Zehn Spiele, zehn Punkte – zufrieden?

5 Thesen zum Saisonstart

Der VfL Bochum steht mit zehn Punkten nach zehn Spielen auf Tabellenplatz 14 und im Achtelfinale des DFB-Pokals. Ein Zwischenstand, den vor der Saison sicher jeder blind unterschrieben hätte, aber mancher stellt sich die Frage: „Wäre nicht sogar mehr möglich gewesen?“. In fünf Thesen diskutieren wir den Saisonstart.

These 1: Das Ruhrstadion ist wieder eine Heim-Festung geworden

Matthias Rauh (MR): Zu seiner Antritts-PK im Dezember 2014 sagte Verbeek: „Wenn sie nach Bochum kommen, muss es ihnen dünn durch die Hose laufen“. Zuvor hatte der VfL jahrelang eine miserable Heimbilanz. In den Jahren darauf konsolidierte man sich, im Aufstiegsjahr war der VfL sogar das beste Heimteam mit insgesamt 38 Punkten (zwölf Siege, zwei Remis, drei Niederlagen). Auch in dieser Saison holte der VfL sieben von zehn Punkten bisher vor heimischer Kulisse. Das Ruhrstadion ist wieder zu einer Festung geworden und so freue ich mich schon auf das nächste Heimspiel gegen Hoffenheim – mit hoffentlich drei Punkten.

Moritz Möller (MM): Thomas Reis forderte vor dem ersten Heimspiel, dass der Funke vom Rasen auf die Zuschauerränge überspringen muss. Fünf Spieltage später zeigt sich, dass es in beide Richtungen funktioniert. Einsatz, Zweikämpfe, Offensivaktionen: die Mannschaft, die Sebastian Schindzielorz mit für Bundesligaverhältnisse bescheidenen Mitteln ergänzt hat, haut in den Heimspielen alles raus, lieferte zuletzt gegen den Europacup-Kader von Eintracht Frankfurt das beste Saisonspiel ab. 

Wurde in der Aufstiegssaison über die neugewonnene Heimstärke gespottet, der VfL könnte es nur ohne Fans, gibt dieses Publikum der Mannschaft jetzt die letzten Prozente, um auch mal über die Schmerzgrenze hinauszugehen: Bei seinem Tor in der Nachspielzeit gegen Frankfurt fehlte Sebastian Polter die Kraft zum jubeln. Nicht nur die Mannschaft, auch Gästemannschaften loben die Stimmung und die Atmosphäre im Ruhrstadion. Mannschaft und Fans arbeiten an der Festung Ruhrstadion.

Claudio Gentile (CG): Die Stimmung im Ruhrstadion, aber auch bei den Auswärtsspielen ist aktuell einfach unfassbar gut. Beim Spiel gegen Mainz waren „nur“ 12.000 Zuschauer im Stadion, aber die Stimmung kochte völlig über. Man merkt förmlich, wie das auch auf dem Rasen ankommt. Das bereits erwähnte Tor von Polter in der Nachspielzeit gegen Frankfurt steht sinnbildlich dafür. Es macht aktuell einfach Spaß, anne Castroper zu kommen. Auch am letzten Wochenende in Gladbach wurde die Stimmung im Bochumer Block von allen Seiten gelobt – Twitter war voll des Lobes von Gladbacher Seite für den klasse Support. Daher würde ich fast die Aussage nicht nur auf „Das Ruhrstadion ist eine Festung geworden“ beschränken, sondern behaupten, dass es aktuell einfach generell überragend passt zwischen Mannschaft und Fans.

Immer wieder ein schöner Anblick: Endlich wieder volle Tribünen im Ruhrstadion. Foto: einsachtvieracht

These 2: Die Neuzugänge sind noch nicht so angekommen wie gewünscht

MR: Insgesamt acht Neuzugänge sollten die Qualität des Kaders und den Konkurrenzkampf anheben. Was sie bis jetzt ausnahmslos alle gezeigt haben, das Pokalspiel gegen Augsburg beweist das. Doch während Rexhbecaj ackert, als wäre er schon Jahre da, tut sich beispielsweise Eduard Löwen etwas schwerer. Doch auch Spieler, denen eine nicht so gute Rolle zugetraut wurde, wie beispielsweise ein Masovic oder Pantovic, finden sich mittlerweile mittendrin. Genau das, was man sich durch externe Spieler erhofft hat.

MM: „Sesi“ musste den Kader ohne ein Budget für Ablösesummen verstärken. Alle Transfers hatten Hand und Fuß, die Planstellen im Kader wurden besetzt. Spieler mit entsprechender Bundesligaerfahrung und -niveau für eine schmale Mark zu bekommen hat ihren Preis: von den acht Neuzugängen kamen drei (Löwen, Stafilydis, Osterhage) aus einer Verletzung, Osterhage zudem als Entwicklungsspieler. Solche „Dellenspieler“ sind ein Eckpfeiler in der Transferpolitik. Das Pokalspiel gegen Augsburg hat aber gezeigt, dass das Niveau im Kader deutlich angehoben wurde und alle enger zusammengerückt sind. Jeder kämpft um seine Einsatzminuten und gibt alles fürs Team. Einsatz und Teamgeist wird man brauchen um das große gemeinsame Ziel zu erreichen. Sollte es erreicht werden, hat auch jeder der Neuzugänge seinen Teil dazu beigetragen. Der eine etwas auffälliger, der andere etwas weniger, vielleicht mit einem Sprint in der Nachspielzeit, der das Ergebnis über die Zeit rettet. Aber das ist alles was zählt: Das gemeinsame Ziel.

CG: Die ganz große Überraschung der Saison ist kein externer Neuzugang, sondern Erhan Masovic. Die wenigsten hätten wohl vor der Saison gedacht, dass er dermaßen ruhig und abgeklärt in der ersten Liga verteidigen kann. Chapeau. Was die externen Neuzugänge angeht, fällt mir eine Einordnung recht schwer. Elvis ackert und kämpft für zwei, Polter reibt sich auf und ist der „Arschloch“-Spieler, den wir auch brauchen, aber bisher eher unglücklich in seiner Hauptaufgabe, dem Knipsen, Löwen wirkt noch nicht so richtig angekommen. Antwi-Adjei erfüllt das Soll meiner Meinung nach aber voll als Rotationsspieler auf den Außen. Mit Blick auf das Budget, mit dem wir operieren, entwickelt sich der Kader stabil. Trotzdem sollte man im Winter drüber nachdenken, inwiefern man den Kader weiter verstärken kann, speziell mit Blick auf den Ausfall Zollers und dem bisher ungeschlossenen Vakuum im Kreativbereich durch den Weggang von Zulj.

Derzeit Stammspieler: Erhan Masovic – Foto: VfL Bochum 1848

These 3: Riemann und Soares – klar können die erste Liga

MR: Zu Zweitligazeiten hat man das häufiger von anderen Trainern auf der PK gehört: Der VfL ist an manchen Positionen erstligareif. So überrascht es nicht, dass Danilo Soares in der ersten Liga kein Problem hat, mitzuhalten. Auch Manuel Riemann bekommt auch endlich medial die Würdigung, die er verdient. Auch „Bum Bum“ Danny Blum ist nach Verletzungspause wieder ganz der Alte und mit zwei Treffern in der internen Torschützenliste vorne mit dabei. Doch klar ist: Jeder Fehler in der ersten Liga wird bestraft – oft härter als in der zweiten Liga. Zurücklehnen ist daher nicht.

MM: Die Qualität im Kader hat deutlich zugenommen. Im Pokal konnte Thomas Reis sechs Wechsel in der Startelf vornehmen, etwas was in der Meistersaison in der zweiten Liga undenkbar gewesen wäre. Diese Qualitätsdichte im Kader ist wichtig, um die Klasse zu halten und sorgt dafür, dass jeder alles gibt. Man sieht jetzt schon, dass es bei ein paar Spielern nicht für den Spieltagskader reicht. Nicht nur jeder Fehler in Liga eins wird bestraft, sondern auch jede liegen gelassene Chance. Der Konkurrenzkampf und das Trainerteam holen das Beste aus dem bestehenden Kader heraus, damit der VfL Bochum am Ende erste Liga kann!

CG: Nicht nur die erwähnten Soares und Riemann können erste Liga, auch so manch anderer. Selbst ein Toto Losilla kommt bisher super klar. In den ersten Spielen hat man der Truppe noch eine gewisse Naivität angemerkt, aber mittlerweile wirkt das Gebilde wie „ein alter Hase“ in Liga 1.

These 4: Im Winter muss nachgelegt werden um die Klasse zu halten!

MR: Durch die Verletzung von Zoller nach Transferschluss kamen Rufe nach vereinslosen Verstärkungen. Sportvorstand Schindzielorz entschied sich dagegen, da kein geeigneter Spieler auf dem Markt war. Doch im Winter eröffnen sich andere Möglichkeiten. Ich persönlich finde, das Sturmzentrum braucht noch Verstärkung. Polters Einsatz in allen Ehren, wir brauchen noch einen abgezockten, Bundesligaerfahrenen Stürmer, da Ganvoula wohl kein Bein auf den Boden bekommt, Zoller verletzt fehlt und Novothny doch noch Qualität fehlt. Ich schiele da ein bisschen auf die Wolfsburger Mehmedi oder Ginczek. Ob sie bezahlbar sind? Ich hoffe es…

MM: Mit den vorhandenen Möglichkeiten hat Sebastian Schindzielorz im Sommer den Kader auf den Positionen verstärkt, auf denen am meisten der Schuh drückte. Auf der Abgangsseite tat sich – aus verschiedenen Gründen – nicht so viel wie gewünscht, auch wenn für einige der Spieltagskader nicht erreichbar ist. Der Ausfall von Simon Zoller wiegt schwer, auch wenn man auf den offensiven Außen gut besetzt ist, fehlt der Spielertyp Simon Zoller. Trotzdem hält der VfL in der Liga gut mit, steht im Pokal im Achtelfinale. Nichtsdestotrotz kann man davon ausgehen, dass Schindzielorz und Reis schon seit geraumer Zeit an Verstärkungen für die nächste Transferperiode arbeiten. Denn ohne mehr Optionen wird man spätestens in der Rückrunde ausrechenbarer für den Rest der Liga sein.

CG: Ja, der VfL sollten Verstärkungen prüfen. Nur steht bei mir anders als bei Matthias nicht ein Stürmer auf Prio 1 sondern ein kreativer 8/10er. Auch wenn wir ein defensiveres 4-5-1 als in der letzten Saison spielen, brauchen wir dringend einen Spieler, der in irgendeiner Weise die letzten Pässe spielen kann. Löwen kann diese Rolle bisher nicht erfüllen. Ein Stürmer wäre eine weitere Option, aber ich bezweifle aktuell, dass man in der Lage sein wird, einen Spieler zu holen, der ein wirkliches Upgrade zu Polter darstellen würde. Ich bin gespannt, was sich am Kader tut – vielleicht haben Schindzielorz und Reis aber auch noch ganz andere Ideen für Verstärkungen.

Wird nochmal auf Löwens Position im Winter nachgelegt? Foto: VfL Bochum 1848

These 5: Das Verletzungspech: Wer ist schuld?

MR: Erst zum Ende der vergangenen Saison traf uns etwas das Verletzungspech. Riemann und Blum fielen längerfristig aus. Klar gabs unter der Saison einige Verletzungen, beispielsweise Zoller oder Blum, doch häufig waren nur Spieler wie Nowothny oder Bonga betroffen, die die hinteren Plätze im Kader belegten. Dieses Jahr scheint es uns mit voller Wucht zu treffen. Leitsch fehlt seit dem ersten Spieltag, Asano fehlte auch wochenlang, derzeit sind immer noch Tesche, Hartwig und Grave raus, auch Bockhorn ist wochenlang raus, kehrt aber zurück. Schauen wir paar Kilometer westlich zu unserem Ex-Athletiktrainer Menger, haben die keine einzige Muskelverletzung. Ob es an der höheren Intensität der Bundesliga liegt? Wahrscheinlich. Hoffentlich war Mengers Abgang nicht der schmerzhafteste der letzten Jahre..

MM: Das Zwicken in der Muskulatur ist zurzeit anscheinend allgegenwärtig beim VfL. Jörn Menger kannte den Kader über Jahre, der auch anderen Belastungen ausgesetzt ist als der des Zweitligameisters. Takuma Asano reist für die Nationalmannschaft regelmäßig um die Welt hatte dadurch auch ebenso eine kurze Sommerpause wie Eduard Löwen, der zusätzlich aus einer langen langen Verletzung kam. 

Nichtsdestotrotz las man zuletzt häufig von muskulären Problemen. Die Leistungsdiagnostik ist beim VfL die selbe geblieben, das Athletikteam ist neu. Nicht jedes neue Team läuft von Anfang an rund. Hoffen wir, dass wir den Begriff „Muskuläre Probleme“ jetzt weniger in dieser Saison lesen. 

CG: Die typischen Muskelverletzungen können vielseitige Gründe haben – falsche Ernährung, erhöhte Belastung. Das diese gerade aber auftreten, als das Athletik-Team in Bochum gewechselt hat, lässt natürlich den Schluss schnell zu, dass es am neuen Personal und einer fehlerhaften Belastungssteuerung liegen könnte. Dafür sind wir aber alle zu weit weg vom Tagesgeschehen, um das seriös einschätzen zu können. Wichtig ist nur, dass der Verein das Problem auf dem Schirm hat und mögliche Ursachen dafür untersucht.

Autor: Matthias Rauh

Obwohl in Bayern wohnhaft besitze ich eine Dauerkarte beim VfL und versuche, jedes Heimspiel und jedes Auswärtsspiel im Süden vom VfL mitzunehmen. Meine Begeisterung für den VfL entwickelte sich in der Saison 2006/07, endgültig besiegelt wurde sie bei dem eigentlich völlig belanglosen Spiel Karlsruher SC gegen den VfL im Jahr 2008. Während eines Fußballturniers wollten meine Mannschaftskameraden in der Bundesligakonferenz ständig die Zwischenstände von Bayern München und Nürnberg wissen, ich erntete misstrauische Blicke, als ich den Zwischenstand von Bochum wissen wollte. Abstieg, Relegation, Funkel, Neururer... ich bin immer noch dabei und freue mich immer mehr auf Spiele wie Bochum gegen Sandhausen als Bayern gegen Dortmund.

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Danny Blum jubelt - VfL Bochum

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