Allen Durchhalteparolen zum Trotz setzt der VfL Bochum seine Negativserie fort und fängt sich beim direkten Konkurrenten um den Nicht-Abstieg in Köln eine schmerzhafte Niederlage ein. Mit den Positionswechseln von Trainer Thomas Letsch verliert der VfL in der Nachspielzeit nicht nur das Spiel nach bis dahin erspielter Führung. Die Mannschaft verliert augenscheinlich auch den Glauben daran, Spiele gewinnen zu können. Ein Einblick in die persönliche Stimmungslage einiger Autoren dieses Blogs.
Verwechselt (Sebastian Hettmann)
Nicht wundern – bevor wir in die emotionale Achterbahnfahrt dieses Artikels starten gibt es hier noch die sachliche Einleitung. So schwer es auch fällt.
Der Start beim 1. FC Köln verlief solide. Thomas Letsch fokussierte sich mit seiner Grundordnung darauf, das Spiel der Kölner in den Halbräumen zu decken und nach vorne mit zwei klaren Spitzen Robustheit in das Spiel des VfL zu bringen. Der Doppeltorschütze vom vergangenen Wochenende, Philipp Hofmann, wurde von Moritz Broschinski unterstützt. Felix Passlack erhielt in der Viererkette das Startelfmandat und sollte mit seinem Spielerprofil die gesamte rechte Seite kontrollieren. Aufgrund der fehlenden offensiven Flügel eine logische Wahl. Ivan Ordets saß erneut auf der Bank. Dafür durfte das solide, aus Erhan Masovic, Keven Schlotterbeck und Bernardo bestehende Trio die restliche Viererkette auffüllen. Im Mittelfeld setzte das Trainerteam auf Lauf- und Zweikampfstärke.
Der 1. FC Köln stabil im Abstiegskampf
Der 1. FC Köln agierte in der gewohnten ‚4-2-2-2‘ Grundordnung mit klarem Fokus auf das Zentrum, um dort Überzahl zu gewinnen und mit zwei offensiven und dribbelstarken „Flügeln“, die lieber den Weg nach innen suchen. Letsch passte das Spielermaterial also erneut auf den Gegner an, um das Team von Timo Schultz in Zweikämpfe zu verwickeln. Köln wirkte griffig und stabil und fand am Ende im Heimspiel zum nötigen ‚Lucky Punch‘ gegen eine Mannschaft, die auf das Gegentor wartete. Mal wieder. Ein mittlerweile gewohntes Ende für unseren VfL.
„(…) Dann gehen wir in Führung, aber schaffen es wieder nicht, diese über die Zeit zu bringen. Der Gegner hatte gewechselt, umgestellt und wir haben es nicht mehr geschafft, unsere Pressinglinie nach vorn zu verschieben. Wir haben es dann nicht mehr geschafft, die Flanken und unsere Box zu verteidigen und entscheidend zu klären. Als Mannschaft ist es uns nicht mehr gelungen, für Entlastung zu sorgen. (…)“ – Marc Lettau (VfL Bochum)
Aus emotionaler Fanperspektive bleiben Fassungslosigkeit, Angst und ein Haufen Fragen (Lennart Markmann)
Irgendwie verfolgte ich die Partie vor dem Fernseher zugleich angespannt und innerlich leer. Der FC startete optimistisch und aktiv, der VfL reagierte teils passiv und verunsichert. Vielleicht war auch ich derjenige, der selbst passiv und verunsichert war, keine Ahnung. Unterˋm Strich hätte ich mich vollends damit zufrieden gegeben, wenn das Spiel mit einer Bilanz von 18:11 Torschüssen (pro FC Köln) gewonnen worden wäre. Wenn die abgefälschte Gurke von Felix Passlack den ausschlaggebenden Unterschied dargestellt hätte. Auf spielerische Qualität musste, meiner Meinung nach, kein Wert mehr gelegt werden. Wichtig war mir, dass die Punkte, ganz egal wie, mit zurück nach Bochum kommen. Auch ein dreckiger Sieg ist ein Sieg.
Dass ein dreckiger Sieg in den Spielminuten 91 und 92 in ein komplettes Desaster – anders kann ich es nicht bezeichnen – übergeht, macht mich fassungslos. Dass der FC die Möglichkeit erhielt, mit der Aufstockung seiner Torschussbilanz von 18:11 auf 20:11 in 120 Sekunden zwei Buden zu erzielen und uns das Ding aus der Hand zu reißen, macht mich fassungslos. Dass unser Coach 18 Minuten vor Spielschluss in Person von Kevin Stöger und Philipp Hofmann den Denker und Lenker des Mittelfelds und den zuletzt einzig erfolgreichen Torschützen auswechselt, stattdessen zwei Verteidiger bringt und meint, das Spiel defensiv sicher über die Zeit zu bringen, macht mich fassungslos. Dass wir nach dem Sieg gegen die Bayern und dem daraus entstehenden ‚Breite-Brust-Gefühl‘ nun doch wieder bis zu den Knöcheln in der Scheiße stehen, macht mich fassungslos. Wie ich es drehe und wende – es ist bitter und schmerzhaft.
„Die letzten Minuten fühlen sich an wie ein schlechter Traum. Bis zur 90. Minute haben wir unsere Box und die Flanken gut verteidigt bekommen. Dann kassieren wir ein Tor, Köln macht weiter Druck und legt direkt ein zweites nach. Es war heute ein sehr wichtiges Spiel und fühlt sich jetzt entsprechend schlecht an. (…)“ – Bernardo (VfL Bochum)
Nun sind es nur noch drei Punkte Vorsprung auf die Relegation, vier Punkte auf den direkten Abgang. Das macht Angst – dem Umfeld, mir selbst und sicherlich auch der Mannschaft. Mich würde brennend interessieren, was Thomas Letsch, sein Team und das fachliche Personal allgemein unternehmen, um die Jungs psychologisch und mental zu erreichen und aufzubauen. Dass die Psyche und der mentale Druck im Profifußball eine essentielle Bedeutung haben – daran glaube ich fest. Wozu es führen kann, wenn eben jener Druck die Überhand gewinnt, mussten wir zuletzt oft erleben.
Laut Presse werden die Gerüchte um das eventuelle Ende der Zusammenarbeit mit Letsch lauter. Ich muss ehrlich sagen, dass ich voll und ganz hinter einer schnellen Trennung stünde. Es ist immer schwer, es an einem Trainer festzumachen. Er hat ambitioniert versucht, sein System in Bochum einzubringen und umzusetzen. Hat diesen Wunsch an passender Stelle wieder aufgegeben. Mal zu offensiv gewechselt, mal zu defensiv gewechselt. Dennoch bin ich abschließend der Meinung, dass es ihm und seinen Mitarbeitenden nicht mehr gelingt, die Mannschaft im notwendigen Maße zu führen und ihr als Leader zur Seite zu stehen. Ansonsten hätte sich nach den bereits alarmierenden Spielverläufen aus den Hinspielen gegen Köln, Mainz, Bremen, etc. etwas getan. Resümierend betrachtet hat sich aus den dortigen ‚Einzelfällen‘ in regelmäßigen Abständen etwas Chronisches entwickelt.
Bevor das Umfeld weiter tatenlos zuschaut, wir die kommenden Spiele vergeigen, ein Abstieg real wird und das ganze Projekt „VfL Bochum 1848“ in Liga zwei runter geht, sollte alles (!) Mögliche in Betracht gezogen werden. Und dies kann, aus meiner Sicht, nur geschehen, indem ab Montag ein Coach mit den Jungs arbeitet, dem es gelingt, das Selbstbewusstsein auf mentaler und spielerischer Ebene wieder ins Gleichgewicht zu rücken.
Dieser Coach ist, soweit ich es beurteile, nicht mehr Thomas Letsch.
Die komplette Leere bleibt (Thorsten)
Dass wir in Köln schon immer schlecht aussahen? Geschenkt.
Vor dem gestrigen Spiel hatte ich schon ein maues Gefühl. Auch, wenn ich hoffte, dass wir wie in der vergangenen Saison nach dem Schalke-Desaster in Köln eine Wiederbelebung des VfL sehen.
Im Vergleich zum letzten Jahr war ich gestern leider nicht live dabei. Dennoch sah ich ein niveauarmes Spiel, in dem keiner wirklich was wollte – der VfL aber zumindest Köln im Griff hatte und das reichte mir. Ich wollte zumindest einen Punkt mitnehmen.
Dass wir dann trotz dieser ungewöhnlichen Aufstellung durch ein richtiges ‚Kacktor‘ das 1:0 machten, ließ mich tatsächlich richtig explodieren. Anschließend hatte ich dann nach Letschs Auswechslungen aber zu schlucken. Fünfzehn Minuten vor Schluss wurden die Schotten dicht gemacht. Ohne Sinn und Verstand und das abermals. Der Truppe wurde jegliche Entlastung geraubt.
Und als das 1:1 dann fiel, wusste ich direkt, dass das 2:1 nicht weit weg war.
Und da war sie, diese Leere, die ich schon nach der gefühlten Niederlage gegen Darmstadt hatte.
Was mag es für Gründe geben? Mag sein, dass die Elf sich nach dem Bayern-Spiel zu sicher fühlte. Mag auch sein, dass wir uns zu sehr an einigen Black-Outs der Schiedsrichter (Mönchengladbach, Freiburg, Mainz) zu sehr aufrieben. Die Punkte in der Nachspielzeit haben wir aber auch davor schon viel zu oft verspielt.
Trotzdem überwiegen die chronischen Fehlentscheidungen von Letsch zuletzt und er wirkt ratlos. Lettau selbst erkannte den Ernst der Lage selbst nach dem Darmstadt-Spiel noch nicht.
Dabei müssen wir heftigst aufpassen, dass am Ende dieser Negativspirale nicht Platz 16 oder 17 steht. Köln und Mainz wittern Morgenluft – was wir maßgeblich zu verantworten haben.
Deswegen würde ich auf neue Impulse setzen und mich von Letsch noch heute trennen. Reagieren wir jetzt nicht, erleben wir in Bochum den unnötigsten Abstieg. Nicht nur den der Vereins-, sondern den der Bundesligageschichte.
Schwarze Wolken ziehen auf (Claudio)
Als Fan des VfL Bochum hat man sich eigentlich über die Jahre antrainiert, seine Laune am Wochenende nicht vom Ergebnis des Herzensvereins abhängig zu machen. Eigentlich. Samstag war mal wieder der Punkt erreicht, an dem man nach Abpfiff sprachlos mit einem Hauch von Aggressivität in den luftleeren Raum geschaut hat. Zum x-ten mal schenkte die Elf von Thomas Letsch in der Nachspielzeit einen Sieg her.
Man spielt selber absolut grottig gegen noch schlechtere Kölner in einem Spiel, das von der Qualität auch gut und gerne samstags um 20:30 eine Etage tiefer angepfiffen werden könnte. Man schafft es sogar, in Führung zu gehen und lässt wenig zu gegen ideenlose rot-weiße. Im eigenen Spiel geht nach vorne gar nichts, wenn nicht ein gewisser Mann namens Kevin Stöger einen aus dem Fußgelenk raushaut.
Genau dieser halbwegs existierenden Spielkontrolle beraubt sich Thomas Letsch, in dem er in 77. Minute komplett die Schotten dicht machen will und mit Ivan Ordets und Maximilian Wittek für Stöger und Hofmann zwei defensive Akteure bringt. 5er-Kette, keine Entlastung. Er vercoacht sich damit grandios und nimmt der Mannschaft jegliche Entlastung. Diese großen Umstellungen in der Schlussphase sind in dieser Spielzeit schon so oft in die Hose gegangen. So auch Samstag. Mit Ansage. Mal wieder. Und das fuckt einfach nur noch ab.
Man hat sich in der ersten Hälfte der Rückrunde eine hervorragende Ausgangsposition erarbeitet, nur um diese jetzt vor allem in spielen gegen die untere Tabellenhälfte, direkte Konkurrenten, einfach herzuschenken. Ob Letsch noch der Richtige ist? Keine Ahnung. Hat er in der Vergangenheit immer aus seinen Fehlern gelernt, scheint nun eine gewisse Lernresistenz einzusetzen. Gewisse Fehler ziehen sich durch. Die Mannschaft scheint jeglicher Sicherheit beraubt.
„(…) Wir müssen die Truppe beisammenhalten, das wird eine Menge Arbeit sein. Es liegt an uns, Lösungen zu finden. Wir sind alle gefragt – das Trainerteam ist gefragt, die Mannschaft ist gefragt, wir sind gefragt. Wir wissen, dass wir alle Fehler bei uns suchen müssen, wie so etwas zustande kommen kann. Wir dachten, es geht nicht mehr schlimmer, was Niederlage in den letzten Minuten angeht. Das heute hat dem ganzen die Krone aufgesetzt.“ – Patrick Fabian (VfL Bochum)
Gegen Heidenheim muss ein Sieg her. Egal wie, ansonsten könnte man am Ende der Saison wie aus einem schlechten Fiebertraum aufwachen und nach 2010 einen erneut komplett unnötigen Abstieg als Ergebnis haben.
Die richtigen Schlüsse ziehen (Moritz)
Lange war ich fest vom Weg des VfL Bochum mit Thomas Letsch überzeugt. Der fast unmöglich geglaubte Klassenerhalt der letzten Saison, verbunden mit der stringenten Umsetzung eines Plans aus Spielsystem und Kaderplanung und der weiteren Professionalisierung des Vereins im Bereich Scouting, Trainingsbedingungen und Jugendbereich mit der gemeinsamen Maxime „Aus wenig viel machen“ waren für mich durchaus stimmig.
Ich sehe die fehlgeschlagene Umstellung auf Dreierkette auch nicht als ausschlaggebend an. Wichtiger ist für mich, wie mit einer Situation umgegangen wird. Werden Fehler richtig analysiert, werden Lösungen gefunden. In der Hinrunde war das der Fall.
Da sind wir auch schon bei der aktuellen Situation. Statistiken über Punkte, die vor der 90. Minute geholt wurden oder in der Nachspielzeit verloren wurden, möchte ich erst gar nicht bemühen. Die Herangehensweisen an die letzten beiden Spiele waren in Ordnung, meist eben bis zur 70. Minute erfolgsversprechend. Auch wenn es in Köln gestern nicht ansehnlich war. Auch wenn man gegen Darmstadt in der Schlussphase Chancen hatte. Nur bringt man die Punkte nicht ins Ziel.
Gestern war das erste Spiel dieser Saison, wegen dem ich schon morgens angespannt war. Die wiederholten Nackenschläge in der Nachspielzeit lassen mich dementsprechend ratlos und enttäuscht zurück. Wie zuletzt gegen Darmstadt hat man alles in der Hand und schafft es, den Gegner zurück ins Spiel kommen zu lassen.
Ist es die taktische Ausrichtung in den Schlussminuten, die Erfahrung, dass in dieser Saison immer noch etwas schief gehen kann? Beides?!
Die Verantwortlichen können das hoffentlich besser beurteilen. Sie sind näher dran an der Mannschaft, sehen Trainer und Team in der täglichen Arbeit. Stimmt die Gemeinschaft innerhalb des Teams und mit dem Trainerteam noch? Patrick Fabian hat schon bei der Entlassung von Thomas Reis die Strömungen innerhalb der Mannschaft richtig gelesen und war auch für das Binnenklima der Mannschaft der Aufstiegssaison mitverantwortlich, wie Manuel Riemann mal auf einer Pressekonferenz verriet. Auch diesmal wünsche ich ihm den richtigen Riecher.
So oder so, eine Entscheidung muss schnell getroffen werden. Wenn Anfang der Woche die Vorbereitung gegen Heidenheim beginnt, darf die volle Konzentration nur diesem einen Spiel gelten. Was vielleicht ein wenig optimistisch stimmt, ist die Gemeinsamkeit der Mannschaft von der Castroper Straße und des FC Heidenheim. Beide haben das ein Heimspiel gegen den FC Bayern München mit 3:2 gewonnen. Was für den VfL danach folgte, wissen wir leider alle.
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