24 Spiele – 48 Punkte – Tabellenführer. Unser VfL marschiert in der Spielzeit 2020/21 weiter. Mit Fürth wurde im ersten von drei Topspielen in den kommenden Wochen ein direkter Konkurrent auswärts geschlagen. Unser Verein zeigt in einer schwierigen Zeit ein Gesicht, wie man es seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat.
Eine gefühlt unendliche Pandemie, Probleme bei der Impf- und Teststrategie, Menschen, die um ihre Existenz bangen. Es gibt mehr als genug Gründe, weswegen es einem aktuell schlecht gehen kann. Niederlagen bei zwei Grad, Dauerregen vor 8.000 Zuschauern gegen Aue, Sandhausen und Co – es fühlt sich ewig an, dass das unsere größten Probleme waren.
Ja, Fußball ist eine völlig unwichtige Nebensache. Aber hätte man sich in den letzten Jahren vorstellen können, dass die Spiele des VfLs einem mal in einer ganz harten Zeit dauerhaft ein Lächeln ins Gesicht zaubern werden – eher nicht. Doch genau das macht der VfL aktuell in beängstigender Konstanz. Unser VfL hat es geschafft, ein positives Momentum, mit dem man aus der Corona-Pause vor einem Jahr kam, dauerhaft für sich zu nutzen und sich noch einmal weiterzuentwickeln. In einer Phase, in der aufgrund der äußeren Umstände in vielen Vereinen eine große Unruhe aufkam, hat man es geschafft, dass das stabile Fundament, dass man in den letzten Jahren gelegt hat, einem Sicherheit gibt – Reis und Schindzielorz an der Spitze gemeinsam mit einer Mannschaft, die verstanden hat, wie man in der zweiten Bundesliga erfolgreich ist.
Zurück in die Zukunft
Während die meisten davon ausgingen, dass man auf den Ausfall Zollers mit einem Startelf-Einsatz Ganvoulas reagieren würde, hatten wir es zumindest für möglich gehalten, dass Thomas Reis andere Alternativen findet. So kam es dann auch. Keine Spur unserer Nummer 35 in der Startaufstellung. Dafür begann unsere Nummer 10, Thomas Eisfeld – sein erstes Mal von Beginn seit November 2020.
Wie im Hinspiel setzte unser Cheftrainer gegen die Raute der Fürther auf ein 4-3-3. Eisfeld spielte als rechter Achter neben unserem Capitano Losilla. Die beiden wurden von Robert Tesche auf der Sechs zusätzlich abgesichert. Wie in unserer Variante 2 vorgeschlagen, spielte Robert Zulj als zentrale Spitze, eingerahmt von Danny Blum und Gerrit Holtmann auf den Außen.
Ich stelle mich immer in den Dienst der Mannschaft und wenn der Trainer sagt, er braucht mich vorne drin, dann nehme ich das so an.
Robert Zulj
Fürth passte sein System ebenfalls an. Durch die Rückkehr von Mergim Mavraj als Hybrid aus zentraler Verteidiger und tiefer Sechser wurde die Raute eher zu einer 3-4-1-2 Grundordnung. Damit gab es über das gesamte Feld klare 1 zu 1 Zuordnungen.
Das Spiel startete wild. Bereits 22 Sekunden nach Anpfiff lag der Ball im Tor des Fürther Torhüters Sascha Burchert, allerdings stand Torschütze Danny Blum im Abseits und so wurde nichts aus dem Traumstart. Doch bei der nächsten Chance war alles sauber – Schiedsrichter Sven Jablonski hatte nichts zu beanstanden. Der Ball von Eisfeld wurde von unserem Kapitän Losilla traumhaft genommen, der mit links ins lange Eck schlenzte. Eisfelds Hereinnahme hatte sich direkt ausgezahlt.
Fehlende Kompaktheit führt zu Raum für Raum
Doch nach einer guten Anfangsviertelstunde kam auch Fürth zu seinen Chancen. Durch die vielen Mannorientierungen waren die Formationen sehr gestreckt und ein gewonnener Zweikampf reichte aus, um direkt großen Raumgewinn zu erzielen. Hier stellte sich das Team von Stefan Leitl nun geschickter an und konnte durch Kurzpasskombinationen immer wieder Top-Vorlagengeber David Raum in Position bringen. Dieser spielte nach einer solchen Aktion den Ball an die Strafraumgrenze des Bochumer 16ers und von da an versenkte Anton Stach den Ball ansatzlos zum 1:1. Riemann machte dabei nicht die glücklichste Figur.
Die erste Halbzeit war nicht so gut, da sind wir nicht so richtig in die Zweikämpfe gekommen und haben dem Gegner zu viel Raum geboten. Der Trainer hat uns in der Pause ein paar Dinge an die Hand gegeben, die wir verbessern mussten.
Thomas Eisfeld
Nach dem Treffer wurde Fürth noch stärker, während der VfL die Chance verpasste selbst über Ballbesitz das Spiel zu beruhigen. Wenige Minuten später kamen die Kleeblätter sogar zum vermeindlichen 2:1 durch Nielsen. Diesmal wurde allerdings der Fürther zurückgepfiffen und der VAR bestätigte: Richtige Entscheidung. Gamboa tat sich weiterhin schwer mit David Raum, da Eisfeld aufgrund der hohen Position in der gestreckten Formationen selten unterstützen konnte. So holte sich unser Costa Ricaner in der Folge noch den gelben Karton ab. Er fehlt also beim Spiel am Freitag, wenn der Hamburger SV zu Gast ist. Auch in der Folgezeit kamen die Hausherren zu Torchancen durch Nielsen und Hrgota. Vor allem Hrgotas Torchance in Minute 37 hätte der Fürther Kapitän eigentlich versenken müssen.
Gegen Ende der Halbzeit gewann der VfL wieder etwas die Kontrolle und konnte das Unentschieden somit äußerst glücklich in die Pause retten. Die Chancenqualität der Torschüsse wies zu diesem Zeitpunkt laut Sky 0,9:0,2 erwartete Tore für die Hausherren aus.
Reis justiert nach
In der 2. Halbzeit stellte Reis erneut um (siehe Taktiktafel). Blum und Holtmann spielten nun etwas höher und zentraler und attackierten konsequent die Schnittstellen der Dreierkette. Eisfeld und Losilla tauschten die Seiten und das Mittelfeld wurde von einer 3-1- in eine 2-2-Staffelung umgebaut, so dass nun alle Spieler wieder auf ihren Schokoladenseiten randurften – Eisfeld und Tesche links, Zulj und Losilla rechts. Losilla konnte somit Gamboa gegen Raum unterstützen, während die beiden Roberts ihre diagonale Beziehung wiederbeleben konnten. Robert Zulj profitierte zusätzlich davon, dass Blum und Holtmann die Abwehrkette nun zentral banden, so dass er immer wieder auch Räume am rechten Flügel fand.
In der Halbzeit haben wir einiges umgestellt. Das hat dann dazu geführt, dass wir sehr gut in die zweite Halbzeit gekommen sind und einige hochkarätigen Chancen hatten, die wir nicht nutzen konnten.
Thomas Reis
Mit den Umstellungen fand der VfL zu bekannter Stärke zurück und man sah man deutlich weniger Fürther Torchancen. Genau eine Stunde war durch, als Danny Blum von Innenverteidiger Barry gefoult wurde und der Schiedsrichter auf den Punkt zeigte. Diese Situation fasste den Erfolg der Umstellungen zusammen. Zulj fand etwas Zeit im rechten Halbraum, um den aus der zentralen Position rüberkreuzenden Blum einzusetzen. Barry kam zu spät. Unser Österreicher verwandelte seinen dritten Elfmeter zum insgesamt zwölften Saisontor.
So blieb es auch bis zum Ende. Dabei gab es noch fünf Minuten Nachschlag aufgrund eines schmerzhaften Zusammenstoßes von Bockhorn und Meyerhöfer. Die größte Chance für Fürth hatte dann noch Einwechselspieler Dickson Abiama, allerdings hielt Riemann den Ball und so konnten die drei Punkte aus dem Frankenland – zum ersten mal seit 2015 – entführt werden. Der Sieg war glücklich, aber aufgrund der Leistung in der zweiten Halbzeit (0,5:1,0 erwartete Tore) okay.
Die Symbiose
Wurden wir in den letzten Jahren immer wieder enttäuscht, darf es nach 24 Spieltagen und 48 Punkten nun auch offen angesprochen werden – die Chance für den Aufstieg ist da und so nah wie seit der Relegation gegen Gladbach nicht mehr. Die Statistikseite FiveThirtyEight gibt eine Aufstiegswahrscheinlichkeit von aktuell 63 % an. Und trotzdem spürt man im Umfeld eine gesunde Reife, eine gesunde Rationalität. Ein Schutzmechanismus aufgrund der Enttäuschungen der letzten Jahre, sobald es mal zart nach oben hätte gehen können, oder doch eine sachliche Einordnung der aktuellen Leistung, dass man weit über den eigentlichen finanziellen Möglichkeiten in der Tabelle spielt? Man weiß es nicht. Zu spüren ist im Bochumer Umfeld aber ein Zusammenhalt, eine Ruhe, wie man sie seit Jahren nicht kannte. Die Mannschaft liefert, aber selbst nach Niederlagen wird sie nicht zerrissen und in den Weiten von Social Media von einem Großteil der Fans aufgebaut. Selbst ein Droll könnte momentan schreiben, was er will – es würde keinen jucken.
Man wird das Gefühl nicht los, dass in diesem Jahr einfach alles passt, jedes Rädchen ineinander greift, ohne dass die Scheinwerfer der großen Medien auf uns gerichtet sind. Zwischen Verein, Mannschaft und Fans passt aktuell kein Blatt Papier, obwohl man aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen so weit voneinander entfernt ist wie nie. Eine unheimliche Symbiose in harten Zeiten.
Wir haben noch 10 Spiele vor uns. Nach Fürth liegen in den kommenden Wochen mit dem HSV und Kiel die nächsten Brocken vor uns. Crunch-Time. Sorgen wir dafür, dass dieses neue Gefühl der Zusammengehörigkeit in einer ganz schwierigen Zeit uns weiter trägt.
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