Mit knapp 50.000 Einwohnern ist Heidenheim einer der kleinsten Bundesliga-Standorte. Diesen Nachteil macht man in Baden-Württemberg seit Jahren jedoch zunichte, in dem man mit Mut und einer klaren Linie von Aufstieg zu Aufstieg eilte. 2014 kam der 1. FC Heidenheim in der zweiten Bundesliga an und entwickelte sich kontinuierlich zu einem Aufstiegskandidaten. Denkbar knapp musste man sich in der Relegation 2019/2020 Werder Bremen geschlagen geben. In der vergangen Saison klappte der Aufstieg in die erste Bundesliga als Zweitligameister. In einem Herzschlagfinale am letzten Spieltag stieg der Club von der Ostalb mit einem späten Sieg in Regensburg auf. Der 1. FC Heidenheim ist damit der 57. Verein in der Geschichte der Bundesliga. Doch was macht den Verein so besonderes? Im Gespräch mit Heidenheim-Fan Tim.
Einsachtvieracht: Hallo Tim, wie ist derzeit die Stimmung in Heidenheim?
Die Stimmung ist seit dem Aufstieg sehr gut und es ist eine große Euphorie um den Verein zu spüren. Der ordentliche Saisonstart befeuert das natürlich. Das merkte man insbesondere beim Auswärtsspiel vergangene Woche, als 8.000 Heidenheimer den FCH nach München begleiteten.
Einsachtvieracht: In einem Herzschlagfinale sicherte sich der FCH den Aufstieg und die Zweitligameisterschaft. Das Highlight der Vereinsgeschichte?
Die vergangene Saison war generell von Highlight-Spielen gekennzeichnet. Da wären das 4:3 gegen Sandhausen, das 5:4 gegen Regensburg oder das 5:2 gegen den KSC. Der Aufstieg als solcher, gerade aber auch mit diesem Finish, war der phänomenale Schlusspunkt einer fantastischen Saison, die so ohne jeden Zweifel im Highlight der Vereinsgeschichte mündete.
Einsachtvieracht: Kann aus dem 1. FC Heidenheim der nächste Dauergast in der Bundesliga werden?
Das würde ich mir definitiv wünschen. Ich denke aber, wir sind gut beraten zunächst auf die aktuelle Saison zu schauen. Der Klassenerhalt wäre ein grandioser Erfolg und sicherlich auf einer Stufe mit dem Aufstieg. Trotzdem muss man sagen, dass der FCH seine Kritiker seit nunmehr 15 Jahren Lügen straft und sich den Erfolg durch nachhaltige Arbeit verdient hat. Warum soll der Weg also nicht weiterhin nach oben gehen?
Einsachtvieracht: Wenn man eine Parallele zu anderen Vereinen der Bundesliga zieht, kommen die TSG Hoffenheim und der FC Augsburg in Betracht. Hinkt der Vergleich oder ist das eine Idealvorstellung?
Mit der TSG Hoffenheim möchte ich den FCH nur ungern vergleichen. Die TSG wurde durch einen Investor in kurzer Zeit in die Bundesliga gehievt. Der FCH verfolgt mit seinen vielen regionalen Sponsoren ein ganz anderes Konzept. Augsburg taugt da schon eher als Vorbild. In Anbetracht der Vereinsphilosophie kommt aber der Weg des SC Freiburg einer Idealvorstellung am nächsten.
Einsachtvieracht: Wer sind außer Holger Sanwald und Frank Schmidt die Architekten des Heidenheimer Erfolgs?
Hier ist definitiv Klaus Mayer zu nennen, der den FCH als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender entscheidend prägte und vor etwa einem Jahr überraschend verstarb. Darüber hinaus muss in einer solchen Aufzählung natürlich auch Marc Schnatterer genannt werden. Schnatti hat dem Verein in entscheidenden Phasen die Treue gehalten und war über viele Jahre unser bester Spieler. Viele Erfolge wären ohne ihn als Kopf der Mannschaft nicht möglich gewesen. Umso schöner ist es, dass Schnatti nach seinem Intermezzo bei Waldhof Mannheim nun wieder zurück beim FCH ist und hier seine Trainerkarriere beginnt. Wer weiß, vielleicht wird er ja auch in Zukunft einer der Architekten des weiteren Erfolgs sein.
Einsachtvieracht: Ist Heidenheim mehr als Frank Schmidt?
Ohne Frank Schmidt wäre Heidenheim nicht in der Bundesliga. Daran gibt es keinen Zweifel. Trotzdem kann ein Chefcoach allein einen Club nicht von der Oberliga in die Bundesliga führen. Da gibt es viele weitere, die ebenfalls dafür gesorgt haben, dass sich der FCH zu diesem Verein entwickelt hat. Deshalb ist der FC Heidenheim selbstverständlich mehr als Frank Schmidt. Trotzdem ist dessen Einfluss auf die Entwicklung des Vereins wahrscheinlich einzigartig in Deutschland.
Einsachtvieracht: Wie potent ist der Verein durch die wirtschaftliche Stärke der Region und die großen Partner Voith und Hartmann?
Der FCH ist vor Darmstadt der Verein mit dem zweitniedrigsten Etat in der Bundesliga und deshalb im Vergleich mit den meisten Konkurrenten finanziell nicht auf Augenhöhe. Trotzdem hat sich auch hier in den letzten Jahren viel entwickelt und der FCH profitiert von der Wirtschaftskraft der Region. Voith, Hartmann und Hauptsponsor MHP sind die wichtigsten Sponsoren des FCH, bei weitem aber nicht die einzigen. Der FC Heidenheim wird von über 500 Unternehmen gesponsert. Vor einigen Jahren war man damit der Fußballclub mit den zahlenmäßig meisten Sponsoren in Deutschland und seitdem sind einige hinzugekommen.
Einsachtvieracht: Wann erhält Jan-Niklas Beste eines Anruf des Bundestrainers?
Ich hatte gehofft, dass er schon für die zurückliegenden Länderspiele nominiert werden würde. Bislang konnte er in zehn Bundesligaspielen zehn Scorer sammeln. Macht er so weiter, dann kommt auch irgendwann die Nominierung.
Einsachtvieracht: Welche Spieler sind für den FCH derzeit extrem wichtig (bis unverzichtbar)?
Das sind vor allem unsere Offensivkräfte Tim Kleindienst (7 Scorer), Eren Dinkci (6 Scorer) und Niklas Beste (10 Scorer). Kein anderer Spieler im Kader kommt auf mehr als nur einen Scorerpunkt. Das zeigt, wie wichtig die drei genannten für unser Offensivspiel sind. Darüber hinaus sind besonders unser Sechser Lennard Maloney und Kapitän Patrick Mainka wichtig.
Einsachtvieracht: Vom Sportplatz mit Laufbahn zum höchstgelegenem Stadion in der Bundesliga. Wie viel Zuhause ist die Voith-Arena?
Da kann ich natürlich nur für mich persönlich sprechen. Vor 20 Jahren hatte ich in der Voith-Arena noch Sport-Unterricht und Bundesjugendspiele. Damals hieß die Spielstätte noch Albstadion und von einer Fußballarena war noch nichts zu sehen. Etwa zu der Zeit begann ich mit meinem Vater und Bruder die Fußballspiele des Heidenheimer Sportbunds zu besuchen, aus dem sich dann 2007 der 1.FC Heidenheim bildete. Anfangs war es für meinen Bruder und mich noch interessanter während der Spiele auf einem Spielplatz direkt neben der kleinen Haupttribüne zu spielen oder das Taschengeld mit Pfandflaschen sammeln aufzubessern. Vieles hat sich seitdem verändert und trotzdem steckt in der heutigen Voith Arena noch der Charme und der Geist des Albstadions und das fühlt sich für mich auf jeden Fall nach Zuhause an.
Einsachtvieracht: Gibt es bereits Überlegungen die potentiellen Pläne eines Stadionausbaus zu realisieren?
Überlegungen gibt es schon seit vielen Jahren. Vor wenigen Monaten hat nun auch endlich der Heidenheimer Gemeinderat seine Zustimmung zu einem Ausbau gegeben. Im Sommer 2024 soll damit begonnen werden die Voith-Arena auf eine Kapazität von 25.000 Plätzen auszubauen.
Einsachtvieracht: Die Menschen der Region gelten als wenig begeisterungsfähig und wurden auch von Frank Schmidt in seinem Buch so beschrieben. Hat das sich das geändert?
Ja, das ist wohl so. Die Menschen auf der Ostalb gelten als eher sachlich und nüchtern. Eine Euphorie zu entfachen ist da nicht ganz so einfach. Inzwischen hat sich das in Bezug auf den FCH aber auf jeden Fall gewandelt. Etwa mit Beginn der Rückrunde der vergangenen Saison begann sich eine Euphorie um den Verein zu entwickeln, die über den Aufstieg hinaus bis heute ungebrochen ist.
Einsachtvieracht: Wird der VfB Stuttgart von Heidenheim-Fans mehr und mehr als Rivale gesehen oder bleibt der „Erzfeind“ immer noch der VfR Aalen?
Das ist schwierig zu beantworten. Aus der Historie heraus sind vor allem der VfR Aalen und der SSV Ulm unsere großen Rivalen. In Bezug auf den VfB kann man aus meiner Sicht noch nicht von einem Rivalen oder Erzfeind sprechen. Dazu gab es bislang wahrscheinlich auch einfach zu wenige Aufeinandertreffen. Viele Heidenheimer haben zudem auch Sympathien für den VfB. Gleichzeitig hat das Spiel natürlich eine höhere Brisanz und der 2:0-Heimsieg vor zwei Wochen fühlte sich schon auch ein wenig nach Derbysieg an.
Einsachtvieracht: Wie sieht man in Heidenheim den VfL Bochum?
Der VfL Bochum war über viele Jahre ein Wegbegleiter in der 2. Bundesliga. Bei den insgesamt 15 Aufeinandertreffen hatten wir leider häufig das Nachsehen. Der VfL hat in den vergangenen zwei Spielzeiten gezeigt, wie man als Außenseiter die Klasse halten kann. Das sollten wir uns zum Vorbild nehmen.
Einsachtvieracht: Was denkst du ist für den VfL in dieser Saison drin?
Im Moment deutet vieles auf ein enges Rennen im Abstiegskampf hin. Wenn es euch gelingt, an die beeindruckende Heimstärke der zwei zurückliegenden Bundesligasaisons anzuknüpfen, ist sicherlich auch in diesem Jahr der Klassenerhalt nicht unwahrscheinlich. Es wäre eine tolle Sache, wenn wir auch in der kommenden Saison in der Bundesliga aufeinandertreffen.
Einsachtvieracht: Vielen Dank für das Interview!
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