robert Tesche und Maxim Leitsch waren auch gegen Darmstadt Garanten für den Sieg. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Das Spiel gegen das Team von Markus Anfang ist eigentlich nicht Teil dieser Analyse, die sich auf die Spiele im Jahr 2020 fokussiert. Alle Statistiken und Grafiken wurden auf dieser Datenbasis erstellt, das Schreiben des Textes hat dann leider doch länger gedauert. Egal! Nutzen wir die Chance und fassen hier die wichtigsten taktischen Punkte des Spiels zusammen.

Phase 3 wurde auch im Jahr 2021 nahtlos fortgesetzt und die Stammbesetzung aus Abbildung 2 (rechts) erhielt erneut das Vertrauen. Markus Anfang versuchte ebenfalls auf Kryptonit zu setzen und Bochum erst zu locken, um anschließend mit Wucht und Dynamik durchs Zentrum zu kontern. Dazu wurden gezielt Verlagerungen in ballferne Räume genutzt. Zu wirklich hochwertigen Chance kamen Sie jedoch nicht. Am Ende stand mit 0,8 weniger als ein Tor in der Erwartung. Dies lag an diesem Tag vor allem an der großartigen Endverteidigung von Leitsch und Bella-Kotchap.

Auch unser VfL hatte ein gutes Konzept für den Aufbau. Die ersten 3-4 Pressingspieler in Kiels 3-3-3-1, 3-4-1-2-Formation konnten meist leicht umspielt werden. Das Problem lag, wie schon in der ersten Halbzeit gegen Mainz, bei den fehlenden Läufe in die Tiefe. Gerade Blum blieb deutlich unter seinen Möglichkeiten. Kam es mal zu Durchbrüchen über individuelle Aktionen von Holtmann, waren die Flanken oft schlecht, jedoch auch da die Strafraum- und Rückraumbesetzung meist nicht passte. Dies wurde von Reis nach dem Spiel wie folgt kommentiert: „Wir haben die schnellen Außen nicht in Eins-gegen-Eins-Duelle bekommen, die Positionierung war nicht gut und da hätten wir einfach mehr draus machen können.“ Auch Torhüter Manuel Riemann bestätigte „Bis 20 Meter vor dem gegnerischen Tor haben wir es nämlich gut gespielt, nur die Wege in die Tiefe fehlten“.

Als das Spiel fast schon auf ein 0:0 hinauslief, holte sich Kempe seine gewünschte Freistoßsituation selbst heraus und vollendete sicher. Wie schon gegen Mainz erwachte der VfL, als es fast schon zu spät war. Pantovic und Bockhorn brachten frischen Wind und drehten mit dem 2:1 letztendlich das Spiel. Das Problem, bei individueller Bestbesetzung der Startformation nicht nachlegen zu können, scheint gelöst. Da Gamboa seine 5. gelbe Karte sah, ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir nächste Woche gegen Regensburg das Pärchen Bockhorn/Pantovic auf der rechten Seite sehen werden. Da Bockhorn gegen Darmstadt auf links aufgeboten wurde, könnte er auch zu einer echten Alternative für den stets bemühten, jedoch nicht immer effektiven Holtmann werden. Nicht erst in diesem Spiel überzeugte Bockhorn nach seinen Einwechslungen mit einer tollen Kombination aus Geschwindigkeit, Physis, Einsatz und taktischem Verständnis.

Spieleranalysen – Die Zahlen lügen nicht

Neben der mannschaftstaktischen Betrachtung wollen wir in dieser Analyse auch einen Blick auf die Leistungen unserer Spieler und ihre taktischen Rollen werfen. Von Global Soccer Network (GSN) haben wir dazu einleitend eine Übersicht der Torbeteiligungen nach Expected Goals (xG) erhalten, die in Abbildung 4 dargestellt ist. Expected Goals oder erwartete Tore erlauben eine deutlich feinere Analyse als echte Scorerpunkte, da jeder Torschuss zu einer nutzbaren, nach Chancenqualität gewichteten Information führt.

Abbildung 4: Übersicht der erwarteten sowie tatsächlich erreichten Tore (xG) und Assists (xA). Ein Anklicken der Grafik öffnet ein Vollbild zum Hereinzoomen. Quelle: Global Soccer Network (GSN) (Die Definition der Assists folgt der DFL und inkludiert keine herausgeholten Elfmeter, wie z.B. von Zoller gegen Paderborn und Düsseldorf oder von Tesche gegen den HSV, und indirekte Vorlagen, wie z.B. von Zoller für Soares gegen Würzburg).

Unsere Top Scorer Zulj, Zoller (bei der Anzahl der tatsächlichen Assists wird die DFL-Definition angelegt, die herausgeholte Elfmeter und indirekte Assists nach Abprallern nicht berücksichtigt) und Blum tauchen auch in den Erwartungsmetriken oben auf. Alle drei Spieler waren dabei im Torabschluss (grauer Balken) effizienter als in der Erwartung (blauer Balken), während ihre Assists unterdurchschnittlich verwertet wurden. Zuljs Pässe hätten gar über drei Tore mehr verdient als tatsächlich erzielt wurden (5,35 zu 2). Dies mag erklären warum unser österreichischer Spielmacher manchmal etwas frustriert wirkt, wenn es auch sein teils arrogantes Verhalten nicht rechtfertigen kann.

Nach diesem Trio folgt bei den Expected Goals bereits Milos Pantovic, der im Gegensatz zu den Kollegen seine Chancen jedoch unterdurchschnittlich gut verwertet. Selbst mit seinem Tor gegen Darmstadt konnte er diese Statistik nicht umbiegen (jetzt 2 Tore aus 2,7 xG). Es zeigt jedoch, dass er es versteht, sich selbst in gute Abschlusspositionen zu bringen. Hoffen wir das sein aktueller Trend mit Toren nach Einwechslungen sich fortsetzt.

Die Werte unserer Mittelstürmer Ganvoula und Novothny wirken mit 1,95 und bzw. 1,37 bei jeweils einem tatsächlich erzielten Tor sehr niedrig. Dies ist jedoch in der geringeren Spielzeit begründet. Bei Normalisierung der Werte auf 90 gespielte Minuten kommt Novothny gar auf 0,46, womit er in einer Liga mit Zoller (0,49) und Zulj (0,46) spielt. Ganovoula fällt mit 0,3 xG pro 90 min tatsächlich etwas ab, und liegt damit sogar noch hinter Pantovic (0,42). Blum liegt bei 0,29 xG pro 90 min. Holtmann als verbleibender Stammspieler in der Offensive ist nicht nur bei den tatsächlichen Toren (0 in der Liga, 1 im Pokal), sondern auch bei den erwarteten Toren hinten dran (0,16 xG / 90 min). Er muss daran arbeiten, sein Tempo noch mehr zu nutzen, um sich in gute Abschlusspositionen zu bringen.

Bei den Expected Assists sticht Soares neben Zulj und Blum heraus. Auch er hat mit seinen Flanken und Pässen mehr tatsächliche Assists verdient (3,67 xA zu einem tatsächlichem Assist). Normalisieren wir die Werte erneut auf 90 Minuten und entfernen Spieler mit weniger als drei vollen Spielen, dann zeigt sich dass neben Zulj (0,54 xA pro 90 min) vor allem unsere Außen für die Vorlagen zuständig sind: Blum (0,56 xA pro 90 min), Pantovic und Holtmann (jeweils 0,47 xA pro 90 min).

Nach den Toren und Assists wollen wir näher auf das Verhalten unserer Spieler in Ballbesitz schauen. GSN hat uns dazu exklusiv eine Übersicht der Ballkontakte und Ballbesitzzeiten zur Verfügung gestellt, die in Abbildung 5 dargestellt ist. Das Rad ist im Uhrzeigersinn sortiert, wobei die Spieler nach den durchschnittlichen Ballhaltezeiten sortiert sind, die im äußeren Feld aufgeführt sind. Das mittlere Feld gibt die Gesamtzeit an, die dieser Spieler in den 13 Zweitligaspielen der aktuellen Saison in 2020 in Ballbesitz war. Das innere Feld zeigt die Gesamtanzahl der Ballkontakte.

Abbildung 5: Übersicht der Ballkontakte und Ballhaltezeiten. Ein Anklicken der Grafik öffnet ein Vollbild zum Hereinzoomen. Quelle: Global Soccer Network (GSN)

Torhüter Riemann ist der Spieler mit der längsten gesamten und durchschnittlichen Ballhaltezeit und kommt nach den Außenverteidigern Soares und Gamboa auf die meisten Ballkontakte. Dies zeigt die Wichtigkeit des spielstarken Schlussmannes für unser Aufbauspiel (dazu mehr im nächsten Absatz). Er hat weniger Druck als die Feldspieler und kann die Zeit nutzen, um den Ball in die richtigen Räume zu bringen.

Nach Riemann folgt bereits Stürmer Novothny. Seine langen Ballhaltezeiten sind beeindruckend, da er als Stürmer stets hohen Druck hat, und zeigen, dass er im 4-3-3 in Phase 2 häufig auf sich allein gestellt war. Der Wert ist aufgrund der geringen Einsatzzeit jedoch auch mit Vorsicht zu genießen.

Mit Bella-Kotchap, Holtmann, Bockhorn, Leitsch und Blum folgt ein Quintett aus Außenspielern und Innenverteidigern, die noch alle über eine durchschnittliche Ballhaltezeit von 3 Sekunden kommen. Dies hat je nach Position unterschiedliche Gründe. Wenn Leitsch und Bella-Kotchap bei einem passiven Pressing weniger Druck haben, nutzen sie den Raum gerne um anzudribbeln. So können sie die gegnerische erste Linie manipulieren und Pässe in die gefährlichen Zonen vorbereiten. Dies unterscheidet sie deutlich von Vasilios Lampropoulos, der den Ball mit einer durchschnittlichen Ballhaltezeit von 2,5 Sekunden eher schnell zirkuliert. Holtmann, Bockhorn und Blum haben mehr Druck, nutzen aber ihre Dynamik und Dribbelstärke, um den Ball direkt mitzunehmen und den Ball an ihrem Gegenspieler vorbei vom zweiten ins letzte Drittel zu transportieren. Dies unterscheidet sie von Pantovic, der ein Kombinationsspieler ist und das Kurzpassspiel sucht. Seine Ballhaltezeit ist mit knapp über 2 Sekunden die niedrigste aller Spieler mit mindestes 90 Einsatzminuten. Die höhere Screen-Time des balltragenden Ansatzes könnte auch die Außenwahrnehmung erklären, in welcher Holtmann und Blum deutlich mehr zum Spiel beitragen als Pantovic, was durch die Expected Goals und Assists in Abbildung 4 deutlich widerlegt wird.

Obwohl unsere Außenverteidiger schnell (Gamboa) bzw. dribbelstark (Soares) sind, sind ihre durchschnittlichen Ballbesitzzeiten relativ gering. Dies liegt daran, dass ein längere Ballbesitz an der Außenlinie dazu führt, dass der Gegner den einseitig beschränkten Raum gut zuschieben kann. Um dies zu vermeiden, wählen die beiden oft schnelle Weiterleitungen über die Außen oder zurück ins Zentrum.

Nach den allgemeinen Statistiken wollen wir uns intensiver mit den einzelnen Mannschaftsteilen auseinandersetzen. Dazu hat uns Twitter-Kollege meinVfL1848Stats umfangreiche Profile aus verfügbarer Scouting-Software zusammengestellt. Den Anfang macht die Torhüterposition. In Abbildung 6 sind dazu relevante Passstatistiken aufgeführt, um Riemann mit den anderen Torhütern der zweiten Liga zu vergleichen.

Abbildung 6: Passstatistiken von Manuel Riemann im Vergleich zu den anderen Torhütern der zweiten Liga. Quelle: meinVfL1848Stats

Die Statistiken zeigen deutlich, dass Riemann ein extremer Ausreißer in der zweiten Liga ist. Kein Torhüter spielt mehr lange Pässe pro Spiel als er (26), kein anderer ist so dominant in das Passspiel seiner Mannschaft eingebunden (42 Pässe pro Spiel). Der Anteil langer Bälle bei Riemann ist mit über 60 % deutlich höher als bei anderen Torhütern der zweiten Liga (20-50 %) und auch seine durchschnittliche Passlänge liegt mit 38,5 m am oberen Ende (nur ein Torwart liegt noch höher). Da er jedoch bei der Genauigkeit der langen Bälle nicht zur absoluten Ligaspitze zählt (4 Torhüter sind stärker als er), ist er bei der Passgenauigkeit bei den Negativausreißern. Er kommt zwar auf 83 %, der Durchschnitt der Liga liegt jedoch bei 85-92 %. Es wäre also zu überdenken, ob er nicht doch öfter mal den kurzen Pass wählen sollte, vor allem, da seine Verteidiger und Sechser in Phase 3 allesamt extrem spielstark und pressingresistent sind.

Abbildung 7: Entwicklung von aufbaubezogenen Qualitätsindikatoren Manuel Riemanns über die letzten Saisons. Quelle: meinVfL1848Stats

Abbildung 7 zeigt die Entwicklung von Riemanns Aufbauspiel über die letzten Jahre anhand von Qualitätsindikatoren eines Scoutinganbieters. Der Anteil seiner langen Bälle (Passing toward goal) wurde von Jahr zu Jahr höher, zeitgleich sank der Anteil von verbindenden Pässen zwischen den Verteidigern (Link-up passing). Dabei konnte er zwar zuletzt die Ballverluste reduzieren (Ball retention), sein Beitrag zum Angriffsspiel (Attacking output) sank jedoch seit 2018/19. Seinen Peak erreichte er in der Saison 2016/17 unter Verbeek. Es wäre also für Thomas Reis eine Überlegung wert, in wieder mehr in diese Richtung zu entwickeln.

Der Gesamtvergleich der Werte von Riemann mit den anderen Torhütern der zweiten Liga in Abbildung 8 zeigt jedoch, dass dies ein Jammern auf höchstem Niveau ist. Auch der aktuelle Beitrag zum Angriffsspiel (Attacking Output) liegt im oberen Drittel. Die Anzahl seiner Ballverluste (Ballbehauptung) liegt im Schnitt der Liga.

Abbildung 8: Allgemeine Qualitätsindikatoren von Manuel Riemann im Vergleich zu den anderen Torhütern der zweiten Liga. Quelle: meinVfL1848Stats

Darüber hinaus ist Riemann im wahrsten Sinne unserer Libero. Seine defensive Qualität und seine defensiven Aktionen sind absolute Ausreißerwerte der zweiten Liga. Dies ermöglicht uns eine hohe Linie und damit das aggressive Pressing, dass uns insbesondere seit Phase 3 auszeichnet. Auch im Torwartspiel gehört er zur oberen Klasse: Bei Schüssen aus dem Spiel (Open-Play) und direkten Freistößen ist er die Nummer 2, bei Kopfbällen aus dem Spiel sogar der beste Torwart der zweiten Liga. Seine Werte bei Standards sind hingegen nicht so gut: Bei Schüssen liegt er im unteren Drittel, bei Kopfbällen im Mittelfeld der zweiten Liga.

Nach dem Torwart wenden wir uns nun unserer Viererkette zu und beginnen bei den Außenverteidigern. Da die Rollen von Soares und Gamboa sich in von Phase 1-2 zu Phase 3 änderten, stellt Abbildung 9 die Werte der beiden Zeiträume gegenüber.

Abbildung 9: Veränderung relevanter Statistiken von Cristian Gamboa und Danilo Soares in den Phasen vor und nach Beginn der Phase 3. Quelle: meinVfL1848Stats

Die Anzahl der defensiven Duelle (Defensive duels), abgefangenen Bälle (Interceptions) und in der gegnerischen Hälfte gewonnenen Bälle (opp. half Recoveries) steigerte sich deutlich in Phase 3. Durch das höhere Pressing der Flügelstürmer müssen unsere Außenverteidiger nun früher und häufiger herausrücken, was insbesondere Pressingmaschine Soares entgegen kommt, der sein Gegenüber nun nach Duellen und abgefangenen Bällen überholt hat.

In den Passstatistiken sind man die Veränderung der Rolle von Cristian Gamboa durch die neue Symmetrie im Aufbausystem. In der höheren Rolle spielt er nun deutlich weniger aufbauende Pässe (Passes, Long Passes, Passes to final third), führt dafür jedoch deutlich mehr offensive Duelle. Die Anzahl der Flanken hat bei beiden Spieler abgenommen, da diese nun überwiegend von den offensiven Flügelspielern geschlagen werden.

Die Statistiken der Innenverteidiger sind in Abbildung 10 zusammengefasst. Bella-Kotchap ist unser Defensivmonster. Er führt unser Verteidiger-Trio bei den defensiven Zweikämpfen (Anzahl und Erfolgsquote), der Zweikampfquote in der Luft und bei den abgefangenen Bällen an. Bei der Zweikampfquote und den abgefangenen Bällen gehört er sogar zur absoluten Ligaspitze. Lampropoulos fällt hier deutlich ab. Er führt zwar viele Zweikämpfe, insbesondere in der Luft, seine Erfolgsquoten liegen jedoch deutlich unter denen seiner Konkurrenten und eher im unteren Drittel der Liga. Leitsch ist in den defensiven Disziplinen im soliden Mittelfeld der Liga einzuordnen. Die geringe Anzahl der absoluten Zweikämpfe resultiert aus den hohen Ballbesitzzeiten, bei denen unserer VfL ligaführend ist.

Abbildung 10: Übersicht der Stärken von Maxim Leitsch, Armel Bella-Kotchap und Vasilios Lampropoulous im Vergleich zu den anderen Innenverteidigern der zweiten Liga. Quelle: meinVfL1848Stats

Bei den Passstatistiken und raumgewinnenden Läufen zeigt nun Leitsch seine Stärken. Er hat die höchsten Passgenauigkeiten des Trios und gehört dort auch zum oberen Drittel der Liga. Bei den raumgewinnenden Läufen ist er sogar unter den Top 3. Lampropoulos hat zwar die höchste Passgenauigkeit über alle Pässe hinweg, sein Passspiel ist jedoch auch weniger ambitioniert, was sich in den schlechteren Werten bei vorwärts gerichteten Pässen widerspiegelt. Bella-Kotchap muss das Risiko in seinem Passspiel noch besser dosieren. Er gehört dort zum unteren Drittel der Liga. Wenn es jedoch um Raumgewinn geht, liegt er bereits vor seinem Konkurrenten Lampropoulos. Er sollte also weiterhin die Chance bekommen.

Lange Zeit fehlte dem VfL das Tempo. Diese Zeiten sind nun endgültig vorbei. Leitsch ist der mit Abstand schnellste Spieler der zweite Liga, Bella-Kotchap gehört zum oberen Drittel und selbst Lampropoulos stellt gesunden Ligadurchschnitt dar. Das erlaubt unserem VfL mit hoher Linie im Pressing zu spielen, ohne ein zu großes Risiko einzugehen.

Damit kommen wir zum Mittelfeld. Die Statistiken unserer Sechser sind in Abbildung 11 zusammengefasst.

Abbildung 11: Übersicht der Stärken von Anthony Losilla, Robert Tesche und Raman Chibsah im Vergleich zu den anderen Sechsern der zweiten Liga. Die Datenlage für Erhan Masovic ist zu gering, um ihn hier aufzuführen. Quelle: meinVfL1848Stats

Unser Kapitän Anthony Losilla ist der interne König der Defensivaktionen. Er führt in allen Statistiken außer der Erfolgsquote bei Zweikämpfen. Hier ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass Raman Chibsah insgesamt nur 23 Zweikämpfe geführt, die in diese Statistik eingehen. Mit seinen Werten gehört er so grad noch zum oberen Drittel der zweiten Liga. Zwischen Chibsah und Tesche ist es ein enges Duell. Tesche kommt durch seine Antizipation und sein taktisches Verständnis zu mehr abgefangenen Bällen, während Chibsah in Defensivaktionen am Boden überzeugt. Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die besten Zweikämpfe die sind, die man nicht führen muss. Tesche versperrt durch sein Stellungsspiel häufig wichtige Räume, so dass die Bälle in ungefährlichere Bereiche gespielt werden. Dies kommt in den ereignisbasierten Statistiken nicht zur Geltung.

In den Statistiken zum Beitrag in Ballbesitz zeigen sich sehr schön die unterschiedlichen Profile unserer Sechser. Losilla unterstützt im tiefen Aufbauspiel (Gespielte Pässe, Passgenauigkeit) und treibt die Bälle mit Ball am Fuß nach vorne (Raumgewinnende Läufe mit Ball). Tesche sortiert das Spiel und bereitet Angriffe aus tiefen Positionen vor (Erfolgreiche Lange Pässe, Raumgewinnende Pässe). Chibsah bietet sich eher in höheren Positionen an, von wo er versucht mit Dribblings und anschließenden Pässen den Übergang ins letzte Drittel zu gestalten (Erfolgreiche Dribblings, Raumgewinnende Pässe). Während unsere Sechser aufgrund unserer Ballbesitzstrategie bei den gespielten Pässen und der Passquote ganz oben anzutreffen sind, gehören sie sonst zum Mittelfeld der zweiten Liga – ein Grund warum wir trotz der tollen Leistungen einen kleinen Wunschzettel an Sebastian Schindzielorz weitergegeben haben.

Den Abschluss bilden die Laufstatistiken. Auch hier haben wir eine gute Mischung. Während Losilla bereits als Dauerläufer (Laufdistanz) der Liga bekannt ist, überzeugt Chibsah durch Sprints und intensive Läufe, die seiner offensiveren Interpretation der Position entsprechen. Tesche spielt mehr mit Auge, ist jedoch beim Tempo der schnellste des Trios. Wie von der Presse gerne thematisiert, gehören unsere Sechser jedoch im Topspeed alle zum unteren Drittel der zweiten Liga – ein Grund warum Dynamik und Wucht durchs Mittelfeldzentrum eine Komponente unseres Kryptonits sind.

Zehner sind im Spiel für die besonderen Momente zuständig. Aus diesem Grund fokussiert Abbildung 12 neben der Passgenauigkeit auf die besonderen Pässe im Spiel – Smarte Pässe bei denen mehrere Gegenspieler überspielt werden, Schnittstellenpässe durch die Abwehrkette und Torschussvorlagen. Bei diesen Pässen ist Zulj überragend, einer oder der positive Ausreißer bei smarten und Schnittstellenpässen sowie im oberen Drittel bei Torschussvorlagen pro 90 min (siehe auch Abbildung 4).

Abbildung 12: Übersicht der Stärken von Robert Zulj und Thomas Eisfeld im Vergleich zu den anderen Zehnern der zweiten Liga. Quelle: meinVfL1848Stats

Auch Eisfeld ist aus Ligasicht in der oberen Häfte, kommt jedoch nicht auf das Niveau unseres aktuellen Spielmachers. Dafür ist er mit seiner Passerfolgsquote einer der positiven Ausreißer. Mit beiden Spielertypen sind wir in der komfortablen Lage bei Führungen durch die Einwechslung von Eisfeld das Spiel in Ballbesitz noch mehr zu kontrollieren. Dieses Mittel könnte Reis teilweise noch früher nutzen.

Abbildung 13 fasst die relevanten Statistiken für unsere offensiven Flügelspieler zusammen. Herbert Bockhorn ist hier aufgrund nur 57 Spielminuten Datengrundlage noch nicht aufgeführt. Tarsis Bonga kommt nur auf 27 Minuten und spielt im aktuellen Kader keine Rolle mehr. Doch auch mit den drei Stammspielern auf dem Flügel kann Thomas Reis aus völlig unterschiedlichen Spielertypen wählen. Dabei verkörpert zumindest einer der Kandidaten Zweitligatopniveau in der jeweiligen Statistik.

Abbildung 13: Übersicht der Stärken von Danny Blum, Gerrit Holtmann und Milos Pantovic im Vergleich zu den anderen Flügelspielern der zweiten Liga. Quelle: meinVfL1848Stats

Danny Blum sorgt mit Flanken und kreativen Pässen für Torgefahr, was sich auch in seinen Scorerpunkten bemerkbar macht (0,4 Tore pro 90 min, 0,27 Assists pro 90 min). Er fordert häufig den Ball (angenommene Pässe), könnte dazu aber noch häufiger auch den Sprint in die Tiefe suchen. Bei Sprints und intensiven Läufen steht er deutlich hinter seinen Konkurrenten zurück.

Gerrit Holtmann ist der Spezialist fürs Tempodribbling. Kein anderer Spieler in der zweiten Liga ist schneller und bei den raumgewinnenden Läufen mit Ball spielt er in einer eigenen Liga. Durch diese Läufe kommt er häufig in Flanken- oder gar Abschlusspositionen, aus denen er jedoch von allen Flügelspielern den geringsten offensiven Output (nach erwarteten Toren und Assists) generiert. Bei den tatsächlichen Werten hat er die beste Quote für Assists mit 0,3 pro 90 Minuten. Ein Tor war ihm jedoch noch nicht vergönnt.

Milos Pantovic überzeugt mit Einsatz und seinem taktischen Verhalten (Intensive Läufe, Gelungene Defensivaktionen und Offensiver Output). Zudem ist er ist stets anspielbar (Angenommene Pässe). Bei den tatsächlichen Werten leidet er etwas unter seiner Ineffizienz in der letzten Aktion (Pass und Abschluss), wodurch er aus 0,42 xG nur 0,2 Tore pro 90 Minuten erzielen konnte. Hier ist er jedoch zuletzt auf einem guten Weg. Bei Topspeed, Dribblings und raumgewinnenden Läufen liegt er deutlich hinter sein Kollegen. Er kann anders als Holtmann und Blum ein Spiel nicht im Alleingang entscheiden. Er benötigt seine Kollegen, um erfolgreich zu spielen.

Den Abschluss unserer Analyse bilden die Mittelstürmer. Ihre relevanten Statistiken sind in Abbildung 14 dargestellt. Soma Novothny kommt insgesamt auf unter 270 Minuten und ist deshalb nicht aufgeführt.

Abbildung 14: Übersicht der Stärken von Silvère Ganvoula und Simon Zoller im Vergleich zu den anderen Mittelstürmern der zweiten Liga. Quelle: meinVfL1848Stats

Mit Zoller und Ganvoula verfügen wir über zwei völlig unterschiedliche Mittelstürmer. Ganvoula hat die mit Abstand beste Quote aller Stürmer bei Luftzweikämpfen und agierte in Phase 1 klar als Zielspieler für lange Bälle (Erhaltene Lange Bälle). Sein Tempo als schnellster Stürmer der zweiten Liga erlaubt ihm auch bei Kontern und als Tiefensprinter gefährlich zu werden. Zoller überzeugt mit Höchstwerten bei Sprints und intensiven Läufen und führt in der aktuellen Phase 3 das Pressing an. Zudem schafft er mit seinen Läufen eine Anspielstation in der Tiefe und Räume für seine Kollegen zwischen den Linien. Seine defensive Arbeitsrate ist enorm. Der geringe Wert bei den gelungenen Defensivaktionen liegt am hohen Ballbesitzanteil des VfL Bochum, die zu insgesamt weniger Defensivaktionen im Ligavergleich führen.

Fazit

Insgesamt befindet sich unser VfL auf einem sehr guten Weg. Thomas Reis hat aus den Niederlagen gelernt und scheint in Phase 3 sein System gefunden zu haben. Auch von der Bank gibt es gute Alternativen. Der Kader ist breit und mit verschiedenen Spielertypen besetzt, wodurch wir in fast allen Statistiken auf Top-Spieler der zweiten Liga zurückgreifen können. Dies gibt unserem Cheftrainer die Möglichkeit, flexibel auf die Situation und den Gegner zu reagieren. Genau hier besteht wohl auch das größte Steigerungspotenzial. Thomas Reis überdenkt Änderungen noch sehr lange. Eventuell macht es Sinn, Schattenteams und -taktiken für verschiedene Situationen zurechtzulegen, um dann im Spiel darauf zurückgreifen zu können, ohne improvisieren zu müssen. Der Kader gibt dies auf jeden Fall her.

Die Statistikseite FiveThirtyEight sieht uns aktuell (Stand nach den Sonntagsspielen am 3. Januar 2021) als fünftbestes Team der zweiten Liga mit einer 24% Chance auf den Aufstieg. Die gute Nachricht ist, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Abstieg bereits weit unter 1 % liegt. Lasst uns bescheiden sein und auf Großes hoffen.

Autor: Tobias Wagner

Ich bin seit meinem fünften Lebensjahr Fan des VfL. Die Hochzeiten des Vereins mit den beiden UEFA-Cup Teilnahmen habe ich in meiner Jugend live miterlebt. Von da an war klar - für mich gibt es nur den VfL. Die Jungs von Spielverlagerung weckten meine Begeisterung für die Taktikanalyse. Auf erste Taktikanalysen, die noch direkt an den VfL versendet wurden, folgte der Blog "Blau-weiße Taktikecke". Später wurde ich dann selbst Autor bei Spielverlagerung und Trainer verschiedener Jugendmannschaften (U14-U16). Meine Begeisterung für Fußball, Training, taktische Raffinessen und statistische Spielereien möchte ich nun hier mit Euch teilen.

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