Eine Gefahr für die Bundesliga

Der VfL Bochum verliert gegen die TSG Hoffenheim mit 3-1. Schlecht, aber kein Beinbruch. Was allerdings nachhaltig Eindruck hinterließ war das halbleere Stadion in Hoffenheim. Ein Kommentar über die Bundesliga, Fan-Kultur und Alleinstellungsmerkmale.

Man kann ein Spiel gegen einen Gegner mit deutlich höherem Budget verlieren. Nach fünf Spielen in Folge ohne Niederlage kann der VfL in Sinsheim keine Punkte holen. Das ist ärgerlich, aber kein Beinbruch. Die Schwächen, vor allem mit Ball, wenn der Gegner sich auf das Spiel des VfL eingestellt hat, wurden schonungslos offengelegt. Trotzdem war es ein Auftritt, der einen nicht so ratlos zurücklässt, wie die Spiele am Anfang der Saison. Mund abputzen und weitermachen – dieser Spruch wurde für Spiele wie das am Freitag erfunden.

Sorgen sollte sich man sich allerdings schon über den Zuschauer-Zuspruch beim Spiel am Freitagabend machen. Ich will hier gar nicht in die Kerbe „Traditions-Verein“ vs „Plastik-Club“ hauen. Dass sich zu einem Bundesligaspiel aber nur 16.000 Zuschauer verirren, das Stadion halbleer ist und die Gastmannschaft trotz Bahnstreik und 300km Entfernung davon alleine fast 2.000 Fans mitbringt, ist schon – sagen wir, wie es ist – übel. Besonders für die Bundesliga an sich.

Zuschauerinteresse. Anhängerschaft. Stimmung. Tradition. Es ist eine Diskussion, die nicht einfach zu führe ist. Wie kann man sowas wie Freitag reduzieren? Die plumpe Umstellung der Verteilung der TV-Gelder nach Zuschauer-Interesse wäre keine Lösung. Warum? Weil sie Misswirtschaft, wie sie aktuell beispielweise bei unseren Nachbarn auf Schalke betrieben wird oder wie es viele Jahre beim HSV der Fall war, noch begünstigt. Schlechtes Wirtschaften wird dann unter viel Geld vertuscht und Personen, die eigentlich nichts in ihren Ämtern zu suchen haben, dürfen weiter wursteln.

Es gibt keinen Königsweg. Gerade aber mit Blick auf die immer wieder aufkommende Diskussion bzgl. der internationalen Vermarktung und dem immer größer werdenden Abstand zur Premier League in England muss sich die Bundesliga die Frage stellen, was eigentlich ihr Alleinstellungsmerkmal und Unique Selling Point im Wettbewerb ist. Die fußballerische Klasse ist es oft nicht. Die Atmosphäre allerdings schon.

Foto: Tim Kramer (Tremark)

Oft ist einem das nicht bewusst, aber die deutsche Fankultur ist einzigartig. Das fängt bei „Kleinigkeiten“ wie einer großer Zahl Auswärtsfahrer an, die es so in vielen anderen Ländern nicht gibt. Auch die ausgeprägte Kultur der Stehplatzkurven ist nicht selbstverständlich. Bezahlbare Ticketpreise genauso wenig. Historisch gewachsene Anhängerschaften, bei denen der Papa oder Onkel die Kinder mit ins Stadion nimmt und „ranführt“. Das alles trägt zu einer einzigartigen Stimmung bei, die es so sehr selten gibt – wenn denn alles passt.

Das merkt man eben auch bei TV-Übertragungen, die nun mal das Medium sind, die das Produkt Bundesliga raus in die Welt tragen. Ich schaue die Spiele unseres VfL regelmäßig auf dem internationalen Stream der DFL oder ESPN. Oft habe ich hier schon Zitate der Kommentatoren runtergeschrieben. Die lieben den VfL. Die lieben die Bundesliga. Die lieben genau das, was die Bundesliga so einzigartig macht.

Foto: Einsachtvieracht

Das Spiel im Freitag hat eindrucksvoll vor Augen geführt, wie fragil genau dieses Alleinstellungsmerkmal ist. Ich will nicht einem Hoffenheimer ans Bein pinkeln, der im Stadion war. Respekt für jeden, der in der Kurve steht (oder irgendwo sitzt). Der Verein muss sich trotzdem fragen, warum er nach über einem Jahrzehnt in der Bundesliga und teils wirklich erfolgreichen Jahren und ansehnlichem Fußball (Luiz Gustavo, Eduardo, Demba Ba ich grüße euch) die Basis anscheinend immer noch so dünn ist. Aktuell hat man noch sehr viel Substanz in der Bundesliga und Duelle zwischen „Plastik-Clubs“ sind eher die Ausnahme. Man ist allerdings an einem Kipppunkt. Zu viele Spiele in halbleeren Stadien sollte man sich nicht erlauben.

Ob ich die Lösung für dieses Problem habe? Nicht wirklich. Wie schon oben erwähnt, eine Verteilung nach „Interesse“ und nicht nach Platzierungen führt eben auch zu negativen Nebenwirkungen, die nicht wirklich förderlich für den Fußball in Deutschland sind. Die Fankultur als zentrales Element des deutschen Fußballs muss gestärkt werden und geschützt werden. Sie zu vernachlässigen ist eine Gefahr, die Vereine und die DFL auf dem Schirm haben sollten, wenn sie das Produkt Bundesliga schützen und auch weiterentwickeln wollen in einem harten Wettbewerb. Gerade auch mit Blick auf eine bestimmte, am Montag stattfindende Veranstaltungen, sollten sich da alle ganz genau überlegen, was sie wollen.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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