Ist Ganvoula zukünftig nur noch Zuschauer?

Janik Aschenbrenner | Foto: Claudio Gentile | Design: Patrick Schneider

Das war die Woche des VfL Bochum 1848. Bei „Aus!gefragt“ nehme ich mich wöchentlich den Fragen an, die den VfL Fan bewegen. Heute: Lieber umgestellt, als Ganvoula aufgestellt. Der verletzungsbedingte Ausfall von Simon Zoller entfacht heiße Diskussionen um den Bochumer Toptorjäger der letzten Saison.

    

Beim vermeintlichen Abseitstor berührt mMn der Fürther den Ball. Ergo bewusste Verteidigungsaktion ergo neue Spielsituation und Tor? – Marvin Fray via Facebook

Im Regelwerk des DFB ist unter Punkt 11 festgehalten, was Abseits ist. Der hier relevante Part lautet:

„Die Berührung des Balles durch einen Spieler der verteidigenden Mannschaft hebt eine Abseitsstellung nur dann auf, wenn es sich dabei um ein absichtliches Spielen des Balles handelt, das nicht einer Abwehraktion entspringt. Näherer Erläuterung bedarf der Begriff einer „absichtlichen Abwehraktion“. Die Abseitsstellung ist dann strafbar, wenn ein Spieler den Ball aus einer Torabwehraktion eines Abwehrspielers erhält. Die Aktion des Abwehrspielers ist in diesem Fall vergleichbar mit der Abwehr eines Torwartes.“

Der Fürther Spieler möchte den Pass von Robert Zulj auf Danny Blum aufhalten, somit war dies eine bewusste Aktion. Dabei ist es unerheblich, ob diese gelingt und wie deutlich er den Ball spielt. Wenn er den Ball also tatsächlich mit den Stollen berührt haben sollte, dann hätte Blums Tor zählen müssen. Leider geben die Fernsehbilder keinen Aufschluss darüber, ob der Verteidiger am Ball war. Ja, der Ball hoppelte im Anschluss, doch kann das auch durch Zuljs Aktion oder aufgrund der Platzverhältnisse passiert sein, die in den deutschen Stadien derzeit generell zu wünschen übrig lassen – echter Profisport. Der VAR hatte also nicht genug Beweismaterial, um die Entscheidung des Schiedsrichtergespanns vor Ort umzukehren. Ärgerlich für unsere Mannen, aber am Ende war es zu verschmerzen. Drei Punkte im Gepäck in Richtung Ruhrgebiet.

Ist Bochum durch die taktische Flexibilität stärker, als sie es mit Ganvoula wären? – Uwe Zimmer via Instagram

Der VfL Bochum ist derzeit vor allem stark, weil er in dem von Thomas Reis ausgewähltem Spielsystem eingespielt ist. Daran nimmt er, wenn er Änderungen vornimmt, eher welche am Personal vor. Zuvor gab es nur eine kleine Abweichung vom gewohnten 4-2-3-1 mit den bekannten Rollen in der Hinrunde über die Spiele Aue, Würzburg und Fürth, als man auf ein dem System ähnlichen 4-3-3 umstellte. Doch auch diese Umstellung war eher personalbedingt durch Thomas Eisfeld. Auch im Rückrundenspiel gab es diese nur aufgrund des Personals. Wenn Simon Zoller einsatzbereit gewesen wäre, hätte Reis nicht angepasst, sondern auf die eigene Stärke vertraut.

Das unter den Umständen nicht auf Silvere Ganvoula gesetzt wurde, entstand aus der Abwegung, was bei einer sowieso anstehenden Umstellung erfolgsversprechender ist – der Ersatzmann oder ein zusätzlicher Mittelfeldspieler gegen die Fürther Raute (welche dann witzigerweise nicht zum Einsatz kam). Eisfeld als Achter neben Losilla und Zulj als Spitze hatten die Mannorientierungen dagegen schematisch klarer gemacht.

Aktuell nicht erste Wahl: Silvère Ganvoula. Foto: David Matthäus Photography

Die Entscheidung gegen Ganvoula in den Schlussminuten sorgte dann jedoch für Aufsehen. Abgesehen von der derzeitigen Formschwäche des Kongolesen machte doch auch der Vorzug von Tarsis Bonga Sinn. Bonga platzierte sich, wie das restliche Team, sehr tief und fungierte als weitere Unterstützung gegen hohe Hereingaben. Ganvoula hingegen füllt auch in Situationen einer eigenen Führung den Stürmer aus, der den Ball in vorderen Zonen halten soll, um Zeit herauszuschlagen. Die Situation wird somit einen weiteren Ausschlag pro Bonga gegeben haben und Ganvoula wird zukünftig wieder Chancen erhalten. Es könnte von großer Wichtigkeit sein, dass er zumindest teilweise in Rhythmus kommt, um das Element des Wandspielers gegen manche Gegner zu ermöglichen. Das weiß auch Thomas Reis.

Die Umstellung hatte davon abgesehen jedoch einen positiven Nebeneffekt. Der VfL kann nun auch eine weitere Variante aufweisen, auf die der Gegner sich einstellen muss. Thomas Reis erwähnte in der Pressekonferenz nach dem Spiel die bisherigen Probleme gegen die Raute, die von den Gegner zuletzt häufiger genutzt wurde, um das starke Zentrum der Bochumer unter Kontrolle zu bekommen. Als Gegenmittel ist dieses System aus oben genannten Gründen durchaus vielversprechend.

Unter Berücksichtigung, dass das System zum ersten Mal gespielt wurde, löste Robert Zulj seine Aufgabe als temporäre Sturmspitze durchaus ordentlich. Er war im Zehnerraum anspielbar und leitete von dort aus das bereits besprochene Abseitstor ein und stoß zur richtigen Zeit in den Strafraum für Hereingaben. Doch vor allem in der zweiten Halbzeit wurde er immer wärmer mit seiner neuen Rolle und behaupete in engen Räumen gegen mehrere Verteidiger den Ball und löste diese auf. Um die gleichen Automatismen zu erzeugen, wie beim angestammten System muss dieses natürlich weiterhin zum Einsatz kommen.

Novothny hat seit Hannover nur 4 Einsatzminuten. Warum spielt er keine Rolle mehr und könnte er zukünftig noch wichtig werden? – Benni via Twitter

Nicht nur Ganvoula, sondern auch Soma Novothny wurde die Lösung mit Zulj als Stürmer vorgezogen. Das dürfte zum aktuellen Stand niemanden verwundern. Der Transfer des Ungarn kann als Experiment von Sebastian Schindzielorz angesehen werden. Er durfte zuvor nur Einsatzzminuten in der dritten italienischen Liga, Südkorea und Ungarn sammeln. Novothny ist also trotz seines Alters von 26 Jahren noch eine Art Perspektivspieler, sodass es ihm gegenüber ungerecht wäre, in seinem ersten Jahr zu verlangen, dass er eine große Rolle spielt, obwohl er noch nie so hoch gespielt hat. Ihm wurde bei seiner Vorstellung klar die Rolle von Manuel Wintzheimer zugesprochen. Seit seiner Vorstellung kristallisierte sich der als Außen eingeplante Simon Zoller als Mittelstürmer heraus und zusätzlich kommt die Tabellensituation hinzu.

Im Aufstiegsrennen kann der VfL es sich nach 11 Jahren zweiter Liga nicht leisten, die von ihm benötigte Gewöhnung an die Liga zu ermöglichen. Derzeit könnte er dem VfL nur durch seine Fertigkeiten im Kopfballspiel weiterhelfen, doch nach der Rückkehr von Tarsis Bonga sieht Thomas Reis seine beiden größer gewachsenen Konkurrenten im Vorteil für eine solche Rolle. Über die Saison hinaus sollte Novothny bei einem Aufstieg in die zweite Liga verliehen werden, um ihn die Eingewöhnung zu ermöglichen. Bleibt der VfL selbst im Unterhaus, dann sollte er im gewohnten Umfeld bleiben, um beste Voraussetzungen für ein zukunftsentscheidendes Jahr zu haben.

Mit welchen Spielern sollte der VfL bei Aufstieg/Nicht-Aufstieg das DM „auffrischen“? – j_lian26 via Instagram

Das defensive Mittelfeld steht symbolisch für die große Chance durch einen Aufstieg. „Toto“ Losilla hat vor kurzem seinen Vertrag verlängert und auch Robert Tesche wird trotz auslaufenden Kontrakts mit hoher Wahrscheinlichkeit im nächsten Jahr das blaue Trikot überstreifen. Sie bilden den Damm vor den Jungspunden in der Abwehr, doch ist jedem VfL Fan ihr Alter bewusst. In der nächsten Saison wären sie 34 und 35 Jahre alt. Sie befinden sich auf den Zielgeraden vor dem Karriereende. Neben dem Wert ihrer Erfahrung ist zusätzlich ihre individuelle Klasse jedoch so hoch, dass es in den letzten Jahren nicht möglich war, in der zweiten Liga einen Nachfolger zu finden. Der VfL war hier keineswegs untätig, so versuchte man es mit Talenten, wie U21-Nationalspieler Vitaly Janelt oder Thomas Eisfeld, sowie mit Spielern aus dem Ausland, die sonst keiner auf dem Radar hatte (Raman Chibsah). Alle Genannten kamen an dem Gesamtpaket der erfahrenen Recken nicht heran und fanden sich als deren Ersatz wieder.

Suchte sein Glück woanders: Vitaly Janelt. Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Janelt zog die Reißleine und versuchte sein Glück lieber in England. Spieler aus einem höheren Regal waren in der Situation des VfL Bochums allerdings auch nicht erreichbar. Bei einem Verbleib in der zweiten Liga würde sich diese nicht ändern und es muss weiter auf den richtigen Griff gehofft werden.

Ein Aufstieg eröffnet jedoch viele neue Möglichkeiten und wie Fortuna es will, deutet sich auf der Position im Sommer ein spannender Markt an. Spieler im Blickfeld: Sebastian Vasiliadis (23 J.; 2021), Alessandro Schöpf (26 J.; 2021), Jae-sung Lee (28 J.; 2021), Paul Seguin (25 J.; 2022), Adrian Fein (21 J.; 2023 – Leihe) und Arne Maier (22 J., 2023 – Leihe).

Von wem sind eigentlich die ganzen geilen Fotos, die ihr immer postet? – Jan Aben via Instagram

Die entstammen aus den Reihen fleißiger Helferlein. Spaß beiseite, wir sind dem VfL Bochum, Tim Kramer und David Matthäus sehr dankbar, dass sie uns ihre Fotos für unseren Blog zur Verfügung stellen. Kuss. Kuss. Kuss.

 

Vielen Dank an alle, die fleißig Fragen eingesendet haben. Leider hätte die Beantwortung aller den Rahmen gesprengt. Nach dem Spiel gegen den HSV am kommenden Freitag sind die Leitungen auf Twitter, Instagram und Facebook wieder offen, dann gehen wir in die zweite Runde dieses Formats, welches mir jetzt schon riesigen Spaß bereitet. Also, ich baue auf eure großartige Beteiligung.

Autor: Janik Aschenbrenner

In meinem Freundeskreis dreht sich alles um die Blau-Weißen, für die ich in meiner Jugend selbst die Schuhe schnüren durfte - so kommt es, dass der VfL auch mich nicht los lässt. Durch meine Affinität zur Spielanalyse und Trainingslehre bin ich ansonsten bei Konzeptfußball zu finden. Fußball ist für mich eine Kunstform, die ich mitgestalten möchte.
Twitter: @Janik_Asc / janik.aschenbrenner@einsachtvieracht.de

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