Von KNVB zu DFB – Atalans Änderungen mit wechselhaftem Erfolg

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Schon bei der unglücklichen Heimniederlage gegen den FC St. Pauli wechselte unser Coach Ismail Atalan mehrfach das System. In der Partie gegen den MSV Duisburg kam nach dem 3-4-1-2/3-2-3-2 und dem 4-1-3-2 der Vorwoche das 4-4-2 neu in das Repertoire. Doch nicht nur das System wurde verändert. Auch die Orientierung und Art der Verteidigung wurde angepasst und erste Ideen von Positionspiel-Guru Pep Guardiola sind beim VfL zu bestaunen.

Raum- statt Manndeckung

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

In der letzten Woche litt unser VfL besonders in der ersten Hälfte unter den Fehlzuordnungen bei der mannorientierten Verteidigung sowie unter der mangelnden Kompaktheit im Zentrum. Diese Defizite versuchte Atalan gegen den MSV zu beheben, indem er auf ein raum- und ballorientierteres System umstellte. Dabei bediente er sich dem Standardkit des DFB – dem 4-4-2 Mittelfeldpressing. Ein bewährtes Mittel von Trainern, die eine Mannschaft defensiv stabilisieren wollen. Die Grundlagen des 4-4-2 kennt jeder Spieler und durch die gleichmäßige Gitterstruktur ist die Orientierung an den Mitspielern leichter als in anderen Systemen. Lucien Favres Borussia Mönchengladbach hat dieses System als Grundlage für eine raumdeckende Verteidigung über Jahre zelebriert.

Mein VfL in der ersten Halbzeit (Grundposition gegen den Ball mit Bewegungen in Ballbesitz)

Die beiden Stürmer Johannes Wurtz und Lukas Hinterseer blockierten also in enger Stellung vor den gegnerischen Innenverteidigern den Zugang zum Mittelfeldzentrum. Dahinter warteten zwei Viererketten in vertikal und horizontal kompakter Stellung. Während die Innenverteidiger des MSV in offener Stellung den Ball zirkulierten, verhielt sich der Block abwartend und verschob, wie im Abschlusstraining einstudiert, diszipliniert von links nach rechts. Sobald der Ball jedoch auf die Außenverteidiger ging oder die Innenverteidiger zu weit abgedrängt wurden, stellten die Flügelspieler den Weg nach vorne zu und die Stürmer liefen mit voller Intensität an. Meist blieb den Duisburgern nur der lange Ball unter Druck von der Seitenauslinie.

Das Rezept ging also im vorderen Teil auf. Nach flachen Pässen zwischen die Linien gab es ein paar aussichtsreiche Ballgewinne mit passenden Konterstaffelungen, die jedoch im letzten Drittel noch nicht perfekt ausgespielt wurden. Die Abwehr zeigte hingegen noch Probleme beim Verteidigen der langen Bälle. Trotz des Druckes konnten die Außenverteidiger Duisburgs diese Bälle gut in die Schnittstellen der Abwehrreihe spielen. Auch die Dynamik beim Einlaufen der Außenspieler passte. Da der ballferne VfL-Außenspieler das Herausschieben der Kette zur Seite jedoch nicht immer voll mitmachte und Hoogland und Losilla sich vom Abkippen des Duisburger Sechsers herausziehen ließen, entstanden vor der Abwehr Räume, in denen der MSV die geklärten Bälle erobern konnte. Dazu trug auch bei, dass Bastians, Fabian und Celozzi teilweise Probleme mit dem Herausköpfen der langen Bälle hatten. Auch wenn es glücklich war, fiel der frühe Gegentreffer genau nach diesem Muster. Duisburgs zur Seitenlinie abgedrängter Innenverteidiger Bomheuer ist eigentlich isoliert und schlägt den langen Ball. Die Kopfballabwehr gerät zu kurz und die Direktabnahme aus dem Rückraum schlägt vom Pfosten ins Tor. Der VfL war nun auch mit Ball gefordert.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Erste Elemente von Positionsspiel im eigenen Ballbesitz

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Das große Problem des 4-4-2 bei eigenem Ballbesitz ist die fehlende Zentrumsbesetzung. Damit sind vorhersehbare Angriffe über die doppelt besetzten Flügel und lange Bälle auf die Stürmer meist die einzigen Mittel. Um dies zu vermeiden, setzte Atalan auf eine Umformung der Formation in Ballbesitz. Meist kippte Tim Hoogland zwischen die Innenverteidiger, die entsprechend weiter nach außen rückten. Unser VfL konnte so in Überzahl gegen die beiden Stürmer des MSV aufbauen – die Grundlage für ein ruhiges und kontrolliertes Positionsspiel. Davor gab es unterschiedliche Mechanismen. Danilo Soares besetzte links meist die Breite, um Eisfeld ein Einrücken in den Halbraum zwischen Flügel und Zentrum zu ermöglichen. Sein Gegenpart Stefano Celozzi auf rechts orientierte sich eher etwas ins Zentrum, da Robbie Kruse meist aus einer breiteren Position startete. Einrückende oder falsche Außenverteidiger sind ein weiteres Mittel des Positionsspiels, da sie das Zentrum stärken und gleichzeitig Passwege auf die Flügeldribbler öffnen, um diese in 1 vs. 1 Situationen zu bringen. Ein Mittel, dass insbesondere Pep Guardiola bei Bayern und Manchester City populär gemacht hat. Außerdem war der Raum rechts von Losilla durch das Abkippen Hooglands geöffnet. Es fand also eine Rochade zwischen Hoogland, Fabian und Celozzi statt. Diese Rochaden sind insbesondere gegen mannorientierte Gegner von Vorteil, da Sie Räume freiziehen und anschließend dynamisch besetzen, was einen Tempovorteil gegenüber dem Gegenspieler bringt.

Wurtz und Eisfeld blockieren sich

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Auch bei den Stürmer gab es eine Asymmetrie. Während Hinterseer häufig ins Sturmzentrum rückte, fiel Wurtz in Ballbesitz zwischen die Linien zurück. Dabei hielt er jedoch seine halblinke Position, so dass er sich mit dem leicht eingerückten Eisfeld in die Quere kam. Das 3-2-4-1 in Ballbesitz hatte somit zwei linke aber keinen rechten Zehner. Diesen Umstand konnte der nach rechts positionierte Hinterseer zwar beim Zurückfallen nutzen, um Bälle auf die nach- und einrückenden Hoogland und Kruse abzulegen, was jedoch nicht perfekt mit dem eher ruhigen, am Positionsspiel orientierten, Rhythmus des Spielaufbaus passte.

Diese fehlende Balance war dann auch das große Problem des VfLs in der ersten Halbzeit. Während die Positionsspielmechanismen eher auf eine ruhige Ballzirkulation ausgelegt sind, die den Gegner zurechtlegt, um dann in die geöffneten Räume zuzuschlagen, war der Rhythmus noch eher vom von Verbeek gepredigten schnellen Kombinationsspiel geprägt. Hier gab es dann auch einige nette Momente, die jedoch nur selten in echte Torchancen umgewandelt werden konnten.

Mit Bandowski kommt der Umschwung

Mein VfL in der zweiten Halbzeit (Grundposition gegen den Ball mit Bewegungen in Ballbesitz)

Wie schon in der letzten Woche erkannte das Trainerteam die Probleme und konnte in der Halbzeit erfolgreich anpassen. Wurtz musste weichen und Eisfeld konnte nun alleine den Zehnerraum übernehmen. Zudem wurde das Positionsspiel vereinfacht, symmetrischer gestaltet und somit durchschlagskräftiger gemacht. Der VfL agierte nun eher in einem 3-3-3-1. Gemäß dem Motto: „Baue nicht dort auf, wo Du den Angriff abschließen möchtest“, nutzte unser VfL Celozzis Einrücken auf rechts, um dort durch Kombinationen und Dribblings das Pressing der Duisburger anzulocken. Nach der Verlagerung warteten nun auf links mit Soares und Bandowski zwei pfeilschnelle Spieler, die gemeinsam in Überzahl die Lücken im Abwehrverbund attackierten. Soares konnte nach einem Ballgewinn im Gegenpressing dann auch Bandowski zum Ausgleichstreffer auf die Reise schicken.

Das Duo aus Bandowski und Soares agierte nun ähnlich wie Celozzi und Kruse auf rechts, wobei Soares die Räume im Zentrum neben und vor Losilla jedoch eher dynamisch nutzte. Damit konnte die Stabilität erhöht werden und Bandowski lieferte auf der offensiven Außenbahn eine sehr gute Partie ab. Trotz guter Chancen wollte der Siegtreffer jedoch leider nicht fallen.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Fazit und kurze Einzelkritik

Es steht unserem VfL und Ismail Atalan noch ein weiter Weg bevor. Die Umstellung in Richtung eines mehr ball- und raumorientierten Pressings ist richtig. Die Mannorientierungen aus der Zeit Gertjan Verbeeks ließen zuletzt zu viele wichtige Räume offen. Das 4-4-2 ist ein guter Start, um die Mechanismen der angestrebten Verteidigungsart einzustudieren. Ob die Umstellung des eher wilden und direkten Positionsspiels Verbeeks in Richtung eines eher an Guardiola orientierten Ballbesitzspieles notwendig ist, kann sicher diskutiert werden. Interessant wird diese Entwicklung jedoch allemal.

Durch die Mischung zweier unterschiedliche Systeme mit und gegen den Ball, mussten ein paar Spieler in unpassenden Rollen agieren. Insbesondere Wurtz und Eisfeld wirkten in der ersten Hälfte eher unglücklich. Patrick Fabian ist stark im Duell Mann gegen Mann, als Halbverteidiger einer Dreierkette fehlt ihm jedoch die Passstärke und Übersicht. Hier wäre es eine Überlegung, Hoogland oder Losilla anstatt zentral zwischen die Innenverteidiger eher zur Seite abkippen zu lassen, um diese Position zu übernehmen, während Fabian das Zentrum sichern kann.

Die Doppelsechs aus Losilla und Hoogland funktionierte bereits wieder. Beide machten ein sehr gutes Spiel. Losilla gewann 16 Zweikämpfe, hatte zwei offene Ballgewinne und fünf Klärungen. Mit 91 Ballbesitzphasen war er der präsenteste Spieler auf dem Platz. Seine Passquote war mit 63 angekommenen Pässen bei fünf Fehlpässen okay, wobei überragende vier Pässe direkt zu Torchancen führten. Tim Hoogland fing drei Pässe ab und gewann elf Zweikämpfe. In Ballbesitz spielte er den Pass zur Mlapas Torchance und hatte in Summe 52 Ballbesitzphasen.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Celozzi zeigte in der ersten Halbzeit als Außenverteidiger eine eher durchwachsene Vorstellung mit ein paar unglücklichen Kopfballabwehrversuchen. In der zweiten Hälfte war er jedoch wichtig, um das Pressing anzulocken und zu umspielen. Er kam auf zwei Pässe zur Vorbereitung von Torchancen. Soares zeigte im Vergleich zur Vorwoche bereits mehr von seinem Potenzial. Neben der herausragenden Vorbereitung des Ausgleichs, kam er auf einen weiteren Pass zu einer Torchance, konnte zwei offene Bälle gewinnen und viermal klären. Mit 84 Ballbesitzphasen war er der zweitpräsenteste Spieler auf dem Platz.

Auf der Außenbahn konnte insbsesondere Bandowski punkten. Er harmoniert extrem gut mit Soares und kann diesem ein präsenteres Spiel im zweiten Drittel ermöglichen. In nur einer Halbzeit kam er auf zwei offene Ballgewinne und hatte die höchste Anzahl erfolgreichster Dribblings (2). Robbie Kruse zeigte gute einrückende Bewegungen und kann mit seinem Tempo noch eine Waffe werden. In diesem Spiel blieb er mit nur einem erfolgreichen Dribbling jedoch noch unter seinen Möglichkeiten. Sowohl Kruse als auch Bandowski verloren defensiv noch manchmal den Anschluss an die Mittelfeldkette oder ließen sich zu tief hinten rein drängen, so dass Losilla und Hoogland im Zentrum im Stich gelassen wurden.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Lukas Hinterseer zeigte einzelne Highlights bei Ablagen auf Kruse und Eisfeld, verlor jedoch noch zu häufig den Ball. Mit sechs Ballverlusten und drei schlechten Ballannahmen liegt er weit hinter dem Mannschaftsdurchschnitt. Hoffen wir mal, dass unser Neuzugang in den nächsten Wochen mit mehr Trainingseinheiten noch besser in Tritt kommt. Im Pressing war sein Anlaufen und Einsatz bereits vorbildlich. Gleiches gilt für Wurtz, der aus den angesprochenen Gründen hinter seiner Form der Vorsaison zurückblieb.

Autor: Tobias Wagner

Ich bin seit meinem fünften Lebensjahr Fan des VfL. Die Hochzeiten des Vereins mit den beiden UEFA-Cup Teilnahmen habe ich in meiner Jugend live miterlebt. Von da an war klar - für mich gibt es nur den VfL. Die Jungs von Spielverlagerung weckten meine Begeisterung für die Taktikanalyse. Auf erste Taktikanalysen, die noch direkt an den VfL versendet wurden, folgte der Blog "Blau-weiße Taktikecke". Später wurde ich dann selbst Autor bei Spielverlagerung und Trainer verschiedener Jugendmannschaften (U14-U16). Meine Begeisterung für Fußball, Training, taktische Raffinessen und statistische Spielereien möchte ich nun hier mit Euch teilen.

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