VfL Bochum: Das Tollhaus der Liga

Nach dem 2:0-Heimsieg des VfL Bochum vor 19600 Zuschauern gegen die TSG aus Hoffenheim überschlugen sich die Schlagzeilen und Kommentare in den sozialen Netzwerken. Nach einer ereignislosen ersten Halbzeit wurde eifrig über die wilden Szenen in der zweiten Halbzeit diskutiert. Über die Entstehung und den verschossenen Elfmeter von Manuel Riemann, das 2:0 aus 66m von Milos Pantovic, aber auch über den Jubel der Bochumer Fans auf den Tribünen.

Ein Tor was direkt mit dem Prädikat „Tor des Monats“ in Verbindung gebracht wird, gab es diese Saison schon beim VfL. Beim ersten Heimspiel gegen den FSV Mainz. Gerrit Holtmann ließ – unnachahmlich und unbedrängt um der Wahrheit die Ehre zu geben – die Hälfte der Mainzer Mannschaft stehen um dann einzuschieben. Dieser Heimspielauftakt war der Start zu einer Reihe emotionaler und intensiver Fußballspiele auf dem Platz und auf den Rängen. 

Trainer Thomas Reis bemängelte nach den ersten Spielen die Naivität der Mannschaft, forderte mehr Zweikampfschärfe. Davon ist längst nicht mehr die Rede. Die Intensität der Mannschaft lässt die Zuschauer auf den Rängen wie eine Wand hinter ihnen stehen.

Endstation Sehnsucht

Zehn lange Jahre litten diese Fans mit ihrem VfL in der Zweiten Liga. Manchmal bei Spielen, bei denen kaum mehr als 9000 Zuschauern waren, wenn es mal schlecht lief. Manchmal bei Spielen bei denen aus kürzerer Distanz als 66m nicht das leere Tore getroffen wurde, man erinnere sich mit Grauen an Denis Bergers „Gewaltroller“. Trotzdem hatte diese Liga immer ihren Reiz. Es war immer ein Vabanquespiel zwischen Hoffen und Bangen auf den ganz großen Wurf oder dem ganz großen Gau wie bei vielen anderen Traditionsclubs.

Aber was machte die zweite Liga so faszinierend? St. Pauli- Präsident Oke Göttlich antwortet zuletzt in einem Interview darauf:

„Die wirtschaftlichen Voraussetzungen liegen deutlich näher beieinander. Diese Liga gibt dem Fußball, wofür er steht – Spannung, Überraschung, Wettbewerbsgleichheit. Die zweite Liga ist absolut in der Lage, große Regionen, große Vereine in einen packenden Wettbewerb zu ziehen. Das ist der Bann des Fußballs.“

Der VfL transportiert ein Stück der Emotionen der Zweiten Liga ins Fußballoberhaus. Die Sehnsucht der Fans an der Castroper Straße potenziert diese Emotionen bei jedem Heimspiel.

Castroper Straßenfußball

Die Mannschaft konnte nur mit bescheidenen Mitteln punktuell verstärkt werden und nachdem die angesprochene Naivität abgelegt wurde, glänzt sie auch mehr mit spielerischen Elementen. Das Team verkörpert, was sich viele Fußballfans wünschen: Einsatz, Leidenschaft, hier und da spielerische Highlights aber immer Emotionen. Stellvertretend seien nach dem Spiel gegen die TSG hier Manuel Riemann, Trainer Thomas Reis, Milos Pantovic und Soma Novothny genannt.

Riemann, zwischenzeitlich in der Zweiten Liga bei den eigenen Fans für seine Überheblichkeit verschrien, hat mit seinem unstillbaren Ehrgeiz den VfL mit in die erste Liga gepusht. Längst besitzt er Kultstatus – zuletzt gesehen im und nach dem Pokalspiel gegen den FC Augsburg.

Thomas Reis ist häufig kritisch, aber auch immer fair gegenüber seiner Mannschaft. Keiner ist bei ihm außen vor. Auch er selbst lässt schon mal von der Euphorie und den Emotionen übermannen. Dann übt er aber auch Selbstkritik: “Ich nehme die Kritik an der Situation auf mich. Ich habe das nicht gut moderiert. [Zwei Spieler wollten schießen und ich finde das natürlich gut, wenn die Jungs Selbstvertrauen haben.] Dann hat das Stadion Riemann gefordert und wir haben uns, bei all der herrschenden Euphorie, verleiten lassen. Das war nicht gut. ich habe mit allen dreien gesprochen und das wird in Zukunft nicht mehr der Fall sein“.

Aus der zweiten Reihe zu Matchwinnern

Milos Pantovic zählte in Liga zwei weder zu den unbedingten Stammspielern noch zu den Lieblingen der Fans. Schon mit seinem emotionalen Ausbruch an der Seitenlinie nach dem Aufstieg am letzten Spieltag zeigte er, wie viel er investiert um das Optimale für sich und die Mannschaft rauszuholen. Als Folge des Anspruchs von Thomas Reis, Spieler weiterzuentwickeln, erlebt der Bochumer Anhang im Moment einen Pantovic, der maßgeblich an dem Erfolg beteiligt ist. Mit Einsatz, Teamgeist, Vorlagen und diesmal sogar einem Traumtor. Und wird mit Sprechchören gefeiert.

Foto: VfL Bochum

Eine Vorlage landete beim Spiel gegen Hoffenheim bei Soma Novothny, der sauber zum 1:0 einköpfte. Weltenbummler Novothny, dem viele ein besseres Kopfballspiel attestieren als Gefühl mit dem Fuß, steht ebenso für Fleiß und Arbeitswillen. Häufig hatte Reis zuletzt den Arbeitseifer und die Trainingsleistungen von Novothny gelobt. Er sicherte sich regelmäßig einen Kaderplatz vor dem physisch stärken und talentierten Silvere Ganvoula. Jetzt belohnte er sich selbst dafür.

Ekstase auf den Rängen

Nicht nur die Fans waren voller Ekstase auf den Rängen, auch Sky- Kommentator Klaus Veltmann ließ sich zu einer emotionalen Einleitung hinreißen:

Castroper Straße 145, das ist da, wo die Straßenbahn fast bis zum Strafraum fährt und wo der Grönemeyer singt. Das Bochumer Stadion, die vielleicht letzte Kultstätte der Bundesliga. […] Der VfL von 1848 ist wieder da. Titellos, vermeintliche unsexy, aber was für ein geiler Klub.

Der FC St. Pauli galt zu seinen Bundesligazeiten immer als Freudenhaus der Liga. Im Moment sind bei Heimspiel des VfL – wie von Thomas Reis angekündigt, wenn die Leistung stimmt und der Funke auf die Ränge überspringt – eher ein Tollhaus. Möge der VfL mit seinem Fans noch einige Zeit das Tollhaus der Liga bleiben.

Autor: Moritz Möller

Über 20 Jahre begleitet mich der VfL jetzt schon - oder ich ihn. Ein Heimspiel Anfang der 90ziger gegen Leverkusen war der Auslöser, dann ging es auf einmal aus der zweiten Liga nach Europa, Abstieg, Aufstieg, wieder Europa, Abstieg und Relegation. Manch euphorische Saisonphasen die vom Auf.... träumen ließen, dazwischen Heimspiele mit 9000 Zuschauern gegen Aue, Mettbrötchen auf dem Weg nach Oberhausen, eine enttäuschende Auswärtsbilanz meinerseits und viele andere schöne Erinnerungen gehören dazu. Immer dabei: Dauerkarte, ein Fiege und eine Gruppe aus guten Freunden in Block Q sind für mich mit dem VfL einfach untrennbar verbunden.

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