Schwatzgelbe Grüße nach Bochum

Der VfL Bochum zu Gast bei Borussia Dortmund. Foto: einsachtvieracht
Pyroshow und Derby gegen Borussia Dortmund. 30.04.2022

Borussia Dortmund gibt aktuell einige Fragezeichen auf. Als Titelanwärter in die Bundesliga-Saison gestartet, rangiert unser Gegner am kommenden Sonntag lediglich auf Platz 5. Der Trainer ist bereits angeschossen. Allerdings ist Terzic ein echter Borusse und soll im Verein gehalten werden. Mit zwei neuen Co-Trainern und zwei Siegen startete der BVB gut in die Rückrunde und arbeitet darauf hin doch noch den Sprung auf die Champions League Plätze zu schaffen. Tim von schwatzgelb.de hat mit uns vor dem B1-Derby über die aktuelle Situation gesprochen.

einsachtvieracht: Holprige erste Saisonhälfte, wenig überzeugende Leistungen. Wo liegen in deinen Augen die Hauptgründe für die bisher doch unbefriedigende Saison des BVB?

Tim (schwatzgelb.de): Das ist eine Frage, die sich auch im BVB-Umfeld viele stellen – und das nicht nur in dieser Saison. Wenn wir uns zum Beispiel an die Hinrunde der vergangenen Saison erinnern, lief die erste Saisonhälfte ebenfalls sehr dürftig. Damals stand man zur WM-Pause mit 25 Punkten aus 15 Spielen auf Platz 6. Dieses Jahr waren es zum Weihnachtsfest 27 Punkte aus 16 Spielen, also ein sehr vergleichbarer Wert. Dass die zweite Hinrunde unter Terzic erneut ernüchternd war, würde ich auf mehrere Gründe zurückführen. Ein sicherlich beutender Faktor sind die Ab- sowie Zugänge.

Ein Ergebnis, das wir Sonntag alle unterschreiben würden. Foto: einsachtvieracht

Zum einen ist da der Wegfall von Jude Bellingham. Bei all der Anerkennung, die er schon beim BVB erhalten hat, wird bei Real Madrid derzeit deutlich, was der Borussia da für ein Spieler aus dem Mittelfeld gerissen wurde und wie sehr er dieses zusammengehalten hat. Mit Felix Nmecha und Marcel Sabitzer hat man es überhaupt nicht geschafft, diesen Abgang zu kompensieren. Dazu kommt, dass Spieler wie Niklas Süle, Emre Can, Karim Adeyemi, Marius Wolf oder Sebastian Haller (bei ihm natürlich aus völlig nachvollziehbaren Gründen) überhaupt nicht an ihre Leistungsfähigkeit der Rückrunde kamen und dem BVB somit offensiv total die Kreativität sowie die Abschlussfähigkeiten fehlten. Insgesamt zeigte sich im Sommer, dass Edin Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl kein sonderlich gutes Duo zu sein scheinen, was sich dann letztlich auch in den Transfers und der Posse um Edson Alvarez widerspiegelte. Zudem machte der BVB taktisch einen merklichen Rückschritt.

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einsachtvieracht: Immer wieder steht auch Terzic in der Kritik. Wie siehst du seine Rolle? Ist er der richtige Trainer für den BVB?

Ich finde, dass diese Frage tatsächlich gar nicht so leicht zu beantworten ist, wie sie von außen wahrgenommen wird. Bei Terzics erneuter „Verpflichtung“ im Jahr 2022 wusste man, dass man sich kein Taktikgenie ins Boot holen würde. Ich glaube, es ging damals eher darum, dass man mittelfristig versuchen will, dem Kader gewisse Grundtugenden wiederzugeben, die er nach Einschätzung der Führungsetage sowie vieler Fans verloren hatte. In den letzten Wochen von Marco Roses Amtszeit durftet ihr das ganze ja auch selbst erleben, wie man es schaffte eine Führung im Westfalenstadion gegen einen Abstiegskandidaten noch komplett zu vergeigen. Allerdings muss man sich eingestehen, dass das Vorhaben bisher nicht so richtig Früchte getragen hat, da einige Spieler bis hin zum ganzen Team immer wieder unerklärliche Aussetzer haben. Zudem wird gemunkelt, dass der letzte Spieltag der vergangenen Saison das Verhältnis zwischen ihm und der Mannschaft beschädigt hat, weil sich Mannschaft und Trainer gegenseitig für das Scheitern die Schuld gaben.

Im Zentrum der medialen Kritik: Edin Terzic. Foto: Sandro Halank (Wikimedia Commons)

Ich halte den Weg, sich mit Sven Bender und Nuri Sahin auf den Co-Trainer-Positionen zwei ambitionierte Leute in den Verein zu holen, als kurzfristige Lösung gar nicht so verkehrt. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass Terzic im Sommer selbst seinen Posten räumen wird und dann entweder Sahin übernehmen oder ein externer Cheftrainer verpflichtet wird.

einsachtvieracht: Terzic stand vor der Rückrunde in der Kritik, nicht das volle Potenzial aus der Mannschaft zu holen. Sind durch das Hinzunehmen von Bender und Sahin in den Trainerstab bereits erste klare taktische Verbesserungen zu erkennen?

Die Ergebnisse lesen sich mit einem 3:0 gegen Darmstadt und einem 4:0 gegen Köln natürlich erst einmal super, doch so dominant wie das Ergebnis aussagt, waren beide Spiele nicht. Grundsätzlich konnte man aber schon ein, zwei neue Ideen sehen, zum Beispiel eine Standardvariante zum 1:0 in Köln. Um die eingebrachten Ideen von Sahin und Bender beurteilen zu können, dürfte es aber noch einige Spiele dauern, zumal es auch „nur“ Spiele gegen den Tabellenletzten und den Tabellenvorletzten waren.

Sonderlich glücklich scheint die Wahl als Kapitän nicht gewesen zu sein: Emre Can. Foto: Sandro Halank (Wikimedia Commons)

einsachtvieracht: Emre Can führt seit dieser Saison die Borussia als Kapitän aufs Feld. Wird er seiner Rolle gerecht?

Leider überhaupt nicht. In der vergangenen Rückrunde war er ohne Frage Leistungsträger und Führungsfigur und da hatte ich mit der Beförderung zum Kapitän die Hoffnung, dass er seine Relevanz für die Mannschaft mindestens mal halten, wenn nicht sogar nochmal steigern kann. Die Realität ist, dass er zu denjenigen gehört deren Leistung ziemlich eingebrochen ist. Derzeit qualifiziert ihn kaum etwas für das Kapitänsamt.

einsachtvieracht: Mit Jadon Sancho kam ein ehemaliger Leistungsträger im Winter zurück nach Dortmund. Wie ist dein erster Eindruck von ihm nach der Rückkehr?

Ich muss gestehen, dass ich mich über die Verpflichtung sehr gefreut habe, weil ich ihn sehr mag, mich aber schon gefragt habe, inwieweit er eine gewisse Matchfitness haben wird, wo er für Manchester United in dieser Saison doch kaum gespielt hat. Da hat er mich allerdings durchaus einen besseren belehrt und Stand gegen den 1. FC Köln bereits in der Startelf. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass er noch nicht wieder der „alte Sancho“ ist. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass er wieder zum Leistungsträger aufsteigt. Ob man ihn dann im Sommer fest verpflichten kann, steht auf einem anderen Blatt.

Seit kurzem wieder in Schwarz-Gelb unterwegs: Jadon Sancho. Foto: Вячеслав Евдокимов (Wikimedia Commons)

einsachtvieracht: Mit Ian Maatsen hat man sich ein vielversprechendes Talent von Chelsea geliehen. Wie macht er sich bisher auf der linken Seite?

So gut, dass er bisher ein merkliches Upgrade zu Ramy Bensebaini darstellt, den man nach seiner Abstellung für den Afrika-Cup überhaupt nicht vermisst hat. Wenn er seine Sache weiterhin so gut macht, kann man tatsächlich überlegen, ob man für ihn ziemlich tief in die Tasche greifen will. Denn gute Außenverteidiger sind – im Vergleich zu guten Flügelspielern – wirklich schwer zu finden.

einsachtvieracht: Welcher Spieler war trotz der holprigen Saison in deinen Augen bisher die positive Überraschung im Kader?

Der einzige, der da infrage kommt, dürfte Hendry Blank sein. Dieser hat letztes Jahr noch U19 gespielt und hat in dieser Saison als Stammspieler der U23 einen ziemlich steilen Aufstieg hingelegt. Nach der Verletzung von Süle kam er in Köln gar zu seinem ersten Bundesliga-Einsatz. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es nicht sein letzter Einsatz gewesen sein wird.

einsachtvieracht: Thomas Meunier hat sich nach langer Abstinenz wieder in die erste Elf gespielt. Wie siehst du seine aktuelle Rolle und Leistung?

Thomas Meunier ist tatsächlich eine der kuriosen Geschichten dieser BVB-Saison. Im vergangenen Sommer hatte man ihn eigentlich schon aussortiert und nun spielt er nach der Verletzung von Julian Ryerson und den schwachen Leistungen von Wolf und Süle tatsächlich wieder eine ernsthafte Rolle. Ich würde seine Leistungen mal als solide bezeichnen. Dass man den in diesem Sommer auslaufenden Vertrag verlängert, kann ich mir allerdings trotzdem nicht vorstellen.

einsachtvieracht: Gibt es beim BVB ein Vakuum an Transferkompetenz nach dem Abgang von Michael Zorc?

Das würde ich so tatsächlich gar nicht sagen, da Zorc meiner Meinung nach in den letzten Jahren seiner Amtszeit auch nicht gerade ein goldenes Händchen bewies. Zudem glaube ich, dass die Machtverhältnisse bei solchen Entscheidungen nicht gerade sinnvoll verteilt sind. Terzic hat bei Transfers ein großes Mitspracherecht, Kehl scheint nicht in der Lage zu sein eine Vision zu entwickeln oder diese durchzusetzen und Aki Watzke mischt leider auch noch in Transferentscheidungen mit. Dass so viele Führungsfiguren auf einmal in der sportlichen Planung mitmischen, kann auf Dauer keine strikte Philosophie ergeben.

einsachtvieracht: Welche Gedanken hast du zur Rolle von Matthias Sammer im Verein?

Das ist der Vierte, der da in der sportlichen Leitung vermeintlich etwas zu melden hat. Was der macht, weiß allerdings niemand so genau.

Auf der Führungsetage des BVB herrscht seit Jahren Katerstimmung. Foto: Martin Davidsen (Wikimedia Commons)

einsachtvieracht: Wen siehst du als Nachfolger von Hans-Joachim Watzke?

Es wäre meiner Meinung nach sinnvoll, Watzkes Aufgabenfeld künftig auf zwei Personen aufzuteilen. Der neue CEO sollte sich um die Leitung der Geschäftsführung kümmern, für die sportliche Leitung sollte es einen Geschäftsführer Sport geben. Derzeit ist Watzke an vielen sportlichen Abläufen entscheidend beteiligt, was ich nicht für sinnvoll halte. Für beide Posten würde ich mir wünschen, dass eine externe Lösung gefunden wird.

einsachtvieracht: Immer wieder heißt es in Dortmunder Kreisen, „Bochum ist kein richtiges Derby“ – woher kommt das?

Ich denke, dass es für viele BVB-Fans nur ein Derby gibt und das ist eben gegen den unangenehmeren blau-weißen Nachbarn. Und es ist ja auch nicht ganz aus der Luft gegriffen. Wenn du eine Rivalität zwischen dem zweit- und drittgrößten Verein des Landes hast, dann fallen andere Rivalitäten durchaus hinten über. Dass das Spiel eine gewisse Brisanz hat, werden die meisten Dortmunder allerdings auch nicht abstreiten, denke ich. Nicht umsonst wird es auch am Sonntag wieder einige abwertende Gesänge in eure Richtung geben.

Egal ob kleines oder großes Derby: Die Brisanz ist da! Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)
Egal ob kleines oder großes Derby: Die Brisanz ist da! Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

einsachtvieracht: Was hältst du vom VfL Bochum in dieser Spielzeit? Überrascht dich, dass im dritten Jahr in Folge immer noch Bundesligafußball in Bochum gespielt wird?

Ich muss gestehen, dass ich den VfL in den beiden Spielzeiten auf einen Abstiegsplatz getippt habe. Allerdings hat man mich da eines besseren belehrt. Erfahrungsgemäß steigt die Chancen auf eine langfristige Weiterentwicklung und die Etablierung in der Liga deutlich, wenn man sich die ersten beiden Jahre in der Liga gehalten hat. Dieser Trend scheint sich ja nun auch in Bochum zu bestätigen und mit Blick auf die Tabelle würde es dieses Jahr eher überraschen, wenn man den Weg in die 2. Liga antreten müsste. Mich freut es auf jeden Fall, denn Derby oder nicht: Die Duelle sind doch für beide Seiten ganz nett, würde ich sagen.

einsachtvieracht: Dein Tipp fürs Spiel?

Mit dem VfL erwarte ich einen Gegner, der dem BVB mehr Probleme machen wird als es Darmstadt und Köln getan haben. Vor heimischer Kulisse wird es allerdings dennoch ein souveräner, aber nicht übermäßig hoher Sieg. Der BVB gewinnt mit 2:0.

einsachtvieracht: Vielen Dank für das Interview!

 

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Autor: Matthias Rauh

Obwohl in Bayern wohnhaft besitze ich eine Dauerkarte beim VfL und versuche, jedes Heimspiel und jedes Auswärtsspiel im Süden vom VfL mitzunehmen. Meine Begeisterung für den VfL entwickelte sich in der Saison 2006/07, endgültig besiegelt wurde sie bei dem eigentlich völlig belanglosen Spiel Karlsruher SC gegen den VfL im Jahr 2008. Während eines Fußballturniers wollten meine Mannschaftskameraden in der Bundesligakonferenz ständig die Zwischenstände von Bayern München und Nürnberg wissen, ich erntete misstrauische Blicke, als ich den Zwischenstand von Bochum wissen wollte. Abstieg, Relegation, Funkel, Neururer... ich bin immer noch dabei und freue mich immer mehr auf Spiele wie Bochum gegen Sandhausen als Bayern gegen Dortmund.

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