Über 200 Spiele England-Erfahrung: Chung-yong Lee im Portrait!

Hat gut lachen: Für Chung-yong Lee erweiterte der VfL Bochum sein Budget. Foto: VfL Bochum 1848
Willkommen in Bochum, Chung-yong Lee! Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

„Deadline-Day? Brauchen wir nicht!“ – So kommentierte unser VfL die am Donnerstag verkündete Verpflichtung von Chung-yong Lee. Nachdem der VfL zum Ende der Transferperiode nicht mehr aktiv wurde und so teils Unzufriedenheit im Fanlager des VfL herrschte, verpflichtete Sebastian Schindzielorz im Zusammenspiel mit seinem Team einen echten Kracher. Der zweite Südkoreaner im Dress des VfL, nach Ju-seong Kim (1992-1994), hat mit Option auf ein weiteres Jahr bis 2019 unterschrieben und wird beim VfL mit der Rückennummer 11 auflaufen. Doch wer ist der 30-jährige überhaupt und warum hat er beim VfL unterschrieben?

Chung-yong Lee wurde am 2. Juli 1988 in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, geboren. Erst im Alter von elf Jahren begann Lee mit dem Fußballspielen. Sein Talent war aber nicht zu übersehen und so durfte Lee zwei Jahre später für das Schulteam der Dobong Middle School auflaufen. Im Alter von 16 Jahren wechselte Lee dann zum FC Seoul – einem Verein, der erst kurz zuvor aus dem Anyang LG Cheetahs hervorgegangen war, weil aufgrund leerstehender Stadien der WM 2002 einige Vereine in die WM-Stadien zogen und teilweise umbenannt wurden.

Auch beim Hauptstadtverein galt Lee als großes Talent. Erzählungen zufolge habe der Seoul-Manager bei einer Scouting-Reise nur die Hälfte eines Spiels von Lee gesehen, ehe er ihn sofort verpflichten wollte. Durch den Wechsel zum FC Seoul brach auch Lee seine Schulkarriere ab. Deshalb ist Lee, im Gegensatz wie beispielsweise Heung-Min Son, nicht gezwungen, zum koreanischen Militär zu gehen. 2004 kam Lee im Ligacup erstmals zum Einsatz, zwei Jahre später folgte im Alter von 18 Jahren das Debüt in der K-League. Während Lee in der gesamten Saison 2006 (Korea spielt seine Liga im Kalenderjahr) nur auf zwei Kurzeinsätze kam, änderte es sich mit der Ankunft des türkischen Trainers Senol Günes.

Günes setzte auf Talente wie Lee, Myong-jin Koh und Sung-yong Ki in der Startaufstellung. Und das Vertrauen zahlten die Jungs mit guten Leistungen zurück! In 15 Einsätzen erzielte Lee 2007 drei Treffer, 2008 gar fünf Treffer in 22 Einsätzen und wurde sogar in die Elf der Saison gewählt. Als Vizemeister war der FC Seoul anschließend in der AFC Champions League vertreten und konnte sich bis zum Viertelfinale behaupten, schied dann jedoch aus. Mit 15 Einsätzen und 3 Treffern in der Liga war Lee bereit für einen Wechsel nach Europa und entschied sich für einen Wechsel in die Premier League im Jahr 2009.

Lee im Trikot der Bolton Wanderers. Ingesamt sechs Jahre spielte Lee für „The Trotters“. Foto: Jon Candy (Wikimedia Commons)

Der Wechsel zu den Bolton Wanderers und der Aufstieg zum Publikumsliebling

Den Bolton Wanderers war Lee umgerechnet 2,5 Millionen Euro wert, die in der Premier League gegen den Abstieg spielten. Da in Korea, wie bereits erwähnt, die Saison innerhalb eines Kalenderjahres gespielt wird, verlor der FC Seoul seinen Leistungsträger mitten in der laufenden Spielzeit. Lee kam bereits im ersten Saisonspiel gegen Sunderland zu seinem Debüt, als er in der 68. Minute eingewechselt wurde. Seinen ersten Treffer erzielte er schließlich am siebten Spieltag bei Birmingham City – er traf in der 86. Minute zum 1:2-Siegtreffer. In der ersten Premier-League-Saison kam der Koreaner auf 34 Einsätze, bei denen er vier Treffer erzielte und sechs Treffer auflegte.

Auch in der Nationalmannschaft war Lee, der 2008 debütierte, gesetzt. So gehörte der Offensivakteur auch zum südkoreanischen Aufgebot für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Insgesamt zwei Mal war er erfolgreich – gegen Argentinien traf Lee zum 2:1-Anschlusstreffer, gegen Achtelfinalgegner Uruguay traf er per Kopf zum zwischenzeitlichen Ausgleich, ehe Suarez den Siegtreffer für La Celeste erzielte.

Auch in England nahm man immer mehr Notiz vom jungen Südkoreaner – für die Tageszeitung The Times war Lee 2009 einer der Top 50 kommenden Stars im Weltfußball.

Denn auch in der Folgesaison war Lee bei Bolton fest auf dem rechten Flügel eingeplant. Zur Winterpause stand sein Team mit Platz 6 auch hervorragend dar, ehe er mit Südkorea am Asien-Cup teilnahm. Erst im Halbfinale wurde die Mannschaft von Japan im Elfmeterschießen bezwungen und holte sich anschließend den dritten Platz. Zurück bei Bolton hatte sein Team mittlerweile eine Serie von fünf sieglosen Spielen in Folge und war auf Platz 11 abgerutscht. Nach Lees Rückkehr stabilisierte der Verein sich und ein Platz in der oberen Tabellenhälfte schien in Reichweite, ehe man nach einer Niederlagenserie am Ende auf Platz 10 landete. Im FA-Cup kamen die Bolton Wanderes sogar bis ins Halbfinale, bevor dann gegen Stoke City Schluss war. Insgesamt erzielte Lee in 31 PL-Einsätzen drei Treffer und legte acht auf, Bolton verlängerte daraufhin Lees Vertrag langfristig bis 2013.

In der Vorbereitung auf die Saison 2011/12 verletzte sich Lee im Testspiel gegen Newport County schwer am Bein. Der Koreaner fiel insgesamt neun Monate aus. Erst in den letzten zwei Saisonspielen kam der Offensivakteur wieder zum Einsatz – das Ruder rumreißen konnte er aber auch nicht mehr. Als Tabellen-18. stiegen die Bolton Wanderers aus der Premier League ab.

Lee bekam daraufhin viele Angebote von Premier-League-Vereinen und aus anderen Teilen der Welt. Wigan Athletic oder auch der türkische Erstligist Trabzonspor bemühten sich um die Dienste des mittlerweile 24-jährigen Asiaten. Lee entschied sich gegen einen Transfer und blieb trotz des Abstiegs seinem Verein treu. Nach durchwachsenem Start und einem Trainerwechsel wurde Bolton am Ende der Saison Tabellen-Sechster in der Championship. Lee erzielte vier Treffer und bereitete acht weitere vor.

Auch in der Folgesaison war der Koreaner ein fester Bestandteil der Bolton-Elf. Zwar wurde mit Platz 14 der Aufstieg deutlich verpasst, Lee erzielte aber in 45 Einsätzen drei Treffer, sammelte acht Assists und nahm, wie schon 2010, mit Südkorea an der Weltmeisterschaft teil. In einer Gruppe mit Russland, Algerien und Belgien schied Südkorea allerdings nur mit einem einzigen Zähler aus. Lee spielte vorrangig auf dem rechten Flügel, konnte konnte aber weder ein Tor erzielen, noch eines vorbereiten.

Lee im Trikot von Crystal Palace. Beim Hauptstadtclub kam er in drei Jahren auf 38 Einsätze. Foto: Hayden Schiff (Wikimedia Commons)

Zurück von der WM war Lee wieder für „The Trotters“ auf dem Feld. Der neue Trainer probierte Lee neben dem linken und rechten Flügel auch mal auf der 10 aus, wodurch Lee wesentlich mehr Zugriff auf das Spiel hatte und einige Scorerpunkte sammeln konnte. Während seiner Zeit bei der Nationalmannschaft Südkoreas verletzte sich Lee allerdings und so wurde Lee am 2. Februar 2015 im Tausch mit Barry Bannan an den Premier-League-Verein Crystal Palace abgegeben.

Eine neue Station in England: Crystal Palace

Durch einen Haarriss, zugezogen im Asien-Cup-Spiel gegen den Oman, kehrte Lee erst wieder in der Rückrunde der Saison 2014/2015 auf den Rasen zurück. Aufgrund seiner Verletzung kam Lee nicht mehr an seine Leistungsfähigkeit der vorherigen Jahre heran. Er hatte immer wieder Kurzeinsätze, war jedoch kein Kandidat mehr für die erste Elf. So traf Lee in der Saison 2015/16 in 13 Einsätzen nur einmal und auch 2016/17 kam Lee lediglich einmal zum Einsatz. Interessant zu erwähnen ist, dass Lee zum Start der Saison als Zehner eingesetzt worden war. Die Saison 2017/18 war noch einmal der letzte Anlauf von Lee, sich bei Palace nachhaltig durchzusetzen. Doch im Laufe der Saison setzen ihn muskuläre Probleme außer Gefecht. Lediglich sieben Kurzeinsätze in der Premier League standen im letzten Jahr für ihn zu buche. Für die Nationalmannschaft wurde Lee zuletzt im Mai 2018 eingesetzt. Im Test gegen Honduras konnte er sich aber nicht nachhaltig empfehlen, denn eine Berufung für den endgültigen WM-Kader blieb aus.

Keine besonders lange Zeit der Arbeitslosigkeit für Lee

Zuletzt haben einige Verletzungen Lee immer wieder zurück geworfen, weshalb es der Südkoreaner zuletzt nicht mehr in die koreanische Nationalmannschaft schaffte. Durch die strikte Ausländerregelung in England, ein Spieler aus dem Nicht-EU-Ausland muss einen gewissen Prozentsatz an Länderspielen in einer bestimmten Periode bestritten haben, um in England spielberechtigt zu sein, fiel Lee durch das Raster. Zwar wollte Bolton Wanderers Lee noch einmal als zurückholen, die fehlende Spielberechtigung hinderte den Club jedoch daran. Somit konnte unser VfL überraschend zuschlagen, da die Regelung für Nicht-EU-Ausländer in Deutschland wesentlich großzügiger ist.

Welcher Spielertyp ist Chung-yong Lee?

Chung-Yong Lee mit Sportvorstand Sebastian Schindzielorz. Foto: VfL Bochum 1848

Mit 1,80 Meter Körpergrößte und 69 kg ist Lee relativ leicht. Er verkörpert einen flinken Flügelspieler, der durchaus in unserem System Platz finden sollte. Eine seiner Stärken liegt in punktgenauen, langen Bällen in die Spitze. Sicherlich untypisch für einen Außenbahnspieler, aber sehr effektiv. Außerdem ist Lee überraschenderweise recht kopfballstark, dribbelt gerne und kann sich gut mit mehreren Pässen vom Gegenspieler lösen und freispielen. Der VfL hat ihn bis Saisonende unter Vertrag, kann bei guter Leistung den Vertrag aber noch zusätzlich um ein Jahr verlängern. 214 Spiele in England (davon 105 in der Premier League) mit 18 Treffern und 34 Vorlagen. Durchaus Zahlen, auf die man in England stolz sein darf. Herzlich Willkommen in Bochum, Lee Chung-Yong!

„Wir sind sehr froh, dass wir einen Spieler seiner Qualität für den VfL gewinnen können. Wir haben Chung Yong Lee schon länger auf dem Schirm, jedoch konnten wir angesichts seines Engagements in England nicht ernsthaft damit rechnen, dass es mit einem Wechsel zum VfL klappt. Allerdings hat sich durch das Abrutschen der südkoreanischen Nationalmannschaft im FIFA-Ranking für ihn eine neue Situation ergeben: Er bekam keine Arbeitserlaubnis für die englische Championship. Denn dort hätte er diese Saison erneut für die Bolton Wanderers spielen sollen. Dadurch ist er kurzfristig auf den Transfermarkt gekommen, sodass wir unsere Chance sahen. Chung Yong Lee ist ein Musterprofi mit einer beeindruckenden Vita. Über 200 Spiele in England sind ebenso Ausdruck dieser Qualität wie die 79 Länderspiele für Südkorea. Er wird uns mit seinen Fähigkeiten sicher weiterhelfen.“ – Sebastian Schindzielorz zum Transfer von Chung-yong Lee

 

Autor: Matthias Rauh

Obwohl in Bayern wohnhaft besitze ich eine Dauerkarte beim VfL und versuche, jedes Heimspiel und jedes Auswärtsspiel im Süden vom VfL mitzunehmen. Meine Begeisterung für den VfL entwickelte sich in der Saison 2006/07, endgültig besiegelt wurde sie bei dem eigentlich völlig belanglosen Spiel Karlsruher SC gegen den VfL im Jahr 2008. Während eines Fußballturniers wollten meine Mannschaftskameraden in der Bundesligakonferenz ständig die Zwischenstände von Bayern München und Nürnberg wissen, ich erntete misstrauische Blicke, als ich den Zwischenstand von Bochum wissen wollte. Abstieg, Relegation, Funkel, Neururer... ich bin immer noch dabei und freue mich immer mehr auf Spiele wie Bochum gegen Sandhausen als Bayern gegen Dortmund.

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