Den FC Bayern schlagen?

FC Bayern München - VfL Bochum | Grafik: Paddy Schneider

Eine Niederlage gegen die Hertha, Verletzungen, insgesamt keine schöne Woche für den VfL Bochum. Ausgerechnet jetzt wartet am 5. Spieltag der Saison 2021/22 der Rekordmeister aus München auf die Blau-Weißen. „Allerdings dürfen wir nicht mit der Einstellung nach München fahren, dass sowieso nichts möglich ist. Sonst könnten wir auch zuhause bleiben“ meint Eduard Löwen. Der Mittelfeldmann lässt sich von der derzeitigen Situation jedenfalls nicht unterkriegen. Also, kann der VfL den FC Bayern schlagen?

Das eine Mal vor 30 Jahren

Der VfL Bochum hat gegen keine Mannschaft in der Bundesliga öfter verloren als gegen den FC Bayern. Allein in München liegt die Bilanz aus 34 Aufeinandertreffen bei einem Sieg und acht Unentschieden zu 25 Niederlagen. Die Bayern schossen in den Partien 99 Tore, der VfL gerade mal ein Drittel dessen (32).

Das ist keine Überraschung. Mit einer hohen Wahrscheinlichkeit haben die meisten Bundesligisten am häufigsten gegen die Bayern verloren. Das eine Mal vor 30 Jahren jedoch gelang den Bochumern das Wunder. Trainer Holger Osieck schickte seine Mannen am 28. August 1991 auf das Feld, Heiko Bonan und Frank Benatelli sorgten anschließend für diesen historischen 2:0 Erfolg und vielleicht auch für Inspiration für den heutigen Tag.

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Zollers Verletzung – der nächste Nackenschlag

Die Niederlage gegen die Hertha noch nicht ganz verdaut, erwartete den VfL unter der Woche der nächste Nackenschlag – Simon Zoller erlitt im Training einen Kreuzbandriss. Damit fehlt der Mannschaft nicht nur einer ihrer Führungsspieler abseits des Platzes, sondern auch eine zentrale Figur auf dem Platz. Zoller ist nicht nur als Angreifer kaum wegzudenken, da er einer der wenigen Spieler im Kader ist, die von der Außenposition für Torgefahr sorgen, sondern auch als Verteidiger. In dem Routinier fällt der Kommandeur des eigenen Pressingspiels aus.

Desweiteren fallen Maxim Leitsch, Cristian Gamboa, Luis Hartwig und Paul Grave aus. Kapitän Anthony Losilla hatte unter der Woche mit Hüftproblemen zu kämpfen, ist für das Spiel allerdings einsatzbereit. Dasselbe gilt auch für Youngster Armel Bella-Kotchap. Der 19-jährige Innenverteidiger musste gegen die Hertha verletzt ausgewechselt werden, aber konnte unter der Woche bereits wieder am Mannschaftstraining teilnehmen.

Voraussichtliche Aufstellung: Riemann – Stafylidis, Lampropoulos, Bella Kotchap, Soares – Losilla – Löwen, Rexhbecaj – Antwi-Adjei, Holtmann – Polter

Der Rekordmeister im Umbruch

Eine neue Zeitrechnung findet beim Rekordmeister statt. Bei den Verantwortlichen ist Karl-Heinz Rummenigge nicht mehr da. Ihn ersetzt Oliver Kahn als Vorstandsvorsitzender. Uli Hoeneß bekleidet zwar noch einen Posten im Aufsichtsrat, aber ist zumindest weiter in den Hintergrund gerückt. Während Sportvorstand Hasan „Brazzo“ Salihamidžić viel in der Kritik steht, steht ein anderer im Scheinwerferlicht.

Trainer Julian Nagelsmann kam in diesem Sommer für 15 Millionen Euro zum FC Bayern. Damit ist er zurzeit neben André Villas-Boas der teuerste Trainer der Welt. Die Führungsetage erhofft sich vom 34-Jährigen, dass er den Umbruch mit der neuen Generation meistert, die Spieler unter ihm den nächsten Schritt vollziehen können und wieder mehr Talente aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum, dem FC Bayern Campus, in die Profimannschaft integriert. Der Erfolg darf währenddessen natürlich nicht auf der Strecke bleiben.

Bei den Münchnern wurde dafür unter der Woche der nächste Grundstein gesetzt. Statt Lahm, Schweinsteiger, Robben und Ribery heißen die jetzigen Schlüsselspieler Robert Lewandowski, Joshua Kimmich, Dayot Upamecano, Serge Gnabry und Leon Goretzka. Der Bochumer Junge unterschrieb am Donnerstag einen Vertrag bis 2026. Damit folgt er seinem Partner Kimmich, der sich zuvor schon bis 2025 an den Rekordmeister band. Der FCB hält seine Stützen im Mittelfeld für die kommenden Jahre zusammen.

Auch im Spiel gegen den VfL könnten die Bayern aus dem Vollen schöpfen. Nur die beiden Franzosen Corentin Tolisso (Wade) und Kingsley Coman, welcher sich am Freitag einer Herz-OP unterziehen musste, stehen nicht zur Verfügung. Unklar bleibt jedoch, ob Nagelsmann nach den Spielen in Leipzig und Barcelona einigen Spielern eine Pause gönnen und rotieren wird. Die wahrscheinlichsten Kandidaten für einen Startelf-Einsatz wären Tanguy Nianzou, Lucas Hernandez, Josip Stanisic und Neuzugang Marcel Sabitzer.

Voraussichtliche Aufstellung: Neuer – Pavard, Upamecano, Süle, Davies – Kimmich, Goretzka – Gnabry, Müller, Sane – Lewandowski

Den FC Bayern schlagen?

Die Chancen auf Punkte sind in München gering, ob letztendlich der FCB in Bestbesetzung aufläuft oder nicht, ist nicht entscheidend. So gab auch Löwen zu, der VfL müsse „einen guten Tag erwischen und Bayern einen schlechten“.

Dennoch sollte Trainer Thomas Reis ein Blick zurück auf die eigenen Spiele des VfL gegen die Bayern reichen, um auf eine möglicherweise erfolgreiche Strategie zu stoßen. Die letzten Aufeinandertreffen der beiden Vereine im Pokal waren meist keine leichte Angelegenheiten für den Favoriten aus dem Freistaat. So einfach wie unter Kovac werden es die heutigen Bayern ihm allerdings nicht wieder machen. Da passt besser der Blick auf das Taktik-Duell zwischen Pep Guardiola und Gertjan Verbeek.

Die Bayern zum Flanken zwingen

Den Großteil der Partie werden die Münchner in Ballbesitz und in der Bochumer Hälfte sein. Aus einer 4-2-3-1 Grundformation heraus ließen sich sehr variabel entweder der rechte Flügelspieler oder einer der Sechser in die Abwehrkette fallen, um eine Fünferkette zu erzeugen und so die Lücken in den Halbräumen durch situative Halbverteidiger zu besetzen.

Der FC Bayern setzt auf eine leichte Asymmetrie, indem Alphonso Davies höher als Benjamin Pavard postiert ist. Christopher Antwi-Adjej ist vermutlich nicht so schnell wie Davies, muss sich jedoch in dem Bereich keineswegs verstecken. Er könnte sich mit ihm fallen lassen oder Losilla wiederholt seine Rolle aus der Pokalnacht. Davor ließen sich bei letzterem Szenario zwei Offensivspieler auf die Sechserposition fallen. Ein zentrumverdichtendes 5-3-2 entstand. Noch immer ist die beste Möglichkeit gegen den FCB, ihn auf die Außen zu lenken und zu Flanken von Pavard und Davies zu zwingen.

Eine bloße tiefe Verteidigung wird über das Spiel hinweg jedoch irgendwann dazu führen, dass dem Druck nicht standgehalten werden kann und ein Tor für die Hausherren fällt. Zumal der VfL seine Stärken sowieso im Pressing besitzt. Unter Verbeek lief der VfL damals sogar mit bis zu drei Leuten die Aufbaudreierkette an. Auch dabei sollte zwischen verschiedenen Mittelfeldpressingvarianten gewechselt werden, um immer wieder den Rhythmus zu der Bayern zu stören. Der Ball sollte weg von der im Aufbau stärkeren rechten Seite des Rekordmeisters mal nach innen in Richtung des Ex-Bochumers Goretzka oder auf Außen auf Davies gelenkt werden. Die Stärken der beiden liegen eher im zweiten und im letzten Drittel.

Mit Tempo zum Torerfolg

Um überhaupt die Möglichkeit für höhere Pressingsituationen zu haben, brauchen die Blau-Weißen Entlastungsphasen. Der VfL muss es schaffen, sich hin und wieder aus dem unter Nagelsmann neuorganisierten Pressing zu lösen. Dafür muss sich das Mittelfeldzentrum jedoch deutlich in Sachen Ballsicherheit steigern. Hier schmerzt das Fehlen von Robert Tesche (Ersatzbank) und der Abgang von Robert Zulj.

Unter Nagelsmann pressen die Bayern nicht mehr so extrem hoch und aggressiv wie unter seinem Vorgänger Hansi Flick, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen sind dafür allerdings geringer. Dem Gegner bieten sich weniger Lücken. Die Bochumer müssen deshalb Konter durch lange Bälle hinter die Abwehr kreieren. Dafür bietet sich der Raum hinter Pavard an, der gegen Gerrit Holtmann klare Temponachteile hat. Außerdem könnten Verlagerungen von links auf Antwi-Adjej eine weitere Option sein, sodass dieser sich anschließend im Eins-gegen-Eins mit Davies befindet. Der Kanadier hat noch immer leichte Defizite in der Defensive.

Motto des Spieltags

    „Wir haben es uns erarbeitet gegen solch einen Gegner spielen zu dürfen. Wenn wir uns darauf nicht freuen, dann müssen wir aufhören Fußball zu spielen. Wir müssen alles geben und es genießen uns mit vielen Topspielern der Welt messen zu können.“ – Toto Losilla

Autor: Janik Aschenbrenner

In meinem Freundeskreis dreht sich alles um die Blau-Weißen, für die ich in meiner Jugend selbst die Schuhe schnüren durfte - so kommt es, dass der VfL auch mich nicht los lässt. Durch meine Affinität zur Spielanalyse und Trainingslehre bin ich ansonsten bei Konzeptfußball zu finden. Fußball ist für mich eine Kunstform, die ich mitgestalten möchte.
Twitter: @Janik_Asc / janik.aschenbrenner@einsachtvieracht.de

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