Vorliebe für emotionalen Schmerz

Der VfL Bochum gewinnt auswärts bei Union Berlin mit 4-3. Nach einer 3-0 Führung wurde es am Ende – mal wieder – unnötig spannend. Ein kleiner emotionaler Rückblick.

Man(n) kann sich die Frau aussuchen, aber nicht den Fußballverein. Das ist immer meine Antwort darauf, wenn mich jemand fragt, wie man denn Fan des VfL Bochum wird – und vor allem freiwillig bleibt. Was dieser Verein mit einem anstellt, lässt sich nur sehr schwer in Worte fassen. Wie viel Lebenszeit man in den letzten neun Tagen in den beiden Spielen gegen Hoffenheim und Berlin verloren hat, ich will es gar nicht wissen.

Eine emotionale Achterbahnfahrt jagt die nächste. Heiß. Kalt. Nicht nur in einer Saison, nein, gleich in den 90 Minuten eines Spiel – und das mit großer Regelmäßigkeit. Geht in der Woche vor Hoffenheim gefühlt die Welt unter – der Bochumer Horrorflurfunk ließ nichts Gutes vermuten – spielt die Mannschaft danach einen überragenden Ball und führt 3-0. Am Ende stehst du zitternd, nass geschwitzt in der Kurve, weil man sich noch zwei fängt und die Führung mehr schlecht als recht über die Zeit rettet.

Gegen Union genau dasselbe. Du führst – auswärts (!) – zur Halbzeit mit 3-0. Der Bochumer Anhang ist guter Dinge, aber wirklich entspannt ist hier niemand. Wir kennen doch alle unseren glorreichen VfL. Und er enttäuscht nicht. Plötzlich steht es nur noch 3-2 das große Zittern geht wieder los. Das Endergebnis von 4-3 spiegelt genau das wieder, was es mal wieder war. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle mit zwischenzeitlichen harten Schlägen ins Gesicht für die blau-weiße Anhängerschaft.

Wieso tut man sich das also jede Woche aufs Neue an? Muss man irgendeine Vorliebe für emotionalen Schmerz haben, um diesen Verein zu mögen? Ich weiß nicht. Aber die letzten neun Tage haben jedem, aber absolut jedem, Mal wieder vor Augen geführt, wie sehr Leid und Freude beim Fußball beieinander liegen. Warst du nach 7 Spielen ohne Sieg zumindest vom Gefühl fast in Liga 2, kannst du nach dem 1-1 von Mainz heute tatsächlich kommende Woche auf der Couch den Klassenerhalt packen. Aber nicht nur das. Hätte dir jemand vor ein paar Wochen erzählt, dass Wittek und Passlack plötzlich Schlüsselspieler sind – wie schief hätte man geguckt?

Das 4. Jahr Bundesliga in Folge ist zum Greifen nah nach einer Saison, die auch nichts auslässt.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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