Borussia Mönchengladbach ist mit zwei Punkten aus fünf Spielen denkbar schlecht in die Rückrunde gestartet. Mit 22 Punkten steht man aktuell auf dem 15. Tabellenplatz. Dass die Saison nach den zahlreichen, teils ablösefreien Abgängen im Sommer schwierig werden wird, war vielen klar. Aber so schwierig? Wir sprechen im Interview mit Jonas von schwarzweissgruen.de über die Entwicklung am Niederrhein.
Wie ist die Stimmung derzeit in Mönchengladbach?
Aufgrund der derzeitigen tabellarischen Situation und den anstehenden Aufgaben, sowie spielerisch eher dürftigen Leistungen hat sich inzwischen große Sorge breitgemacht. In Anbetracht des großen Vertrauensvorschuss zu Beginn dieser Saison riskiert die Mannschaft und der Verein den Rückhalt seiner Fans zu verlieren.
Wie erklärt man sich allgemein den enttäuschenden Saisonverlauf?
Eine schwierige Saison wurde von vielen angenommen, auch aufgrund des Umbruchs. Sie ist jedoch enttäuschend, weil die Mannschaft nach einem Jahr erneut vor denselben Herausforderungen steht, und sie laut Sportdirektor Roland Virkus noch nicht so weit in ihrer Entwicklung ist, wie es ursprünglich angenommen wurde. Das wird durch zahlreiche Ausfälle begründet, wie beispielsweise durch Itakura, Omlin und inzwischen auch Plea. Die ohnehin niedrigen Erwartungen aber noch zu unterbieten, das kann lediglich durch eine von nicht allen gelebte Leistungskultur erklärt werden, sowie Fehlern in der Kaderzusammenstellung.
Wie sieht der Kader im Falle eines Abstieges aus? Reicht es nach dem Umbruch mit dem Personal für einen direkten Wiederaufstieg oder hat man bedenken wie so viele andere große Traditionsclubs länger in der zweiten Liga zu bleiben?
Ein Abstieg würde vermutlich dazu führen, dass der ohnehin geplante Umbruch in einem wesentlich größeren Umfang vonstatten gehen müsste. Aus finanzieller Sicht würde vermutlich noch mehr eingespart werden, da der Verein gerade erst dabei ist sich von den Pandemie-Jahren zu erholen. Es wäre demnach nicht davon auszugehen, dass Borussia kurzfristig wieder aufsteigt.
Jede Saison ein neuer Trainer – wird dieses Schicksal auch Seoane erleiden?
Auch wenn sich Borussia noch vor einigen Jahren der Kontinuität auf dieser Position verschrieben hat, so wurde das letztlich nur bei Lucien Favre wirklich konsequent gelebt. Rose entschied sich zu wechseln, Hütter kam unter falschen Voraussetzungen, Farke war beratungsresistent. Es hat immer Gründe gegeben sich für einen Trainerwechsel zu entscheiden. Bei Gerardo Seoane ist es zumindest so, dass er die Philosophie des Vereins mitträgt, an vieles pragmatisch herangeht. Aber auch vor ihm werden die Gesetze des Geschäfts kein Halt machen, wenn für die Akzeptanz des Umbruchs nicht die notwendigen Punkte eingefahren werden. Die kommenden Wochen werden auch für ihn entscheidend sein.
Roland Virkus sprach bei seinem Amtsantritt vom Borussia- Weg: „Technisch gute Fußballer, viel Ballbesitz, eine hohe Spielintelligenz – das ist Borussia Mönchengladbach.“ Gerade mit viel Ballbesitz (durchschnittlich unter 50%) sticht die Mannschaft diese nicht heraus. Ist man mittlerweile von diesem Spielstil als Ziel abgewichen oder woran machst du diese Diskrepanz fest?
Der „Borussia-Weg“ wirkt nach einem seiner jüngsten Interview in der Rheinischen Post eher wie eine Worthülse, die je nach Bedarf mit Leben gefüllt wird. Derzeit heißt es, dass ein „fußballerisch orientierter Ansatz mit einer gesunden Mentalität“ favorisiert werde. Anhand dieser Aussage wird deutlich, dass sich der Verein von dem ursprünglichen Ansatz ein Stück weit entfernt hat. Es ist für viele im Umfeld unklar, für was Borussia im Jahr 2024 stehen möchte.
Roland Virkus leitete vor seiner Berufung zum Geschäftsführer Sport jahrelang den Nachwuchsbereich. Ist mit ihm die Durchlässigkeit in den Profibereich größer geworden?
Es wäre zu früh diese Frage seriös zu beantworten. Rocco Reitz hat sich durchgesetzt, genauso wie ein Moritz Nicolas. Bei beiden sind es aber die Umstände, die im Vordergrund stehen. Nicolas steht für den langzeitverletzten Omlin im Tor, während Reitz seine Chance genutzt hat, die ihm Seoane gegeben hat. Ansonsten bleibt abzuwarten, ob sich andere Nachwuchsspieler werden durchsetzen können, beispielsweise Shio Fukuda.
Nach dem Umbruch und Neuaufbau mit Daniel Farke, wurde auch diese Saison unter Seoane ein Neuaufbau ausgerufen. Diesmal mit der Last einer Vielzahl von ablösefreien Abgängen von Leistungsträgern. Wie gut ist das in deinen Augen den Verantwortlichen gelungen?
Unter den gegebenen Umständen wurden nachvollziehbare Entscheidungen getroffen. Die einzigen Einnahmen aus den Abgängen von Jordan Beyer (FC Burnley) und Jonas Hofmann (Bayer Leverkusen) wurden weitestgehend in Tomas Cvancara, Franck Honorat und Julian Weigl investiert. Ansonsten wurden kleinere Transfers und Leihen getätigt, um für eine bessere Breite im Kader zu sorgen. Es war kein perfekter Transfersommer, sicher nicht. Ein Verkauf von Manu Koné, der eine Knieverletzung erlitt, hätte sicher einen ganz andere Handlungsmöglichkeiten gegeben. Beispielsweise fehlt eine Alternative auf der linken Seite, oder hinter der Spitze.
Die Borussia steht dieses Jahr für Spektakel. Torreiche Spiele und häufig werden die Spiele trotz Führung aus der Hand gegeben. Nur fünf Siege aus 14 eigenen Führungen. Fünfmal wurde sogar noch verloren. Woran machst Du diese Unbeständigkeit der Mannschaft fest? Oder liegt es an der zweitschwächsten Defensive der Liga?
Borussia hat noch nicht die richtige Balance zwischen Defensive und Offensive gefunden. In der Hinrunde wurden Führungen kurz vor Schluss weggegeben (beispielsweise in Frankfurt und Freiburg), oder aufgrund von Überheblichkeit (beispielsweise in Dortmund) verspielt. Borussia ist nicht in der Lage eine komfortable Führung solide zu verteidigen, und so erklären sich auch die zahlreichen Gegentreffer. Aktuell sieht es defensiv zumindest etwas besser aus, dafür leidet aber nun die Offensive.
Gerade auswärts zeigt man sich von seiner schwachen Seite. Ist die Mannschaft so abhängig von der Unterstützung der heimischen Fans?
Es hat durchaus Auftritte in der Fremde gegeben, wo grundsätzlich mehr drin gewesen wäre, insgesamt waren aber die Auftritte der letzten Monate eher enttäuschend. Die Fans sind eine wichtige Komponente, das wird auch immer wieder vom Verein betont. Denn über mangelnde Unterstützung kann sich Borussia definitiv nicht beklagen.
Was erwartet uns am Samstag dann im Borussia Park? Bedingungslose Unterstützung oder wird das Umfeld langsam unruhig? Nach nur zwei Punkten und Platz 18 in der Rückrundentabelle?
Das Umfeld wird langsam unruhig. Wie sehr der Borussia Park hinter der Mannschaft steht, das wird vermutlich von der Leistung von der ersten Minute an abhängen. Auch wenn das Auftaktprogramm nicht einfach war, so wird jetzt ein Heimsieg erwartet. Ansonsten steigt der Druck und Borussia steckt definitiv mitten im Abstiegskampf.
Wie gibt sich die Vereinsführung? Betont gelassen mit dem Glauben an die eigenen Stärken oder brodelt es auch intern?
Nach außen hin wird propagiert, dass die Situation ernst genommen werde. Es gibt aber auch Anzeichen, dass vieles positiv gesehen wird, im Grunde zu viel. Es bleibt die Hoffnung, dass intern deutlich kritischer mit der derzeitigen Lage umgegangen wird.
Neben Virkus: Welche Rollen spielen Geschäftsführer Stephan Schippers und Sportdirektor Nils Schmadtke bei der aktuellen Ausrichtung der Borussia?
Stephan Schippers steht für den Sparkurs, Nils Schmadtke übernimmt überwiegend Aufgaben eines Team-Managers und arbeitet eng mit Roland Virkus zusammen. Ersterer wird einen größeren Einfluss auf die aktuelle Ausrichtung genommen haben, jedoch nur bei den finanziellen Möglichkeiten. Schmadtke wiederum ist näher an der Mannschaft dran, nimmt aber auch Einfluss auf andere Teilbereiche. In welchem genauen Umfang, das ist jedoch unklar.
Wird Shootingstar Rocco Reitz über die Saison hinaus zu halten sein?
Aufgrund seiner bekennenden Worte zum Verein bestehen da keine Zweifel.
Wie schlägt sich derzeit Christoph Kramer und hältst du eine Rückkehr nach Bochum für realistisch?
Christoph Kramer spielt seine vermutlich schwächste Saison im Dress der Borussia. Es ist ihm nicht vorzuwerfen, dass er kaum offensive Akzente aus dem Mittelfeld heraus setzen kann – das war noch nie sein Spiel. Er fällt jedoch schon bei Kurzeinsätzen mit eher schwächeren Leistungen auf, dass es ihm zu wünschen ist, dass er sich bald vollständig auf seine Medienkarriere konzentrieren kann.
Wer trägt das Gladbach-Gen der Kabine in die nächste Generation?
Das wäre aktuell nur Rocco Reitz zuzutrauen, ansonsten kristallisiert sich gerade keine weitere Identifikationsfigur heraus.
Das Stadion ist nun bereits seit einigen Jahren am neuen Standort. Hat man sich als Fan an die Außenlage gewöhnt?
Spätestens seit dem Relegationssieg ist das Stadion mit seinem Umfeld vollumfänglich akzeptiert, auch wenn es sicher Verbesserungspotenzial gibt (beispielsweise bei den Parkplätzen bzw. dem Verkehr).
Was hält man in Mönchengladbach vom VfL Bochum?
Ich kann in diesem Fall nur für mich sprechen, aber mit dem VfL Bochum verbinde ich viele positive Gefühle. Das liegt zum einen am Relegationssieg, zum anderen sympathisiere ich mit dem Ruhrstadion. Daher wird das vermutlich bei vielen anderen Fans nicht anders aussehen.
Was denkst du, ist für den VfL Bochum in dieser Saison drin?
Der Klassenerhalt. Damit wäre man in Bochum vermutlich schon zufrieden. Ich hoffe dann, dass es in der kommenden Saison wieder zu einem Aufeinandertreffen kommt, damit ich wieder das Ruhrstadion besuchen kann.
Dein Tipp fürs Spiel?
Ich hoffe auf einen dreckigen 2:1-Heimsieg.
Vielen Dank für das Interview!
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