Ein ehemaliger Defensivspezialist als Cheftrainer – Jens Rasiejewski im Porträt

Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Nach der Beurlaubung von Cheftrainer Ismail Atalan haben nun Jens Rasiejewski und Heiko Butscher das Sagen an der Castroper Straße. Rasiejewski kam 2015 zum VfL und darf den VfL die nächsten Spiele interimsweise betreuen. Wir haben uns die Karriere des Marburgers genauer angesehen.

Wer ist Jens Rasiejewski?

Jens Rasiejewski wurde am 1. Januar 1975 in Marburg in Mittelhessen geboren. Seine ersten fußballerischen Schritte unternahm Rasiejewski beim SV Erfurtshausen, knapp 20 km östlich von Marburg. Sein nächster Verein war der VfB Marburg, für den er bis zu seinem 18. Lebensjahr spielte. 1991 spielte Rasiejewski u. a. zusammen mit Carsten Jancker zusammen mit der deutschen Jugendnationalmannschaft bei der U16-Europameisterschaft in der Schweiz und konnte erst im Finale von Spanien gestoppt werden. 1993 wagte Rasiejewski dann den Sprung zum FSV Frankfurt.  Mit den Bornheimern stieg Rasiejewski bereits im ersten Jahr als Erstplatzierter aus der Amateuroberliga Hessen in die zweite Bundesliga auf, mit unserem neuen Chef-Trainer als wichtigem Teil der Mannschaft. Auch in der zweiten Liga kam Rasiejewski unter Trainer Klaus Gerster zu insgesamt 23 Einsätzen. An ihm lag es nicht, dass der FSV Frankfurt am Ende der Saison mit nur drei Siegen als Tabellenletzter sang- und klanglos abstieg. Auch in der darauffolgenden Saison, die Gegner hießen mittlerweile TSF Ditzingen, SG Egelsbach oder VfR Mannheim, stiegt der FSV als Tabellenletzer ab.

Rasiejewski folgte allerdings nicht dem FSV Frankfurt zurück in die Amateurgefilde, sondern unterschrieb beim Regionalligisten Hannover 96. Beim damaligen Zweitligaabsteiger, aus der niedersäsischen Landeshauptstadt, hatte Rasiejewski keine Anlaufschwierigkeiten und avancierte zum Stammspieler. Mehr noch: Hannover 96 holte sich mit 83 Punkten, noch vor Eintracht Braunschweig, souverän die Meisterschaft. Doch wie auch in der damaligen Regionalliga, berechtigte der Meistertitel nicht zum Aufstieg. Das Entscheidungsspiel in Cottbus ging verloren, sodass die Niedersachsen ein weiteres Jahr in der Regionalliga verharren mussten. Die Mannschaft von Reinhold Fanz, mit den jungen Spielern Gerald Asamoah und Fabian Ernst, legte allerdings im zweiten Jahr noch einen drauf und wurde mit 89 Punkten erneut Staffelsieger. Im Relegationsspiel setzte man sich letztlich im Elfmeterschießen gegen Tennis Borussia Berlin durch und konnte so den Aufstieg in Liga zwei feiern. Rasiejewski leitete nach der 2:0-Niederlage in Berlin das 2:0 im Rückspiel durch Vladavan Milovanovic ein, das den Aufstieg überhaupt erst ermöglichte. Tennis Borussia revanchierte sich und schmiss im Jahr darauf die die Hannoveraner in der ersten Runde des DFB-Pokals raus. Rasiejewski wurde zum Dauerbrenner bei den Rothemden und absolvierte mit Hannover alle 34 Partien. Am 28. Spieltag erzielte er sogar gegen Fortuna Köln sein erstes Tor im Profifußball. Für den Verteidiger sollten lediglich drei weitere dazu kommen. Am Saisonende stand Hannover auf dem vierten Tabellenplatz und verpasste nur um einen Punkt den direkten Durchmarsch in die Bundesliga.

Während es für Hannover ganz knapp nicht in die erste Bundesliga ging, nahm Rasiejewski ein Angebot von Eintracht Frankfurt an. Diese nachvollziehbare Entscheidung, so war Rasiejewski näher an der Heimat, sorgte bei den Fans von Hannover nicht unbedingt für Begeisterung und wurde mit Pfiffen quittiert. Und auch Rasiejewski hatte Anfangs Startschwierigkeiten. Der Defensivspezialist kam erst am siebten Spieltag zu seinem Erstligadebüt gegen den FC Schalke 04. Mit rund 21 Saisoneinsätzen erreichte Rasiejewski mit Eintracht Frankfurt den 14. Tabellenplatz, der zum Verbleib in der Liga berechtigte und wurde sogar in Deutschlands B-Nationalteam berufen, für das er zwei Spiele absolvierte. In der Saison 2000/01 setzte ihn zur Rückrunde voerst ein Knorpelschaden außer Gefecht. Zuvor gab Rasiejewski am 15. Spieltag die Vorlage zum Tor von Thomas Reichenberger bei der 2:1-Niederlage von Eintracht Frankfurt beim VfL im Ruhrstadion. Ohne dass Rasiejewski in der Rückrunde eingreifen konnte, rutschte die Eintracht auf Platz 17 ab und verabschiedete sich aus der Bundesliga.

In der Zweitligasaison traf Rasiejewski übrigens erneut auf den VfL Bochum, aber während der VfL als Drittplatzierter direkt wieder aufstieg, wurde Frankfurt lediglich Siebter. Zu allem Überfluss verlor Rasiejewski am Ende der Saison seinen Stammplatz, sodass er sich zur Saison 2002/03 dem Zweitligaaufsteiger FC St. Pauli anschloss. Dort sollte Rasiejewski zusammen mit Verteidigerkollege Holger Stanislawski die junge Hamburger Mannschaft führen, was aber misslang. Die Kiezkicker stiegen nach einer Saison als Vorletzter ab. Mit 28 Jahren wagte Rasiejewski dann den Sprung zum VfB Stuttgart. Jedoch nicht in die Bundesliga, denn Rasiejewski kam lediglich als Kapitän für die Regionalligamannschaft zum Einsatz. Jedoch musste Rasiejewski zum Ende der Saison, wegen eines anhaltenden Knorpelschadens, seine Stollenschuhe an den Nagel hängen. Das Spiel gegen den 1. FC Eschborn am 29. Februar 2004, bei dem er noch einmal für 11 Minuten eingewechselt wurde war sein letztes Spiel als Profifußballer. Zum Ende seiner Karriere sah Rasiejewski noch einen Fußballstern am Himmel aufgehen: Mario Gomez erzielte in diesem Spiel einen Doppelpack, es sollten noch einige weitere folgen.

Zeit nach der Karriere

Nach seinem Karriereende studierte Rasiejewski von 2005 bis 2008 bei der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf Sportmanagement und absolvierte 2010 seinen Trainerschein. Im Rahmen seines Studiums hospitierte Rasiejewski ein Jahr als Assistent von Christian Hochstätter bei Hannover 96. Sein neues Wissen nutzte Rasiejewski und gründete die Initiativen „beprepared“ und „Bolzplatz-Fußballschule“, einerseits eine Plattform für ambitionierte Amateure und Nachwuchsfußballer, andererseits hatte Rasiejewski eine Fußballschule für Kinder inne. Von 2011 bis 2015 trainierte Rasiejewski die U17 der TSG Hoffenheim, blieb dabei 27 Heimspiele in Folge ohne Niederlage. Unter anderem Nico Rieble sowie der mittlerweile zu D.C. United gewechselte Russell Canouse spielten unter seinen Fittichen.

Im Juni 2015 nahm Rasiejewski ein Angebot des VfL Bochum an, bei dem er als sportlicher Leiter der Nachwuchsabteilung fungieren sollte. Da zum Wintertrainingslager 2016 in Belek Verbeeks Co-Trainer Raymond Libregts krankheitsbedingt kurzfristig ausfiel, übernahm Rasiejewski die Co-Trainer-Position von Libregts. Auffällig hierbei ist, dass Rasiejewski neue Reizpunkte setzte. So ließ Rasiejewski des öfteren Standards trainieren, was Thomas Eisfeld am 24. Spieltag gegen Fortuna Düsseldorf in Perfektion umsetzte. Trotz der zwischenzeitlichen Genesung von Libregts blieb Rasiejewski auf Pochen von Gertjan Verbeek weiterhin beim Trainerteam. Erst in der Rückrunde der letzten Saison wurde er von Heiko Butscher abgelöst, um sich weiter seinen Aufgaben beim Talentwerk zu konzentrieren. Jedoch musste Rasiejewski früher auf den Trainerstuhl zurück als gedacht. Da sich für den abgewanderten U19-Coach Jan Siewert kein passender Ersatz fand, übernahm Rasiejewski zusammen mit Vincent Wagner die U19. Mit fünf Siegen und zwei Remis ist die U19 momentan Tabellenführer der A-Jugend-Bundesliga-West.

Welches Spielsystem bevorzugt Rasiejewski?

Als Rasiejewski im Juni 2015 zum neugegründeten Talentwerk kam, setzte er einige Änderungen in die Tat um. So wurden in den Jugendbereichen der U19 bis zur U13 hauptamtliche Trainer installiert und alle Jugendmannschaften sollten die gleiche Spielphilosophie bekommen. Aktiv Fußball spielen und offensiv agieren war nicht nur die Marschroute von Gertjan Verbeek, auch die Jugendmannschaften setzen diese Idee in Perfektion um. Rasiejewski setzt dabei, wie in der Pressekonferenz angesprochen, auch auf den Teamgeist und den Fokus, Spiele mit letzter Kraft zu gewinnen. Gerade auch in Sachen Teamgeist werden Rasiejewski und Butscher Arbeit haben, diesen bis zum Sandhausen-Spiel wieder intakt zu bekommen.

Für mich als Schreiber dieser Zeilen galt Rasiejewski, schon nach dem Nürnberg-Spiel, als einzig sinnvoller Interimstrainer für Ismail Atalan. Er kennt die Abläufe in der Profimannschaft bestens, kennt die Jugendmannschaft aus dem Eff-Eff und scheint auch unter den Spielern sehr beliebt zu sein. So rannte Thomas Eisfeld nach seinem Traumfreistoß in Düsseldorf scheinbar unaufhaltsam in die Arme des 42-jährigen. Ich hoffe, dass Rasiejewski das Optimum aus der Mannschaft rausholt und wir dadurch sportlich wieder da hin kommen, wo wir hingehören: In die obere Tabellenhälfte. Glück Auf!

Autor: Matthias Rauh

Obwohl in Bayern wohnhaft besitze ich eine Dauerkarte beim VfL und versuche, jedes Heimspiel und jedes Auswärtsspiel im Süden vom VfL mitzunehmen. Meine Begeisterung für den VfL entwickelte sich in der Saison 2006/07, endgültig besiegelt wurde sie bei dem eigentlich völlig belanglosen Spiel Karlsruher SC gegen den VfL im Jahr 2008. Während eines Fußballturniers wollten meine Mannschaftskameraden in der Bundesligakonferenz ständig die Zwischenstände von Bayern München und Nürnberg wissen, ich erntete misstrauische Blicke, als ich den Zwischenstand von Bochum wissen wollte. Abstieg, Relegation, Funkel, Neururer... ich bin immer noch dabei und freue mich immer mehr auf Spiele wie Bochum gegen Sandhausen als Bayern gegen Dortmund.

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Eine Pressekonferenz der deutlichen Worte

Von belächelt zu gefürchtet – VfL Bochum gegen den SV Sandhausen