Am Samstag trifft der VfL auf den FSV Mainz. Die Mainzer sind mit 16 Punkten auf dem vorletzten Tabellenplatz und kämpft verbittert um den Klassenerhalt. Ein wahres 6-Punkte-Spiel steht an. Mit einem Sieg kann der VfL einen ganz großen Schritt in Richtung Klassenerhalt machen – verliert man hingegen, wird es unten nochmal enger. Wir wollen einen detaillierten Blick auf Mainz, die Saison und das Umfeld werfen. Im Gespräch mit Mainz-Fan Rhoihesse.
Wie ist derzeit die Stimmung in Mainz?
Die aktuelle Situation ist natürlich besorgniserregend, dennoch kann sich die Mannschaft auf den Rückhalt der Fans verlassen. Die Zuschauerzahlen und auch die Mitgliederzahlen steigen kontinuierlich, diese Entwicklung ist erfreulich.
Die Fans wissen, was aktuell auf dem Spiel steht und supporten ihre Mannschaft Spiel für Spiel. In schwierigen Zeiten gab es diesen Zusammenhalt in Mainz und auch jetzt kann sich das Team darauf verlassen, sofern sie weiterhin kämpferische und engagierte Leistungen auf dem Spielfeld zeigen.
Kurz vor dem Jahreswechsel 20/21 stellte der FSV Mainz seine sportliche Führung neu auf. Mit Martin Schmidt als Sportdirektor und Christian Heidel als Vorstand Sport kehrten zwei alte Bekannte zurück. Beide sollten Mainzer Tugenden vorleben und dem Verein wieder mehr Leben einhauchen. Als Trainer wurde in Person von Bo Svensson jemand mit Mainzer Vergangenheit installiert. Man spielte eine erfolgreiche Rückrunde, holte 33 Punkte und landete am Ende noch auf Platz 12., spielte danach zwei sehr ordentliche Saisons mit Platz 9 und Platz 8. Dieses Jahr ist irgendwie Sand im Getriebe – woran machst du das fest?
Es scheint, als hätte es einen Riss zwischen der Mannschaft und Bo Svensson im Laufe der vergangenen Rückrunde gegeben. Die Saison 2022/23 war grundsätzlich voll in Ordnung und die Mannschaft hatte eine ordentliche Punkteausbeute. In der Rückrunde gewann der FSV dann überraschend im eigenen Stadion gegen Bayern München und dann kam es zum Einbruch der Leistungen. Dieses Spiel war zumindest sportlich der Einschnitt in die Zeit mit Bo Svensson und seinem Trainerteam. Die Mannschaft träumte vom einer Qualifikation für den europäischen Wettbewerb und das Trainerteam bremste die Euphorie. Eventuell war das mit ein Grund für den sportlichen Niedergang und der Anfang vom Ende von Bo Svensson. Einzig das Spiel am letzten Spieltag in Dortmund war ein Lichtblick in Sachen sportliche Arbeit. Saisonübergreifend hat Mainz 05 seit dem Spiel gegen Bayern München nur zwei Spiele gewonnen.
Vor der Saison war der FSV Mainz trotz Abgängen von Leistungsträgern wie Anton Stach gut aufgestellt und ergänzte den Kader mit vielversprechenden Namen. Wie bewertest du die diesjährigen Transfers?
Für die Transfers im Sommer und danach haben die Verantwortlichen schon viel Kritik einstecken müssen, gerade wenn man die ablösefreien Transfers nach dem Transferfenster von El Ghazi und Guilavogui betrachtet. War das eine Reaktion auf die vielen Verletzungen zum Beginn der Saison oder wurden die Hausaufgaben um den Kader herum nicht gut gemacht?
El Ghazi spielt mittlerweile nicht mehr für Mainz 05, diese Geschichte hat weltweit für Aufsehen gesorgt und ist bis heute noch nicht final geklärt. Aktuell stehen der Verein und El Ghazi noch vor dem Gericht, es geht um eine Abfindung bzw. die Zahlung des restlichen Gehaltes. Guilavogui macht einen soliden Eindruck auf dem Spielfeld, auch wenn es alters- und verletzungsbedingt mittlerweile nicht mehr für jedes Spiel in der Startelf reicht. Trotzdem wirkten die späten Transfers eher wie eine späte Reaktion auf die bis dahin umgesetzte Kaderplanung und die Verletzungen im Laufe der Saison. Guilavogui wurde als Allrounder für die Defensive vorgestellt und spielt bislang nur in der Innenverteidigung, da Mainz 05 auf dieser Position mit einigen langfristigen Ausfällen zu kämpfen hat. Leistungsträger Hanche-Olsen hat sich zu Beginn der Saison schwerer verletzt und die Ausfalldauer war bekannt. Leitsch hat auch immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen und spielt bislang noch keine Rolle in der Mannschaft. Ein Fernandes wird seit Jahren positionsfremd in der Innenverteidigung eingesetzt, obwohl seine stärken im Spielaufbau und im Spiel nach vorne liegen. Auch wenn er einen guten Job in der Verteidigung von Mainz 05 macht, seine Stärken liegen meiner Meinung nach woanders und das Thema gibt es öfter im Team. Marco Richter wurde als Heilsbringer für unser Mittelfeld geholt, davon ist er leider meilenweit noch entfernt. Er zeigte vereinzelt gute Ansätze, gerade wenn ich an das Auswärtsspiel in Hoffenheim denke, doch 1-2 gute Spiele reichen noch lange nicht, um sich als Option für die Startelf festzuspielen. Ansonsten kam Tom Krauß aus Leipzig als vielversprechendes Talent nach Mainz. Er zeigt gute Ansätze, auch wenn es aktuell nicht immer für die Startelf reicht. Im Sommer wird Barreiro Mainz verlassen und Krauß wäre der logische Nachfolger für diese Position, sofern sich Tom einen Verbleib vorstellen kann. Mwene und Batz haben den Kader ergänzt. Ersterer kommt auch auf viel Spielzeit, auch wenn er mal wieder positionsfremd als linker Verteidiger aufgestellt wird. Wie man sieht, es zieht sich durch den kompletten Kader und das ist meiner Meinung nach ein großes Problem.
Die beiden Wintertransfers hießen dann Amiri und Ngankam. Amiri hat bislang alle Erwartungen übertroffen, er hat die Verantwortung auf dem Spielfeld übernommen und liefert tolle Leistungen im Trikot von Mainz 05. Seine Standards sind eine echte Waffe, er schießt mittlerweile alle Standards und macht seinen Job wirklich gut. Sein fußballerisches Verständnis hilft dem restlichen Team weiter, auch wenn sich das nicht immer auf das Ergebnis auswirken kann. Über Ngankam will ich mir noch kein Urteil erlauben, eine direkte Hilfe wie Amiri war er leider nicht.
Wie beurteilst du die Arbeit der sportlichen Leitung in den letzten Jahren?
Das ist eine schwierige Frage, denn Mainz lebt natürlich von der Weiterentwicklung von Spielern, um sie dann für eine höhere Ablöse an andere Vereine abzugeben. In den letzten Jahren hat man immer wieder Spieler gehabt, die gutes Geld in die Kassen gespült haben. Der sportlichen Verluste von Leistungsträgern wie Niakhate und Aaron Martin zum Beispiel wirken sich natürlich auf die sportliche Weiterentwicklung vom Verein aus. Nun verlässt der nächste Leistungsträger den Verein, Barreiro wird im Sommer vermutlich bei Benfica Lissabon unterschreiben und Mainz 05 ablösefrei verlassen. Das ist natürlich sehr schade, aber der logische Schritt für unsere Nummer 8. Das tut einem Verein weh und macht es den Verantwortlichen nicht leicht, solch einen Spieler gleichwertig zu ersetzen oder den Kader an gewissen Stellen sogar zu verbessern. Mainz 05 lebt von seiner Jugendarbeit und das zahlt sich Jahr für Jahr aus. Spieler wie Gruda, Barreiro und Burkardt kommen alle aus der Jugend von Mainz 05 und werden kontinuierlich zum Profi aufgebaut. Es gilt, Transfers wie zum Beispiel Burgzorg oder El Ghazi zu vermeiden und ein besseres Händchen auf dem Transfermarkt zu beweisen.
War die Trennung von Bo Svensson alternativlos? Oder hättest du es gerne mit ihm noch weiter probiert?
Bo hat die Trennung im Laufe der Saison gewollt und somit war diese Entscheidung alternativlos. Heidel hätte vermutlich weiter an Svensson festgehalten und das wurde auch so kommuniziert.
Wie wurde das Engagement von Jan Siewert, der auch schon in Bochum die U19 coachte, gesehen? Fandest du die ersten sieben Spiele so vielversprechend für ein weiteres Engagement?
Unter Siewert hat sich zumindest die Defensive verbessert, wobei andere Teile des Kaders darunter leiden mussten. Offensiv war das zumeist eine Offenbarung, die Mannschaft hat jedoch leider kaum Tore geschossen und den Fokus auf die Defensive gelegt. Eine Trennung hätten sich wohl einige 05er noch vor Weihnachten gewünscht, ich war bis dahin noch ein Befürworter und habe Siewert noch mehr Zeit als Cheftrainer gegönnt. Die schlechte Punkteausbeute hat sich dann durch den Anfang des Jahres gezogen, somit war die Trennung alternativlos. Die sogenannte letzte Patrone mit einem neuen Trainer.
Das 2:2 im Hinspiel war aufgrund des Ausgleichs in letzter Minute wie eine Niederlage. Deine Mainzer konnten das darauffolgende Spiel gegen RB Leipzig mit 2:0 gewinnen, was den ersten von bisher zwei Saisonsiegen darstellte. War das nur ein Strohfeuer oder hatte man in den folgenden Spielen einfach Pech, nicht zu gewinnen?
Schwierig zu beantworten. Einerseits gab es sicherlich die Chancen, auch weitere Spiele zu gewinnen. Auf der anderen Seite lag es am Unvermögen bei den Torabschlüssen. Chancen wurden definitiv erspielt, doch das Formtief von Ajorque und Onisiwo tragen vermutlich zu der sportlichen Misere bei. Es fehlen die kaltschnäuzigen Stürmer im Team, denn bisher haben unsere Spieler nur maximal zwei Tore in der laufenden Saison erzielen können. Das reicht nicht aus und spiegelt sich auf der Tabelle wieder. Aus Halbchancen werden kaum Tore geschossen, gerade der Abgang von Ingvartsen macht sich hier bemerkbar.
Mit Bo Henriksen steht jetzt ein Trainer der Marke „Typ“ an der Seitenlinie. Wie ist dein erster Eindruck von Ihm und seiner Arbeit als Trainer? Wie viel Einfluss auf die Mannschaft konnte er schon nehmen?
‚Bo 2.0‘ bringt frischen Wind in den Verein und das war vermutlich die Idee von Heidel. Mit seiner unbekümmerten Art spricht er zu seinen Spielern und gibt ihnen Mut. Sportlich hat sich an der Situation eher nicht viel verändert, auch wenn die Spieler mutiger und offensiver agieren. Er ist der Typ „Motivator“ und spielt dahingehend eine große Rolle im Kampf um den Klassenerhalt. Nun muss die Mannschaft in den letzten verbleibenden Spielen abliefern und für ihren Trainer spielen. Tore schießen kann der liebe Bo leider nicht.
Wie hat sich die Aufstellung unter Bo Henriksen verändert?
Derzeit lässt Bo die 05er im 3-4-3 (5-2-3) auflaufen und hat zumindest in Sachen Formation nicht viel verändert. Kohr wurde aufgrund der Verletzungen in die Innenverteidigung gezogen und spielt nun positionsfremd in der Defensive. Ansonsten haben sich Gruda und der Neuzugang Amiri in der Startelf festgespielt. Viel läuft aktuell über die beiden Außenspieler Lee und den Youngster Brajan Gruda. Der Trainer möchte ein schnelles Umschaltspiel nach vorne sehen und das klappt in der Mannschaft immer besser. Mit Amiri ist jetzt auch ein kreativer Spieler im zentralen Mittelfeld von Mainz 05, somit ergeben sich mehr Möglichkeiten in Sachen Angriff.
Nach einem Jahr Verletzungspause ist Jonathan Burkardt zurück. Muss er automatisch mit der Bürde des Hoffnungsträgers leben? Wie sehr kann er die Rolle erfüllen?
Burkardt hatte durch die Verletzungen einen schwierigen Start in diese Saison. Nun ist er endlich wieder zurück und kommt so langsam immer besser rein. Natürlich wird er noch etwas Zeit brauchen, um an die alten Leistungen anzuknüpfen. In Mainz sieht man ihn eher als 05er durch und durch. Jeder Fan von Mainz 05 würde sich über eine verletzungsfreie Rückrunde von Burkardt freuen, natürlich darf er auch gerne mit vielen Toren zum Klassenerhalt beitragen.
Wer sind für dich die Anführer im Kader, die in so einer Situation voran gehen?
Widmer ist der Kapitän der Mannschaft und sollte im solchen Situationen vorangehen. Leider hat auch er in dieser Saison Pech mit Verletzungen, deswegen fehlte er der Mannschaft ab und an auf dem Feld. Seine ruhige und besonnene Art kann aber auch in der Kabine weiterhelfen. Ansonsten hat Amiri von Beginn an viel Verantwortung übernommen, er schlägt mittlerweile alle Standards und ist auch auf dem Feld ein Kämpfer. Er nimmt die Zuschauer mit und trägt unglaublich oft den Ball nach vorne. Er könnte sich zu einem echten Leader auf und um den Platz entwickeln.
Tritt die Mannschaft in deinen Augen noch als Einheit auf?
Jaein. Viele Spieler stecken aktuell im Formtief und durch Verletzungen wechseln die Spieler in der Startelf regelmäßig. Die kämpferische Einstellung kann man keinem Spieler absprechen, derzeit reicht es sportlich nicht für mehr und das wirkt sich natürlich auf das Mannschaftsgefüge aus. Selbstverständlich wissen die Spieler, zu was sie normalerweise in der Lage wären und was gerade auf dem Spiel steht. Die Verunsicherung und Unzufriedenheit ist öfters auf dem Platz erkennbar und das macht auch was mit dem Team. Viele wollen, manche können aktuell.
Wie geht Talent Brajan Gruda deinem Gefühl zufolge mit dieser Drucksituation um?
Gruda spielt eine gute Saison und das gerade einmal mit 19 Jahren. Er spielt unbekümmert auf und versucht der Mannschaft zu helfen. Auch sein Spiel leidet natürlich unter der aktuellen Situation, wobei er über die Spielzeit alles probiert und bis zum Ende kämpft. Für mich ist er einer der wenigen Gewinner in dieser Saison, gerade wenn man sein junges Alter und die sportlichen Leistungen der Mannschaft betrachtet. Er wird an dieser Situation wachsen und seinen Weg gehen, da bin ich mir sicher.
Welche Spieler konnten bis dato ihre Erwartungen gar nicht erfüllen?
Ajorque, Onisiwo, Richter und Da Costa.
All diese Spieler können es vermutlich besser, jedoch zeigen sie es in dieser Saison viel zu selten. Da Costa gehörte unter Bo Svensson zu den Leistungsträgern, kam als Wintertransfer nach Mainz und hat abgeliefert. Mittlerweile reicht es nur noch zum Kaderspieler, wobei
er sicherlich auch eine bessere Rolle spielen könnte. Ajorque hat vergangene Rückrunde einige Tore für Mainz erzielt, aktuell steckt auch er in der Formkrise. Das Spiel in Berlin (zwei verschossene Elfmeter) war sein Einschnitt in seine sportliche Situation.
Gibt es positive Überraschungen in dieser Saison im Kader?
Sepp van den Berg ist für mich DER Gewinner dieser Saison. Er liefert für sein junges Alter kontinuierlich guten Leistungen ab und wirkt sehr abgeklärt im Spiel mit dem Ball. Van den Berg kam als Leihgabe vom Liverpool und hatte zu Beginn einen holprigen Start in Mainz, nach einer kurzen Zeit hat er sich gefangen und deutlich gesteigert. Er gehört zu den schnellsten und zweikampfstärksten Spielern im Kader und hält die Defensive in brenzligen Situationen zusammen. Durch die vielen Ausfälle in der Verteidigung hatte er die Möglichkeit auf viel Spielpraxis und das hat ihm offensichtlich sehr gut getan. Diese Leihe hat sich bislang für alle Beteiligten gelohnt!
Was macht Maxim Leitsch momentan?
Oft verletzt, er spielt kaum eine Rolle in Mainz. Seine Zeit in Mainz hat er sich sicherlich anders vorgestellt, auch wenn er sein Können bereits andeuten konnte. Hoffentlich ist er bald wieder fit, damit er eine Option für die Defensive wird.
Wie siehst du als Mainzer den VfL? Denkst du, dass der Klassenerhalt realistisch ist?
Bochum hat mittlerweile sieben Punkte Abstand auf die Relegation. Normalerweise dürfte da nicht mehr viel anbrennen, sofern Bochum in den kommenden Wochen auch wieder Punkte einfahren kann. Nun gilt es, die direkten Konkurrenten auf Abstand zu halten oder sogar den Abstand zu vergrößern. Den direkten Klassenerhalt kann ich mir sehr gut vorstellen.
Dein Tipp fürs Spiel?
Ein umkämpftes Spiel wird es bestimmt, am Ende werden vermutlich individuelle Fehler das Spiel entscheiden. Ich rechne mit einem knappen Sieg für eine Mannschaft, wobei ich mir natürlich drei Punkte für Mainz 05 wünschen würde. Die Punkte wären immens wichtig im Kampf um die Relegation und würden den Druck auf Köln erhöhen. Auf ein faires und schönes Spiel!
Vielen Dank für das Interview!
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