Gerrit Lenssen hat letztes Jahr das Buch Himmel – Hölle – Fußball veröffentlicht. Viele der Kapitel in diesem Buch drehen sich um das Fan-sein mit dem VfL Bochum. Nach seinem gestrigen Beitrag haben ihn zum Gespräch gebeten und für euch ein kleines Gewinnspiel am Ende des Textes.
Hallo Gerrit, danke dass du dir Zeit für das Interview nimmst. Ab wann hat dich das VfL-Fieber gepackt?
Das müsste so mit neun, zehn Jahren gewesen sein. Ich wohne ja am Niederrhein, da wäre Gladbach eigentlich viel naheliegender gewesen, aber irgendwie kam das für mich nie in Frage. Und weil mein Vater Dortmund und Schalke strikt verweigert hat, hat er mich dann einfach mal mit ins Ruhrstadion genommen, Freitagabend, Flutlicht, Block „M“. Dazu noch diese englische Atmosphäre, der Blick auf die Kurve, der berühmt berüchtigte Funken, der sich damals von den Rängen auf die Mannschaft übertrug – das alles hat gereicht, um auf Anhieb eine Faszination für diesen Verein zu entwickeln. Ich wollte nicht nur wiederkommen, sondern trotz meiner damals wahrscheinlich so eins dreißig so schnell wie möglich rüber in den Stehplatzbereich …
Du hast ein Buch mit dem Titel Himmel Hölle Fußball veröffentlicht. Wie kam es dazu?
Diese ganzen speziellen Sachen, die man mit dem Fußball erlebt, egal ob nun in der Kurve, in der Kneipe, auf dem Amateursportplatz oder bei einem Hobbykick im Urlaub, die wollte ich schon immer mal in kurze, pointierte Geschichten verpacken. Mit Beginn der Corona-Pandemie habe ich dann auch die Zeit dafür gehabt und einfach mal angefangen. Als dann recht schnell die ersten hundert Seiten standen, war klar: Da muss ein Buch draus werden.
Erst da kam ich dann auch zu dem Entschluss, es in die Teile „Fußball, das schöne Spiel“ und „Fußball, die blutige Hölle“ aufzuteilen. Das passte zum einen zu den Kapiteln und zum anderen ist dieser schmale Grat zwischen Sieg und Niederlage, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, schon immer etwas, was mich an diesem Sport, aber auch am Leben im Generellen fasziniert. Als Fan des VfL ist dieses Auf und Ab vermutlich sowieso noch viel präsenter als bei einigen anderen Vereinen…
Fußballanekdotenbücher gibt es ja reichlich. Abgesehen der Einteilung in Fußball als das schöne Spiel und Fußball, die blutige Hölle: Wie hast du versucht, dich von anderen vergleichbaren Büchern auf dem Markt abzusetzen?
Ja, gerade wir Bochumer sind ja mit tollen Autoren gesegnet. Deshalb war von Beginn an klar, dass ich keine Dinge wiederholen werde, sondern mich irgendwie mit neuen, besonderen Geschichten absetzen muss. Die sind zum Teil auch kurios, beruhen aber allesamt auf wahren Begebenheiten; beispielweise wie ich auf einmal mit einem Korsett unterm Arm vor Block „O“ stand, warum ein Gespräch mit einem Heroinabhängigen am Fürther Bahnhof bis heute nachwirkt, wem ich die Rettung meiner Armbanduhr nach dem 4:2-Torjubel gegen Dresden verdanke und wie sechs frische Fiege zum Komplettdesaster am Folgetag wurden. Auch wenn’s vielleicht abgedroschen klingt: einfach ganz spezielle Dinge, wie sie nur der Fußball schreibt!
Verfolgt man es mit Wohlwollen, dass ausgerechnet nachdem das Buch erschienen ist, der VfL einer der erfolgreichsten Kapital der jüngeren Vereinsgeschichte schreibt oder findest du 3:0-Niederlagen in Aue geiler?
Natürlich verfolgt man das mit Wohlwollen, kann es oft genug gar nicht richtig begreifen. Siege gegen Bayern oder die Woche mit dem Auswärtssieg in Dortmund, anschließend Bielefeld nach unten geschickt, das fühlt sich alles ziemlich surreal an. Im Prinzip hat man in den letzten beiden Jahren ja vergessen, von welchem Verein man da eigentlich Fan ist …
Aber ich muss auch dazu sagen, dass ich die Zweitligajahre nicht nur schlecht in Erinnerung habe. Ich mein, Auswärtsspiele mit ein paar hundert Anhängern in Sandhausen und das Team holt so gerade eben den vierten Punkt im achten Spiel – das hat die Verbindung mit dem Verein schon geprägt. Ohne diese schwierige Zeit würde ich das Fansein heute mit Sicherheit ganz anders ausleben und auch Glücksgefühle wie die im Signal Iduna wären niemals so intensiv gewesen.
Und dass wir jetzt volle Auswärtsblöcke haben, das ist natürlich schön, lässt aber auch darauf schließen, dass der ein oder andere dabei ist, der die Aue- und Sandhausen-Zeiten höchstens aus Erzählungen kennt. Da muss man sicherlich auch aufpassen, dass jetzt nicht zu viele auf den VfL-Zug aufspringen, die es gerade einfach nur „ganz cool“ finden…
Wie bewertest du die derzeitige sportliche Situation beim VfL?
Dass es im zweiten Jahr erste Liga und durch den kleinen Umbruch extrem hart wird, brauche ich glaub ich niemanden zu sagen. Ich denke, dass daher erneut viel auf die Verbindung zwischen Fans und Mannschaft ankommen wird. Dürfen die Ränge auch Richtung Herbst/Winter voll bleiben, hat das Team wieder diesen Rückhalt und dazu Spieler im Kader, die für den Verein brennen, so wie Paradebeispiel Elvis Rexhbecaj, dann kann es wieder eine erfolgreiche Saison werden. Vermutlich schlagen wir nicht mehr die Bayern und Dortmund innerhalb von drei Monaten, aber drei Mannschaften hinter uns zu lassen würde mir am Ende schon mehr als nur ausreichen!
Hast du sonst noch was loszuwerden?
Vielleicht anschließend daran: Ich denke, dass es gerade nächste Saison wichtig ist, dass wir nicht vergessen, woher wir kommen, und jetzt keine Dinge von der Mannschaft erwarten, die einfach nicht realistisch sind. Und dass wir als Fans auch nach Rückschlägen hinter der Mannschaft stehen, denn am Ende zählt wieder nur der Klassenerhalt, nicht mehr, nicht weniger. Ach ja, und was ich mir nebenbei sehr wünschen würde: Smartphones, die während der neunzig Minuten in den Hosentaschen bleiben und nicht für die siebte Insta-Story verwendet werden…
Vielen Dank für das Interview!
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