Zwischen Wut und Resthoffnung – ein Stimmungsbild

Unser VfL Bochum verliert auch in Bremen mit 0-1. Nach 30 Spieltagen hat man magere 20 Punkte auf dem Konto. Irgendwie wieder ordentlich, aber am Ende ohne etwas zählbares. Die Luft wird dünner am Tabellenkeller. Die Woche der Wahrheit steht an. Wie fühlen wir uns? Ein kurzer Stimmungscheck. 

Claudio: Fakt ist: Wenn du nach 30 Spielen bescheidene 20 Punkte auf dem Konto hast, dann spielst du eine verdammt beschissene Saison. Das kannst du nicht mehr schönreden. Desaströs trifft es gut. Unter normalen Umständen wäre das rettende Ufer so weit weg, dass du in den letzten vier Spielen der Saison nicht mehr viel anderes machen kannst als dich teuer zu verkaufen. Dass sich neben dieses Gefühl von Resignation und Hilflosigkeit, dieses Kopfschütteln, immer noch ein letzter Funken Hoffnung mischt kommt allein daher, dass es zwei Vereine gibt, die eine mindestens genauso beschissene Runde spielen. Schön und gut, wenn man immer wieder „Don’t stop believing“ spielt, schön und gut, wenn man immer wieder durch „ordentliche“ Auftritte ein bisschen Restwärme in der Magengrube bekommt. Bei mir schleicht sich nur immer wieder etwas ein, was sich irgendwie stumpf, irgendwie gleichgültig anfühlt.

Welchen Vorwurf willst du der Mannschaft machen? Auch Bremen war „irgendwie“ wieder ok. Man hat über weite Strecken mithalten können. Es bringt nur leider alles nichts, wenn man Ende wieder eine Niederlage mit einem Tor unterscheid auf der Ergebnistafel steht. Nicht das erste Mal. Nach vorne geht einfach viel zu wenig. Eine schlechte Kaderzusammenstellung, massig Fehleinschätzungen, Nebenkriegsschauplätze abseits des Rasens in der Führung. Dieses Jahr kommt so viel zusammen. Eigentlich sind wir fällig.

Und trotz all dem hat die Mannschaft immer noch die Chance, die Saison zu retten. Zwei entscheidende Spiele in nur fünf Tagen – man hat alles in der eigenen Hand. Nur irgendwie habe ich das Gefühl, dass es diesmal den Funken vom Rasen auf die Tribüne braucht, um das Feuer in Gang zu bringen. Ähnlich wie gegen Hoffenheim Ende April im letzten Jahr. Für mich fühlt es sich gerade extremst nach Kipppunkt an.

 

Moritz: Für mich lief das Spiel bei Werder Bremen wie ich es erwartet hatte… Gute engagierte Leistung, gegen einen Gegner bei dem wir nie gut zurecht gekommen sind und der sich in den letzten Spielen das nötige Selbstvertrauen geholt hat um auch mit einer einzelnen Aktionen das Spiel zu entscheiden. Genau das, was unserem VfL im Moment abgeht. Nicht das Selbstvertrauen – da hat man meiner Meinung nach vielleicht sogar zu viel, da man in den letzten Wochen sich nach dem Spiel immer zufrieden mit der Leistung zeigte.

Mit einer Aktion das Spiel zu entscheiden oder sich zumindest für den Aufwand zu belohnen, dazu zeigt sich unser Team nicht in der Lage. Selbst gegen Augsburg nach der roten Karte nutzte man das Momentum nicht für sich. Dieter Hecking sprach nach dem Sieg beim FC Bayern von „Momenten“ die man in einem Spiel nutzen muss und von denen man eigentlich immer nur ein bis zwei hat. Gestern war das für mich die Rücknahme des ersten Tores der Bremer. In einem guten Auswärtsspiel macht man dann selber nicht das Tor und wird dafür zurecht bestraft.
11 Torschüsse, davon keiner aufs Tor. Sieben Ecken ohne große Gefahr. Ein fehlender Standardschütze für ein Team was voraussichtlich im unteren Tabellendrittel spielt ist für mich ein weiterer Beleg für die fehlerhafte Kaderplanung. Dieter Hecking kann nur mit den Gegebenheiten arbeiten wie er sie vorfindet. Und wir Fans auch.

Die Anspannung steigt bei den Spielern, die Gelb-Rote von Ibrahima Sissoko ist ein Beleg dafür. Es sind noch vier Spiele. In drei Spielen davon geht es für den Gegner um etwas. Und sei es nur wie bei Union Berlin sich für die Niederlage am grünen Tisch zu revanchieren.
Ob ich die Hoffnung aufgegeben habe? Nein. Bleibt es schwierig und muss viel zusammen kommen, dass wir in der Relegation landen? Ja. Das es sich lohnt bis zur letzten Minute zu kämpfen und die Mannschaft zu unterstützen haben wir in der letzten Saison gesehen.

 

Lennart: Grundsätzlich konnten wir gestern einen gut aufspielenden VfL sehen. Im Gegensatz zu den Vorwochen ließen sich durch eine oft gut postierte Defensive, kompakt zentrales Aufbauspiel und Gefahr über die Flügel viele Spielanteile zu unseren Gunsten erarbeiten. Unterm Strich steht leider eine Null auf unserer Seite der Anzeigetafel. 52% Ballbesitz, 51% gewonnene Zweikämpfe und 12 Torschüsse reichten nicht aus, um über einen X Goals Wert von 0,46 hinaus zu kommen. Wille und Motivation waren sichtbar, an Laufstärke und Einsatz hat es nicht gefehlt. Was fehlt, das ist die Effizienz und Qualität, die benötigten Tore zu erzielen. Zu sehen, dass all der Einsatz und die Moral nicht ausreichen, um den Mindestpreis abzuräumen, gibt mir das Gefühl, dass es dieses Jahr noch knapper und unwahrscheinlicher als in den letzten Saisons wird, die Klasse zu halten.

Sebastian: In den letzten Monaten haben wir zu viele Nebenkriegsschauplätze und viel zu wenig Klarheit. So etwas erlebt man meistens bei Absteigern – und irgendwann trifft es auch etablierte Vereine. In diesem Jahr sind wir das traurige Beispiel dafür.

Diejenigen, die Verantwortung übernehmen sollten, haben diese Rolle vorher nie wirklich ausgefüllt und wurden, so wirkt es zumindest, mehr oder weniger in diese Position gedrängt. Die, die tatsächlich führen könnten – aufgrund ihrer Körpersprache, ihres Naturells – sitzen entweder auf der Bank oder sind bereits zu alt.

Hinzu kommen interne Konflikte, wie der mit einem Leihstürmer, der dank eines einzigen Spiels zum besten Torschützen avanciert und nun glaubt, er müsse automatisch in der Startelf stehen. Dabei lässt er die nötigen Eigenschaften und die Integration ins Team vermissen, die wirklich wichtig sind.

Mittlerweile haben das auch die Spieler erkannt, sind frustriert und die Nerven liegen blank – das sieht man zum Beispiel an Sissoko.

Hoffen wir, dass die Verträge fair gestaltet sind und wir einige Spieler wie Sissoko, Oermann, de Wit, Broschinski und Bero noch zu einem vernünftigen Preis abgeben können.

Matthias: Dass der VfL am Ende mit null Punkten aus Bremen zurückkehrt, schien angesichts der jüngsten Negativserie in der Hansestadt schon fast unausweichlich. Doch trotz dieser Erwartung bleibt am Ende der bittere Beigeschmack, dass es aufgrund der unglücklichen Umstände wieder so unnötig und ärgerlich verlief.

Beim Gegentor stellt sich die Mannschaft alles andere als clever an: Als Wittek im Rasen liegend das Abseits aufhebt, und Weiser einfach einschieben kann. Auch die Rangelei, die Sissoko die gelbe Karte einbringt – und letztlich zum gelb-roten Platzverweis führt – passt ins Bild. Jetzt muss Hecking schon wieder das Team aufgrund eines Ausfalls umbauen. Schon gut zwanzig Minuten zuvor hätte es für den VfL-Profi nach einem harten Zweikampf eigentlich schon früher vorbei sein können.

Positiv ist, dass Ordets und Bero bald zurückkehren – zwei Spieler, die man zwar gut für ein Spiel vertreten konnte, die jedoch das „Herz“ des Teams ausmachen. Denn gegen die Unioner, die nach den Vorfällen im Hinspiel dem Messer zwischen den Zähnen antreten werden, braucht es mehr als nur eine ordentliche Leistung. Wie man gegen Stuttgart gesehen hat, können sie auch in der Offensive viel Gefahr erzeugen. Etwas, was uns momentan sehr abgeht.

Stefan: Genau wie es in vielen Spielen am Ende knapp nicht reicht, könnte es dieses Mal auch kein Ende nach Wunsch geben. Ja, es sind nur zwei Punkte Rückstand auf die Möglichkeit, es wieder durch zwei Bonusspiele zu reißen. Doch insbesondere die Abschlussschwäche ist in dieser Saison einfach eklatant und man hat keinen Stöger mehr, der mal was besonderes raus haut. In einigen Spielen sah das zwar anders aus, aber ich weiß nicht, ob man sich an diesen Strohhalm klammern kann oder ob dieser, da aus Papier, schon zu durchgeweicht ist.

Solange nichts zählbares rausspringt, sind es immer dieselben Durchhalteparolen bei immer weniger Spielen. Die Situation ist äußerst besorgniserregend.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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