Der einsachtvieracht-Scouting-Bericht #6 für den VfL Bochum

Die Sommerpause naht. Auf der Tribüne wird es ruhig, aber in der Geschäftsstelle werden die Drähte heiß laufen. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)
Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Es ist wieder soweit – die heiße Phase der Kaderplanung für die kommende Spielzeit 2019/20 steht vor der Tür. Nachdem wir im letzten Jahr die ersten Scoutingberichte mit Vorschlägen für unseren Vorstand Sport Sebastian Schindzielorz veröffentlicht hatten und dabei sogar das ein oder andere Mal richtig lagen, wollen wir wieder ein paar Namen in die Runde werfen, die unserer Meinung nach zu unserem VfL und den bestehenden Vakanzen im Kader passen könnten. Als kleinen Zusatzleckerbissen gibt es mit dem Goalimpact noch einen interessanten Scouting-Indikator dabei. 

Tobias Wagner: Bevor wir mit den Vorschlägen beginnen, ein paar einleitende Sätze zum Goalimpact, den wir in dieser Folge als statischen Scouting-Indikator zusätzlich präsentieren. Der Goalimpact führt die Bewertung eines Spielers auf das maßgebliche Kriterium zurück – Tore. Dazu wird die minutengenaue Erfassung von Toren, Ein- und Auswechslungen genutzt, um das Torverhältnis auf die verschiedenen Spielerkonstellationen auf dem Platz herunterzubrechen. Wann immer es zu einem Wechsel kommt, beginnt eine neue Phase, die zu einer neuen Gleichung in einem riesigen Gleichungssystem führt. In diesem System sind die Goalimpact-Werte der Spieler die Variablen, die aus allen verfügbaren Spielphasen, in denen der Spieler beteiligt war, geschätzt und mit jedem neuen Spiel aktualisiert werden. Wie diese Variablen zu den Mannschaftswerten und der daraus zu erwartenden Tordifferenz zusammengerechnet werden, ist ein wohl gehütetes Geheimnis. Bekannt ist nur, dass eine Alterskurve zum Einsatz kommt, um dem Leistungsverlauf eines Spielers über seine Karriere abzubilden. Auf diese Weise wird auch sichergestellt, dass pro Spieler nur eine Variable geschätzt werden muss.

In den Grafiken sind drei Kurven dargestellt. Die dicke rote Kurve zeigt den Wert des Goalimpact nach der Korrektur durch die Alterskurve. Junge Spieler und alte Spieler außerhalb des idealen Fußballeralters werden dort nach unten korrigiert. Die dünne rote Linie zeigt den so genannten Peak-Goalimpact, also den Wert, den der Spieler im besten Fußballalter erreichen wird. Die blaue Kurve ist ein short-term Goalimpact, bei dem im Gegensatz zur Gesamtdatenmenge ein kleineres Zeitfenster für die Schätzung verwendet wird. Damit genug der Theorie, auf geht’s.

Claudio Gentile: Wie viele mittlerweile mitbekommen haben, verfolge ich den Fußball in Neuseeland relativ intensiv. Ein junger Spieler, dem ich den Sprung nach Europa, durchaus auch deutlich höherklassig als die zweite Bundesliga, zutraue, ist Sarpreet Singh von Wellington Phoenix. Der 20-jährige offensive Mittelfeldspieler und Sohn indischer Einwanderer wechselte 2015 nach starken Leistungen für die neuseeländische U17-Nationalmannschaft in die Jugend von Wellington Phoenix und gab schon mit 17 Jahren im Februar 2017 sei Debüt in der ersten Mannschaft in einem Meisterschaftsspiel der A-League. Spätestens seit dieser Saison (18/19) ist er unumstrittener Stammspieler als klassischer Zehner in einem 3-4-2-1 System. In 23 Spielen gelangen ihm 5 Toren und 7 Vorlagen. Körperlich ist Singh nicht der stärkste, doch überzeugt er durch extrem hohe Geschwindigkeit, gute Ballführung und einem starken Auge für den Mitspieler. Mit seiner Wendigkeit schafft er es regelmäßig, Gegenspieler auf engstem Raum auszuspielen. Der Linksfuss ist darüber hinaus extrem gefährlich bei Schüssen aus der zweiten Reihe. In unserem aktuellen System, in dem wir nicht selten mit 3 verkappten Spielmachern in der Dreierreihe hinterm Stürmer spielen, wäre Singh in meinen Augen eine extrem passende Ergänzung mit seinem Skillset, vor allem, da man sich durch seinen starken linken Fuß eine noch großere Variabilität erlauben würde. Vertrag hat er bei Wellington Phoenix noch bis 2020. Eine kleine Ablöse wäre also fällig. Diese wäre für einen Spieler wie Sapreet Singh aber mehr als berechtigt.

Entwicklung des Goalimpact von Sarpreet Singh, Quelle: http://www.goalimpact.com/
Bald Mitspieler? Aosman und Kruse Foto: Tim Kramer (Tremark Fotografie)

Stefan Zils: Auf der Suche nach Neuverpflichtungen würde ich mich bei der Zweitvertretung aus Gelsenkirchen umsehen und Jason Ceka ins Visier nehmen. Ihn würde ich zwar nicht als sofortige Verstärkung in der Spitze des Kaders ansehen, aber durch seine Vielseitigkeit (kann alle Offensivpositionen im Mittelfeld besetzen) hätte man sofort einen Spieler, der uns in der Breite verstärken kann und mit 19 Jahren noch viele Entwicklungsmöglichkeiten hat. Ceka ist wuselig, sehr wendig und stark im Kurzpassspiel. Obwohl er ein Leichtgewicht ist, fällt er nicht bei jedem Windhauch um, sondern nutzt seinen niedrigen Schwerpunkt, um am Ball zu bleiben und auch der Defensivzweikampf ist ihm nicht fremd. Bei allem Talent müsste man ihm natürlich Zeit einräumen, der Sprung aus der Oberliga in die zweite Bundesliga wäre recht groß, ich bin aber recht zuversichtlich, dass er ihn packen würde und uns auf kurz oder lang auch in der Spitze verstärken könnte. Auf der Außenbahn sehe ich zudem bei uns kein Talent, welches seine Stärken mitbringt, so dass man diesen Platz nicht mit einem eigenen Talent besetzen könnte.

Entwicklung des GoalImpact von Jason Ceka, Quelle: http://www.goalimpact.com/

Matthias Rauh: Als Verstärkung für die Sturmspitze wünsche ich mir weiterhin Kwasi Okyere Wriedt von den Bayern Amateuren. Schon zum zweiten mal in Folge kommt der gebürtige Hamburger in der Regionalliga auf über 20 Tore und beweist damit, dass er längst in diesen Gefilden unterfordert ist. Das dokumentiert auch sein Goalimpact, der mit 155 auf Champions-League Niveau ist. Auch in viel jüngeren Jahren, Wriedt ist mittlerweile 24, zeigte Wriedt sein Können in Liga 3 (12 Tore in 39 Spielen). Für ganz oben reicht es bei Wriedt aber trotzdem noch nicht. Aber wieso sollte Wriedt, der ja auch Angebote von St. Pauli und sogar österreichischen Bundesligisten hatte, ausgerechnet zum VfL wechseln? Mit Milos Pantovic steht beim VfL ein alter Weggefährte von Wriedt im Team, der ihm den Wechsel an die Castroper schmackhaft machen könnte. Wriedt würde genug Spielzeit im Sturmzentrum bekommen, da Zoller ebenso auf den Flügeln eingesetzt werden kann. Und das Maximum an Spielzeit auf einem höherem Niveau wird genau das sein, nach dem sich Wriedt umschaut, wenn er nächstes Jahr nicht weiterhin maximal dritte Liga spielen will.

Entwicklung des GoalImpact von Kwasi Wriedt, Quelle: http://www.goalimpact.com/

„Zwar haben wir mit Sebastian Maier einen hervorragenden 10er verpflichtet, sollte man allerdings Eisfeld in Zukunft eine Position weiter hinten sehen, käme unter Umständen Aias Aosman von Dynamo Dresden ins Spiel. Der 23-jährige dürfte uns allen noch in Erinnerung geblieben sein, so erzielte er beim letzten Dynamo-Gastspiel den zwischenzeitlichen 2:2-Ausgleich. Aosman hat sich von der Bezirksliga in die zweite Liga hochgearbeitet und wurde zuletzt nur noch als Joker eingesetzt. Auch Gerüchte über eine Vertragsverhandlung mit einem anderen Zweitligisten machten zuletzt an der Elbe die Runde, weshalb Aosman einen schlechten Stand in Dresden hat. Angeblich hatte der VfL sogar schon einmal im Sommer 2014 Interesse, als Aosman noch in Regensburg kickte, der VfL aber keine Ablöse stemmen konnte. Aosman ist ein sehr dribbelstarker Spieler, der wie Stöger exzellente lange Bälle spielen kann. Außerdem hat Aosman einen guten Schuss. Bereits in Regensburg und Dresden erzielte er einige schöne Tore aus der zweiten Reihe. Lediglich die Defensivarbeit ist nicht Aosmans Paradedisziplin. In Dresden wird er gerne als „zweikampffaul“ bezeichnet und auch im Kopfballduell gibt es stärkere Spieler als den 1,75-Meter-Mann. Zwar wäre hier eine kleine Ablösezahlung nötig, Aosman hat noch bis 2019 Vertrag, eine Verstärkung für die 10 oder für Linksaußen wäre der junge Syrer aber allemal.“ – Matthias Rauh im Scoutingbericht #3

Entwicklung des GoalImpact von Aias Aosman, Quelle: http://www.goalimpact.com/

Sebastian Hettmann: In der Innenverteidigung drängen einige Spieler aus der Jugend nach, die jedoch noch Zeit benötigen und denen vielleicht ein Zwischenschritt gut tun würde, um Spielpraxis zu sammeln. Ich denke hier vor allem an Tom Baack oder auch an unseren ausgeliehenen Offensivmann Ulrich Bapoh. Bei anderen Vereinen sind jedoch Spieler im Kader, die von der Entwicklung her bereits diesen Schritt gegangen sind oder auf anderem Niveau agieren. Deshalb würde ich mit Mats Köhlert einen flinken Linksaußen vorschlagen, der unsere Kader verstärken könnte. Der dribbelstarke Köhlert wartet weiterhin auf den Durchbruch beim HSV und benötigt dringend Spielpraxis oberhalb der Regionalliga. Von seinen Anlagen her, kann Köhlert in der zweiten Liga natürlich körperlich wenig entgegen setzen. Dies ist aber nicht nötig, soll er vor allem durch Spielwitz, Dribblings und Zug zum Tor von der Außenbahn eine günstige Alternative darstellen, um den möglichen Abgang von Robbie Kruse aufzufangen.

Entwicklung des GoalImpact von Mats Köhlert, Quelle: http://www.goalimpact.com/
Calogero Rizzuto bissig wie eh und je im Duell mit Danilo Soares. Foto: Fabian Budde (Photomafia)

Blickt man auf die Spieler, bei denen der Vertrag im Sommer endet, können drei Spieler für uns interessant sein. Als möglicher neuer Rechtsverteidiger könnte Calogero Rizzuto vom FC Erzgebirge Aue eine interessante Option sein. Im Gegensatz zu Stefano Celozzi sucht Rizzuto öfter lange Bälle in die Spitze und beackert mehr die Außenbahn. Generell ist Rizzuto ein bissiger Außenverteidiger, der gerne ins Tackling geht und diszipliniert seine Seite bewacht. Leider münzt sich seine Tackling-Freude oftmals in Fouls um, wodurch er ab und an auch überdreht. Sein Passspiel ist sicher, wobei seine Quoten niedriger sind als die von Celozzi. Das kann man jedoch mit mehr riskanteren Pässen begründen.

Entwicklung des GoalImpact von Calogero Rizzuto, Quelle: http://www.goalimpact.com/
Hier rauscht Kevin Wolze an Silvère Ganvoula vorbei. Generell ist Wolze defensiv aber beständig und hat einen hohen offensiven Output. Foto: Fabian Budde (Photomafia)

Um neuen Schwung auf der anderen Defensivseite könnte man am Rhein wildern und mit Kevin Wolze einen Führungsspieler des MSV Duisburg an die Ruhr locken. Wolze ist seit 2011 in Duisburg absoluter Leistungsträger und auch in diesem Jahr mit 9 Toren und 4 Assists offensiv mit einem immens hohem Output für einen Linksverteidiger. Gleichsam hat er auch im linken Mittelfeld gespielt, so dass sogar eine Kombination mit Danilo Soares und/oder einem einrückenden offensiven Linksaußen möglich ist. Wolze übernimmt auf dem Spielfeld Verantwortung, ist zweikampfstark, kann Bälle abfangen und direkte Freistöße schießen. Allesamt Fähigkeiten, die unserer Mannschaft gerade in der Rückrunde gut getan hätte. Mit seinen 29 Jahren ist eine Fortsetzung seiner Karriere in der Bundesliga wohl zweifelhaft, wenn gleich er die Qualität dafür mitbringt. Er könnte ein typischer Transfer von einem erfahrenen Spieler sein, der uns vermutlich keinen Wiederverkaufswert bringen wird, aber die Mannschaft verstärkt. So wie es beispielsweise Tim Hoogland, Anthony Losilla oder Robert Tesche in den vergangenen Transferfenstern waren.

Entwicklung des GoalImpact von Kevin Wolze, Quelle: http://www.goalimpact.com/

Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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