Wir Fans müssen lernen zu verstehen

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Wir befinden uns derzeit im Sommertransferfenster und diesen Zeitpunkt möchte ich zum Anlass nehmen, einige Gedanken zu teilen, die mir bereits seit geraumer Zeit unter den Fingernägeln brennen. Vielerorts wird sich derzeit über seinen Verein Gedanken gemacht. Wie war die vergangene Saison? Warum ist uns nicht der Aufstieg geglückt? Warum sind gerade wir abgestiegen? Müssen wir noch eine Saison im tristen Mittelfeld verbringen? Die Antworten sind natürlich für jeden Verein unterschiedlich, der Tenor jedoch derselbe: Alles soll besser werden und die Vorfreude auf das neue Gesicht der Mannschaft für die kommende Saison steigert die Erwartungshaltung. Doch wie reagiert man, wenn es nicht läuft wie gewünscht?

In Bochum spricht man Klartext und so soll es auch bleiben. Was mir dabei jedoch arg zusetzt ist das ständige schwarz oder weiß denken. Ich möchte meinen Text am Beispiel von Peniel Mlapa fortsetzen, denn dieser ist einer der Spieler, welcher bei uns nicht die Wertschätzung erhält, die er verdient.

Das Profil des Mittelstürmers hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einen stetigen Wandel durchlaufen, wobei die Prämisse des „Tore schießens“ weiterhin Bestand hat. Haben früher die Mittelstürmer einen spielenden Part erfüllt und die beiden Halbstürmer im von Sepp Herberger mitgeprägten 2-3-5 eingesetzt, so kam danach eine Periode des „Total Football“ indem der Mittelstürmer als „Falsche Neun“ auftrat und das Spiel noch mehr gestaltete. Immer wieder gab es jedoch auch Trainer, die einen Mittelstürmer als Wandspieler oder klassischen Strafraumschleicher eingesetzt haben, wo die Spieler rein für Tore zuständig waren. Im heutigen System werden Stürmer daran gemessen, ob sie alle Fähigkeiten vereinen und genau diese Spielertypen machen das Spiel aus.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Nun spielen wir in der 2. Liga und einen Stürmer von dieser Güteklasse für den VfL zu begeistern ist schwierig und man versucht durch verschiedene Spielertypen seinen Angriff möglichst flexibel aufzustellen. Im August 2015 kam mit Peniel Mlapa ein Stürmer zum VfL, welcher zuvor als großes Talent bei Borussia Mönchengladbach gesehen wurde und sowohl in der U19 als auch in der U21 für unser Land Tore erzielt hat. Bei Gladbach konnte er sich nicht durchsetzen und so konnte Christian Hochstätter ihn für den VfL begeistern. Mlapa ist mit seinen 1,93 Metern ein Hühne und seine Bewegungsabläufe sind explosiv, stark und raumgreifend. Seine Stärken sind die Ballannahme im Sechzehner und der daraus folgende Abschluss, sowie seine Wucht und Durchsetzungsstärke.

Doch warum schreibe ich diese Zeilen? Welches Thema brennt mir unter den Fingernägeln? Warum gelten diese Worte für viele Fans und nicht nur für die des VfL Bochum?

Peniel Mlapa steht für mich exemplarisch dafür, warum ich mich im Stadion schäme, warum ich mich beim Lesen einiger Kommentare im Internet schäme oder bei Diskussionen die ich aufschnappe und warum ich immer wieder versuche zu erklären und Verständnis zu schaffen. Die in einen Spieler hinein projizierten Hoffnungen dürfen nicht als Maßstab für seine Leistung genommen werden. Wenn ein Stürmer keine 20 Tore schießt, kann er dennoch ein immens wichtiger Bestandteil einer siegreichen Mannschaft sein. Und genau deshalb habe ich Peniel Mlapa ausgewählt, ich hätte jedoch ebenso Marcel Maltritz, Andreas Johannson, Matthias Ostrzolek, Kevin Vogt, Marcin Mieciel oder Mirkan Aydin wählen können. Was haben alle Spieler gemeinsam? Vermeintliche Experten waren oder sind sich einig, dass diese Spieler die Mannschaft verschlechtern statt sie zu ergänzen. Gute Spiele werden verschwiegen, bei schlechten Spielen kommt der Dampfhammer samt einem vernichtenden Urteil.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Das kann man so nicht verallgemeinern? Nunja, auf der Ostkurve kann man das Stimmungsbild der Fans recht gut einfangen, wenn man bei der Startaufstellung das raunen oder den Kommentaren lauscht oder wenn ein Spieler zur Einwechslung an die Seitenlinie läuft. „Warum bringt er die Flasche denn jetzt?“ oder „Der würde bei mir kein Spiel mehr machen!“ sind die mildesten Kommentare. Auf Nachfragen wird meist mit der Torquote oder dem lustlosen Auftritt argumentiert. Doch erklärt man demjenigen genauer wie die Rolle des Spielers im Gesamtsystem auszusehen hat, beginnt ein Denkprozess. Genau dieser Denkprozess ist es, den jeder nachvollziehen kann und den ich hier gerne einfordern möchte:

Beleidigt die Spieler nicht, beschimpft sie nicht oder schreibt sie ab, nur weil sie nicht eure persönlichen Erwartungen erfüllen. Versucht zu verstehen welche Funktion der einzelne Spieler im Gesamtsystem hat und beurteilt ob er der Mannschaft hilft, denn daran misst ihn auch der Trainer. Peniel Mlapa hat beispielsweise 8 Tore erzielt, sicherlich hätten es auch mehr sein können. Warum sind es nicht mehr geworden? Mlapa musste als alleinige Spitze viel Arbeit für die Mannschaft verrichten und war teilweise Alleinunterhalter im Angriff, in dem er die langen Bälle gegen zwei Verteidiger festmachen musste, um seinen Mitspielern Zeit zu geben nachzurücken. Das mag von der Tribüne aus nicht anstrengend wirken, jedoch zerrt es an den Kräften und damit schwindet die Konzentration. Konzentration, die beim Torabschluss fehlte.

Auch ich stehe am Wochenende auf der Ostkurve und ärgere mich über die Spieler. Ich ärgere mich ab und an sogar gewaltig! Wenn ich die Emotionen dann aber verarbeitet habe, sehe ich meist das Positive an der Aktion und es geht mit Anfeuerung weiter.

Wir sind Bochumer und stolz darauf!

Woran ich appellieren möchte: Gebt unseren Jungs Zeit sich zu zeigen, messt sie nicht an einem schlechten Spiel und versucht zu verstehen welche Rolle unser Cheftrainer für sie vorgesehen hat und bewertet, ob sie diese erfüllen. Lasst euch nicht von hetzerischen Überschriften der Medien in eine Bahn lenken, sondern denkt selber! Denn eines kann man festhalten: Seit Hans-Peter Villis, Christian Hochstätter, Wilken Engelbracht und Gertjan Verbeek die Verantwortung tragen, kann man Stolz sein auf den VfL Bochum und man kann stolz sein auf eine Mannschaft, die niemals aufgibt und sich auch in schlechten Spielen zu 1848% aufopfert und alles gibt. Ich denke, dass es genau das ist wonach wir stets so lechzen, noch mehr als nach dem Aufstieg. Also lasst uns die Mannschaft dafür würdigen, auch wenn nicht alles immer perfekt läuft!

Autor: Sebastian Hettmann

Als ich zum ersten Mal bewusst im Ruhrstadion war, spielte der VfL Bochum in der Saison 2002/2003 gegen den Hamburger Sport Verein und ein direkt verwandelter Eckstoß sowie einige Anekdoten von meinem Großvater lassen mich seither den Rothosen die Daumen drücken. Ich kam allerdings nie wieder vom Ruhrstadion los und bin seitdem regelmäßig ins Ruhrstadion gegangen. Seit der Saison 2006/2007 fiebere ich als Dauerkarteninhaber im Block N2 bei Spielen unseres VfL mit.

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