Nachgefragt – Im Dialog mit Verein und Fan-Gremium

Das Ticketvergabeverfahren für das Spiel gegen den FC Bayern sorgte bei vielen Fans des VfL für Verwunderung, Unverständnis und Frust. Auch wir hatten in unserem Kommentar „Ticketvergabe zu Zeiten von COVID-19“ Kritik geäußert und Fragen formuliert. Nach einem Austausch mit dem VfL und dem Fan-Gremium bringen wir etwas Licht ins Dunkle. Die Zusammenfassung eines konstruktiven Gesprächs.

Warum rückt man vom bisherigen Verfahren der Vergabe der freien Tickets unter allen Dauerkarteninhabern im „First-Come-First-Serve“ – Verfahren ab?

Die Gründe hier sind vielfältig. Zunächst ist man froh, überhaupt wieder ein Stehplatzangebot unterbreiten zu können. Denn somit haben die Fans auch erstmals seit längerem wieder die Möglichkeit, Plätze in der Kategorie der persönlichen Präferenz zu erwerben, in der eben auch die Dauerkarten erworben wurden – Sitzer oder Steher, jeder hat andere Vorlieben. Da es anders als gegen Borussia Dortmund, Union Berlin (vergünstigter Preis) und 1. FC Köln (einheitlicher Preis für alle Plätze) zum Spiel gegen den FC Bayern München wieder eine Differenzierung der Preiskategorien geben wird, sind auch soziale Aspekte zu berücksichtigen, schließlich gibt es zum Beispiel auch jede Menge Geringverdiener, die sich einen Sitzplatz (dauerhaft) schlicht nicht leisten können.

Darüber hinaus sind hier Erfahrungswerte aus den vergangenen Spielen eingeflossen. Sicherheitsaspekte sind hier ein Thema. Oft wurden die vorgeschriebenen Sitzplätze nicht eingehalten oder die Sitzplätze nicht als das genutzt, was sie eben sind – Sitzplätze. Hierzu gab es zahlreiche Beschwerden von Sitzplatz-Dauerkarteninhabern. Das mag für viele wahrscheinlich abstrus klingen, nur gibt es beispielsweise im Stadion eben auch ältere Semester, die sich ganz bewusst für einen Sitzplatz entscheiden, da 90 Minuten stehen für sie schlicht nicht mehr möglich ist.

Warum haben Mitglieder ohne Dauerkarte plötzlich wieder ein Vorkaufsrecht, bevor alle Dauerkarteninhaber versorgt sind?

 Auf der JHV 2013 wurde beschlossen, dass Mitglieder des Vereins ein verankertes Vorkaufsrecht haben. Diesem Beschluss möchte man mit der Regelung jetzt Rechnung tragen. Die Mitglieder des Vereins sind, strenggenommen, die höchste Instanz des Vereins. Eine Lösung musste gefunden werden, auch diese Gruppe der Fans zu berücksichtigen. Genannt wurden hier auch Mitglieder, die aufgrund der räumlichen Distanz nicht jedes Spiel des VfL wahrnehmen können und keine Dauerkarte haben – diese Mitglieder hatten beispielsweise beim anderen Topspiel, gegen Borussia Dortmund, keine Chance, Karten dafür zu erwerben.

Aus Fairness-Gründen hat man sich dazu entschieden, dass Dauerkarten-Inhaber, die ebenso Mitglied sind, nicht noch zusätzlich am Verkauf für „Nur“-Mitglieder teilnehmen zu lassen. Jede/r sollte eine Möglichkeit haben, Karten zu erwerben.

Warum sind wieder zwei Tickets pro Person möglich? Schafft man sich hier gerade zum Spiel gegen den FC Bayern kein Einfallstor für einen florierenden Schwarzmarkt mit abstrusen Preisen?

Gerade zu der Frage gab es viele Stimmen, dass die Entscheidung nicht nachvollziehbar ist. Dem Fan-Gremium wurde aber zu diesem Punkt ebenso viel Kritik gespiegelt, dass der Stadion-Besuch für viele ein Gemeinschaftserlebnis ist, dass man mit Familie und Freunden teilen möchte und hier der dringende Wunsch besteht, eine Lösung zu finden, dass man nicht mehr allein auf einem zufälligen Platz sitzt.

Sofern es technisch möglich und umsetzbar ist, wünscht man sich zukünftig eine Lösung, dass im Bestellprozess beispielsweise zwei berechtigte Konten gekoppelt werden können, um ein Zusammen-Sitzen zu ermöglichen. Diese Möglichkeit gibt es Stand jetzt allerdings noch nicht.

Man kann nicht jeden einzelnen Ticket-Käufer kontrollieren, aber man möchte den Fans auch nicht per se unterstellen, Schindluder mit den Karten zu treiben und gibt hier einen Vertrauensvorschuss.

Darüber hinaus geht der VfL sehr aktiv gegen den Schwarzmarkthandel vor, soweit dies möglich ist. Personen, die beim Handel mit Karten erwischt werden, wird das Vorkaufsrecht entzogen und bekommen Post vom Anwalt. Angebote bei einschlägigen Portalen existieren meist schon weit vor offiziellem Verkaufsstart der Tickets. Hier kann darüber hinaus nicht ausgeschlossen werden, dass es sich oft um Betrug handelt.

Weitere Fragen der Fans drehten sich häufig um die Fragen, warum im Vonovia Ruhrstadion „nur“ 8.500 Zuschauer zugelassen werden für das kommende Heimspiel, obwohl die aktuelle Corona-Schutzverordnung eine Höchstgrenze von 10.000 Zuschauern vorsieht. 

Die Begründung hierfür ist in den behördlichen Vorgaben zu finden, unter denen das Spiel am Samstag stattfindet. So müssen für das kommende Spiel auch im Sitzplatzbereich Abstände von 1,5 m im 2er Schachbrett-Muster eingehalten werden. Mehr geht schlicht und einfach nicht, um diese Vorgabe umzusetzen. Der VfL agiert hier schon am Maximum, was unter den aktuellen Vorgaben möglich ist.

1.500 Zuschauer auf der Ostkurve wurden Anfang der Saison vom Gesundheitsamt Bochum als unbedenklich eingestuft, um geforderte Abstände einhalten zu können. Damit hat man gute Erfahrungen gemacht. Aktuell ist diese Zahl das, was seitens des Gesundheitsamtes guten Gewissens freigegeben werden kann, um die Verordnung bestmöglich umzusetzen. Stehplätze sind aktuell keine Selbstverständlichkeit und können von lokalen Behörden abgelehnt werden. Daher ist man beim VfL froh, zumindest einen Teil der Kapazität auf der „Ost“ nutzen zu können.

Zwei zusätzliche Punkte

Das Fan-Gremium hat angesprochen, dass Kinder und Jugendliche, die zumeist aus finanziellen Gründen keine Mitglieder oder Dauerkarteninhaber sind, aktuell gar keine Möglichkeit haben, die Spiele des VfL live im Stadion zu sehen. Hier hat man noch keine Lösung, ist sich aber der Verantwortung bewusst einen Weg finden zu müssen.

Darüber hinaus war es dem Fan-Gremium aufgrund von zahlreichen Anfeindungen in sozialen Netzwerken wichtig zu betonen, dass man selbst keine Freikarten oder ähnliches seitens des VfL erhalten habe und wie jeder andere Fan auch sich im Verfahren ein Ticket sichern muss. Man habe sich als Dauerkarteninhaber mit der Regelung quasi „ins eigene Bein” geschossen, wollte aber alle Interessen bestmöglich einfließen lassen.

Schlusswort

Wir wollen dem VfL und dem Fan-Gremium an dieser Stelle nochmal für den sehr spontanen, offenen und konstruktiven Austausch danken und hoffen, dass wir dem ein oder anderen Fan helfen konnten, Entscheidungen und Prozesse etwas besser nachvollziehen zu können.

Wie schon im Kommentar von Mittwoch betont, wird man in der aktuellen Situation mit stark begrenzter Kapazität immer wieder unzufriedene Gemüter haben – wichtig war uns aber zu verstehen, welche Gedankengänge hinter den Entscheidungen stecken. Da die Arbeit des Fan-Gremiums bei vielen nicht wirklich bekannt ist, haben wir uns fest vorgenommen, das Gremium und seine beratende Funktion in einem zukünftigen Bericht vorzustellen.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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