Wir befinden uns zum Beginn der neuen Saison und diesen Zeitpunkt möchte ich zum Anlass nehmen, einige Gedanken zu teilen, die mir bereits seit geraumer Zeit unter den Fingernägeln brennen. Vielerorts wird sich derzeit über unseren Verein Gedanken gemacht. Wie war die vergangene Saison? Kann der VfL Bochum sich in der Bundesliga halten? Schaffen wir erneut den Nicht-Abstieg? Reicht unser Kader für diesen Anspruch? Die Antworten fallen in den kommenden Monaten, dennoch ist klar: Wir müssen drin bleiben. Die Chance sich in der Belétage zu etablieren ist größer denn je! Doch wie reagiert man, wenn es nicht läuft wie gewünscht?
In Bochum spricht man Klartext und so soll es auch bleiben. Was mir dabei jedoch arg zusetzt ist das ständige schwarz oder weiß denken. Ich möchte meinen Text am Beispiel von Peniel Mlapa Philipp Hofmann fortsetzen, denn dieser ist einer der Spieler, welcher bei uns nicht die Wertschätzung erhält, die er verdient.
Das Profil des Mittelstürmers hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einen stetigen Wandel durchlaufen, wobei die Prämisse des „Tore Schießens“ weiterhin Bestand hat. Haben früher die Mittelstürmer einen spielenden Part erfüllt und die beiden Halbstürmer im von Sepp Herberger mitgeprägten 2-3-5 eingesetzt, so kam danach eine Periode des „Total Football“ indem der Mittelstürmer als „Falsche Neun“ auftrat und das Spiel noch mehr gestaltete. Immer wieder gab es jedoch auch Trainer, die einen Mittelstürmer als Wandspieler oder klassischen Strafraumschleicher eingesetzt haben, wo die Spieler rein für Tore zuständig waren. Im heutigen System werden Stürmer daran gemessen, ob sie alle Fähigkeiten vereinen und genau diese Spielertypen machen das Spiel aus.
Nun spielen wir endlich wieder in der Bundesliga und einen Stürmer von dieser Güteklasse für den Abstiegskampf des VfL zu begeistern ist schwierig und man versucht durch verschiedene Spielertypen seinen Angriff möglichst flexibel aufzustellen. Im August 2015 kam mit Peniel Mlapa ein Stürmer zum VfL, welcher zuvor als großes Talent bei Borussia Mönchengladbach gesehen wurde und sowohl in der U19 als auch in der U21 für unser Land Tore erzielt hat. Bei Gladbach konnte er sich nicht durchsetzen und so konnte unser damaliger Sportvorstand Christian Hochstätter ihn für den VfL begeistern. Mlapa ist mit seinen 1,93 Metern ein Hühne und seine Bewegungsabläufe sind explosiv, stark und raumgreifend. Seine Stärken sind die Ballannahme im Sechzehner und der daraus folgende Abschluss, sowie seine Wucht und Durchsetzungsstärke.
Aktuell dürfen wir uns über die Vertragsverlängerung von Philipp Hofmann freuen. Ein Zielspieler mit einem Gardemaß von 1,95 Metern für diese Art von Mittelstürmer. In seiner Karriere hat Hofmann stets getroffen und sich weiterentwickelt und konnte sein Spiel auch in der vergangenen Saison an das höhere Spielniveau der Bundesliga anpassen und mit seinen acht Toren und zwei Vorlagen den Abgang von Sebastian Polter vergessen machen. Warum? Hofmann zog das Spiel an sich und wurde direkt zu einem Fixpunkt. Als Wandspieler macht er hohe Bälle fest und ist technisch so versiert, diese zu behaupten und seine Nebenleute einzusetzen, die mit ihrem Tempo die aufgetanen Räume nutzen können.
Doch warum schreibe ich diese Zeilen? Welches Thema brennt mir unter den Fingernägeln? Warum gelten diese Worte für viele Fans und nicht nur für die des VfL Bochum?
Peniel Mlapa Hofmann steht für mich exemplarisch dafür, warum ich mich im Stadion schäme, warum ich mich beim Lesen einiger Kommentare im Internet schäme oder bei Diskussionen die ich aufschnappe und warum ich immer wieder versuche zu erklären und Verständnis zu schaffen. Die in einen Spieler hinein projizierten Hoffnungen dürfen nicht als Maßstab für seine Leistung genommen werden. Wenn ein Stürmer keine 20 Tore schießt, kann er dennoch ein immens wichtiger Bestandteil einer siegreichen Mannschaft sein. Und genau deshalb habe ich Peniel Mlapa Hofmann exemplarisch ausgewählt, ich hätte jedoch ebenso Marcel Maltritz Manuel Riemann, Andreas Johannson Patrick Osterhage, Matthias Ostrzolek Felix Passlack, Kevin Vogt, Marcin Mieciel oder Mirkan Aydin Philipp Förster wählen können. Was haben alle Spieler gemeinsam? Vermeintliche „Experten“ waren oder sind sich einig, dass diese Spieler die Mannschaft verschlechtern statt sie zu ergänzen. Gute Spiele werden verschwiegen, bei schlechten Spielen kommt der Dampfhammer samt einem vernichtenden Urteil. Dennoch haben alle Spieler in der vergangenen, oder in der aktuellen Saison, ihren Beitrag zu unseren (guten) Ergebnissen beigetragen. Oder sie sind erst dabei sich an ein neues Umfeld und eine neue Spielerrolle zu gewöhnen.
Das kann man so nicht verallgemeinern? Nunja, auf der Ostkurve kann man das Stimmungsbild der Fans recht gut einfangen, wenn man bei der Startaufstellung das raunen oder den Kommentaren lauscht oder wenn ein Spieler zur Einwechslung an die Seitenlinie läuft. „Warum bringt er die Flasche denn jetzt?“ oder „Der würde bei mir kein Spiel mehr machen!“ sind die mildesten Kommentare. Auf Nachfragen wird meist mit der Torquote oder dem lustlosen Auftritt argumentiert. Doch erklärt man demjenigen genauer wie die Rolle des Spielers im Gesamtsystem auszusehen hat, beginnt ein Denkprozess. Genau dieser Denkprozess ist es, den jeder nachvollziehen kann und den ich hier gerne einfordern möchte:
Beleidigt die Spieler nicht, beschimpft sie nicht oder schreibt sie ab, nur weil sie nicht eure persönlichen Erwartungen erfüllen. Versucht zu verstehen welche Funktion der einzelne Spieler im Gesamtsystem hat und beurteilt ob er der Mannschaft hilft, denn daran misst ihn auch der Trainer. Peniel Mlapa Hofmann hat beispielsweise 8 Tore erzielt, sicherlich hätten es auch mehr sein können. Warum sind es nicht mehr geworden? Mlapa Hofmann musste als alleinige Spitze viel Arbeit für die Mannschaft verrichten und war teilweise Alleinunterhalter im Angriff, in dem er die langen Bälle gegen zwei Verteidiger festmachen musste, um seinen Mitspielern Zeit zu geben nachzurücken. Das mag von der Tribüne aus nicht anstrengend wirken, jedoch zerrt es an den Kräften und damit schwindet die Konzentration. Konzentration, die beim Torabschluss fehlte.
Auch ich stehe am Wochenende auf der Ostkurve und ärgere mich über die Spieler. Ich ärgere mich ab und an sogar gewaltig! Wenn ich die Emotionen dann aber verarbeitet habe, sehe ich meist das Positive an der Aktion und es geht mit Anfeuerung weiter.
Wir sind Bochumer und stolz darauf!
Woran ich appellieren möchte: Gebt unseren Jungs Zeit sich zu zeigen, messt sie nicht an einem schlechten Spiel und versucht zu verstehen welche Rolle unser Cheftrainer für sie vorgesehen hat und bewertet, ob sie diese erfüllen. Lasst euch nicht von hetzerischen Überschriften der Medien in eine Bahn lenken, sondern denkt selber! Denn eines kann man festhalten: Seit einigen Jahren kann man Stolz sein auf den VfL Bochum und man kann stolz sein auf eine Mannschaft, die niemals aufgibt und sich auch in schlechten Spielen zu 1848% aufopfert und alles gibt. Ich denke, dass es genau das ist wonach wir stets so lechzen, noch mehr als nach dem Aufstieg. Also lasst uns die Mannschaft dafür würdigen, auch wenn nicht alles immer perfekt läuft!
Kam Dir dieser Artikel bekannt vor? Hast du dich gewundert, warum die Namen der Spieler durchgestrichen sind? Vor sechs Jahren wurde dieser Artikel von uns veröffentlicht und ist leider weiterhin aktuell. Wenn gleich die Stimmung in Bochum aufgrund der erfolgreichen letzten Jahre sich bereits gebessert hat, darf dieser Gedankenanstoss gerne bis in die letzten Winkel des Stadions gelangen. Nicht nur in Bochum, bestenfalls in ganz Deutschland. Unser ehemaliger Spieler Christoph Kramer, aktuell bei Borussia Mönchengladbach, sprach über dieses Thema im aktuellen Podcast Copa TS mit Tommi Schmitt.
Jeder Spieler hat seine Rolle. Die Spieler wissen meistens besser als wir auf der Kurve, dass sie kein gutes Spiel absolviert haben. Der Trainer sieht in jeder Spielsituation Verbesserungspotenzial. Und damit ist nicht gemeint, dass der Torschuss hätte den Weg ins Tor finden sollen. Nein, die Fußstellung des Spielers war nicht korrekt. Die Drehung in die andere Richtung hätte die Hundertstelsekunde mehr Zeit und Abstand zum Gegenspieler gebracht und der Torschuss wäre nicht so überhastet gewesen. Wenn der Spieler die letzten Nächte nicht mit einem kranken Kind im Haushalt geschlafen hätte, wäre er konzentrierter gewesen. Die Großmutter in der Heimat ist schwer krank und man kann nicht so einfach für die Familie da sein. Die Wade zwickt weiterhin, aber die Mannschaft braucht mich im Abstiegskampf.
All diese Faktoren dürfen auch in die Bewertung einfließen. Wir auf der Kurve kennen diese Faktoren nicht, sind nicht täglich im Training dabei oder nicht am Essenstisch daheim. Dennoch können wir sie in Betracht ziehen und zuerst unterstützen, statt den Spieler in der Kommentarspalte abzuschreiben oder im Stadion zu beleidigen.
Wir Fans müssen lernen zu verstehen (einsachtvieracht vor 6 Jahren)
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