VfL Bochum: Die Tür steht ganz weit offen

Foto: David Matthäus

Fünf Spiele sind übrig. Sieben Punkte (beziehungsweise vier Punkte durch das eine Spiel weniger) Puffer sind es auf den HSV auf Rang drei. Gegen Heidenheim geht es heute gegen eines der aktuell formstärksten Teams der Liga. Crunch Time.

8. Mai 2010 – Trauer, Wut. Unser VfL hat sein bis Dato letztes Bundesligaspiel gegen Hannover mit 0:3 verloren. Man hatte es selbst in der Hand. Und scheiterte grandios. Dies war der Auftakt zu bis dato Elf langen, teils schmerzhaften Spielzeiten im Unterhaus des deutschen Fußballs. Fan dieses Vereins wird man eben nicht, weil es im Stadioncenter anne Castroper einen Raum voller Trophäen und Medaillen gibt.

Elf Jahre später, inmitten einer der größten weltweiten Krisen der letzten Jahrzehnte, in denen Corona unser aller Leben beeinflusst, zeigt unser VfL ein Gesicht, wie man es seit Ewigkeiten nicht gesehen hat. Sprachen wir im Winter von Dankbarkeit für die kleinen Dinge, die kurzen zwei Stunden Freude im Wochenende vor dem Fernseher, von einem Lächeln im Gesicht in harten Zeiten, können wir heute sagen, dass der VfL nicht nur die Chance hat, nach elf Jahren endlich wieder in die Bundesliga aufzusteigen und unser aller Sehnsucht zu stillen. Viel wichtiger – der VfL hat die Möglichkeit, ganz vielen Menschen nach einem harten Jahr, die wegen der Corona-Krise geliebte Menschen verloren haben, Unsicherheiten und Ängste bzgl. des Jobs durchleben oder aufgrund der Einschränkungen des Soziallebens nur noch spärlichen Kontakt in ihr Umfeld haben, einen Moment der Freude zu schenken. Ein Lächeln. Ein Glücksmoment. Vielleicht den Grund, irgendwann zumindest doch auf diese Zeit zurückzublicken und zu sagen „War vieles Scheiße, aber eine Sache nicht.“

Thomas Reis hat die Mannschaft stabilisiert. Foto: VfL Bochum 1848

Sebastian Schindzielorz, Ilja Kaenzig und Thomas Reis haben geschafft, den Verein sowohl wirtschaftlich als auch sportlich mit einer großen Ruhe durch diese Krise zu führen. Dank der betriebswirtschaftlichen Konsolidierung der letzten Jahre war man in der Lage, den Kader der letzten Spielzeit zusammenzuhalten und gezielt zu verstärken – kein Harakiri und unkontrolliertes Risiko – aber selbst gleichbleibendes Niveau mit gezielten Transfers ist in Zeiten von Corona, wo viele Vereine aufgrund ihrer „von der Hand in den Mund“-Mentalität der letzten Jahre null auf ein Szenario wie dieses vorbereitet waren, eine grandiose Leistung. Mit Thomas Reis hat unser Sportvorstand 2019 einen absoluten Glücksgriff getätigt. Aus einer völlig verunsicherten Mannschaft nach einem verkorksten Saisonstart in nur einandhalb Jahren einen wahrscheinlichen Aufsteiger zu formen – dafür kann man nur Respekt zollen.

Foto: Tim Kramer (Tremark)

Ja, wir können in diesem Jahr nicht voller Adrenalin aufgrund einer emotionalen Schlussphase wie beim Spiel gegen Hannover am Wochenende nach Bier duftend nach Hause fahren. Wir können nicht die Treppe auf die Ost hochgehen. Irgendwie wirkt es surreal. Doch die Aufregung kommt. Langsam und stetig. Die Tür steht ganz weit offen. Endlich. Nach elf Jahren.

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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