Ein besonderes Spiel jährt sich zum zehnten Mal. Vor genau zehn Jahren gewann der VfL bei Alemannia Aachen auswärts mit 1:3. Zwar klingt das zunächst etwas unspektakulär, was allerdings zwischen der 61. Und der 63. Minute passiert ist, wird wohl jedem VfL-Fan bis heute in Erinnerung geblieben sein.
Die Ausgangslage
Die Alemannia aus Aachen, damals Zweitligist, war mit Trainer Peter Hyballa im Tabellenmittelfeld der zweiten Liga. Mit 35 Punkten und 41:42 Toren hatte man 11 Punkte vor dem Abstiegsrelegationsplatz, den der KSC belegte, allerdings auch elf Punkte Rückstand auf den Tabellendritten Greuther Fürth, die punktgleich mit dem VfL den Schleuderplatz nach oben inne hatten. Beim letzten Heimspiel kassierten die Aachener eine 0:5-Klatsche gegen Hertha BSC Berlin und verloren jüngst zudem beim Tabellen-17. Ingolstadt. Zumindest fürs Selbstvertrauen wäre ein Heimsieg wichtig gewesen.
Der VfL unter Friedhelm Funkel rangierte nach einem 1:1 gegen den Tabellen-16. Karlsruher SC auf dem vierten Platz mit 35:27 Toren und 46 Punkten. Die Hertha aus Berlin führte mit 52 Punkten die Liga an, Augsburg war mit 50 Punkten knapp dahinter. Auf den Verfolgerplätzen waren Aue mit 44 und Cottbus mit 42 Punkten. Mit einem Sieg bliebe der VfL demnach der Spitzentruppe weiter auf den Fersen und würde nach zwei Unentschieden wieder zurück in die Erfolgsspur finden.
Das Spiel
Gegenüber der 2:1-Niederlage in Ingolstadt wechselte Trainer Hyballa auf zwei Positionen. Für Mirko Casper spielte Tobias Feisthammel, auf der 10 spielte Tolgay Arslan statt Bilal Cubukcu.
Hohs – Feisthammel, Olajengbesi, Stehle, Achenbach – Höger – Kratz, Arslan, Radjabali-Fardi – Auer ©, Stieber Trainer: Hyballa
Funkel wechselte sogar auf vier Positionen im Gegensatz zum 1:1 gegen den KSC und brachte Ostrzolek (zurück nach Gelb-Rot-Sperre), Vogt, Azouagh und Chong Tese statt Bönig, Federico, Aydin (Oberschenkelzerrung) und Dedic. Insgesamt sieben Defensive stellte Funkel auf. Nicht schön, allerdings über weite Strecken der Saison erfolgreich. Die letzte Niederlage datierte aus dem November 2010 und man war mit 12 ungeschlagenen Spielen das am längsten ungeschlagene Team der 2. Liga.
Luthe – Kopplin, Maltritz, Yahia, Ostrzolek – Vogt, Johansson, Dabrowski © – Azaouagh, Korkmaz – Chong Tese
Insgesamt 19.013 Zuschauer wollten im neuen Aachener Tivoli die Partie sehen. Schiedsrichter der Partie war kein geringerer als Dr. Felix Brych. Der Münchner war seit 2007 FIFA-Schiedsrichter und pfiff in der Saison auch schon einige Champions-League-Partien. Assistiert wurde er von Michael Emmer und Karl Valentin. Marcel Pelgrim war der vierte Assistent, einen Videoschiedsrichter gab es damals bekanntlich noch nicht. Bei diesem namenhaften Gespann könnte meinen, ein Zweitliga-Match zu leiten sei im Bereich des machbaren…
Nachdem der VfL bereits in der Anfangsphase zu kleineren Chancen kam, erzielte er nach 15 Minuten die frühe Führung im Spiel. Nach einer Ecke von Azouagh spielte Korkmaz den Ball zurück und Azouagh flankte den Ball erneut herein. Der Ball senkte sich wie eine Bogenlampe über Keeper Hohs hinweg zur 0:1-Gästeführung. Letzterer machte dabei sicherlich auch nicht die allerbeste Figur. Bereits knapp 10 Minuten später kam die Alemania zum überraschenden Ausgleich. Höger spielt auf Arslan, Ostrzolek hob das Abseits auf und Arslan schob ganz lässig den Ball an Luthe vorbei. So ging es mit dem Stand von 1:1 in die Halbzeit.
In Halbzeit zwei holte sich erst einmal Tobias Feisthammel wegen Meckern den gelben Karton ab, ehe in der 55. Minute nach einer starken Kombination zwischen Azouagh und Korkmaz der Österreicher das 1:2 erzielte, Saisontor Nummer drei für ihn. Und dann passierte es in Minute 60…
(..) Christoph Dabrowski beschwert sich da zurecht, denn das war für mich kein Elfmeter. Aber wie ungeschickt Marcel Maltritz dort sich auch im Zweikampf verhalten hat. Schiedsrichter Dr. Felix Brych zeigt sofort auf den Elfmeterpunkt und die VfL-Spieler beschweren sich da reihenweiße. Benny Auer gefoult von Marcel Maltritz, so soll es gewesen sein in der 61. Minute und der Schiedsrichter zögerte keine Sekunde. Eine knallharte Entscheidung gegen den VfL und Höger läuft an, Höger läuft an und Luthe hält LUTHE HÄLT… JA WAHNSINN, LUTHE PARIERT DEN ELFMETER VON HÖGER IN DER 61. MINUTE NOCHMAL HEISS UND LUTHE MIT DEN FÄUSTEN DRAN. UND ER GIBT WIEDER ELFMETER! DAS KANN DOCH NICHT WAHR SEIN! LUTHE KLÄRT UND ER KRIEGT AUCH NOCH DIE GELBE KARTE ALSO JETZT WIRD’S HIER ZU EINEM HANDFESTEN SKANDAL AUF DEM TIVOLI. LUTHE GEHT DORT, ALS DER BALL KOMMT MIT BEIDEN HÄNDEN ZUM BALL UND DER SCHIEDSRICHTER ZEIGT, NACHDEM DER AACHENER ZU BODEN GEHT AUF DEN ELFMETERPUNKT.
Günther Pohl dem Herzinfarkt nahe
Maltritz unterschätzte einen langen Ball von Timo Achenbach und hält die Schulter von Benjamin Auer, der daraufhin zu Boden geht. Schiedsrichter Brych zeigte sofort auf den Punkt. Marco Höger trat an – doch Luthe konnte den Ball klasse parieren. Die Bochumer Verteidigung schlug den Ball weg, welcher jedoch umgehend wieder beim Gegner landete. Dieser brachte mit einer Flanke den Ball erneut in den Bochumer Strafraum und Luthe faustete den Ball vor Radjabali-Fardi weg, der auf dem Boden liegen bleibt und schließlich ausgewechselt werden musste. Brych zeigt zum zweiten Mal innerhalb von zwei Minuten auf den Elfmeterpunkt und Luthe bekommt die gelbe Karte. Zum zweiten Mal stand ein Aachener am Elfmeterpunkt, diesmal Benjamin Auer. Der Ex-Bochumer (2006/07 beim VfL) schoss den Ball zu genau an die Unterkante der Latte und der Ball sprang vor die Linie und wurde anschließend geklärt. Riesiger Jubel bei der Mannschaft und im Gästeblock und die Gastgeber waren fassungslos. Innerhalb von zwei Minuten hatte der Gastgeber zwei riesige Möglichkeiten zum Ausgleich verschenkt.
Das habe ich im Fußball noch nicht erlebt innerhalb von 60 Sekunden zwei Elfmeter, gelbe Karte für Luthe und die 3000 Bochumer Fans sind außer Rand und Band. Das kann doch nicht wahr sein. Dr. Felix Brych zeigt hier erneut auf den Elfmeterpunkt. Unfassbar, unfassbar. Da kommt eine Flanke nach dem abgewehrten Elfmeter rein, Luthe geht, wie jeder andere Torhüter zum Ball, der Aachener, die Nummer 43, das ist Fardi der macht da noch auf verletzt, lacht sich da halb kaputt und Benny Auer legt sich den Ball auf den Elfmeterpunkt. Also das ist hier jetzt ein Tollhaus, das werden wir uns natürlich dann nochmal im Fernsehen ansehen. Aber wenn ein Torhüter klar den Ball trifft und klar den Ball spielt. Aber jetzt gibt es Elfmeter und Benny Auer, der Kapitän, 16 mal hat getroffen und Andreas Luthe geschockt und kann das … UND DER NÄCHSTE ELFMETER IST NICHT DRIN UND DER NACHSCHUSS IST AUCH NICHT DRIN. DER NACHSCHUSS IST AUCH NICHT DRIN.
Günther Pohls legendäre „drei Minuten“
Knapp 10 Minuten später sah Feisthammel die Ampelkarte, nachdem er anstatt des Balles Ümit Korkmaz weggrätschte, Brych blieb keine andere Wahl. Fünf Minuten vor dem Ende bekam der VfL dann seinen Elfmeter. Der eingewechselte Dedic wurde von Stehle im Elfmeter festgehalten, diesmal war der Elfmeter unstrittig. Maltritz macht es nicht den Aachenern nach, sondern versenkte den Ball sicher zum 1:3 und seinem zweiten Saisontor. Auch gegen Düsseldorf verwandelte Magic Maltritz seinen Strafstoß.
Reaktionen nach dem Spiel
Die Doppelelfmeter waren natürlich das Thema des Spiels, in der Serie „Hattrick – die zweite Bundesliga“ bekam der Beitrag zum Spiel Überlänge. Felix Brych wurde, ungewöhnlich für den Kicker, mit einer 6,0 bewertet. Neben den Elfmetern wurde Högers Tätlichkeit gegen Dabrowski in den Schlussminuten nicht geahndet. Eine sehr drastische Entscheidung des Kickers, der sich ja sonst oft schützend vor die Referees stellt. Am Ende der Saison landete der VfL bekanntlich mit 65 Punkten auf Platz 3, während die Alemannia aus Aachen auf Platz 10 mit 48 Punkten eintrudelte.
Reaktionen
Günther Pohl: Nach 10 Jahren kann ich mich natürlich nicht mehr genau erinnern, aber ich meine die erste Elfmeterentscheidung war zumindest sehr strittig, die zweite war skandalös. Natürlich habe ich so etwas überhaupt noch nicht erlebt. Zwar gibt es mal Elfmeter, die mal wiederholt werden, weil einer den Strafraum betritt oder weil sich der Torwart zu früh bewegt aber dass innerhalb von kürzester Zeit zwei Elfmeter separat voneinander gepfiffen werden. Ich glaube das ist der Grund, warum wir uns heute noch drüber unterhalten und natürlich war ich auf 100 und ich muss diese Szene nicht noch einmal erleben, aber ich werde sie natürlich immer in Erinnerung behalten.
Johannes Gründel (Schiedsrichter und Mitglied des Kompetenzteams von wahretabelle.de): Beim ersten Elfmeter bringt der Kontakt zwischen Schienbein und Fuß den Angreifer zu Fall, deswegen kann man den Elfmeter geben, auch wenn der Sturz recht spektakulär ist. Aber der Angreifer kann dann halt auch nicht ungehindert (!) weiterlaufen, wenn so ein unerwarteter Treffer von hinten genau in die Laufbewegung kommt. Beim zweiten Elfmeter ist es eine blöde Situation, weil der Torwart sowohl klar den Ball spielt, als auch den Angreifer hart trifft mit entsprechendem Verletzungsrisiko. Auch da ist der Strafstoß in meinen Augen wegen der Gesundheitsgefahr infolge der hohen Intensität die bessere Entscheidung, wenn auch nicht zwingend.
DAS GIBT ES JA GAR NICHT. LUTHE UND DIE UNTERKANTE DER LATTE. HERVORRAGEND! DAS GIBT ES NICHT! ICH BRAUCH NE PAUSE. 63 Minuten, der VfL führt mit 2:1 und zurück ins Studio.
Die Pause war Günther Pohl dann aber wirklich gegönnt…
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