Fünf Minuten Unglück verhageln starken Saisonstart

Am Ende des Tages standen zwei Treffer für den Effzeh und leider die Null für Blau-weiß. Foto: Fabian Budde (Photomafia)

Der Saisonstart ist ein Fest für Taktikanalysten. Mit welcher Spielphilosphie und -ausrichtung gehen die Teams in die Saison? Der VfL Bochum und der 1. FC Köln galten vor dem Saisonstart als zwei der taktisch interessantesten Mannschaft der zweiten Liga. Trotz extremer Temperaturen wurden die Teams diesem Ruf gerecht. Zu Beginn hatte Dutt das richtige Rezept gegen zu riskante Kölner parat, doch 5 unglückliche Minuten brachen den VfL.

Beide Trainer mussten aufgrund von Verletzungen ihre Teams umbauen. Robin Dutt setzte nach dem Ausfall von Neuzugang und Stammzehner Sebastian Maier auf ein 4-4-2, bei dem Milos Pantovic als hängende Spitze hinter Lukas Hinterseer agierte. Jan Gyamerah erhielt den Vorzug vor dem in der Woche angeschlagenen Stefano Celozzi. Unser Kapitän konnte zumindest auf der Bank Platz nehmen. Auch beim FC gab es einen neuen Rechtsverteidiger. Die beiden Neuzugänge Benno Schmitz und Matthias Bader mussten verletzt passen. Als Notlösung kam Marcel Risse zum Einsatz.

Grundformationen und Bewegungen bei Ballbesitz

Der VfL dominiert das Zentrum…

Die Bochumer verteidigten die Angriffe der Kölner zuerst in einem hohen 4-4-2 Mittelfeldpressing, aus dem immer wieder ins Angriffspressing übergegangen wurde, wenn die Innenverteidiger nach Außen abgedrängt werden konnten. So konnten sie die Kölner, die eigentlich um ein kontrolliertes Aufbauspiel bemüht sind, immer wieder zu langen Bällen zwingen. Der Effzeh setzt im Ballbesitz auf ein riskantes 2-5-3/2-3-5-System, in dem beide Außenverteidiger fast bis auf Höhe der Offensivreihe aufrückten. Diese waren dann oft auch auch die einzigen Anspielstationen. Durch die kompakten Positionen von Kruse und Sam, die sich im Halbraum eng um die Mittelfeldspieler der Kölner positionierten, und die gute Staffelung von Hinterseer und Pantovic, die über ihren Deckungsschatten, die direkten Passwege ins Mittelfeld blockten und trotzdem Zugriff auf die Innenverteidiger hielten, kontrollierte der VfL das Zentrum. Der Effzeh konnte durch den Platz auf Außen Bochums Linksverteidiger Danilo Soares zwas das ein und andere Mal in Verlegenheit bringen, mehr als harmlose Flanken kamen dabei jedoch nicht zu Stande.

…und ist nach Kontern gefährlich

Bei Ballgewinnen des VfL kam es durch die 2 vs 2 Situation gegen Kölns Innenverteidiger zu aussichtsreichen Kontersituationen. Jorge Meré und Rafael Czichos mussten passiver bleiben, wodurch Bochums Offensivreihe Räume neben Sechser Salih Özcan erhielt. Dazu kam, dass der Effzeh im Mittelfeld der 4-1-4-1 Defensivordnung sehr mannorientiert verteidigte. Grad in der Mitte der ersten Halbzeit gelang es Anthony Losilla, Robert Tesche und Sidney Sam, sich aus dem ersten Zugriff zu lösen und dann mit viel Raum auf die Abwehr der Kölner zuzustürmen. Bis auf einen Kopf- und einen Stolperball von Robbie Kruse blieben die ganz großen Chancen jedoch auch für die Blauweißen aus. Oft wurde zu früh versucht, den Ball kompliziert zu verlagern, wodurch die Kölner etwas Zeit gewannen, um sich wieder zu ordnen und das Zentrum dicht zu bekommen.

Die von Robin Dutt gewohnten, offensiven Rochaden beim unserem VfL beschränkten sich für weite Teile der ersten Halbzeit auf die Flügelpositionen. Sidney Sam und Robbie Kruse wechselten immer wieder die Seiten. Lukas Hinterseer und Milos Pantovic hielten dabei ihre Positionen im Zentrum. Der junge Serbe konnte dabei durch gutes Bewegungsspiel und hohen Einsatz viele Räumen für seine Mitspieler schaffen und durch kurze Dribblings und Kombinationen enge Situation auflösen. Er erinnerte dabei direkt an Janik Haberer, die diese Position in seiner VfL-Zeit sehr ähnlich ausfüllte.

Mit laufender Spielzeit hielt sich Pantovic etwas tiefer. Der VfL presste nun im 4-4-1-1-Mittelfeldpressing, um bei etwas geringerer Intensität im Pressing im Mittelfeld gegen die drei Kölner nicht in Unterzahl zu geraten. Das Rezept ging bis zu 44. min auf.  Unser VfL kontrollierte das Spiel und hatte selbst immer wieder aussichtsreiche Konter und Situationen nach Dribblings und Kurzpasskombinationen. Insbesondere unsere Youngster Jan Gyamerah und Milos Pantovic machten auf sich aufmerksam. Gyamerah hielt seine Seite dicht (im Vergleich zu Soares gegenüber) und schaltete sich offensiv gut mit ein. Pantovic überzeugt mit gutem Stellungsspiel im Pressing und tollen Bewegungen und Dribblings bei Ballbesitz.

Vor der Pause schlägt das Schicksal gnadenlos zu

Doch dann verschätzten sich Torhüter Manuel Riemann und Innenverteidiger Maxim Leitsch. Riemann rief „Leo“, Leitsch schaltete ab, wurde etwas gedrückt und der Ball fiel ihm unglücklich auf den Kopf – 0:1 für den Effzeh. Um den Nackenschlag für die Blauweißen perfekt zu machen, verweigert Zwayer in der unmittelbaren Folge einen klaren Elfmeter nach Foul an Danilo Soares. 7 zu 5 Torschüsse und 4 zu 0 Ecken und trotzdem 0:1 zur Halbzeit.

Halbzeit 2 – Der VfL verliert die Kontrolle

In der Pause erhöhte der VfL Bochum das Risiko und ließ Robbie Kruse vorne zocken. Dazu kam der wiedergenesene Timo Perthel zu seiner Rückkehr nach seiner langen Verletzung. Danilo Soares konnte nach dem Foulspiel vor dem vermeindlichen Elfmeter nicht weitermachen.

Die durch das Zocken der Stürmer entstehende 4-3 Verteidigung geriet gegen die Kölner Offensivpower mehrfach in Bedrängnis. Der Käfig rund um das Mittelfeld des Effzeh wurde zu weit, die Bindung der Stürmer zum Mittelfeld ging völlig verloren. So konnte der Effzeh nach den Flanken nun auch häufiger die Bälle im Rückraum erobern. Louis Schaub und Dominick Drexler fanden langsam ins Spiel. Das beste Beispiel war das 0:2. Dazu kam ein erneutes Missverständnis zwischen Torwart Riemann und seinen Verteidigern in der langen Ecke. Statt den Ball zu fordern und zu fangen, landete die kurze Abwehr der Verteidiger bei Christian Clemens, der aus dem Rückraum abschließen konnte. Danach war das Spiel quasi vorbei.

Debütant für Debütant. Ganvoula kam in der 64. Minute zu seinem ersten Pflichtspieleinsatz für den VfL. Zuvor brachte Pantovic viele Kilometer und eine gute Leistung auf den Rasen. Foto: Fabian Budde (Photomafia)

Mit der Einwechslung von Silvère Ganvoula in der 63. Minute setzte Dutt früh auf lange Bälle und Brechstange. Statt der filigranen Bewegungen und Dribblings von Pantovic war nun Physis das neue Motto. Spätestens als in der 82. Minute noch Johannes Wurtz für Sidney Sam kam, war ein geordnetes Spiel durchs Mittelfeld keine Option mehr. Kruse ließ sich zwar etwas fallen, um Losilla und Tesche im Mittelfeld nicht völlig allein zu lassen. Die Bälle flogen jedoch schon vorher die meiste Zeit über unser formidables Mittelfeldduo hinweg. Die guten Anlagen mit Dribblings und Kombinationen aus dem Mittelfeld waren in Halbzeit 2 nicht mehr zu sehen.

Fazit und etwas Statistik

Nach einem tollen Start verlor der VfL in den letzen 5 Minuten der ersten Halbzeit das Spiel. Das Schicksal und Schiedsrichter Zwayer waren nicht mit unserem Team im Bunde. Diesen Schock konnte unsere Blauweißen nicht verkraften. In der zweiten Hälfte gingen Spielkontrolle und Zugriff verloren. Am Ende hatte der VfL auch hinsichtlich der Statistiken das Nachsehen. Der Effzeh hatte 15:14 Torschüsse und 53:47 % Ballbesitz.

Neben den Youngstern Milos Pantovic und Jan Gyamerah überzeugte auch die alte Garde. Tim Hoogland, obwohl zuletzt häufiger kritisiert, konnte mit 5 abgefangenen und 7 geklärten Bällen viele Szenen entschärfen bevor sie gefährlich wurden. Losilla konnte mit drei erfolgreichen Dribblings seine Kölner Gegenspieler öfter in Verlegenheit bringen. Danilo Soares und Sidney Sam waren mit jeweils 2 Pässen zu Torschüssen die besten Vorbereiter.

Schlussbemerkung

Stand häufiger im Mittelpunkt als erwartet: Schiedsrichter Felix Zwayer. Foto: Fabian Budde (Photomafia)

Eigentlich halten wir uns beim Thema Schiedsrichter dezent zurück. Jeder kann mal einen schlechten Tag haben. Aber was der Mann in gelb am Samstag auf dem Platz abgeliefert hat verdient eine besondere Bemerkung. Der nicht gegebene Elfmeter war nur die Krönung. Dazu kamen eine fehlende klare Linie und eine Selbstherrlichkeit, die ihresgleichen sucht. Herr Zwayer scheint Arroganz mit einer natürlichen, autoritären Ausstrahlung zu verwechseln. Dazu muss ein Schiedsrichter ausuferndes Zeitspiel und das Zelebrieren eines jeden Abstoßes auch mal mit einer gelben Karte unterbinden. Ein Schiedsrichter, der den Anspruch hat, WM-Spiele zu pfeifen, darf niemals mit einem Spiel in Liga 2 so dermaßen überfordert sein. Dass er als Linienrichter auch im Hoyzer-Skandal seine Aktien hatte, kommt noch zusätzlich dazu. Aber das nur als Bemerkung am Rande…

Autor: Tobias Wagner

Ich bin seit meinem fünften Lebensjahr Fan des VfL. Die Hochzeiten des Vereins mit den beiden UEFA-Cup Teilnahmen habe ich in meiner Jugend live miterlebt. Von da an war klar - für mich gibt es nur den VfL. Die Jungs von Spielverlagerung weckten meine Begeisterung für die Taktikanalyse. Auf erste Taktikanalysen, die noch direkt an den VfL versendet wurden, folgte der Blog "Blau-weiße Taktikecke". Später wurde ich dann selbst Autor bei Spielverlagerung und Trainer verschiedener Jugendmannschaften (U14-U16). Meine Begeisterung für Fußball, Training, taktische Raffinessen und statistische Spielereien möchte ich nun hier mit Euch teilen.

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