Bayern feiert Geburtstag – wir den Sieg

Der VfL Bochum gewinnt 3:2 auswärts beim FC Bayern München

Ein purer Genuss: Das Endergebnis auf den Bildschirmen der Allianz-Arena

Am Samstagabend um 17:30 zeigte die Liveübertragung von Sky das nervös angespannte Profil Dieter Heckings in Großaufnahme. Wenige Sekunden später krachte ein inbrünstig, auch im Fernsehen laut hörbarer, Jubel aus ihm heraus. Dieser war die logische Konsequenz auf den Schlusspfiff vom Unparteiischen Christian Dingert. Eben jener besiegelte den ersten Auswärtssieg unserer Jungs in der laufenden Saison. Ausgerechnet beim großen FC Bayern München. Der Euphorie gingen wilde 120 Minuten voraus. Ein Kommentar.

Bei aller Freude über den schönen Spielverlauf möchte ich zunächst mein Gefühl teilen, dass es wichtigere Dinge als Fußball im Leben gibt. Ich wünsche der vom medizinischen Notfall im Bochumer Fanblock betroffenen Person, den Angehörigen und im Stadion Beteiligten von ganzem Herzen alles Gute und hoffe, dass die sich scheinbar positiv entwickelnde Situation auch weitere Stabilisierung erfährt! Es gibt nichts Relevanteres als den Moment, in dem jeder von uns gesund vom Spiel seines Herzensvereins nach Hause zurückkehrt.

Sich zu verstecken war von Beginn an keine Option

Nach dem ernüchternden Spiel der Vorwoche stand nun die Reise in den Süden bevor. Zum Ort, von dem der amtierende Deutsche Meister am Mittwochabend noch mit einem souveränen 0:3 nach Hause geschossen wurde – in die Allianz Arena zum FC Bayern.

Unser geliebter (ex-)Kapitän Anthony Losilla kündigte im Vorfeld an, dass das Ziel darin bestehe, „keine Klatsche zu kassieren“. Dabei hob er jedoch auch hervor, dass der VfL die Bayern bereits zwei Mal schlug und es unseren Jungs schon öfter gelang, vermeintlich Größere zu ärgern. Maximilian Wittek ergänzte den optimistischen Hauch. „Mit voller Hose anzutreten“ sei von vorn herein nicht in die Tüte gekommen. Stattdessen lag der Fokus darauf, „eklig“ zu sein und den mehrfachbelasteten Bayern auf penetrante Art und Weise die Stirn zu bieten.

Coach Hecking zeigte sich realistisch und äußerte sich auf der Pressekonferenz bedacht. Allen sei bewusst, in welcher Rolle man in München antrete – in der des Underdogs. Dass Underdogs in München üblicherweise viel laufen und leiden war ihm ebenfalls klar.

Hecking setzte auf Konstanz – Kompany schleuderte das Rotationsroulette

Exakt die gleiche Truppe, die am vorherigen Spieltag das Tor gegen die TSG Hoffenheim nicht traf, stand um 15:30 auf der Wiese. Auch die taktische Ausrichtung sollte auf Basis des altbekannten ‚3-5-2/5-3-2‘ umgesetzt werden. „Never change a winning Team“ – das heißtˋs so oft. Dieter hatte offensichtlich auch trotz des fehlenden Wins nicht vor, zu changen.

Bayerns Coach Vincent Kompany mischte seine Startelf hingegen im Stile eines aufgedrehten Schulkindes beim Vorbereiten des Dinosaurier-Memorys durch. Von den Elf Spielern des letzten Spieltags stand nur einer erneut auf dem Platz. Und das – keine Hollywoodromanze hätte es besser verkörpert – war ein gebürtiger Bochumer Junge: Leon Goretzka.

Die Choreo zum 125. Geburtstag des FC Bayern München

Zum Anpfiff erstrahlte die Allianz-Arena im Glanze einer beeindruckenden Choreo. Ein Meer aus rot-weiß-schwarzen Folien zeigte das Emblem und den Vereinsnamen des FC Bayern München in 360-Grad-Perspektive rund um den Rasen herum. All das geschah zum 125. Geburtstag des Vereins – herzlichen Glückwunsch!

Halbzeit eins als Beginn der Achterbahnfahrt

Nachdem Dingert die Partie anpfiff war es nicht schwer, zu erkennen, welche Mannschaft an der Tabellenspitze und welche auf dem Relegationsplatz steht. Die Bayern ließen den Ball offensiv, teils wie beim Handball, durch die Bochumer Hälfte kreisen. Nach 10 Minuten zeigte die Statistik einen Ballbesitz von 91% zu 9% zugunsten der Hausherren.

Vier Minuten später erzielte Raphael Guerreiro das 1:0. Er dübelte den vom im Strafraum fallenden Serge Gnabry abprallenden Ball humorlos unter die Unterlatte und belohnte die Münchener Drangphase. Als wäre der stressige Auftakt nicht genug, kam Jakov Medic im Zweikampf gegen Gnabry in Minute 21 zu spät – Elfmeter. Gnabry trat an, schoss flach nach links, Horn flog nach rechts – aber da war noch jemand: der Pfosten. Ein Alu-Klatschen, kein Tor, weiter gingˋs.

Ganze sechs Minuten. Dann war wieder Guerreiro zur Stelle. Diesmal köpfte er eine Querablage von Thomas Müller ein – 0:2. Tim Oermann kam zu spät und konnte den Abschluss nicht verhindern.

Nach exakt einer halben Stunde durfte Matus Bero eine Ecke rein schlagen. Ibrahima Sissoko kam mit der Scheiteloberkante dran, verlängerte halbgar auf Thomas Müllers Hüfte und von dort sprang der Ball zu Medic. Dieser ließ den Vollspann über die Grasköpfe rauschen und nagelte den Ball brachial zum 1:2 Anschlusstreffer in den linken Winkel.

Konnte sich gegen die Bayern in die Torschützenliste eintragen: Jakov Medic. Foto: VfL Bochum.

Kurz vor dem Pausenpfiff trat Bayerns Joao Palhinha noch Georgios Masouras etwas zu robust mit der offenen Sohle oberhalb des Sprunggelenks auf das Bein und sah die rote Karte.

Halbzeit zwei als Steigerung der Achterbahnfahrt

Spielten die Münchener insgesamt zwar auch in Unterzahl weiter offensiv und präsent, schien Hecking in der Kabine mal wieder die richtigen Worte gefunden zu haben. Unsere Jungs kehrten nach der Pause sichtbar mutiger und forscher auf den Platz zurück.

Sieben Minuten nach Wiederbeginn war Sissoko derjenige, der eine butterweiche Flanke von Felix Passlack per feiner Kopfballbogenlampe zum 2:2 Ausgleich ins lange Eck versenkte. Die darauf folgenden Minuten zeigten einen offen Schlagabtausch mit Chancen auf beiden Seiten.

In Minute 62 hatte Coach Kompany das Gefühl, die Angelegenheit „Bochum“ ernster nehmen zu müssen. In Person von Harry Kane, Jamal Musiala, Konrad Laimer und Michael Olise wechselte er kurzerhand einen Marktwert in Höhe von 320 Millionen Euro ein. Trotz des aufgebesserten Personals gelang es unserer Defensivabteilung, den Spielstand zu halten.

Nachdem Kane in Minute 70 von Bernardo gelegt wurde und ganz München auf eine VAR-Kontrolle bezüglich eines erneuten Elfmeters wartete, stellte Matus Bero die Partie komplett auf den Kopf. Tom Krauß eroberte den Ball auf links, steckte auf Hofmann durch, der auf Bero ablegte, der wiederum eiskalt zum 2:3 verwandelte.

Spiel gedreht, Ergebnis gehalten, Auswärtssieg erkämpft.

Ein unerwartet starker Auftritt – kollektiv und individuell

Ungeachtet vom Ballbesitz (26:74%) liest sich die Statistik – besonders in Anbetracht eines Auswärtsspiels in München – wirklich gut. 116,76:112,94 Kilometer Laufleistung, 117:117 Zweikämpfe, 39:39 Luftzweikämpfe, 8:14 Torschüsse, 3:9 Ecken. Das ist sicher nicht alles rosig – aber respektabel beachtlich.

Im Großen und Ganzen gelang es unseren Jungs heute, in den richtigen Momenten und am richtigen Ort zur Stelle zu sein. Und, im Gegensatz zur Vorwoche, sich am nützlichen Werkzeug der Effizienz zu bedienen.

Natürlich brachen die Bayern oft durch die Defensive und konnten abschließen – das konnten wir aber auch. Natürlich spielten die Bayern eine Halbzeit in Unterzahl – das musst du aber auswärts erstmal gewinnbringend nutzen können. Natürlich schoss Serge Gnabry den Elfmeter an den Pfosten – so gut steht der den Ball anhauchende Wind aber auch nur, wenn der Duft attraktiver Menschen aus Bochum, die im Gästeblock stehen, durch die Arena weht.

Unterˋm Strich trafen wir das Tor drei Mal, die Bayern zwei Mal. Moritz Broschinski und Georgious Masouras hätten in ihren eins gegen eins Anläufen auf das Tor von Jonas Urbig sogar dafür sorgen können, dass wir noch zwei Tore mehr erzielen.

Das hätten die Bayern in Form von Kopfbällen durch Eric Dier und Harry Kane ebenfalls gekonnt. Dass sie es nicht taten liegt am für mich persönlich wichtigsten Mann unseres heutigen Spiels: Timo Horn. Allgemein zeigte Horn sich nach seinem Bock der vergangenen Woche heute solide und grundsicher. Die Paraden eben jener Kopfbälle waren – meines Erachtens nach – absolute Weltklasse. Im Sekundenbruchteil gelang es ihm, die Arme hoch zu reißen, den Körper durch die Luft zu winden und die Kugel abzuwehren. Ganz großes Kino!

Einfach ein geiler Nachmittag, den ich dem Team und uns allen gönne

Allgemein betrachtet bin ich natürlich immer noch völlig durch und kann nicht fassen, dass unsere Jungs das Spiel gewonnen haben. Unser erster Auswärtssieg der Saison. Unser erster Auswärtssieg in München seit dem 28.08.1991. Die erste Heimniederlage der Bayern in dieser Saison. So viele Ereignisse an einem Tag mit Beteiligung unseres VfL. Genau das sind die Momente, die mir immer wieder in größeren Abständen verdeutlichen, warum sich das Leid der Zwischenzeit gelohnt hat.

Die Mannschaft und Dieter Hecking haben es sich erkämpft und verdient. Es ist die absolut krönende Momentaufnahme des sich seit dem Trainerwechsel einschleichenden und etablierenden Aufwärtstrends. In Kiel stotternd und gegen Hoffenheim mit leeren Händen – gegen Leipzig mit Monstermentalität und gegen Dortmund mit Derbysieger-Souveränität. In letzter Zeit ist, allem auf und ab zum Trotz, sehr viel Gutes dabei.

Nahm die letzten acht Minuten aktiv dran teil, das Ergebnis über die Zeit zu bringen: Anthony Losilla. Foto: VfL Bochum

Endlich wieder gehobene Siegesfäuste, fett grinsende Gesichter und gestählt feiernde nackte Oberkörper in Bochum. So soll es weiter gehen. Ich freue mich auf die kommenden Spiele und bin zuversichtlich, dass auch in den kommenden drei Partien irgendwo und irgendwie etwas drin sein kann.

Und, ich wiederhole mein Resümee meines Beitrags der vergangenen Woche wortwörtlich: Stand jetzt bin ich der Ansicht, dass wir, so wie die Jungs zuletzt spielen, nach dem 34. Spieltag auf St. Pauli mit Freude auf den Spielplan eines neuen Erstligajahres 2025/2026 warten können.

 

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Autor: Lennart Markmann

Am 19.02.2005 stand ich erstmals in der Ostkurve. Die geschenkte Karte eines Bekannten öffnete mir damals die Tür zu Block O links. Drei traumhaft rausgespielte Buden von Zwetschge Misimovic, Raymond Kalla und Tommy Bechmann sorgten dafür, dass der SC Freiburg punktlos aus der Stadt und der VfL nicht mehr aus meinem Herzen verschwand. Seitdem genieße ich die Höhen und Tiefen als Bochumer Junge. Lange Zeit in der Ostkurve stehend, anschließend in Block H1 sitzend und mittlerweile mit 34 Jahren auf dem Altherrenplatz in Block M1.

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