Der VfL bekommt stumpf auf die Fresse

Der VfL geht in München sang und klanglos mit sieben zu null Toren unter. Konnte man 15 Minuten gut mithalten, sorgte am Ende eine Mischung aus zahlreichen individuellen Fehlern und der schieren, qualitativen Übermacht der Bayern für eine deftige Niederlage.

Claudio Gentile & Tobias Wagner – Mit zwei Veränderungen in der ersten Elf ging der VfL in die Partie beim FC Bayern München. Robert Tesche startete für Eduard Löwen, Milos Pantovic ersetzte Simon Zoller, der sich unter der Woche im Training einen Kreuzbandriss zugezogen hat und der dem VfL sicherlich bis zum Frühjahr 2022 fehlen wird. Gute Besserung an dieser Stelle.

Vor dem Spiel haben wir spekuliert, wie der VfL das Pressing angehen wird. Thomas Reis entschied sich zumindest zu Beginn für die offensive Variante. Im 4-3-3 wurden die Bayern hoch zugestellt. Mit der offensiven Dreierreihe und den beiden Achtern pressten bis zu 5 Spieler im letzten Drittel. Der Plan ging in den ersten Minuten voll auf. Die Bayern wirkten überrascht und kamen kaum aus der eigenen Hälfte.

„Die Bochumer waren anfangs sehr, sehr griffig. Aber nach dem 1:0 lief es gut für uns, wir haben die Tore erzielt.“
Leroy Sane nach dem Spiel bei Sky

Nach den ersten 15 Minuten hatte der VfL mit 3:2 Torschüssen und 2:0 Ecken in relevanten Dominanzstatistiken einen Vorteil gegenüber dem großen Favoriten. Als unser VfL die extreme Intensität nicht länger aufrecht halten konnte, zeigte der FC Bayern wieso er zuletzt auch den FC Barcelona oder RB Leipzig aus dem Stadion fegte. Mit gezielten Pässen in den ballfernen Halbraum wurde das Pressing ausgespielt. Die 4-1-Restverteidigung war alles andere als stabil. Tesche konnte das Tempo nicht mitgehen und den großen Raum vor der Abwehr nicht kontrollieren. Die Außenverteidiger waren gegen die dribbelstarken Außen der Bayern individuell gnadenlos unterlegen. Das Tor nach dem Freistoß, bei dem Leroy Sane die kurze Desorientierung der Mauer aufgrund Elvis Rexhbecajs Reklamieren ausnutzte, stellte dann die endgültige Kehrtwende dar.

In der Folge stellte Reis auf ein tieferes Pressing im 4-4-2/4-4-1-1 um, bei dem Rexhbecaj neben Polter aufrückte, während die beiden Außen sich in die Mittelfeldkette fielen ließen. Die Stabilität konnte er damit jedoch nicht erhöhen. Wie bereits die Gegner in den Spielen zuvor, in denen unser VfL im 4-5-1 tiefer presste, nutzten auch die Bayern die Ruhe im Aufbau, um die Spieler zentral zu locken und dann schnell auf die Flügel zu verlagern oder tief zu schicken. Die Idee durch das 4-4-2 einen Spieler mehr zentral vorne zu haben war in der Theorie gut, zeigte jedoch gegen das flexible Aufbauspiel der Bayern keinen Effekt.

„Ich glaub vier Tore haben wir denen ja geschenkt, einfach. Da mussten die ja garnichts machen. Die spielen ein Ball ins Mittelfeld, einmal in die Tiefe, der steht allein vor mir – Tor.“
Manuel Riemann im Interview bei Sky

Auch nach der Pause stellte Reis nicht um. Er behielt das 4-4-2 bei und ließ sogar noch etwas tiefer pressen. Bayern dominierte nun vollständig, wenn auch in den ersten Minuten der zweiten Hälfte ohne große Chancen. Das änderte sich schlagartig nach den Wechseln in der 57. Minute. Diese waren zwar mit Eduard Löwen für Elvis Rexhbecaj, Herbert Bockhorn für Konstantinos Stafylidis und Silvère Ganvoula für Sebastian Polter positionstreu und ohne Folgen für die Grundformation.

Wurde ausgwechselt – Stafylidis – Foto: VfL Bochum

Es wurde jedoch wieder höher aufgerückt und etwas forscher gepresst, was die nun eingespielten Bayern allerdings vor keine Herausforderung stellte. Viel mehr nutzten diese die größeren Räume, um den Spielstand weiter nach oben zu schrauben.

Nach 5 Spielen mit 4 Niederlagen muss man den Teufel nicht an die Wand malen. Ja, es war der FC Bayern – nicht unsere Kragenweite. Trotzdem muss der VfL zusehen, dass man die vielen kleinen Fehler im eigenen Spiel irgendwie abstellt. Ein Ballverlust hier, ein Stellungsfehler da, ein Ganvoula, der gefühlt dauerhaft im Abseits steht – in der höchsten deutschen Spielklasse werden kleine Ausrutscher direkt bestraft und jede verschenkte Umschaltsituation tut doppelt weh. Gegen Berlin hat man stark aufgespielt und sich eben durch diese dummen Fehler um die Punkte bringen lassen. 

Spannend wird es, in den kommenden Wochen zu sehen wie Sportvorstand Sebastian Schindzielorz und Trainer Thomas Reis auf die Situation reagieren. Wird man nach dem Ausfall von Zoller nochmal auf dem Transfermarkt aktiv und einen Spieler holen – ggfs. sogar jemanden, der vom Profil her einem klassischen Zehner nahekommt, um die Lücke, die Robert Zulj zweifelsohne hinterlassen hat, eher schließen zu können als durch zwei 8er. (Als kleiner Hinweis: Vladen Yurchenko hat noch keinen neuen Verein). Wird Thomas Reis diese Option eventuell sogar aktiv einfordern? Wird er das 4-5-1/4-3-3 nun durch das 4-4-2 ersetzen oder war das nur ein einmaliger Versuch? Was auffällt ist, dass die Mannschaft sich sichtlicher wohler fühlt in einer aktiveren Rolle, aber oft einfach genau der Part im Spiel fehlt, den Zulj im letzten Jahr überragend ausgefüllt hat.

Wie reagiert der VfL auf den langfristigen Ausfall von Zoller? Foto: VfL Bochum

Für die ganz große Keule ist es zu früh – aber der VfL muss ganz dringend sein naives Welpen-Auftreten ablegen. Wenn man wirklich in der Liga bleiben will, braucht man in jedem Spiel das griffige Auftreten wie gegen Mainz. Anders geht es nicht. Sonst gibt es auf die Fresse.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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