Im zweiten Testspiel der Vorbereitung ging es gegen den Bochumer Kreispokalsieger CSV Sportfreunde Linden. Wie schon im Test gegen Grümerbaum, zeigte Verbeek zwei komplette Mannschaften in unterschiedlichen Systemen. Auch wenn das 9:0 gegen den Bezirksligisten wenig Aussagekraft hat, so zeigt sich eine neue taktische Flexibilität und insbesondere die gefühlten Neuzugänge Kevin Stöger, Jannik Bandowski und Ulrich Bapoh machen Lust auf mehr.
So schön die Anlage der Sportfreunde auch liegt, so beschwerlich war die Anreise. Die Fans, die wie ich, den Schildern folgten und den Weg über die Hasenwinkeler Straße wählten, mussten erst mit der Steigung, dann mit dem fehlenden Bürgersteig und zum Abschluss mit einer langen Schlange kämpfen. Bis zum Anpfiff wurden die Kassenhäuschen an den beiden Eingängen nur einfach besetzt. Die 1700 Fans in den Schlangen ließen sich davon aber nicht die Stimmung verderben, sondern nutzten die Zeit sich durch Fachdiskussionen auf das Spiel einzustimmen.
Über die Lautsprecher bekamen wir in der Schlange immerhin mit, dass neben den verletzten Timo Perthel, Nico Rieble, Vitaly Janelt (alle Knie), Vangelis Pavlidis (Rücken) und Felix Dornebusch(muskuläre Probleme) sowie den reisenden Görkem Saglam (U19 Deutschland) und Peniel Mlapa (Togo) auch Patrick Fabian durch einen leichten Magen-Darm-Virus fehlte. Der Capitano steigt voraussichtlich Montag wieder voll ins Mannschaftstraining ein.
Erste Halbzeit: Hipster-Bubi-Abwehr und Flanken ohne Ende
In der ersten Halbzeit setzte unser niederländischer Cheftrainer, wie bereits gegen Grümerbaum, auf das 3-4-1-2. Das System wurde konsequent und für Verbeeks Verhältnisse relativ symmetrisch interpretiert. Vor Torwart Martin Kompalla bildeten Maxim Leitsch, Tom Baack und Jan Gyamerah eine relativ breit agierende Dreierabwehrreihe. Vor der Abwehr agierte Russell Canouse als tiefer Abräumer, der sich gelegentlich auch aushelfend in die Abwehr zurückfallen ließ. Dies war nötig, da die Halbverteidiger, auch nach Ballverlusten, eher breit blieben, anstatt direkt einzurücken und das Zentrum zu sichern. Unterstützt wurde Canouse im Zentrum von Dominik Wydra, der sich als linker Achter jedoch eher raumöffnend und im Rückraum absichernd verhielt und somit wenig direkten Einfluss auf der Spiel nahm. Die dominante Rolle kam daher eher Linksaußen Marco Stiepermann zu, der aus seiner breiten Position einen Flankenlauf nach dem anderen startete, um die Doppelspitze aus Johannes Wurtz und Neuzugang Dimitrios Diamantakos mit Bällen zu versorgen. Thomas Eisfeld agierte im Schatten der Doppelspitze und versuchte, das Spiel aus dem Zwischenlinienraum zu ordnen und mit Vorstößen aus der Tiefe torgefährlich zu werden. Selim Gündüz besetzte die rechte Seite, von der er ähnlich wie Stiepermann Flanken schlug, die jedoch meist ihr Ziel verfehlten.
Eine besondere Rolle kam in diesem System Youngster Maxim Leitsch zu. Da Stiepermann und Wydra ihm den Raum öffneten, konnte er immer wieder beherzt Läufe durch den Halbraum starten und das Dreieck aus Eisfeld, Wurtz und Diamantakos einsetzen. Aus diesen Vorstößen entstanden auch die schönsten Spielzüge, die leider viel zu selten in Toren resultierten. Diese fielen stattdessen nach Flanken, wie bei Diamantakos Dosenöffner zum 1:0, der von Stiepermann hereingebracht und vom Griechen formschön vollendet wurde, oder bei Wurtz Tor zum 3:0, bei dem sogar ein Flanken-Pingpong von Gündüz mit anschließender Volleyabnahme von Stiepermann voranging. Die weiteren Tore in Halbzeit 1 fielen durch Wurtz nach einem abgefälschten Schuss des aufgerückten Leitsch und durch Gündüz nach einer schönen Kombination von ihm und Diamantakos.
Insgesamt war die erste Halbzeit jedoch eher enttäuschend. Gefühlt gab es mindestens eine Flanke pro Minute, wobei die tapferen Männer aus Linden mit ihren Mannorientierungen eigentlich genügend Räume im Zentrum für Kombinationen anboten. Sie ließen sich aus ihren Viererketten immer wieder herausziehen. Der VfL bespielte dies jedoch meist zu direkt mit nicht ausreichend vorbereiteten Bällen in die Tiefe. Stiepermann und Wurtz, aber auch Eisfeld, boten dazu die notwendigen Läufe an, während Diamantakos, durch sein Ausweichen, Lücken riss. 2-3 Kombinationen des Dreiecks aus Wurtz, Eisfeld und Diamantakos ließen jedoch erahnen, was bei etwas geduldigerer Vorbereitung und mehr Spielfreude möglich gewesen wäre. Das Highlight der ersten Halbzeit war eine Großchance des Griechen nach einer Direktpasskombination, bei der er Lindens Torwart eigentlich schon mit einem Roulette umspielt hatte, dieser den Ball im Nachfassen aber doch noch sichern konnte.
Zweite Halbzeit: Die linke Seite macht Lust auf mehr
In der zweiten Halbzeit folgte Verbeek seiner Ankündigung und wechselte die komplette Elf. Dabei wurde im Tor und in der Abwehrreihe die voraussichtliche Stammbesetzung der Hinrunde (also bis zu Perthels Rückkehr und vollständiger Wiederherstellung der Physis) aufgeboten. Vor Kapitän Manuel Riemann verteidigten Felix Bastians und Tim Hoogland. Die Außenverteidiger Jannik Bandowski und Stefano Celozzi schalteten sich immer wieder flexibel in die Angriffe mit ein, während die verbleibenden Kollegen eine Dreierkette zur Absicherung bildeten. Davor nahm Anthony Losilla den balancierenden Part der Doppelsechs ein. Sein Partner Alexander Merkel agierte als Antreiber, der sich weiträumig im Zentrum des Spielfelds rumtrieb. Unterstützt wurde er dabei von Linksaußen Kevin Stöger, Zehner Ulich Bapoh und Rechtsaußen Tom Weilandt, die sich flexibel im Zehnerraum bewegten und immer wieder Räume überluden, öffneten und dynamisch besetzten. Die Sturmspitze bildete Neuzugang Lukas Hinterseer.
Im Gegensatz zur eher direkten ersten Halbzeit strotzte die Elf der zweiten Halbzeit vor Spielfreude. Dies ging soweit, dass viele Fans um mich herum sich über die fehlenden Torschüsse und Flanken beschwerten. Ich genoß jedoch die Laufwege von Bandowski, der je nach Spielsituation, die Passwege auf den breiten Stöger durch ein Einrücken öffnete, die durch Stögers Besetzen des Zehnerraums geöffnte linke Seite mit Vorstößen attackierte oder diagonal in die von Merkel freigedrückten Räume rochierte. Insbesondere verfiel ich jedoch Kevin Stöger, der mit absurden Dribblings durch mehrere Gegenspieler, gut getimten Läufe in die Tiefe und permanentes Einrücken in den Zehner- und Achterraum das Spiel an sich riss. Unterstützt wurde er dabei vom jungen Ulrich Bapoh, der stets die Verbindungen aufrechterhielt, Stöger mit Ablagen und Läufen unterstützte und nebenbei noch ein Tor per Kopf erzielte. Merkel komplettierte dieses spielstarke Viereck mit seinen nachstoßenden Läufen aus der Tiefe.
„Der [Ulrich Bapoh] ist zwar jünger als ich, aber der ist ein Tier, da kannst du nix machen“
Bapohs Gegenspieler nach seiner Auswechslung
Entsprechend fielen die Tore in Halbzeit 2 auch nach ansehnlichen Spielzügen. Eingeleitet durch einen feinen Lochpass von Bapoh erzielte Hinterseer das 5:0. Nach einem Kopfball an die Latte von Bandowski konnte Bastians zum 6:0 abstauben. Das 7:0 erzielte der eingerückte Weilandt nach dem die linke Seite nach einer Kombination die Seite wechselte. Der Kopfball zum 8:0 von Bapoh wurde durch eine Freistoßflanke von Stöger vorbereitet. Den Assist zum Endstand übernahm Hinterseer, nachdem er geschickt in die Freiräume vor der Abwehrkette zurückgefallen war, und Weilandt mit einem feinen Pass einsetzte. Da der VfL gegen Ende das Tempo etwas rausnahm und lieber ruhig dem Ballbesitzt fröhnte, konnte der Bezirksligist sein Ziel eines einstelligen Ergebnis so grad noch erreichen.
Fazit
Im zweiten Testspiel zeigte der VfL Bochum seine taktische Flexibilität und die Tiefe des Kaders. Ob symmetrische Dreierkette, Flankenfokus und direktes Spiel in Halbzeit 1 oder asymmetrische Viererkette mit flexiblem Kombinationsspiel in Halbzeit 2, der VfL kann durch verschiedene Spielertypen und Systeme auf die Rahmenbedingungen reagieren.
Die gefühlten Neuzugänge Kevin Stöger und Jannik Bandowski belebten die linke Seite zu alter Stärke. Jugendspieler wie Maxim Leitsch und Ulrich Bapoh machen langsam Druck auf die Etablierten. Insbesondere Letzterer durfte sich in der vermeintlichen Stammelf beweisen. Tatsächlich passt er als Zehner besser zu Stöger, mit dem er bereits perfekt harmonierte, als der selbst eher dominate Eisfeld. Unser Mittelfeldchef könnte eventuell statt Merkel die linke Acht übernehmen. Wir können uns auf die nächsten Testspiele und den Saisonstart freuen.
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