Der Verein am Kipppunkt – Vibes längst vergessener Tage

Foto: Einsachtvieracht

Der VfL Bochum verliert 0-5 gegen den FC Bayern München. Das Spiel stand im Schatten einer der chaosreichsten Wochen beim VfL der jüngeren Vergangenheit. Der Versuch, einer Einordnung der sportlichen und nicht-sportlichen Geschehnisse der letzten Tage. Ein Kommentar.

Unser VfL verliert – wenig überraschend – deutlich gegen die fußballerische Großmacht aus München. Ob man den sportlichen Teil des gestrigen Tags in aller Tiefe auseinandernehmen muss, weiß ich gar nicht. Ja, die Aufstellung war super defensiv und eigentlich war direkt klar, dass man irgendwie den Schaden möglichst geringhalten will. Schenkt man damit das Spiel nicht direkt her? Eventuell ein bisschen, aber eine Mannschaft, die eh schon am Boden liegt, baut sich eben auch nicht an einer haushohen Klatsche auf. Und sind wir ehrlich: Vor allem in Halbzeit 1 haben wir das gar nicht so verkehrt gemacht. Aus dem Spiel hat man wenig zugelassen. Dass man sich dann zwei Stück trotz „ok’er“ Leistung bei Freistößen fängt, ist dann fast schon symptomatisch für die Situation. Auch klar ist, dass man vermutlich nicht mit 8 defensiven Spielern gegen andere Gegner starten sollte. Dass die in Bochum so verhasste 5er-Kette allerdings mit dem Kader durchaus eine Option sein kann für die Zukunft, das hat man meiner Meinung nach gestern gesehen.

Ein Sonderlob – auch wenn das nach einem 0-5 schräg klingen mag – an dieser Stelle in Richtung Sissoko. Was der Junge selbst in dieser sehr schwierigen Zeit auf den Platz bringt, ist absolut klasse. Als reiner Staubsauger angepriesen, lässt er durchaus immer mal wieder durchblicken, dass er nicht nur defensiv stark ist, sondern durchaus auch technisch richtig was zu bieten hat. Ihn mal in einem funktionierenden System zu sehen, würde ich mir sehr wünschen. Vielleicht ist es unfair, sich in die andere Richtung einen Spieler rauszupicken, ich will auch gar nicht übermäßig draufhauen, es muss aber erwähnt werden, weil es gestern so auffällig war. Ein Daschner ist in der aktuellen Verfassung keine Hilfe. Schlechte Entscheidungsfindung, teilnahmslose Körpersprache und selbst bei dem Versuch von taktischen Fouls nicht konsequent. Hatte ich vor der Saison noch große Hoffnungen, dass er nach einem Jahr der Anpassung den Schritt in die Bundesliga packt, ist er davon aktuell ganz weit und eher Schwächung für die Mannschaft.

Aber abseits des sportlichen, war es auf den Rängen erstaunlich ruhig – nicht stimmungstechnisch, sondern das Frustlevel. Sicherlich, gegen die Bayern wissen alle, dass Punkte eher die Ausnahme als die Regel sind – wenn man mal die letzten zwei Jahre etwas ausklammert. Das Chaos rund um den Verein wurde in den 90 Minuten beiseitegeschoben, die Mannschaft herzlich empfangen und – trotz des 0-5 – auch herzlich verabschiedet. Ein großer Teil der Fans scheint verstanden zu haben, dass es eben nichts bringt, wenn die Vereinsführung sich zerlegt, auch noch draufzuhauen.

„Wer eigene Interessen über den Verein stellt wird von uns mit aller Kraft bekämpft“ – das Statement der Ultras traf den Nagel auf den Kopf. Der VfL durchlebt Chaos-Tage, wie er sie seit Saison 2017/18 mit den Entlassungen von Hochstätter und Atalan sowie der Suspendierung von Bastians („Brot kann schimmeln, ihr könnt nichts“) nicht mehr erlebt hat. Ich will hier gar nicht auf einzelne Statements von Verantwortlichen oder Spielern eingehen, aber man merkt deutlich, die Reihen sind nicht mehr geschlossen, man agiert nicht mehr als Einheit. Es wird viel zu viel geredet und nach außen getragen. 7,5 Jahre gibt es nun Einsachtvieracht. Noch nie in der ganzen Zeit haben wir so viele valide und nachprüfbare Interna zu hören bekommen wie in der letzten Woche. Und das macht mir Sorge. Der Verein steht an einem Kipppunkt, wo wir alle nur hoffen können, dass die verbliebenen Verantwortlichen trotz leerer Kassen, trotz auswegloser sportlicher Situation die richtigen Schlüsse ziehen. Wir brauchen keiner Bochumer Version der Arena-Ring-Sprachnachrichten. Kiel und Pauli sind immer noch in Reichweite. Sportlich hat man noch alle Chancen, sich die letzten vier Jahre nicht einzureißen.

Liebe Verantwortliche – Konzentriert euch auf das, was ihr jetzt tun müsst. Gesteht euch selbst die Fehler ein, die in der Vergangenheit gemacht worden sind. Irren ist menschlich und gehört dazu. Kein falscher Stolz. Holt euch Unterstützung, wenn die Kompetenz in einzelnen Fragestellungen nicht reicht. Bitte, spielt nicht die „Safe my Ass“-Karte. Seid mutig in euren Entscheidungen. Der Verein, wir Anhänger, haben ein sehr feines Gespür dafür, was passiert und wer „ne ehrliche Haut“ hat. Lasst diesen Verein nicht so Enden, wie das, was gerade unsere Nachbarn in GE durchmachen. Sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, wenn es läuft, ist einfach. Das gerade nicht. Ihr seid jetzt – ohne wenn und aber – in der Pflicht.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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