Ein Gefühl von falscher Sicherheit

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Der VfL verliert im Kellerduell gegen den FSV Mainz mit 0-2. In einer spielerisch schwachen Partie schafft man es nicht, sich deutlich von der Konkurrenz im Abstiegskampf abzusetzen. Die nächsten beiden Spiele werden so umso wichtiger. Aktuell herrscht eine trügerische Ruhe rund um die Castroper. Ist man hier zu entspannt? Ein Kommentar.

Wir brauchen nicht darüber diskutieren, dass viele Schiedsrichter-Entscheidungen aktuell sehr einseitig gegen den VfL getroffen werden. Viele dieser Entscheidungen beeinflussen den Spielverlauf enorm. Es ist richtig, dass die Verantwortlichen diesen Missstand offen ansprechen und sich anscheinend auch schon direkt an den DFB gewandt haben. Nur darf jetzt eines nicht passieren: dass man die Schiedsrichter für die Niederlagenserie verantwortlich macht. Damit macht man es sich nämlich deutlich zu einfach. Zudem haben wir seit dem Wiederaufstieg 32 (!) Elfmeter gegen uns kassiert – viel eigene Dummheit spielt da auch mit rein.

Egal wie strittig viele Entscheidungen waren, es darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir seit längerer Zeit mit Ausnahme von einzelnen Spielen einen sehr dürftigen, sehr zentrumslastigen Ball spielen. Niemand erwartet in Bochum Zauberfußball, niemand erwartet wilde Kombinationen. Nur aktuell fällt es extrem schwer, in einem großen Teil der Spiele überhaupt eine geordnete Struktur vor allem im Angriffsspiel zu erkennen. Immer wieder erwischt man sich dabei sich zu fragen, wieso es in einigen Spieler derart gut klappt, die PS auf den Rasen zu bringen und in anderen wiederum gar nicht.

Unsere Formkrise kommt zu der Zeit, in der es „make it or break it“ gegen direkte Konkurrenten heißt. Aktuell haben wir noch sechs Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang. Mit den kommenden Spielen gegen Darmstadt und Köln hat man es komplett selber in der Hand, sich hervorragend für einen frühzeitigen Klassenerhalt zu positionieren. Dieses vermeintlich ordentliche Polster von sechs Punkten scheint aktuell für eine trügerische Sicherheit zu sorgen. Wir sind immer noch in einer sehr guten Position und sicherlich hätten viele vor der Saison die aktuelle Lage blind unterschrieben. Daher alles fein. Nur – „Es wird schon nicht schiefgehen“ – das dachte man sich 2009/10 unter Heiko Herrlich auch, als man zwischenzeitlich deutliche 10 Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge hätte. Das Ende ist bekannt. Auch wenn die aktuelle Lage kaum mit damals vergleichbar ist – Heiko Herrlich himself und die gesamtheitliche Unruhe im Verein waren nochmal andere Brandbeschleuniger.

Ich will hier nicht mit der Planierraupe über eine vor allem punktetechnisch bisher sehr ordentliche Saison drüberfahren und alles in Frage stellen. Ich will dafür sensibilisieren, dass die nächsten zwei Spiele enorm darüber entscheiden werden, wie hart unsere Endphase der Saison wird – und sich deutlich schneller negatives Momentum entwickeln kann, als das es anscheinend Einigen gerade bewusst ist.

Unsere aktuelle Durststrecke wird vor allem dadurch befeuert, dass wir plötzlich auch mit Verletzungen zu kämpfen haben. Konnten wir in der bisherigen Spielzeit oft aus den Vollen schöpfen und hatten so immer eine wettbewerbsfähige Mannschaft auf dem Platz, merkt man recht stark, dass man im Sommer teilweise ins Klo gegriffen hat. Fallen drei bis vier etablierte Kräfte aus wird es dünn. Passlack, Daschner, Kwarteng, Wittek. Alle sind bisher nicht die Leistungsträger in der Mannschaft, die man sich erhofft hatte.

Der Kader ist zudem auf ein von Letsch favorisiertes 3-5-2 System ausgelegt, ein System, welches aber schon früh zu den Akten gelegt wurde. Es mangelt auf einigen Positionen an Alternativen. So hat man an nominellen offensiven Außen nur Jimmy und Asano im Team. Ein Wittek, der eigentlich als linker Schienenspieler geholt wurde, findet trotz dieser dünnen Besetzung eine Station weiter vorne kaum bis gar keine Berücksichtigung. Viele fragen sich wieso. Mit Bero besetzt behelfsweise  ein gelernter zentraler Mittelfeldspieler die rechte Außenbahn – auch wenn er diese Rolle sehr zentral mit häufiger Positionierung im Halbfeld interpretierte. Das machte er durchaus gut in einem sensiblen Gesamtfüge, auch wenn es häufig eine extreme Linkslastigkeit des Angriffsspiels gab. Ein Oermann stopfte unser Loch auf der Rechtsverteidiger-Position bisher gut. Danach wird’s dann aktuell aber eben auch dünn. Sehr dünn.

Nochmal – das soll keine Abrissbirne sein. Aber aktuell kommen einige Faktoren zusammen, die bei einem Gefühl von falscher Sicherheit aktuell ganz schnell kippen könnten und das Bochumer Kartenhaus im Endspurt der Saison lichterloh brennen lassen könnten. Das macht mir Sorgen. Die Länderspielpause kommt zur richtigen Zeit. Hoffen wir, dass Letsch sie nutzt.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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