„Das wird unsere Saison!“

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Heute startet die zweite Fußballbundesliga. Der frühe Beginn wegen Winter-WM in Quatar könnte genug Anlass zu Diskussionen und Kritik geben. Mir fällt ein bestimmter erster Spieltag der vielen ersten Spieltage in dem Jahrzehnt des VfL Bochum in der zweiten Liga direkt ein.

Am 28.07.2017 traf der VfL Bochum abends unter Flutlicht an der Castroper Straße auf den FC St.Pauli. In der Sommerpause hatte der VfL für seine Verhältnisse groß eingekauft. Der „Diamant“ Dimitrios Diamantakos und Lukas Hinterseer, bei denen viele Fans gedacht hatten man könnte sich nur einen leisten. Mit Danilo Soares wurde ein Brasilianer an die Castroper geholt, der schon mit Ingolstadt den Aufstieg in die erste Liga geschafft hatte. Selim Gündüz, der im Sommer mit den Nachbarn aus Herne- West in Verbindung gebracht wurde, blieb dem Verein erhalten und sollte weiter für Sturmläufe auf der rechten Außenbahn sorgen.

Selbst die Tatsache, dass man kurz vor Saisonstart den Trainer zwischen Genie und Wahnsinn Gertjan Verbeek entließ und gegen Ismael Atalan austauschte, der vorher mit den Sportfreuden Lotto die Liga und den DFB-Pokal aufmischte, tat der Euphorie keinen Abbruch. Atalan gab zwar in Interviews zu, dass man keine Zeit hätte, Standards zu üben, schwärmte aber von der fußballerischen Klasse eines Alexander Merkel. Der hatte ja auch schließlich beim großen AC aus Mailand gespielt. Robbie Kruse fand als Flügelflitzer auch seinen Weg an die Castroper Straße, inkl. Trainingsrückstand, aber was sind schon ein paar Wochen, wenn man vor einer potentiell erfolgreichen Saison steht? Ein 2:2 gegen die Nachbarn aus Dortmund als Generalprobe vor dem Saisonstart tat sein übriges. Achtungserfolge gegen scheinbar übermächtige Gegner lassen die blau-weiße Anhängerschaft immer träumen.

Ab dem Nachmittag war die Spannung und Euphorie zu greifen, die Stadt war wie elektrisiert. Ich traf mich mit zwei treuen Begleitern aus Block Q in einer Kneipe unweit des Stadions. Fiege, Frikadellen, Fachgespräche. Viele bekannte Gesichter, Schulterklopfen, angespannte Vorfreude rund um die Theke. Alle wollen dabei sein, wenn der VfL den ersten Schritt zu einer erfolgreichen Saison macht. Ein eingefleischter VfL- Fan schmiss seine Familie zur Abfahrt um 4 Uhr morgens aus dem Toskana-Urlaub aus dem Bett und titelte bei Facebook: „1253 km bis zum Anstoß der (Aufstiegs-)Saison.“

Einer meiner Mitstreiter wiederholte sein Vorhaben für die neue Saison mit einem Glas Fiege in der Hand: „Ich hab es Euch schon Ende letzte Saison gesagt. Ich geb einfach einen Scheiss auf den Rest der Liga! Das wird einfach unsere Saison! Basta!“

Auf dem Weg hoch zum Stadion hatte man den Eindruck manch erwachsener Mann müsste sich zügeln, bei aller Vorfreude nicht loszurennen. Im Stadion, beim Einlaß auf den Rängen des gleiche Bild. Angespanntes Gemurmel, jeder ist gespannt, ob der Start in die erwartete, erfolgreiche Saison gelingt.

Ernüchternd. Die Gäste aus Hamburg hatten genau zugehört und zugesehen als Neu-Trainer Atalan von seinem Pressingsystem berichtete und kundige Trainingsbeobachter schon einen geeigneten Matchplan gegen das Bochumer System frühzeitig aufstellen konnten. Zu Beginn des Spiels wurde man klassisch ausgecoacht und anschließend erspielte man sich wenig Möglichkeiten trotz Balldominanz gegen die gute Staffelung der Paulianer. Der hochgelobte Alexander Merkel stand stellvertretend für die Bemühungen des VfL. Doch seine Pässe und Drehungen waren für alle voraussehbar und so landete ein Pass nach grenzwertigem Zweikampf zwischen Nehrig und Celozzi beim Gegner und führte zu einem Bilderbuchkonter, den Buchtmann locker im Bochumer Tor einschieben konnte. Über 60% Ballbesitz und 8:2 Ecken resultierten in einer ernüchternden Niederlage. Und auch wenn der VfL viele gute Ansätze zeigte, verließen viele Fans das Stadion mit einem unguten Gefühl. Die Zauber der Euphorie, die Leichtigkeit war verflogen, aber noch ahnte keiner, dass uns Schlagworte wie „Butternudelgate“ und „Herzlich Willkommen in Bochum, Isi“ durch die Saison verfolgen sollten.

Autor: Moritz Möller

Über 20 Jahre begleitet mich der VfL jetzt schon - oder ich ihn. Ein Heimspiel Anfang der 90ziger gegen Leverkusen war der Auslöser, dann ging es auf einmal aus der zweiten Liga nach Europa, Abstieg, Aufstieg, wieder Europa, Abstieg und Relegation. Manch euphorische Saisonphasen die vom Auf.... träumen ließen, dazwischen Heimspiele mit 9000 Zuschauern gegen Aue, Mettbrötchen auf dem Weg nach Oberhausen, eine enttäuschende Auswärtsbilanz meinerseits und viele andere schöne Erinnerungen gehören dazu. Immer dabei: Dauerkarte, ein Fiege und eine Gruppe aus guten Freunden in Block Q sind für mich mit dem VfL einfach untrennbar verbunden.

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