Zwischen Optimismus und Unsicherheit: Die Stimmungslage bei Werder Bremen

Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist immer das schwerste. Das gilt auch für den SV Werder Bremen, wenngleich der SVW mit 16 Punkten auf Tabellenplatz 13 steht, punktgleich mit dem VfL. Doch mit dem Fußballjahr 2023 konnten die Werder-Fans nicht zufrieden sein. In 35 Spielen holte Werder insgesamt nur 31 Punkte. Liegt es allein am Abgang von Top-Torjäger Niclas Füllkrug? Im Gespräch mit Werder-Fan Kevin Schünemann.

Wie ist zurzeit die Stimmungslage in Bremen?

Ich würde es beschreiben als leicht angespannt. Fußballerisch wurde der eventuell aufkommende Optimismus, durch das überraschende 1:1 gegen die Leipziger vor der Winterpause, durch ein 1:3 am letzten Wochenende im einzigen Winter-Testspiel gegen Eintracht Braunschweig schnell wieder eingefangen. Neben dem Platz dreht sich alles um ausbleibende Winterneuzugänge, einen Rafael Borre der vielleicht geht, vielleicht aber auch nicht und einen Naby Keita der nach enttäuschender Hinrunde, endlich mal gesund, zum Afrika Cup fährt. Alles etwas durcheinander, viel Unklarheit und noch keine Änderungen zur Hinrunde in Sicht. Das sollte aber definitiv nicht das Ziel sein. Ich bin gespannt welches Überraschungsszenario Werder noch aus dem Hut zaubert.

Steht man noch hinter Trainer Ole Werner?

Natürlich bekommt man überall den ein oder anderen „Werner raus“-Kommentar mit, aus meiner Sicht ist aber der Support der Fans größtenteils NOCH da. Das Spiel in Bochum gegen einen direkten Konkurrenten zum Hinrundenende kann hier aber für die Stimmung der Fans aus meiner Sicht eine große Rolle spielen.

Wie sehr fehlt Niclas Füllkrug?

Weniger als erwartet. Man merkt im Aufbauspiel häufig noch, dass hohe Bälle nicht mehr so gut festgemacht werden, Kopfballduelle in der Offensive öfter verloren gehen… aber vorm Tor macht speziell Ducksch bisher einen soliden Job und trifft mittlerweile sogar mit dem Kopf. Vor dieser Saison wäre ich jede Wette eingegangen, dass ein Kopfballtor von ihm unmöglich ist. Ich persönlich bin auch ein großer Fan von Njinmah, der nach dem sehr starken Spiel gegen Leipzig vor der Winterpause hoffentlich öfter in der Startelf landet.

Spielte von 2011 bis 2017 in Bremen: Patrick Osterhage. Foto: VfL Bochum 1848

Warum konnten die Neuzugänge die Erwartungen bisher nicht erfüllen?

Je nach Erwartungshaltung ist die bisherige Leistung von Keita sehr enttäuschend. Wenn man seine Vergangenheit betrachtet, war natürlich klar, dass er verletzungsanfällig ist, die aktuelle Realität ist allerdings noch deutlich schlimmer, als das was ich erwartet habe.
Auch Kownacki, von dem ich nach der starken Vorbereitung viel erwartet habe, spielt leider absolut keine Rolle und ist aktuell Stürmer Nr. 5.

Auf der anderen Seite stehen Deman, der fast jedes Spiel absolviert hat und einen super Job auf der Außenbahn macht und Njinmah, der zwar größtenteils nur als Joker eingesetzt wurde, aber unfassbar viel Tempo in jede Partie bringt und auch schon sehr wichtige Tore geschossen hat.

Gibt es Gründe für die Leistungsdellen einiger vergangener Leistungsträger (Friedl, Pieper, Pavlenka) in dieser Saison?

Unsere Abwehr war für mich in den letzten Jahren immer sehr wackelig. Wenn alle 3 Verteidiger gute Tage oder sogar mal längere Phasen haben, kommt da eine Top-Leistung bei rum. Für mich ist die „Leistungsdelle“ aber eher die Rückkehr zur Normalität. Wer mich hier positiv überrascht ist Jung, der auf außen, wo er mir überhaupt nicht gefallen hat, durch Deman ersetzt wurde und nun in der 3er-Kette ordentlich abräumt. Die Tempo-Defizite fallen hier nicht mehr so häufig auf.

Pavlenka stand aus meiner Sicht schon länger auf der Kippe. Pavlas ist auf der Linie super, Zetti der deutlich bessere Fußballer und bringt für mich das bessere Gesamtpaket und vor allem ein geringeres Herzinfarkt-Risiko bei Rückpässen mit.

Wie steht man dazu das Keita zum Afrika Cup fährt obwohl er in Bremen noch nicht einmal 90 Minuten absolviert hat?

Kritisch. Sehr kritisch. Vor allem kamen in der Zwischenzeit auch immer mal wieder News, dass er in der Mannschaft für schlechte Stimmung sorgt und unzuverlässig ist. Jetzt ist er wieder fit und ich denke es liegt auf der Hand, dass viele davon ausgehen, dass er nicht ohne Verletzung wieder zurückkehrt. Ich wünsche es ihm natürlich nicht, verbieten kann und soll man es ihm auch nicht, Ich hoffe nur, dass wir Keita in der Rückrunde noch zu Gesicht bekommen und von dem irgendwo in ihm versteckten Genie profitieren können.

Auf welchen Positionen könnte man sich in der Winterpause noch verstärken?

Obwohl ich mit der Ausbeute unseres Sturms nicht komplett unzufrieden bin würde ich mir nochmal einen kopfballstarken, körperbetonten Stürmer wünschen. Auch um das aktuelle hin und her beim möglichen Abgang von Borre zu egalisieren.

Einen erfahrenen Innenverteidiger, der nochmal für Ruhe und Struktur sorgt, um die stark schwankende Leistung unserer aktuellen Innenverteidigung auszugleichen, würde ich auch jederzeit an der Weser Willkommen heißen.

Wie sieht man in Bremen den VfL Bochum?

Meine Meinung ist an dieser Stelle wahrscheinlich nicht ganz objektiv, da meine bessere Hälfte Bochumerin ist. Wenn es nicht gerade gegen Bremen geht drücke ich auch die Daumen für Bochum.

Insgesamt würde ich behaupten, dass die Bochumer in Bremen aufgrund ihres Kampfgeistes und der starken Fankultur auf jeden Fall als sympathisch angesehen werden. Ein Stadion mit vernünftigen Flutlichtmasten verbindet und Herbert Grönemeyer kann man immer mitbrüllen… Auch wenn die Fanfreundschaft zu den Bayern fragwürdig ist.

Was siehst du für den VfL in dieser Saison drin?

Ich denke (oder hoffe), dass Bremen und Bochum am Ende der Saison knapp über der Abstiegsgrenze landen. Es graut mir noch ein wenig vorm letzten Spieltag, an dem hoffentlich keiner von beiden mehr um den Abstieg bangen muss. Stattdessen sollte man entspannt an einem Frühsommertag den Klassenerhalt von Bremen und Bochum mit 2-13 Bier am Osterdeich feiern können.

Vielen Dank für das Interview!

 

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Autor: Matthias Rauh

Obwohl in Bayern wohnhaft besitze ich eine Dauerkarte beim VfL und versuche, jedes Heimspiel und jedes Auswärtsspiel im Süden vom VfL mitzunehmen. Meine Begeisterung für den VfL entwickelte sich in der Saison 2006/07, endgültig besiegelt wurde sie bei dem eigentlich völlig belanglosen Spiel Karlsruher SC gegen den VfL im Jahr 2008. Während eines Fußballturniers wollten meine Mannschaftskameraden in der Bundesligakonferenz ständig die Zwischenstände von Bayern München und Nürnberg wissen, ich erntete misstrauische Blicke, als ich den Zwischenstand von Bochum wissen wollte. Abstieg, Relegation, Funkel, Neururer... ich bin immer noch dabei und freue mich immer mehr auf Spiele wie Bochum gegen Sandhausen als Bayern gegen Dortmund.

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