Die zweite Bundesliga hat sich in den letzten zehn Jahren außerordentlich gut entwickelt und gilt neben der Championship aus England als stärkste zweite Liga der Welt. Nicht nur Vereine mit großen Namen und langer Historie wie die unabsteigbaren Hamburger, der VfB Stuttgart oder Hannover 96 sind mittlerweile regelmäßig Gast in der 2. Liga, sondern auch neue Vereine mit finanzieller Unterstützung und einem penibel ausgearbeiteten Konzept wie RB Leipzig haben die Landschaft verändert und tragen der Entwicklung des Unterhauses bei.
TV-Verträge, Ablöserekorde und das ewige Thema: Geld
Einen großen Anteil an dieser Entwicklung hat auch der stetig wachsende Topf der TV-Gelder, der durch neue Konkurrenz für Sky die Summen für die Vereine in ungeahnte Höhen treiben lässt. Wurden in der Saison 2012/13 noch insgesamt 89.800.000 € in der 2. Bundesliga verteilt, hat man mit einem neu ausgearbeiteten Verteilungsplan, welcher 36 Mannschaften unter einer 5-Jahres-Wertung, sportlicher Nachhaltigkeit, Wettbewerb und Nachwuchsförderung bewertet, in der kommenden Saison stolze 270.282.000 € für die letzten 18 Plätze zur Verfügung. In den kommenden Wochen wird die DFL die Zahlen und Partner für die Rechte ab der Saison 2021/22 bekannt geben – und wie schon bei der Vergabe der Rechte für die Championsleague (Amazon und DAZN) oder der Europameisterschaft 2024 (Telekom) wird der Konkurrenzkampf die Zahlen wahrscheinlich weiter rasant steigen lassen.
Durch das viele Geld im Markt ist es nur konsequent, dass auch die Rekordtransfers für Spieler der 2. Bundesliga gerade in den letzten Jahren immer wieder eingestellt wurden. Stellten die Investitionen von RB Leipzig mit 7.000.000 € für Omer Damari von der Wiener Austria gekommen, Massimo Bruno losgeeist vom RSC Anderlecht für 5.000.000 € oder Emil Forsberg für vergleichsweise bescheidene 3.700.000 € aus Malmö in der Saison 13/14 noch echten Ausnahmeerscheinungen für die zweite Liga dar, sind solche Summe zwar nicht für alle Zweitligisten selbstverständlich, sorgen aber nicht mehr für ganz so großes Erstaunen wie noch vor einigen Jahren. Erst ein paar Wochen alt und schon einer der teuersten Transfers der Ligageschichte ist der Wechsel des Argentiniers Santiago Ascacibar, der dem VfB Stuttgart 11.000.000 € in die Kassen spülte. Damit liegt er eine Millionen Euro hinter Douglas Santos, der im Sommer vom HSV nach Russland zu Zenit St. Petersburg wechselte. Anstelle des VfLs, trat Santos somit in dieser Saison unter anderem gegen Benfica Lissabon oder RB Leipzig in der Championsleague an. Dass Schwaben gut mit Geld umgehen können, zeigte sich auch schon in 2015 – hier zogen die Stuttgarter die Rückkaufoption bei Joshua Kimmich, der mit Leipzig eine herausragende Saison in der 2. Bundesliga spielte, und verkauften den heutigen Nationalspieler für 8.500.000 € direkt weiter an den FC Bayern München. Ganz so geizig wie man Schwaben immer gerne unterstellt, sind die Stuttgarter dann allerdings doch nicht. Mit Zugang Silas Wamangituka, für den der VfB diesen Sommer 8.000.000 € nach Paris überwiesen hat, ist der Verein nicht nur bei den teuersten Abgängen ganz vorne dabei, sondern stellte auch den Rekord für die teuerste Neuverpflichtung der zweiten Liga aus dem Jahr 2015 ein (Davie Selke/RB Leipzig).
Der VfL durfte in den letzten zehn Jahren insgesamt 155 Zugänge begrüßen. Hierbei bediente man sich vornehmlich bei ablösefreien Spielern und gab für Ablösen laut dem Internetportal transfermarkt.de insgesamt lediglich 4.530.000 € aus (im Schnitt wären das 29.255 € pro Spieler). Hierbei nahm man das meiste Geld für Marco Stiepermann in die Hand und überwies 850.000 € an den direkten Konkurrenten aus Fürth. Das kurze Gastspiel von nur einer Saison endete mit einem Verkauf an den damaligen 2. Ligisten Norwich City aus England für etwa 1.700.000 €. Dort konnte Stiepermann seinen Marktwert auf vier Millionen steigern und spielt seit dieser Saison in der Premiere League gegen die besten Spieler der Welt. Die Anzahl der Abgänge hält sich mit insgesamt 151 Spielern etwa die Waage mit den Zugängen – jedoch konnte man hier eine Gesamtsumme von 26.030.000 € an Transfererlösen erzielen. Den größten Anteil an den Einnahmen hatten das Bochumer Eigengewächs Leon Goretzka (3.250.000 €), den es ein paar Kilometer weiter nach Schalke zog, Goalgetter Simon Terodde (3.000.000 € / VfB Stuttgart) und Leihgabe Michael Gregoritsch (3.000.000 € / Hamburger SV), der dank einer Ausstiegsklausel mit Gewinn direkt weitergereicht werden konnte.
Zwei Bochumer ganz weit vorne
Der Zuwachs an Traditionsmannschaften mit großer Fanbase hat viele Spiele deutlich attraktiver werden lassen und zieht immer mehr Menschen in die Stadien. Im Vergleich zur Saison 2010/11 entwickelte sich der Zuschauerschnitt von 14.794 Besuchern auf 19.128 in der Saison 2018/19. Die Bestmarke der letzten zehn Jahre setzt die Saison 2016/17 mit durchschnittlich 21.732 Zuschauen – Absteiger Stuttgart und Hannover sowie Aufsteiger Dynamo Dresden machen es möglich. Kein Wunder, dass die Top 3 Spieltage mit den meisten Zuschauen ebenfalls in den letzten Jahren erreicht wurden. Beim VfL entwickelten sich die Zuschauerzahlen ebenfalls nach oben. Waren es im ersten Jahr nach dem Abstieg noch 15.030 Zuschauer, so konnte man sich in der Saison 18/19 auf 17.750 steigern. Trauriger Tiefpunkt wurde in der Saison 2011/12 mit 13.802 Zuschauern erreicht. Höhepunkt stellte die Saison 2015/16 dar, als der VfL unter Gertjan Verbeek attraktiven Fußball und seine beste Platzierung seit 2011 erzielte.
Besonders bestaunen durften die Zuschauer im letzten Jahrzehnt vor allen einen: Simon Terodde. Der Stürmer aus Bocholt ist mit 118 erzielten Toren nicht nur der erfolgreichste Torschütze der Liga in der letzten Dekade, sondern konnte sich auch dreimal die Torjägerkanone sichern (2016, 2017, 2019) und teilt sich damit zusammen mit Emanuel Günther den Spitzenplatz in der ewigen Bestenliste. Um die Leistung in Relation zu setzen: Fabian Klos liegt mit 71 Toren auf dem zweiten und Andrew Wooten mit 52 auf dem dritten Platz. Drei seiner Tore konnte Terodde auch bei dem 8:1 Kantersieg und damit höchstem Sieg der letzten zehn Jahre gegen die Dynamo aus Dresden beisteuern. Nicht ganz so hoch, aber dafür gleich in zwei Partien, konnten die Bochumer in der vergangenen Saison gegen den 1. FC Ingolstadt und in der Saison 2011/12 gegen Erzgebirge Aue mit jeweils 6:0 gewinnen.
Die meisten Einsätze der letzten zehn Jahre hat Martin Männel (260 Spiele) hinter sich. Der Torwart führt damit vor Markus Karl (247) und Anthony Losilla (240 Spiele), der damit auf der ewigen Liste der 2. Bundesliga auf Platz 84 liegt. Geht in den kommenden 16 Spielen alles gut, kann Toto sich bis auf Platz 62 hocharbeiten.
Verbeek erfolgreichster VfL Trainer der Dekade
Ein etwas kurioseren Rekord hat der 33. Spieltag der Saison 2014/15. Er reiht sich auf Platz zwei der Spieltage ein, an denen die meisten Karten verteilt wurden. Insgesamt 61 gelbe Karten, 3 gelb-rote Karten und eine rote Karte mussten gezogen werden – die 5:1 Niederlage der Bochumer gegen St. Pauli mit insgesamt fünf gelben Karten hat ebenfalls einen Beitrag zu diesem zweifelhaften Rekord geleistet. Der erfolgreichste Trainer mit mindestens 25 absolvierten Spielen ist Markus Babbel mit einem Punkteschnitt von 2,18 Zählern pro Spiel.
Um einen Trainer des VfL zu finden, muss man lange suchen und bis auf Platz 42 runterscrollen – hier findet sich Gertjan Verbeek mit einer Ausbeute von 1,37 Punkten pro Spiel wieder (83 Spiele). Nur zwei Plätze dahinter findet sich Robin Dutt mit 1,36 Punkte pro Spiel wieder (50 Spiele). Insbesondere profitierte die Bilanz vom erfolgreichen Jahr 2018, als Dutt stolze 1,57 Punkte pro Spiel erreichte. Mit 0,7 Punkte pro Spiel im Jahr 2019 lag er hingegen weit hinten in der Tabelle. Der dritterfolgreichste Trainer der letzten 10 Jahre in Bochum war Peter Neururer mit 1,30 Punkten aus 60 Spielen. Mit erst 13 Spielen taucht Thomas Reis noch nicht in dieser Statistik auf, mit 1,38 Punkten pro Spiel würde er in der Momentaufnahme aber sogar noch vor Verbeek liegen. Bei den insgesamt eher dürftigen Punkteausbeuten unter den VfL Trainern ist es wiederum kein Wunder, dass man mit insgesamt 12 Trainern in den letzten zehn Jahren den sechsthöchsten Trainerverschleiß vorweisen kann. Stuttgart (19 Trainer), der Hamburger SV (16 Trainer) und der 1. FC Nürnberg (16 Trainer) teilen sich das unrühmliche Treppchen der Vereine, die zeitweise Gast der 2. Bundesliga waren.
Abschließend lohnt sich noch ein Blick auf die Tabelle der letzten zehn Jahre. Hier führt Union Berlin vor dem VfL Bochum die Spitze an. Dies liegt aber insbesondere darin begründet, dass der VfL der einzige Verein ist, der über den gesamten Zeitraum immer in der 2. Liga vertreten war und somit auch die meisten Spiele (324) bestritten hat. Nur einen Ausflug für eine Saison haben SC Freiburg, Eintracht Frankfurt, Würzburger Kickers, 1. FC Magdeburg, Rot-Weiß Oberhausen und Hansa Rostock gemacht. Der FC aus Augsburg stieg in seinem fünften Jahr der Zweitklassigkeit im Sommer 2011 in die erste Bundesliga auf und verbracht so in der letzten Dekade auch nur ein Jahr in der zweiten Liga. Schlusslicht ist Aufsteiger Wehen Wiesbaden mit 18 gespielten Partien.
Ein Blick in die Glaskugel
Was die kommenden zehn Jahre bringen werden, kann wohl keiner sagen. Von positiven Überraschungen wie der Aufstieg von Paderborn oder Braunschweig bis zu negativen Schicksalen wie der Abstieg von Mannschaften wie Energie Cottbus oder 1860 München, von persönlichen Erfolgsgeschichten wie die Entwicklung von Daniel Keita Ruel oder das stetige Zurückkämpfen von Patrick Fabian bis zu Paradiesvögeln wie Ken Ilsö – es wird sicherlich wieder viel dabei sein über das man sich unterhalten kann.
Da die Schere der ersten beiden Ligen immer weiter auseinander gehen wird und fast jährlich neue, finanziell gut aufgestellte Vereine mit aller Macht von den unteren Ligen nach oben drücken, werden die kommenden zehn Jahre allerdings richtungsweisend für den VfL Bochum. Aktuell hat man es noch selbst in der Hand, um die Zeichen der Zukunft richtig einzuschätzen und die Weichen dementsprechend einzustellen. Schafft man dies nicht, wird es nicht nur mit jeder Saison unwahrscheinlicher wieder in die 1. Bundesliga aufzusteigen, sondern auch zunehmend schwerer sich in der 2. Bundesliga zu halten.
Anmerkung zum Artikel: Alle Transfersummen, Leistungsdaten und Statistiken stammen, wenn nicht anders gekennzeichnet, von Transfermarkt.de. Insbesondere bei Ablösesummen bei denen Stillschweigen und ggf. Nachzahlungen vereinbart wurden, können die tatsächlichen Summen in einzelnen Quellen variieren. So gibt es beispielsweise zum Transfer von Leon Goretzka auch Quellen, die von einer Ablösesumme in Höhe von bis zu 5 Millionen Euro ausgehen.
Dieser Artikel entspringt größtenteils der Feder unseres Gastautors Tim Jessa. Vielen Dank für deine Mühen und diesen tollen Artikel Tim!
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