Vor kurzem kam eine Einladung vom VfL, sowohl über die VfL-Homepage als auch per Brief. Es stehen Wahlen an, für das Fangremium. Am 31.01.2023 wird also gewählt. Aber was wird eigentlich genau gewählt? Vermutlich wird nicht jeder VfL-Fan mit diesem Begriff etwas anfangen können und die Infos auf der Homepage des VfL sind auch eher versteckt und nicht allzu ausführlich. Ich möchte der Sache etwas auf den Grund gehen und da war es auch hilfreich, dass ich als Gast zu einer Sitzung eingeladen wurde.
Fangremium – Was ist das eigentlich?
Insbesondere bei neuen Fans und Fans, die sich vielleicht nicht ganz so intensiv mit den Strukturen innerhalb des Vereins beschäftigt haben, ist das Fangremium vielleicht nur ein sehr vager Begriff. Das Fangremium berät die Vereinsverantwortlichen in Fanangelegenheiten und ist auch ein Ansprechpartner für Problemstellungen innerhalb der Fanszene. Zur Beratung geht das Gremium stellvertretend für die gesamte Anhängerschaft in den Dialog mit der Vereinsführung. Hierzu werden alle drei Jahre von der Fanversammlung, bestehend aus den VfL- und Fanclub-Mitgliedern, aus den Reihen der Fans sechs ehrenamtliche Mitglieder gewählt. Dazu kommen die hauptamtlichen Fanbeauftragten, der Fanvertreter in Präsidium und Vorstand und die Mitglieder des Fanprojekts Bochum. Auch die Vorstände, aktuell Patrick Fabian und Ilja Kaenzig, nehmen oft an den Sitzungen teil.
Bei den regelmäßigen Treffen werden die Themen erörtert, die über verschiedene Wege an das Gremium herangetragen wurden. Das können Themen sein, die von Vorstandsseite in das Gremium gebracht wurden, den Mitgliedern selbst auf dem Herzen liegen oder auch von einzelnen Fans, die sich an das Gremium gewandt haben. Beispielsweise über die E-Mail-Adresse fangremium@vfl-bochum.de können Fragen eingereicht werden.
Wenn es keine ganz wichtigen Themen gibt, die mehr Aufmerksamkeit erfordern, trifft sich das Gremium ca. sechs mal im Jahr, dazu kommen natürlich weitere Treffen oder Besprechungen im kleineren Kreis, telefonisch oder digital.
Historie des Fangremiums
Das Fangremium existiert seit 2012 und wurde seinerzeit gegründet, um auf die Ergebnisse einer Innenministerkonferenz zu reagieren. Themen, die auf der Innenministerkonferenz besprochen wurden, waren unter anderem die Einführung von Nacktscannern im Stadion oder auch die Umlage der Polizeikosten für die Veranstaltungen auf die Vereine. Ansgar Schwenken, der damalige Vorstand für Finanzen und Organisation und Dirk „Moppel“ Michalowski haben sich nach dieser Innenministerkonferenz zusammengesetzt und überlegt, wie man damit umgehen könnte und letztlich wurde dieses Gremium ins Leben gerufen. Mit dem Fangremium war der VfL ganz weit vorne in Deutschland, wenn es um Einbindung der Fans in Teile der Vereinsarbeit geht.
Diese Vorreiterstellung führte letztlich auch dazu, dass der VfL, in Person von unserem Fanbeauftragten, 2016 zum Arbeitskreis Club-Fan-Dialog eingeladen wurde und dort wieder auf Ansgar Schwenken traf. Schwenken war inzwischen über ein kurzes Engagement beim 1. FC Kaiserslautern bei der DFL gelandet und ist seitdem dort als Direktor für Fußball-Angelegenheiten und Fans tätig. Mit den eigenen Erfahrungen im Hinterkopf wurde im Arbeitskreis ein Konzept erarbeitet, das die seit 2013 in der Lizenzierungsordnung festgehaltenen Club-Fan-Dialoge weiter präzisierte und aus Fansicht verbessern sollte. Nach 4-5 Jahren wurde die Neufassung 2021 in die Lizenzierungsordnung aufgenommen, als verbindliche Lizenzauflage, welche über Berichte auch nachgewiesen werden müssen.
Dieses ganze Themenfeld ist allerdings extrem umfassend und soll jetzt hier nicht vertieft werden. Bei weiterem Interesse findet man viele Informationen auch beispielsweise über die KOS Fanprojekte mit der „Kompetenzgruppe Fankulturen und sportbezogene Soziale Arbeit“ (KoFaS). Ich möchte mich aber weiter auf den VfL konzentrieren, bei dem festzuhalten ist, dass er in Sachen Fandialog schon immer ganz weit vorne war und das Fangremium ist ein großer Teil davon und wird beim VfL aktiv gelebt. Trotz verbindlicher Lizenzauflage weigern sich nebenbei auch heute noch Vereine, dies auch umzusetzen und zahlen lieber Strafen, als sich mit den Fans zusammenzusetzen.
Mitglieder des Fangremium
Die aktuellen, von den Fans gewählten, Mitglieder sind Michael Kretschmann (Die Treuen 1983), Kai von der Eltz Zühlke (Fantastic Supporters), Oliver Drohn (Commando Bochum), Kerstin Wulfmeier-Stum (Bochum Ost), Nicole van Wickeren (VfL4U & Faninitiative) und Michael Neuhaus (Zeit für Zärtlichkeit). Dazu kommen die hauptamtlichen Fanbeauftragten, Martin Volpers als Fanvertreter und Ralf Zänger und Florian Kovatsch vom Fanprojekt Bochum.
Das Gremium sieht sich als ein divers besetztes und gut vernetztes Gremium, mit Mitgliedern aus verschiedenen Teilen der Fanszene und einem unterschiedlichen Zugang zum Fußball allgemein und zum VfL im besonderen. So war auch mein Eindruck bei der Sitzung. So bringt jedes Mitglied dann auch einen etwas anderen Fokus mit rein.
Es macht immer einen gewissen Unterschied im „Fansein“, ob man eher aus der aktiven Fanszene kommt, von einem alteingesessenen Fanclub oder sich auch noch in erster Linie „nur“ als Fan in der Kurve sieht, den auch speziell die Belange der nicht-organisierten Fans interessieren. Zudem sind die Initiative Gemeinsam VfL ebenso wie die Faninitiative im Gremium vertreten, was auch diesen Dialog erleichtert und das Interesse für Themen über den eigenen Verein hinaus. Dabei kann es sich generell um Fankultur handeln oder um Themen, die man im Dialog mit Fans anderer Vereine erst auf den Schirm bekommt.
Vom ursprünglichen Gremium ist mit Oliver noch einer dabei, zwei Mitglieder sind seit der letzten Wahl dabei. Alle aktuellen Mitglieder möchten sich auch erneut zur Wahl stellen und würden, grad aufgrund mancher Reibungspunkte, die durch die unterschiedlichen Fokussierungen entstehen, gerne in diesem Gremium weitermachen. Letztlich entscheidet das aber natürlich die Fanversammlung bei der Wahl und es haben sich auch weitere Kandidaten beworben, die gerne zukünftig im Fangremium aktiv werden möchten und sich vermutlich bei der Fanversammlung vorstellen werden.
Themen des Fangremiums
Die Themen des Gremiums können über die Protokolle auf der Homepage nachgelesen werden, sofern es keine Themen sind, die vertraulich behandelt werden mussten. Bei aller selbst gewünschten Transparenz ist es manchmal grad in dieser Hinsicht auch ein Drahtseilakt.
Die vielleicht herausforderndsten Themen waren zum Einen die Ausgliederung des VfL, wo es im Bezug auf die Fans natürlich darum ging, dass egal, wie die Entscheidung letztlich ausfällt, es nicht zu einer dauerhaften Spaltung in der Fanszene kommen durfte. Dass dieses Thema extrem kontrovers war wurde auch bei uns im Blog damals mit vielen Beiträgen und Interviews beleuchtet. Am Ende denke ich, dass eine große Spaltung zum Glück ausgeblieben ist, inwiefern das auch mit der Arbeit des Fangremiums zu tun hatte, mag ich allerdings selbst nicht beurteilen. Es kann aber natürlich ebenso sein, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal akut wird, wenn sich ein Investor gefunden hat und aus der theoretischen Möglichkeit eine faktische Veränderung im Verein wird.
Das zweite sehr intensive Thema war die Krise Ende 2017, bzw. letztlich das Thema Christian Hochstätter. Ein Kommentar zu dem Thema findet sich hier, falls jemand die Ereignisse noch einmal Revue passieren lassen und so im Rückblick wieder erstaunt feststellen möchte, was sich beim VfL in nur fünf Jahren alles entwickelt hat. Die Ereignisse um den Rücktritt von Engelbracht, Goosen und Knälmann sorgten auch im Fangremium für einen Ausnahmezustand, der die Mitglieder während der Weihnachtstage hektisch nach einem Termin für ein Treffen „zwischen den Jahren“ suchend zurückließ.
Aber es gab auch genügend andere Themen, beispielsweise die Suche nach einer neuen Tormusik 2016, weg von den Donots mit „We’re not gonna take it“ (wenn es doch wenigstens das Original gewesen wäre, Anm. des Autors) zurück zu Offenbach mit „Can Can“, die das Fangremium angegangen ist, wenn auch ein damaliger Vorstand davon nicht so begeistert war, wie ich aus dem Gespräch vernehmen konnte und er vermutlich spöttisch meinte, einen eigenen Vorschlag einreichen zu wollen.
Viel Arbeit gab es auch beim Thema Support bei Abwesenheit der Ultras. Das war aus mehreren Gründen nicht so einfach, zunächst musste versucht werden, das Vakuum zu füllen, was durch die plötzliche Abwesenheit entstanden war, man gewöhnt sich natürlich daran, wenn es immer andere gibt, die für die Stimmung und Vorgabe der Gesänge verantwortlich waren. Und das selbst wenn man vielleicht nicht immer derselben Meinung war wie UB oder beispielsweise weniger lange Lieder bevorzugen würde und mehr situationsbezogenen Support. Als Fan ohne großen Einblick in solche Themen hat es mich zwar ein wenig gewundert, dass es trotz der Abwesenheit einen, natürlich weniger durchorganisierten, aber vielleicht eher „Oldschool“-Support gab, aber ich habe mir keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie es dazu kam.
Neben dem reinen Thema Support gab es auch noch andere Dinge in diesem Zusammenhand, wie die Möglichkeit für die Ultras, auf einen anderen Platz im Stadion auszuweichen oder am Ende die Frage, wie die Kurve wohl reagieren würde, wenn UB wieder in die Ostkurve zurückkehrt. Hier waren viele Gespräche und viel Fingerspitzengefühl notwendig.
Kontrovers ging es auch bei der Diskussion über die Kartenvergabe während des Sonderspielbetriebs zu. Hier merkte man dann auch ganz deutlich, wie wenig man es allen recht machen kann. Ich kann mich noch lebhaft an die vielen Diskussionen im Internet zu diesem Thema erinnern. In vielen Punkten war das Gremium da auch ohne Handhabe, aber es wurde angeregt, dass sich dort zumindest mit einer gewissen Transparenz an die Fans gewandt werden solle, um sich zu erklären.
Fanarbeit
Generell ist es natürlich immer leichter für Fans zu sprechen, wenn die Fans auch mit Punkten an das Gremium herantreten. Zu diesem Zweck wurden verschiedene Möglichkeiten geschaffen, beispielsweise die oben genannte E-Mail-Adresse eingerichtet, es wurde auch versucht, eine Fansprechstunde einzurichten. Diese wurde allerdings wieder abgeschafft, nachdem es kein Feedback gab und dort quasi nur diejenigen sich trafen, die eh schon im Gremium sind.
Und so ist das vielleicht auch eins der Probleme, warum das Fangremium nicht so bekannt ist. Wenn etwas schief läuft, kann man auch in den sozialen Medien meckern, es geht manchmal gar nicht so sehr darum, eine Veränderung anzuregen. Und so lange es gut läuft, können es eh gerne andere machen. Viele der Themen werden deshalb auch teilweise über mehrere Ecken an das Fangremium herangetragen und wenn es nur ist, dass Mitglieder Themen im Internet aufschnappen oder in der Kurve Gesprächsfetzen mitbekommen, die mit der Zeit dann häufiger auftreten.
Die Mitglieder versprechen eine Verbindlichkeit, wenn Dinge an sie herangetragen werden und, falls dies ein vertraulicher Punkt ist, auch eine vertrauliche Behandlung. Aber nicht jeder Wunsch kann auch so umgesetzt werden und wenn es dann ist, dass beispielsweise ein neuer Innenverteidiger verpflichtet werden soll, dafür sind andere zuständig. Und es handelt sich auch um keinen Festausschuss, der Feiern organisieren soll oder vielleicht sogar Choreos gestalten.
Abschließend kann ich nur anregen, sich bei Problemen oder Fragen an das Gremium zu wenden, sei es per E-Mail, auf Fanclubvertreter*innenversammlungen oder an den Infoständen vor Block A oder bei der Faninitiative, bei denen man auch immer Mitglieder anfinden kann.
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