Interview mit echtVfL

Interview mit „echtVfL“ (Stephan Berger & Simon Zimmer). Für einsachtvieracht führten Jens Ebbinghaus und Claudio Gentile das Gespräch.

Einsachtvieracht: Wie wurde „echtVfL“ gegründet und wer steht hinter der Initiative gegen die Ausgliederung beim VfL? Gibt es auch Kontakt mit anderen Fangruppierungen?

Stephan: Auf der Jahreshauptversammlung im vergangenen Oktober hat Wilken Engelbracht erstmals angekündigt, dass das Thema „Ausgliederung“ zeitnah beim VfL relevant werden wird. Im Winter hat er dann ca. 25 Fans in Kleingruppen zu Gesprächen geladen, um über das Vorhaben im kleinen Kreis vorab aufzuklären. Aus diesem Personenkreis haben sich dann schnell einige Fans aus den unterschiedlichsten Strömungen der Szene herauskristallisiert, die den Plänen des Vorstands äußerst kritisch gegenüber standen. Wir haben uns mit diesen Leuten dann zusammengesetzt und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir die Mitglieder des VfL deutlich früher über diesen einschneidenden Schritt informieren möchten als es der Verein vor hat und haben die Initiative „echtVfL“ gegründet mit dem Ziel einer fairen Aufklärungsarbeit, ohne dabei mit unserer persönlichen Meinung hinter dem Berg zu halten.

Simon: Der Kontakt zu anderen Fangruppierungen hat sich während der Arbeit im Rahmen der Initiative durchaus ergeben. Wir haben uns natürlich mit Fans anderer Couleur ausgetauscht, deren Klubs sich auch  in einem ähnlichen Prozess befinden oder ihn bereits durchlaufen haben. So waren wir beispielsweise vor wenigen Monaten bei einer Informationsveranstaltung von Rot-Weiss Essen als Redner auf dem Podium nebst Vertretern anderer Fanszenen (Aachen, Bielefeld, Osnabrück) geladen, um das Thema Ausgliederung vor den Mitgliedern von Rot-Weiss Essen zu diskutieren.

Einsachtvieracht: Wer steht in der Szene dahinter?

Simon: Anfangs waren es nur knapp mehr als eine handvoll Leute, die der Überzeugung waren, dass man eine Initiative gründen muss, darunter natürlich auch Stephan und ich. Dann haben wir eine Infoveranstaltung abgehalten, bei der dann schnell klar wurde, dass es wirklich in jedem Spektrum der Fanszene, sowie auch in den allermeisten Fanklubs Leute gibt, die in der Sache mit uns einen Konsens und uns die Unterstützung zugesichert haben. Die eigentliche Arbeit an der Kampagne hat dann wieder im sehr kleinen Kreis stattgefunden bzw. waren wir bei den Aktionen im Stadion natürlich auf die Hilfe von Unterstützern angewiesen. Der Kreis an Leuten, die an der Initiative „echt VfL“ gearbeitet haben ist über die gesamte Zeit identisch geblieben, jedoch hat sich über die Monate gezeigt, dass sich extrem viele Einzelpersonen von uns in ihrer Meinung gut vertreten fühlen. Es hat von uns aber nie eine Art Unterstützerliste gegeben, da es nur selten der Fall war, dass sich uns ganze Fanclubs oder -gruppen angeschlossen haben. Die Entscheidung im Oktober ist schließlich einigermaßen kompliziert und somit gab und gibt es kaum Fanklubs, die einen kompletten Konsens in dieser Sache haben.

Einsachtvieracht: Nennt uns kurz und knapp die maßgebenden Gründe, die gegen eine Ausgliederung sprechen

Stephan: Unsere größte Sorge von Anfang an, welche bis jetzt auch noch nicht ausgeräumt werden konnte ist die, dass sich durch die Ausgliederung und den Einstieg eines Investor das gesamte Wesen des VfL ändert. Standen in der langen Vereinshistorie die ideellen Zwecke des Vereins im Vordergrund, würde so auch vom Papier und im Wirken kein Hehl mehr daraus gemacht werden, dass der VfL ein reines Unternehmen ist, das sich den Gesetzen des Marktes unterwirft, als Spekulations- oder Prestigeobjekt für Investoren dient und dessen Fans und Mitglieder eher Kunden darstellen, denn mündige Bestandteile und Gestalter des Vereins. Die Ausgliederung wird der starken Einflussnahme von Geldgebern Tür und Tor öffnen und ist damit für uns ein ganz anderes Finanzierungsmodell als temporäres Sponsoring oder das Erspielen von TV-Geldern und für uns damit abzulehnen.

Wilken Engelbracht wird außerdem nicht müde zu erklären, warum er diesen Schritt gehen möchte. Und für uns ist dieser Schritt eben nicht die Antwort auf die Probleme unseres VfL in den nächsten Jahren. Dass die Schere zwischen Arm und Reich im Fußball immer weiter auseinandergeht, was sich auch durch die neue Verteilung der TV Gelder ausdrückt, ist für uns Ausdruck diverser Fehlentwicklungen des Fußballs in den letzten Jahren.  Diesen soll der VfL nicht begegnen, indem er es den anderen Großkonzernen gleich tut und sich von externen Geldgebern abhängig macht, sondern vielmehr erachten wir es für sinnvoll, uns auch eine Existenzgrundlage fernab des sportlichen Erfolgs zu schaffen und an kommerziellen Prozessen nur mit Augenmaß teilzunehmen. Die Entwicklungen im Profifußball scheinen unaufhaltsam, sodass der VfL auch durch diesen Schritt nur seinen Platz in der Nahrungskette festigen, sich keineswegs aber langfristig einen großen Vorteil verschaffen würde. Dies allerdings auf Kosten der eigenen Identität.

Wir haben begriffen, dass viele Bochumer Sehnsucht nach der ersten Liga haben, jedoch sehen wir uns auch mit einem externen Geldgeber nicht in den Top 18 und bei dieser wackeligen Perspektive ist uns der Preis zu hoch. Zwar gab es auch in e.V.s immer wieder Fälle starker Einflussnahme, jedoch sehen wir das anvisierte Modell der Kapitalgesellschaft als geradezu prädestiniert für externe Einflussnahme an und es somit weit entfernt von dem in unseren Köpfen verankerten Modell eines idealen Vereins, was sich leider auch in der neuen Satzung zeigt.

Einsachtvieracht: Alles ist in Richtung Aufstieg fokussiert in der Diskussion. Was passiert nach dem Aufstieg mit dem Geld? Darmstadt, Braunschweig wurden nach einer erfolgreichen Saison wieder runtergeschossen. Braucht man nicht das Geld, um die Klasse zu halten? Haben wir dann nicht unser Tafelsilber schon verscherbelt mit dem Geld für den Aufstieg?

Simon: Das ist auch unsere Befürchtung, dass dieses Modell nicht zu Ende gedacht ist. Sicherlich würde sich die Wettbewerbslage in der zweiten Liga für uns etwas verbessern, wenn wir die angedachten 30% verkaufen würden und eventuell würde sogar der Aufstieg gelingen. Wenn man sich jedoch die Etats der Erstligisten anschaut, die zukünftig durch die TV Gelder noch weiter enteilen, dann muss man feststellen, dass wir weitere externe Gelder benötigen würden, wenn wir nach einem Aufstieg eine realistische Chance haben wollen würden, uns im Oberhaus zu etablieren.

Um an die dicken Geldtöpfe zu kommen oder in der Nähe zu bleiben, würde man immer wieder nachjustieren müssen und damit wäre der Anteilsverkauf über diesen ersten Schritt hinaus ein normales Finanzierungsmodell, bei dem es schrittweise zu einem Ausverkauf käme, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dass wir lediglich einmal Anteile verkaufen, um uns den Traum von der ersten Liga zu ermöglichen, ist ein Irrglaube.

Einsachtvieracht: Wie kann der VfL ohne Ausgliederung konkurrenzfähig bleiben?

Simon: Der VfL ist in der zweiten Liga absolut konkurrenzfähig. Die Finanzlage ist vergleichsweise entspannt, wir sind gut vermarktet und verfügen über eine absolut erstklassige Infrastruktur und Jugendarbeit. Wir sehen den VfL aktuell auch als e.V. auf einem sehr guten Weg, sich im oberen Drittel der zweiten Liga zu etablieren. Sollte die gute Arbeit auf allen Ebenen fortgesetzt werden und das Umfeld etwas mehr mitziehen als zuletzt, müsste sich der VfL auch in den nächsten Jahren vor der Konkurrenz in Liga 2 nicht scheuen.

Was die erste Liga betrifft, sieht die Situation natürlich anders aus. Selbst wenn uns ein Aufstieg gelingen sollte, würden wir in Zukunft auch mit einem Investor sicherlich nicht mehr einer der 18 wirtschaftlich stärksten Standorte im Profifußball sein, da sich die Fußballlandkarte in den letzten Jahren zu stark verändert hat, wodurch ein Verbleib in Liga 1 bzw. das Erreichen von Konkurrenzfähigkeit äußerst schwer geworden ist. Wir müssen uns allerdings auch fragen, ob der Anspruch erste Liga aktuell gerechtfertigt ist, wenn wir im Mittelfeld der zweiten Liga teilweise mit Müh‘ und Not 10-12.000 Zuschauer an die Castroper Straße locken. Wir können schlicht und ergreifend mit 15-18 Standorten nicht konkurrieren, aufgrund des Umfelds dieser Vereine oder derer externer Geldgeber.

Wir möchten den Fans keine Illusionen machen. Es geht da um die realistische Betrachtung der Entwicklung. Wir halten es für gefährlich, dass man es den Fans verkauft, dass man sich mit einem Investor in der ersten Liga etablieren und vielleicht sogar dauerhaft an alte Zeiten anknüpfen kann. Die Chancen dafür sind gering, sodass man sich fragen muss, ob man nicht lieber gesund in Liga 2 Substanz aufbaut, als sich mit fremder Hilfe Richtung enteilter Konkurrenz zu strecken und dabei eventuell einen hohen Preis bezahlt.

Wie kann der VfL an die Top22 anschließen?

Simon: Der VfL ist auf dem besten Weg, in diesen Bereich vorzustoßen mit dem aktuell handelnden Personal. Aus unserer Sicht verbessert der VfL in den letzten Jahren konstant seine Wettbewerbsposition. Wir sehen den VfL von der Substanz so aufgestellt, dass wir näher am Oberhaus als an Liga 3 sind. Wenn man die gute Personalpolitik der letzten Jahre fortsetzt und so weitere Einnahmen generiert und eventuell die ein oder andere Zusatzeinnahme im Pokal erwirtschaftet, dann wird man bald auch mal eine Saison „gesund“ ins Risiko gehen können. Sich über diesen gesunden Weg der letzten Jahre der Top22 zu nähern, scheint uns jedenfalls sinnvoller als unüberschaubare Risiken einzugehen, um irgendwie in diese Bereiche vorzustoßen.

Stephan: Außerdem lässt sich das nicht so einfach hochrechnen mit der Konkurrenzfähigkeit wie Wilken Engelbracht dies häufig getan hat. Man kann nicht sagen, mit vier Millionen mehr gehören wir zur Top4 in der Liga. Die Vereine, die sich in den letzten Jahren deutlich durchgesetzt haben, hatten teilweise 15-20 Mio. mehr zur Verfügung. Hinter diesen schlagkräftigen Vereinen, meist mit junger Erstliga-Vergangenheit tummelt sich dann in Liga zwei eine meist sehr ausgeglichene Konkurrenz. Die Ausgeglichenheit der Liga könnte jedenfalls sehr schnell dazu führen, dass die neuen Gelder ohne großen Effekt verpuffen, da man für wirkliche Schlagkraft andere Dimensionen benötigen würde, als die bisher kolportierten.

Einsachtvieracht: Gibt es für euch irgendein Szenario, bei dem ihr für eine Ausgliederung stimmen würdet?

Stephan: Sollte irgendwann nicht mehr die Möglichkeit bestehen, Profifußball in einem e.V. zu spielen, wäre eine Ausgliederung natürlich ein notwendiger Schritt, den auch wir akzeptieren würden. Dann allerdings nur unter der Prämisse, dass der Schritt lediglich geschieht, um Rechtssicherheit zu erlangen, jedoch nicht, um sich externe Geldgeber ins Boot zu holen, die dann womöglich Einfluss ausüben. Beim VfL bzw. für Wilken Engelbracht ging es jedoch von Anfang an darum, über die Ausgliederung neue finanzielle Mittel zu generieren und somit lehnen wir die Pläne zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form ab, da sich auch bei der Ausgestaltung der Satzungen de facto nicht wirklich darum gekümmert wurde, dass sich tatsächlich für die Mitglieder nichts ändert.

Einsachtvieracht: Für wie wahrscheinlich haltet ihr eine faktische Einflussnahme. Der potenzielle Investor soll einen Sitz im Präsidium, dem Äquivalent zum Aufsichtsrat, erhalten, aber rechtlich auf das operative Geschäft des Vereins keinen Einfluss nehmen können. In wie weit seht ihr dort eine Gefahr, dass man zwar juristisch auf der sicheren Seite ist, aber faktisch es doch eine gewisse Abhängigkeit mit entsprechender Einflussnahme geben wird?

Simon: Ich halte es für sehr wahrscheinlich. Es ist schon immer so gewesen, dass eine Person, die Geld gibt, einen gewissen Einfluss hat. Dafür braucht es ja nicht mal einen rechtlichen Rahmen. Der Kontakt zu den handelnden Personen ist ja dann eh da. Ich halte es auch nicht für unwahrscheinlich, dass in einigen Jahren ein dritter Geschäftsführer eingesetzt werden könnte, der gewisse Verbindungen zu einem Investor hat. Das könnte so subtil laufen, dass ein Investor sagt „Hey guck mal, ich habe hier 2, 3 gute Leute, zum Beispiel fürs Marketing“ und sich der Investor so Einfluss im Verein erschleicht, in dem er an die wesentlichen Stellen seine Leute positioniert. Am Ende hat er an allen Ecken und Enden Leute sitzen, die dann in seinem Sinne handeln und agieren. Aber auch jetzt lässt sich an den ausgelegten Satzungen bereits erkennen, dass es absurd ist anzunehmen, dass der Investor oder die Investoren keinerlei Einfluss ausüben können. Über seine Stimme in der Hauptversammlung der KGaA und seinen parallelen Platz im Präsidium, das die Stimme des e.V. in der Hauptversammlung ausübt, ist ein Investor nun maßgeblich an der Entlastung des Vorstands, dem wichtigsten Vereinsorgan was das Tagesgeschäft betrifft, beteiligt. Zudem landen viele wichtige Entscheidungen des Tagesgeschäfts, die eine gewisse finanzielle Dimension erreichen im Präsidium. Man ist also bereits juristisch nicht auf der sicheren Seite und dazu könnte sich auch noch der subtile Einfluss gesellen, den wir bereits erklärt haben, der aber auch in dem Fakt besteht, dass man eben selten der Person widerspricht, welche die Kohle auf den Tisch legt.

Stephan: Letztendlich ist es doch so, dass selbst wenn der von Engelbracht skizzierte Idealfall eintritt und wir keinen „Bekloppten“ ins Boot holen, sondern jemanden, der wirklich hinter der Sache steht, dann hat er doch erst Recht Einfluss. Wieso sollte man denn jemanden nicht zuhören, der blitzgescheite Ideen hat? Das muss für den VfL und seine Fans nicht schädlich sein, trotzdem widerstrebt es uns, dass sich jemand über diesen Weg, Anteile zu kaufen, Gehör verschaffen und mitreden kann. Im Präsidium werden nun mal wesentliche Entscheidungen getroffen. Wenn dort also der Vertreter des Investors sitzt, kann man nicht sagen, dass es keinerlei Einfluss gibt.

Einsachtvieracht: Ganz provokativ zurück gefragt: Wenn wir jetzt von dem von euch beschriebenen „blitzgescheiten Investor“ sprechen, der dem Verein nichts Böses will, kann es dann auch nicht eine Chance sein, wenn jemand von außen frischen Wind und neue Ideen in den Verein hineinträgt? Etwas andere Position, aber ist hier nicht der Wechsel von Schwenken zur Engelbracht ein gutes Beispiel? Er kam als Externer in den Verein, hat so einen ganz anderen Blick auf viele Dinge gehabt und mit Sicherheit nicht die schlechtesten Veränderungen ins Rollen gebracht. Kann es nicht also eine Chance sein, wenn jemand zwar formaljuristisch keinen Einfluss hat, aber trotzdem im Präsidium Ideen formulieren und anbringen kann?

Simon: Das kann man ja erst einmal ganz allgemein beantworten: Neue Leute bringen immer frischen Wind rein. Nur dann könnten wir auch einfach das ganze Personal der Geschäftsstelle auswechseln. Das lässt sich in meinen Augen nicht so einfach sagen, dass eine neue Person immer mit positiven neuen Ideen und Veränderungen einhergeht. Außerdem ist es für uns entscheidend auf welchem Wege jemand in die Position gelangt, seine Ideen beim VfL einbringen zu können. Frischer Wind und neue Ideen, die von einem Personalwechsel ausgehen, sind qualitativ etwas völlig anderes, als sich über die Bereitstellung von Kapital Gehör zu verschaffen. Wir können daran nichts positives sehen. Wenn man sich auch umschaut, welche Personen und Unternehmen Fußballvereine bisher als Investitionsobjekt angezogen haben, dann würden wir schon sagen, dass der überwiegende Teil Leute sind, die nicht unbedingt viel Fußballsachverstand mitbringen, geschweige denn viel positiven, frischen Wind in einen Verein gebracht haben.

Stephan: Wir reden hier natürlich nur süffisant von einem „blitzgescheiten“ Investor. Wir glauben natürlich nicht, dass es realistisch ist, im Fußball jemanden zu treffen, bei dem das Gesamtpaket stimmt. Es gibt zwar Unternehmen, die Beteiligungen im Fußball sehr „unauffällig“ führen, so wie es zum Beispiel in Dortmund der Fall ist, aber im Allgemeinen zeigt sich, dass Gesellschafter in der Wahrnehmung meist dann doch sehr präsent und nicht immer beliebt sind und das nicht nur beim TSV 1860 München, sondern auch bei anderen Klubs.

Der Fußball bzw. Fußballvereine sind kein gewöhnliches „Investitionsobjekt“, nichts, was große Rendite verspricht. Vielmehr geht es den Investoren meist darum, in einem weiteren hoch emotionalen Bereich Einfluss zu haben und Präsenz zu zeigen. Wir würde es zwar bereits ablehnen, wenn der VfL ein Spekulationsobjekt für „stille“ Investoren wäre, mit dem Zweck Rendite zu erwirtschaften, wir lehnen es aber noch vielmehr ab, dass der VfL ein Spielplatz für eine geltungssüchtige, aber wohlhabende Person dienen könnte.

Einsachtvieracht: Im Vorfeld der Informationsveranstaltung hat der Verein, wie ja vorhin schon mal angemerkt, frühzeitig zu Euch Kontakt aufgenommen. Hatten eure Kritik und Anmerkungen denn Einfluss auf die weitere Ausgestaltung des Ausgliederungsprozesses? Wurden eure Bedenken vom Verein berücksichtigt?

Simon: Ganz aktuelles und konkretes Beispiel: Wir haben Wilken Engelbracht am Donnerstag (Anmerkung: der Diskussionsabend am 31.08.2017) darauf hingewiesen, dass man das Vetorecht sehr leicht umgehen könnte. Das wurde jetzt geändert. Insofern fühlen wir uns in dem Punkt auch bestätigt, dass man wenigstens ein kleines Türchen geschlossen hat. Sicherlich war Wilken Engelbracht über den ganzen Zeitraum bemüht Sorgen auszuräumen und hat bei den Informationsveranstaltungen auch darauf geachtet, viele Punkte, die auch schon in den Vorabgesprächen thematisiert wurden, aufzugreifen. Nur viele der Sorgen lassen sich ja rechtlich gar nicht ausräumen. Ich habe das Gefühl, Wilken Engelbracht kennt die Sorgen und bemüht sich, dass der „Worst Case“ wie eine starke Einflussnahme nicht eintritt. Die Frage ist nur: Lässt sich das dann am Ende auch wirklich so umsetzen? Und was passiert, wenn Wilken Engelbracht dann irgendwann nicht mehr da ist? Was sind die Versprechungen von heute dann morgen noch wert?

Stephan: Es sind natürlich einige Dinge beachtet worden wie der 50+1 Paragraph, der jetzt in der Satzung steht. Das ist aber alles nichts Weltbewegendes. Wilken Engelbracht hat Anfang des Jahres gesagt, er möchte eine der fanfreundlichsten Ausgliederungen durchführen, die es bisher im deutschen Fußball gegeben hat. Wir sehen auf dem Papier aber nichts, was uns da groß von den Ausgliederungen bei anderen Vereinen unterscheidet. Das ist eine 0/8/15-Ausgliederung, auch rein rechtlich betrachtet, wo jetzt an wenigen Stellen nachjustiert wurde. Natürlich sind in den Diskussionen einige Dinge berücksichtigt worden, aber es sind zum Beispiel keine neuen Kontrollgremien und Mechanismen geschaffen worden, die uns entgegenkommen würden. Beispielweise, dass die Mitglieder im nächsten Schritt, sollten noch mehr Anteile verkauft werden, darüber auch abstimmen können. Auch im neuen Präsidium wird die Fanseite nicht stärker vertreten sein, obwohl durch eine Ausgliederung sicherlich Prozesse in Gang kämen, die eine stärkere Kontrolle seitens der Fans bzw. Mitglieder rechtfertigen würden. Wir hoffen natürlich, dass man von Seiten des Vereins im Falle der Zustimmung der Mitglieder noch nachbessern würde. Allerdings werden entscheidende Probleme, wie z.B., dass die Markenrechte in Richtung KG verloren gehen, sicherlich nicht mehr ausgebessert.

Simon: Es hat halt diesen sehr fanfreundlichen Anstrich durch die Person Wilken Engelbracht, weil er es versteht, die Leute mitzunehmen und ihnen das Gefühl zu geben, dass auf ihre Sorgen geachtet wird. Aber es ist halt alles sehr personenbezogen. Es gibt bei uns wahrscheinlich einige Leute, die sagen, „Wilken Engelbracht ist ein Top Mann, der wird das Richtige machen, deswegen stimme ich dafür“. Das ist meiner Meinung nach aber fatal, wenn man sich dabei nur an einer Person orientiert.

Stephan: Wir haben ja schon oft darauf hingewiesen, dass man ganz schnell in eine negative Abhängigkeit gegenüber einem Investor kommen kann. Dem entgegnen viele VfL-Fans mittlerweile wie aus der Pistole geschossen „Wir nehmen ja kein Darlehen auf“ – das ist eine Sache, die hat Wilken Engelbracht versprochen, die steht aber nirgends auf einem Papier. Sollte Engelbracht irgendwann nicht mehr da sein, kann ein Nachfolger das ganz anders sehen. Für den Moment sind die Mitglieder da beschwichtigt, hören nur „Wir werden das nicht so falsch machen wie 1860 München“, nur das steht nirgendwo.

Simon: Außerdem habe ich auch noch nie einen Geschäftsführer eines großen Unternehmens sagen gehört: „Wir haben den Plan in 6 Jahren hohe Darlehen aufzunehmen, weil wir in eine wirtschaftliche Schieflage geraten werden“. So etwas lässt sich ganz einfach nicht vorhersehen. Wie heftig z. B. der Fall aus der ersten Liga zurück in die zweite Liga nach einem erfolgten Aufstieg wäre, lässt sich doch heute noch gar nicht prognostizieren.

Einsachtvieracht: Euch fehlt also die Rechtssicherheit?

Simon: Ja schon, wir sind aber nicht so naiv zu glauben, dass man diese irgendwie herstellen könnte. Es ist halt eine Struktur, die da geschaffen wird, die potenziell gefährlich sein kann und die immer mit den handelnden Personen steht und fällt. Da sind wir momentan sehr gut aufgestellt, das sehen wir ja auch, aber das kann sich auch sehr schnell ändern. Dass gute Leistungen schnell Begehrlichkeiten wecken können, haben wir ja in recht junger Vergangenheit bei unserem Sportvorstand feststellen dürfen. Dass man wie von Stephan angesprochen kein Darlehen aufnehmen möchte, ist halt eines der rechtlich nicht abzusichernden Versprechen. Da gibt es noch einige andere wie zum Beispiel die Rücklagenbildung, die in Aussicht gestellt wurde. Das ist Schwachsinn. Ein Fußballverein wird niemals nennenswerte Rücklagen bilden. Zumindest nicht der VfL Bochum. Wir haben die Szenarien ja auf unserer Homepage skizziert. Kriegt man Geld durch einen größeren Transfer, gibt man das doch in der Regel sofort wieder aus, um sich sportlich besser aufzustellen, um sich mit Qualität vor Katastrophen wie z.B. einem Abstieg zu schützen.

Stephan: Das hat uns ja auch so gestört an der ganzen Diskussion. Zum einen hat die Erstliga-Sache gesessen bei den Leuten, zum anderen die Rücklagen-Geschichte. Es liegt aber nicht in der Natur eines Fußballvereins, Rücklagen zu bilden. Wenn man zum Beispiel aktuell nach Freiburg guckt, die aktuell eine noch ein e.V. sind, die haben diesen Sommer fast 30 Mio. Euro Transfereinnahmen gehabt und nicht mal die Hälfte reinvestiert. Das Geld wird jetzt nicht irgendwo im Schwarzwald versickern, sondern auf die nächsten paar Etats aufgeteilt. Die Leute haben in Bochum jetzt aber im Kopf „ Wenn man eine hohe Transfersumme bekommt als e.V. ist das Geld quasi schon weg“. Das ist natürlich Quatsch. Und die Arbeitsplätze auf der Geschäftsstelle wären bei einem Abstieg in Liga Drei genauso in einer Kapitalgesellschaft bedroht, wie bei einem e.V. – das war schon immer so. Die eigentliche Rücklage ist, dass wir, wenn wir in Not kommen, einfach immer weiter Anteile verkaufen können. Das sehen einige Fans aber nicht, sondern denken, durch den Investor bzw. die Ausgliederung hätten wir immer was auf der hohen Kante. Das sind diese einfachen Messages, die Wilken Engelbracht den Leuten relativ eindringlich vermittelt hat, aber uns wahnsinnig stören, weil sie die teilweise einfach nicht haltbar oder mit den Realitäten des Geschäfts in Einklang zu bringen sind.

Einsachtvieracht: Mit unserer Liste an Fragen wäre wir durch. Habt ihr noch was, was ihr gerne ergänzen wollt?

Simon: Mir ist wichtig nochmal ein Versprechen von Wilken Engelbracht, das er bei der Podiumsdiskussion ausgehend von einer Frage gemacht hat, aufzugreifen. Er hat dort versprochen, dass man lediglich einen Investor ins Boot holen wird, wenn die strengen Kriterien erfüllt sind. Dies ist eine Aussage, auf die ihn die Mitglieder im Zweifel festnageln sollten. Es wird im Falle einer Ausgliederung interessant sein zu beobachten, ob man das Anforderungsprofil an einen Investor anpassen wird, so sich die Kriterien als zu streng erweisen, oder ob man dann halt auf einen Investor verzichten würde.

Stephan: Oder was passiert, wenn wir den Aufstieg schon dieses Jahr schaffen? Wird dann auch gesagt, jetzt brauchen wir diese Anschubfinanzierung nicht mehr? Es geht nur darum, dieses Modell zu fahren, egal ob in der ersten, zweiten oder dritten Liga. Das sollte klar sein. Es dient nicht nur, um uns den Traum von der ersten Liga zu ermöglichen.

Mir ist jedoch wichtig nochmal zu erwähnen, dass sich kein Bochumer, der das Bauchgefühl hat, dass ein Investor dem VfL nicht gut täte, scheuen sollte sollte mit „Nein“ zu stimmen. Man darf auch mal eine vielleicht auch ungesunde Entwicklung an sich vorbeiziehen lassen, ohne dass man gleich eine Riesenchance auslässt, den Verein in Gefahr bringt oder Ziele sogar Ziele gefährdet. Mit „Nein“ zu stimmen bedeutet, den Weg der erfolgreichen Konsolidierung der letzten Jahre zu begrüßen und auf die Politik der kleinen gesunden Schritte Richtung Oberhaus zu setzen und dabei die Werte des VfL und seine Identität zu wahren, ohne ihn dabei auf den Weg Richtung Amateurfußball zu schicken. Dabei sollte man sich auch nicht beirren lassen von Leuten, die einem fast schon vereinsschädigendes Verhalten unterstellen. Es ist okay, dieses Finanzierungsmodell aufgrund der möglichen Einflussnahme abzulehnen und ebenso ist es völlig realistisch anzunehmen, dass sich der VfL auch ohne Investor langfristig im Profifußball halten wird und somit sollte man sich nicht scheuen, am 7. Oktober mit „Nein“ zu stimmen, denn ein „Nein“ bedeutet in diesem Fall ein „Ja“ zu dem VfL Bochum, den wir kennen und lieben. Eine Entscheidung für diesen VfL sollte man sich von niemandem madig reden lassen, schon gar nicht von Leuten, die eine Erstligazugehörigkeit quasi zur Bedingung ihrer Unterstützung machen.

Einsachtvieracht: Vielen Dank für das Gespräch.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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