Heiko Butscher – der aggressive Leader

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)
24.05.2015 - 0:0

Heiko Butscher hat beim VfL Bochum, und generell in seiner Karriere, einiges erlebt. Der 37-jährige geht bereits – mit Unterbrechungen – in sein siebtes Jahr VfL Bochum und hat schon mehrere Stationen beim VfL durch. Abwehrchef, Stand-by-Profi, Jugendtrainer, Co-Trainer und jetzt auch Interimstrainer beim VfL Bochum. Grund genug, sich seinen Werdegang genauer anzusehen.

Seine Anfänge bei den Amateuren

Heiko Butscher wurde am 28.  Juli 1980 in Leutkirch im Allgäu (Landkreis Ravensburg) geboren. Nicht, wie heute üblich, in einem Nachwuchsleistungszentrum groß geworden, spielte Butscher in der Jugend für mehrere Amateurvereine. Vom SV Dietmanns über den SV Ellwangen zum SV Aichstetten und letztlich zum FC Wangen 05, welcher übrigens auch der Jugendverein von Janik Haberer ist, verließ Heiko Butscher 1999 seine Heimat im Alter von 19 Jahren zum Karlsruher SC. Butscher war damals aber kein gefürchteter Innenverteidiger, sondern vielmehr ein talentierter Außenstürmer. So absolvierte Butscher in der Saison 1999/00 in der Regionalliga insgesamt 32 Partien und landete mit den Karlsruher Amateuren auf dem zwölften Platz. Da die erste Mannschaft des Karlsruher SC allerdings aus der zweiten Bundesliga abstieg, musste auch die zweite Mannschaft des KSC eine Etage tiefer. Dort lief es für die jungen Mannschaft nicht rund. Zur Winterpause stand der KSC auf einem Abstiegplatz, sodass Trainer Edmund Becker von Trainernovize Marco Pezzaiouli ersetzt wurde. Dieser führte die Mannschaft noch auf den achten Tabellenplatz. Derweil kam Butscher sogar zu zwei Einsätzen in der ersten Mannschaft der Karlsruher. Bei 1860 München und gegen Eintracht Trier wurde der Außenstürmer Butscher unter Trainer Stefan Kuntz als Linksverteidiger eingesetzt. Der Karlsruher SC stieg als souveräner Meister aus der Regionalliga in die zweite Bundesliga auf.

In der darauffolgenden Saison wurde Butscher weiterhin in der Oberligamannschaft eingesetzt. Zusammen mit jungen Nachwuchsspielern wie den Russen Ivan Saenko, Verteidigertalent Carsten Rothenbach und dem 18-jährigen Christian Eichner nahm Butscher eine Führungsrolle ein und erzielte insgesamt acht Treffer. Zwar verharrte der Karlsruher SC mit Platz 11 weiterhin in der Oberliga, für Heiko Butscher ging es jedoch weiter bergauf. Der zum Linksverteidiger umgeschulte Butscher schloss sich im Sommer 2002 dem SV Sandhausen an. Bei den ambitionierten Kurpfälzern kam Butscher zwar zu regelmäßigen Einsätzen, verpasste jedoch als Vierter knapp den Aufstieg in die drittklassige Regionalliga. Während es für den SV Sandhausen nicht höher ging, schloss sich Heiko Butscher dem VfB Stuttgart an. Reinhold Fanz‘ Nachfolger Rainer Adrion setzte Butscher sogar erstmals als Innenverteidiger ein. Als Innenverteidiger hatte Butscher seinen Stammplatz sicher und so erreichte die junge Stuttgarter Mannschaft den Klassenerhalt mit sieben Punkten Vorsprung. Neben Rainer Adrion hatte auch der Stuttgarter Coach Matthias Sammer eine hohe Meinung von Heiko Butscher. Und so kam es, dass Sammer für ein Spiel gegen den FC Schalke den Innenverteidiger für ein Spiel mit zu den Profis berief. Bei den Amateuren war Butscher mittlerweile Kapitän und beendete mit den „Jungen Wilden“ die Saison als Tabellen-13.

Wechsel zum VfL Bochum

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Durch gute Einsätze in der Regionalliga empfahl sich Heiko Butscher den Talentscouts des VfL Bochum. Beim Erstligaabsteiger erkämpfte sich Butscher in der Saison 2005/06 unter Marcel Koller sofort einen Stammplatz und wurde so eine feste Größe in der Verteidigung. Am 25. Spieltag gelang Butscher sogar beim 0:1-Auswärtssieg bei 1860 München sein erstes Profitor – vor knapp 28.000 Zuschauern in der Allianz-Arena. Der VfL schaffte mit 66 Punkten die direkte Rückkehr in die Fußball-Bundesliga.

Auch in der Bundesliga war Heiko Butscher, begünstigt durch den verletzungsbedingten Ausfall von Marcel Maltritz, in der Innenverteidigung zunächst gesetzt. Am 14. Spieltag sah Butscher bei der 2:1-Auswärtsniederlage eine rote Karte nach einer Notbremse, die ihn zunächst für zwei Spiele zuschauen ließ. Durch die Nachverpflichtung von Anthar Yahia zur Winterpause im Januar 2007 war Butscher dank des Traumpaars Yahia-Maltritz erst wieder auf der Tribüne zu finden. Ein Vorteil von Butscher, dass er neben Innenverteidiger auch Linksverteidiger spielen kann, brachte ihm wieder einen Platz in der Startelf. Anstelle von Linksverteidiger Philipp Bönig verteidigte Butscher links und war so an der Siegesserie von sechs Siegen aus acht Spielen maßgeblich beteiligt, die den VfL fast in den UI-Cup brachte. Anstatt mit dem VfL weiterhin in der Bundesliga zu spielen, entschied sich Butscher allerdings für Süddeutschland und nahm ein Vertragsangebot des SC Freiburg an.

Karrierehoch beim SC Freiburg

Beim Zweitligisten, bei dem Robin Dutt für den nach 16 Jahren scheidenden Volker Finke übernahm, bekam Butscher gleich eine Führungsrolle in der Innenverteidigung zugesprochen. Als Vize-Kapitän verteidigte Butscher an der Seite von Pavel Krmas und verpasste mit den Breisgauern in der ersten Saison mit Platz 5 nur knapp den Sprung in die Bundesliga. Im Sommer 2008 bekam Butscher dann endgültig die Kapitänsbinde und legte eine grandiose Saison hin. Mit Verteidigertalent Ömer Toprak oder als Aushilfs-Linksverteidiger absolvierte Butscher 31 Spiele und stieg mit dem SCF mit sechs Punkten Vorsprung als Meister auf. Erstmals wurde auch in der zweiten Liga die Meisterschale eingeführt, so war Butscher mit seinem Team der erste, der die „Felge“ in die Höhe ragen durfte. Butscher fungierte immer öfter als Linksverteidiger, da sich in der Innenverteidigung Krmas und Oliver Barth festspielten. Zur Saison 2009/10 wurde zudem mit Felix Bastians von den Young Boys Bern ein Linksfuß verpflichtet, der die gleichen Positionen wie Butscher bekleidete. Doch der beidfüßige Butscher behauptete auch weiterhin seinen Stammplatz, erzielte am 12. Spieltag beim Auswärtssieg des SC Freiburg in Bochum sogar das Führungstor der Freiburger, die das Spiel mit 1:2 für sich entscheiden konnte. Am Ende erreichte Butscher mit den Freiburgern den 14. Tabellenplatz, fünf Punkte Vorsprung vor dem Tabellen-17 Bochum.

Ausmusterung beim SC Freiburg und Wechsel zu Eintracht Frankfurt

Auch in der Saison 2010/11 war Heiko Butscher aus der Startelf des SC Freiburg nicht wegzudenken. Beim Spiel gegen den VfL Wolfsburg am 6. Spieltag riss sich allerdings Butscher das Innenband im Knie und fiel so für insgesamt sieben Spiele aus. In dieser Zeit war Oliver Barth der Abwehrchef und hielt mit Ömer Toprak den Laden dicht. Nach auskurierter Verletzung war Butscher aber wieder da, als wäre er nie weg gewesen. Am Ende stand Platz neun mit Freiburg zu Buche. Einer guten Saison folgten allerdings, wie immer, viele Abgänge von Leistungsträgern. Papiss Demba Cisse verließ Freiburg gen Newcastle, Ömer Toprak und sogar Chefcoach Robin Dutt schlossen sich Bayer Leverkusen an. Denkbar schlecht startete Freiburg unter dem bisherigen Co-Trainer Marcus Sorg in die Saison. Butscher war zwischenzeitlich mit Oberschenkelproblemen außer Gefecht – ohne ihn verloren die Freiburger in München sogar mit 7:0.

Zum 1. Januar 2012 wurde Butscher, trotz Stammspieler und Kapitänsbinde, zusammen mit vier anderen Spielern, ein Wechsel nahegelegt. Lediglich in der Fußballschule zu trainieren konnte nicht der Anspruch von Butscher sein, der sich immer vorbildlich gegenüber anderen Spielern verhielt. Während sich beispielweise Felix Bastians Hertha BSC anschloss, wechselte Butscher zum Zweitligisten Eintracht Frankfurt. Diese waren als Absteiger zwar auf Wiederaufstiegskurs, konnten aber einen erfahrenen Mann wie Butscher gebrauchen. Frankfurt stieg am Ende als Vizemeister auf und Butscher konnte so wieder in der 1. Bundesliga spielen. Die Saison 2012/13 lief nicht gerade nach Butschers Wünschen. So wurde auf der Linksverteidiger-Position von Leverkusen Bastian Oczipka verpflichtet und in der Innenverteidigung waren Bamba Anderson und Carlos Zambrano gesetzt. Trotzdem setzte Trainer Armin Veh auf Butschers Führungsqualitäten und ließ so Butscher auch außerhalb des Platzes mehr Verantwortung zukommen. Veh war begeistert ob Butschers Teamplays, überlegte sogar, ihn nach der Saison in den Trainerstab einzubinden, falls Butscher seine Karriere nach der Saison beenden sollte. Butscher absolvierte zwar lediglich vier Spiele, die Saison beendete Frankfurt aber als Sechster und qualifizierte sich so für die Euro League.

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Rückkehr zum VfL Bochum

Anstatt mit Eintracht Frankfurt auf Euro-League-Reisen nach Bordeaux, Nikosia oder Porto zu gehen (und sei es im Trainerstab), entschied sich Heiko Butscher für eine Rückkehr zum VfL Bochum. Auch unter Peter Neururer sollte Butscher seine Führungsqualitäten in- und außerhalb des Platzes zeigen und so die Defensive stabilisieren, die im Jahr zuvor 52 Gegentore schlucken musste. Die Anzahl der Gegentore konnte zwar reduziert werden, was allerdings zu Lasten der erzielten Tore ging und der VfL nach Platz 14 nun Tabellenplatz 15 erreichte. Zu allem Überfluss wurde Butscher erneut von mehreren Verletzungen gebremst, so konnte Butscher lediglich zehn Spiele absolvieren, zeigte sich mit drei Toren trotzdem relativ Treffsicher. Damit war Butscher drittbester Torschütze des Teams.

In der darauffolgenden Saison wurde mit Jan Simunek ein neuer Innenverteidiger verpflichtet. Butscher sollte lediglich die Rolle des Stand-by-Profis erfüllen, so war Butscher hinter Simunek, Patrick Fabian und Malcolm Cacutalua Verteidiger Nummer vier. Butscher kam zu sechs Ligaeinsätzen und einem Pokaleinsatz gegen Dresden, bei dem er 120 Minuten durchspielte. Nach einer erneuten Verletzung im Trainingslager im Januar 2015, Gertjan Verbeek war mittlerweile verantwortlich an der Castroper Straße, verkündete Butscher sein Karriereende zum Ende der Saison. Beim letzten Heimspiel gegen den SV Sandhausen wurde Butscher verabschiedet, kam trotz warmmachen und Forderung der Fans nicht zu seinem Abschiedsspiel. Butscher lehnte ein Vertragsangebot des Vereins, als Trainer im Jugendbereich zu arbeiten vorerst ab, so wollte er mit seiner Frau Maren, die beim Landgericht Bochum als Richterin tätig ist, und seinem Sohn Mats die Zeit nach dem Fußball in Ruhe genießen.

Butscher als Trainer

Im Juli 2015 packte Butscher auf einmal doch das Trainerfieber. Für den zu Hannover 96 abgewanderten Sven Thur wurde Butscher als Co-Trainer von Dimitrios Grammozis installiert. Nachdem sich Butscher bei der U16 bewährt hatte, rückte er zur U19 als Co-Trainer von Jan Siewert auf. Und auch bei der U19 wurde Butscher sehr positiv von den Vereinsverantwortlichen gewertet. So waren seine Motiviationsreden sehr beliebt unter den Jugendlichen. Zum 1. Januar 2017 rückte Butscher dann als Co-Trainer für die Lizenzspielermannschaft auf. Der Aushilfs-Co Jens Rasiejewski sollte sich seinen eigentlichen Aufgaben beim Talentwerk näher widmen. Nach der Entlassung von Ismail Atalan ist Butscher als zusammen mit Jens Rasiejewski hauptverantwortlich für die Geschicke der Mannschaft des VfL.

Seit heute, dem 08.02.2018, steht Heiko Butscher als Interimstrainer bei unserem VfL an der Linie. Wir wünschen viel Erfolg und Glück auf!

 

Einige Eckdaten zu Heiko Butscher:

Geboren am 28. Juli 1980 in Leutkirch im Allgäu

Position in aktiver Karriere: Defensivallrounder

Stationen in der aktiven Karriere: FC Wangen 05 (-1999), Karlsruher SC (1999-2002), SV Sandhausen (2002/03), VfB Stuttgart II (2003-2005), VfL Bochum (2005-2007), SC Freiburg (2007-12/2011), Eintracht Frankfurt (01/2012-2013), VfL Bochum (2013-heute)

Autor: Matthias Rauh

Obwohl in Bayern wohnhaft besitze ich eine Dauerkarte beim VfL und versuche, jedes Heimspiel und jedes Auswärtsspiel im Süden vom VfL mitzunehmen. Meine Begeisterung für den VfL entwickelte sich in der Saison 2006/07, endgültig besiegelt wurde sie bei dem eigentlich völlig belanglosen Spiel Karlsruher SC gegen den VfL im Jahr 2008. Während eines Fußballturniers wollten meine Mannschaftskameraden in der Bundesligakonferenz ständig die Zwischenstände von Bayern München und Nürnberg wissen, ich erntete misstrauische Blicke, als ich den Zwischenstand von Bochum wissen wollte. Abstieg, Relegation, Funkel, Neururer... ich bin immer noch dabei und freue mich immer mehr auf Spiele wie Bochum gegen Sandhausen als Bayern gegen Dortmund.

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