Bochumer Jungen in blau und weiß

Der VfL lebt in dieser Saison in Wellen. Das wurde gestern mal wieder mehr als deutlich. Bekommt man in der einen Woche sprichwörtlich auf die Fresse und jeder Kullerball geht rein, zeigt man in der Woche drauf gegen einen vermeintlich noch stärkeren Gegner eine großartige kämpferische Leistung und „bescheißt“ sich teilweise auch mit Spielglück. Ein Bericht.

Aber von vorne. Flutlicht – ein Stadion, dass schon vor Spielbeginn laustärketechnisch komplett in einer anderen Welt ist – geile Choreo. Und Vereine, die in gegensätzlicheren Situationen nicht sein könnten, auch wenn sie nur 15km voneinander entfernt sind. Abstiegskampf mit dem kleinsten Etat der Liga gegen einen Tabellenführer, der Höhenluft aufgrund der Schwäche der Bayern schnuppert. Die Spiele, wo der Sieger eigentlich vorher schon feststeht – aber Derby ist Derby, hier kann alles passieren. Wobei, ist ja gar kein richtiges Derby, wenn man den ein oder anderen Dortmunder so reden hört.

Kleine Veränderungen in der Startelf

Gamboa und Asano rückten für Jordi und Zoller in die Startelf, ansonsten ging der VfL mit unveränderter Mannschaft in das Spiel. Dass ausgerechnet Toto dann nach 4 Minuten direkt mit einem Traumtor den VfL mit 1-0 in Führung bringt war dann die absolute Kirsche auf der Torte eines bis dahin sowieso schon perfekten Abends. Der Mann ist 37 Jahre alt, hüpft wie eine junge Elfe elegant über den Platz und ist so, so wichtig für uns. Gebt dem Mann endlich eine Säule am Stadion. Bitte.

Symptomatisch für den VfL in dieser Saison dann aber auch, dass man nur zwei Minuten später den Ausgleich nach einem Fehler von Soares kassiert. Die Konzentration braucht wohl seine Zeit, um wieder bei allen voll da zu sein. Aber ja, natürlich hat der BVB es auch stark gemacht, mit seinen beiden schnellen Flügelspieler Malen und Adeyemi unsere nicht mehr ganz junge Außenverteidigung fix zu überspielen.

Durchgehend Gänsehaut

Der Stimmung in der heiligen Stätte an der Castroper Straße tat der Ausgleich keinen Abbruch. Es entwickelte sich ein hochspannendes Fußballspiel, in denen beide Teams ihre Druckphasen hatten und beide Fanlager für eine Gänsehautstimmung sorgten. Kratzen, Beißen, aber trotzdem auf eine Art und Weise fair. Eigentlich so, wie man sich Derby vorstellt. Trotzdem sorgten am Ende drei Entscheidungen des Schiedsrichters für sehr viel Gesprächsstoff.

Gehen wir mal genauer auf die strittigen Szenen ein:

Vor dem 1-0 beschweren sich die Dortmunder über den Luftzweikampf zwischen Hofmann und Can. Foult hier Hofmann Can durch den leichten Kontakt? Butter bei den Fischen – wenn man diesen Kontakt und vor allem das theatralische Fallen von Can als Foul wertet, hat man bald mehr Unterbrechungen als Spielfluss in jedem Fußballspiel. Sicher, es wird Schiedsrichter geben, die sowas schon abgepfiffen haben, aber hier kommt dann wieder der Punkt „klare Fehlentscheidungen“ zum Tragen. Es ist keine klare Fehlentscheidung. Daher alles korrekt, hier weiterlaufen zu lassen.

Bei der Szene zwischen Adeyemi und Soares ist der Frust der Dortmunder zu 100% verständlich. Detail-Diskussionen, ob Adeyemi sich in den Soares reindreht oder Ähnliches sind müßig. Als Bochumer wären wir umgekehrt auch komplett unter die Decke gegangen. Allerdings ist es nun mal auch so, dass Adeyemi in den letzten Spielen mehrfach versucht hat, Elfmeter zu schinden und dafür auch verwarnt wurde. Schiedsrichter bereiten sich auf Spiele vor, kennen die Profile. Dass dann bei solch einem Spieler konservativer gepfiffen wird, ist wenig verwunderlich.

Das vermeintliche Handspiel von Masovic nicht zu geben ist allerdings genauso korrekt wie die erste strittige Szene. Keine klare Fehlentscheidung. Der Ball trifft Masovics Hand, es gibt allerdings keine klare Bewegung zum Ball. Dazu kann das ganze schon als Stützhand gewertet werden. Wieder – keine klare Fehlentscheidung.

Saisonendspurt

In Summe kann man hier Totos Worten nach dem Spiel nur beipflichten – über den Verlauf einer Saison gleichen sich Schiedsrichterentscheidungen aus. Für Dortmund sicherlich bitter in der gestrigen Situation. Für uns hingegen mal etwas Glück, nachdem wir in dieser Saison schon den ein oder anderen „beschissenen“ Elfer bekommen haben gegen uns.

Irgendwie schade, dass dieses eigentlich perfekte Derby nun so im Zeichen dieser Entscheidungen steht. Letztendlich muss man aber auch vor Julian Brandt den Hut ziehen, der aller Emotionalität zum Trotz es im Interview auf den Punkt brachte. Wenn man als Tabellenführer anreist und Meister werden will, muss man auch ohne die strittigen Szenen hier gewinnen. Genug Chancen waren da.

Uns gibt diese starke Leistung gegen den BVB nochmal einen Push für die Finalen vier Spiele dieser Saison gegen Gladbach, Augsburg, Berlin und Leverkusen. Wir haben das dritte Wunder in der eigenen Hand. Spieler, Staff, Fans – alle haben verstanden, worum es geht. Die Mannschaft weiß, dass sie sich auf den zwölften Mann verlassen kann, auch wenn mal was daneben geht. Die Erwartungshaltung ist Kampf. Und den nehmen alle an.

Wir freuen uns auf den Saisonendspurt. Das Feuer brennt. Packen wir das dritte Wunder. Bochumer Jungen in blau und weiß.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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