Droht für den VfL ein trister Herbst?

Herbstliche Stimmung anne Castroper am vergangenen Montagabend gegen Jahn Regensburg führte bei uns zu einer Herbstdepression. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)
Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Nach dem Unentschieden zuhause gegen Regensburg blieben nicht nur bei den Spielern ratlose Gesichter zurück. Völlig unnötig wurde eine 3:1 Führung binnen 15 Minuten verschenkt, obwohl Manuel Riemann zunächst noch einen Elfmeter stark parierte. Selbst Tage nach dem bitteren Remis sind die Geschehnisse immer noch nicht ganz verdaut und wir Fans suchen händeringend nach den Ursachen. Auch unsere einsachtvieracht WhatsApp Gruppe glühte sowohl während, als auch noch nach dem Spiel. Manche Themen wurden heiß diskutiert und unsere Standpunkte wollen wir euch an dieser Stelle nicht vorenthalten.

Der Schiri war gegen Regensburg an allem schuld?!

Jens Hartenstein: Das sehe ich nicht so. In der ersten spielentscheidenden Situation übersah der Schiedsrichter die Abseitsposition von Lukas Hinterseer und brachte uns auf die Erfolgsspur. Nichtsdestotrotz waren beide Elfmeterentscheidungen zumindest fragwürdig. Das Handspiel von Jan Gyamerah war aus meiner Sicht Folge eines leichten Schubsers an unseren ansonsten tadellos spielenden Innenverteidiger. Auch wenn solch ein Mini-Schubser im Normalfall nicht abgepfiffen wird, wurde sich hier ein klarer Vorteil durch eine unerlaubte Aktion verschafft. Während man über den ersten Pfiff sicherlich trotzdem diskutieren kann, war der zweite eine absolute Fehlentscheidung. Der Gegner war bereits im Abflug noch bevor ein minimaler Kontakt erfolgte und somit war die Situation für mich eher eine Schwalbe als ein Foul. Insgesamt war die Schiedsrichterleistung zwar extrem schwach, aber beide Mannschaften profitierten mit einem Torerfolg im gleichen Maße.

Starkes Spiel, unglücklicherweise einen (umstrittenen) Handelfmeter verursacht: Jan Gyamerah. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Sebastian Hettmann: Das wäre mir viel zu einfach. Dieses Spiel darfst du daheim auf keinen Fall mehr verlieren.

Claudio Gentile: Sehe ich genauso. Am Ende ist es immer leicht, dem Schiri den schwarzen Peter zuzuschieben. Sicherlich war die Leistung des Gespanns nicht die Beste, aber es gehört schon einiges dazu, in so kurzer Zeit eine 3:1 Führung noch zu verspielen.

Dutt hätte früher stabilisierend reagieren müssen!

Sebastian Hettmann: Als Vitaly Janelt sich zum ersten Mal auf den Weg zur Auswechselbank begab, war der Zeitpunkt schon etwas zu spät. Jahn Regensburg öffnete und wurde zwingender in ihren Angriffen. Die Abstände zwischen Abwehr, Mittelfeld und den jeweiligen Außenpositionen wurden bei uns hingegen immer größer im defensiven Umschaltspiel. Zwei frühe Wechsel wären daher bei vielen Trainern an der Tagesordnung gewesen, um sich einzuigeln und die Mannschaft in eine Defensivschlacht zu drängen. Dutt hingegen schickte Janelt zurück zum Warmlaufen, da der Elfmeter gepfiffen wurde. Er hoffte auf einen weiteren Konter und das entscheidende 4:2. Leider kam es jedoch anders und es entstand völlig unnötigerweise eine Überlegenheit der Regensburger. Die Einwechselung von Janelt folgte dann, jedoch, meiner Meinung nach, zu spät und zu offensiv. Janelt agierte im Zehnerraum und unsere Jungs versuchten weiter auf das Tor zu spielen.

Gerade durch den Offensivdrang der linken Seite um Danilo Soares und Robbie Kruse, und der mangelnden Rückwärtsbewegung, wurden Lücken gerissen. Dass Timo Perthel für den verletzten Stefano Celozzi kam, war sicherlich folgerichtig. Eine Hereinnahme von Patrick Fabian als Stabilisator in der Innenverteidigung wäre gegen Ende und einige Standards sinnig gewesen. Auch eine frühere Auswechslung von Robbie Kruse im vertretbaren Bereich, denn zum Ende hin wurde er erneut blasser. Robin Dutt sprach die Thematik der mangelhaften Restverteidigung durch die offensive Positionierung der Außenverteidiger in der Pressekonferenz nach dem Spiel an und wird seine Schlüsse daraus ziehen.

Weiterhin nicht so zwingend wie notwendig: Robbie Kruse. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Was ich bereits gegen Holstein Kiel nicht verstehen konnte war die zwar korrekte Einwechslung von Patrick Fabian, um Stabilität in den Defensivverbund zu bekommen. Eine konsequente Umstellung fehlte jedoch, weshalb Fabian positionsgetreu im im defensiven Mittelfeld agierte, statt Maxim Leitsch oder Tim Hoogland vorzuziehen und Fabian gegen den ebenfalls körperlich robusten und kopfballstarken Janni Serra zu stellen. Auch gegen Regensburg hätte die tiefere Positionierung von Vitaly Janelt helfen können, ebenso wie eine Defensivanordnung für Danilo Soares, um die Kompaktheit im Defensivverbund zu stärken.

Kopfsache, konditionelle Probleme oder taktische Fehler – weshalb verschenkt die Mannschaft immer wieder kurz vor Schluss Führungen?

Jens Hartenstein: Konditionelle oder qualitative Probleme schließe ich kategorisch aus. Ohne eine gewisse Qualität in der Mannschaft könnte man sich ohnehin die regelmäßigen Führungen überhaupt nicht erst erarbeiten. Man geht häufig und meist nicht unverdient in Führung und ist auch bei Rückständen stets in der Lage, bis in die letzte Minute Druck auf den Gegner aufzubauen. Meiner Einschätzung nach ist die Problematik vor allem in den Köpfen der Spieler zu finden und durchaus kein exklusives Bochumer Problem. Die Verunsicherung war gegen Regensburg jedenfalls gegen Ende greifbar. Das Spielsystem und die guten Ansätze davor schienen wie weggeblasen und Befreiungsschläge waren die Regel. Somit wurde dem Gegner der Ball viel zu häufig absolut unnötig überlassen und ohne eigene Ballbesitzphasen konnte letztlich überhaupt nicht für Entlastung gesorgt werden.

Ist jetzt gefragt und sollte Anpassungen vornehmen: Cheftrainer Robin Dutt. Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Sebastian Hettmann: Wie oben bereits angedeutet, würde ich als Laie zur falschen Auswahl des taktischen Stilmittels fehlen. Ob es ein Fehler ist weiter aktiv am Spiel teilzunehmen? Ich finde nicht. Allerdings muss die Balance bei einer 3:1 Führung mehr bedacht werden und durch taktische Anweisungen die Kompaktheit gestärkt. Wir waren im Spiel durch unser Umschaltspiel stets gefährlich, selbst zum Ende hin. Wodurch ich die konditionellen Probleme ausschließen möchte. Bei einer Führung haben wir früher einfache Dinge eingetrichtert bekommen: Zwingendes Umschaltspiel defensiv, Kompaktheit im Zentrum, den Gegner auf Außen lenken und Standards in Strafraumnähe vermeiden durch geschickte Zweikampfführung. Arbeitet mit dem Kopf und seid nicht übermütig, wenn der Gegner mit dem Rücken zum Tor steht oder in ungefährlichen Räumen agiert, sagte eins ein Trainer von mir. Alles was ich aufgeführt habe, wurde leider zum Spielende nicht beherzigt.

Claudio Gentile: Hat man unter Verbeek teilweise nach Führungen noch viel zu offensiv und aktiv weitergespielt, macht man aktuell das andere Extrem und stellt das Fußball-Spielen nach Führungen teils komplett ein und bolzt in bester Kreisliga-Manier die Bälle ganz weit weg. Nur so verschafft man sich keine Entlastung. Der Gegner kann eine Angriffswelle nach der nächsten auf das Bochumer Tor rollen lassen. Konditionelle Probleme schließe ich wie Sebastian ebenso aus. Man schafft es nach Rückständen ja auch, nochmal ein paar Gänge hochzuschalten.

Was gilt es zu ändern, damit so etwas sich künftig nicht mehr wiederholt.

Foto: Tim Kramer (Tremark).
Sagenhaftes Tor von unserer #23: Robert Tesche! Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Jens Hartenstein: Robin Dutt muss den Spielern irgendwie vermitteln, dass man das Spielen auch bei einer Führung nicht mehr komplett einstellen darf. Die Bälle dürfen niemals wie gegen Regensburg hergeschenkt werden und über Ballbesitz muss für mehr Entlastung gesorgt werden. Dabei beschleicht mich (leider) immer mehr das leise Gefühl, dass die hohen Bälle bei knappen Führungen nicht unerwünscht sind unter Dutt. Mit dieser Taktik wird allerdings jegliches Heft aus der Hand gegeben und man kann nur darauf hoffen, dass der Gegner nichts mit dem Ball anzufangen weiß und unseren Spieler sowie dem Schiedsrichter keine gravierenden Fehler unterlaufen. Für mich keine hinnehmbare Taktik und erster Ansatzpunkt für kommende Aufgaben.

Sebastian Hettmann: Ganz klar: Robert Tesche muss öfters schießen! Das Tor kann ich nicht unerwähnt lassen. Ich hoffe es sieht mittlerweile JEDER weshalb der Mann so wichtig ist für die Mannschaft. Nicht nur seine Tore, vor allem das unauffällige Spiel mit immenser Übersicht und ausweichenden Bewegungen, um Räume zu schaffen sowie die Absicherung der Offensivreihe. Bockstark!

Schon wieder Kopfzerbrechen im Herbst für unsere VfL? Foto: Tim Kramer (VfL Bochum)

Was gilt es zu ändern: Unsere Mannschaft muss cleverer werden. Ich bin mir sicher, dass Robin Dutt die richtigen Schlüsse aus dem Spiel ziehen wird und wir demnächst bei Führungen mehr Absicherungen in der Mannschaftstaktik sehen werden. Gerade zum Spielende hin braucht sich keine Mannschaft schämen, wenn man einen Sieg über die Zeit bringt. Dass die Ordnung (erneut) fehlte in einer Drucksituation, hat Robin Dutt bereits erkannt. Ansonsten muss unsere medizinische Abteilung ihr bestes geben, damit uns die Säulen nicht wegbrechen und wir durch Ausfälle bedingt (erneut) einen grauen Herbst bekommen wie in den Jahren zuvor.

Steven Ongsiek: Hier schließe ich mich ganz klar meinen Vorschreibern an. Man muss einfach cleverer werden! Man darf nicht eine 3:1 Führung daheim aus der Hand geben. Genau solche Spiele sind es, die entweder einen Motivationsschub mit sich bringen können oder genau das Gegenteil erzeugen. Ich hoffe einfach, dass die Mannschaft die positiven Dinge aus dem Spiel herauszieht, und schon an diesem Freitag weiter Punkten kann in Fürth.

Fürth (A), Darmstadt (H), Aue (H) und Magdeburg (A)– machbare Gegner, also sichere Punkte?

Jens Hartenstein: Sichere Punkte gibt es niemals und auch diese Gegner dürfen nicht unterschätzt werden. Dennoch hatte man unter Dutt bislang weniger Probleme mit den vermeindlich schwächeren Teams. Insbesondere wenn man fokusiert bleibt und seine eigenen Stärken ausspielt wird man sich gegen diese Gegner aus der Mini-Herbstkrise schießen und weiter den Anschluss nach oben wahren.

Sebastian Hettmann: Ich bin da 100% bei Jens. Es gibt in dieser Liga keine einfachen Gegner! Wenn gleich ich gerade in Magdeburg die Chance als höher ansehe. Das Spiel gegen den HSV konnte ich über 90 Minuten verfolgen und Magdeburg schafft es derzeit nicht einen konstruktiven Offensivplan zu entwickeln. Die Abstände in der Verteidigung sind groß und nur mit Kampf kann man in der zweiten Liga nicht bestehen. Dort sollte sich unser spielstarkes Mittelfeld, sofern keine Vielzahl an Ausfällen hinzukommen, austoben können und Chancen für Lukas Hinterseer und, hoffentlich auch wieder, Silvère Ganvoula generieren können. Die Angst vor einem grauen Herbst mit einigen Niederlagen habe ich, hoffe jedoch auf Punktgewinne, um sich im oberen Drittel festzusetzen. Im vergangenen Jahr haben wir in dieser Jahreszeit einige Punkte verspielt, die uns zum Ende hin gefehlt haben, um eine ganz große Überraschung zu schaffen.

Steven Ongsiek: Alle kommenden Gegner dürfen nicht unterschätzt werden. Gerade in dieser zweiten Liga ist quasi alles möglich. Jeder kann gegen jeden gewinnen und auch verlieren. Das beste Beispiel ist das gestrige Pokalspiel, wo die Zweitligisten Bielefeld und Duisburg spielten. In de Liga weit abgeschlagen, konnte Duisburg mit 3:0 auf der Alm gewinnen. Genau solche Ergebnisse können sich jederzeit in der 2. Bundesliga abspielen. Für den VfL gilt es, den Kopf nicht hängen zu lassen ob des späten Ausgleichstreffers der Regensburger. Auch die personelle Situation muss man irgendwie gestemmt kriegen. Und dann gilt es, kämpfen und siegen!

Claudio Gentile: Gegen eben diese Gegner tut es sich unser VfL in den letzten Jahren aber auch immer wieder extrem schwer. Wie schon gesagt wurde, sichere Siege gibt es in der zweiten Liga kaum bis gar nicht. Man hat die Chance, sich bis Weihnachten oben festzusetzen, vielleicht sogar als erster Verfolger der „großen“ Fische HSV und Köln. Ob man das schafft, wird man sehen. Ich bin da eher vorsichtig geworden mit Optimismus, denn die letzten Jahre hat man exakt diese Chancen immer wieder vergeigt.

Autor: Jens Hartenstein

In Bayern geboren, führte mein Weg zum Fußball über den FC Bayern München erst über Umwege zum geliebten VfL. Hierbei hat mich insbesondere die Phase Mitte der 90 geprägt, als man unter anderm in den UEFA Cup einzog. Nach einer jugendlichen Trotzphase, in der ich mich fast gänzlich dem Fußball, aber vor allem der Kommerzialisierung von selbigem abgewandt hatte, fand ich dann Anfang des neuen Jahrtausends wieder zurück zum Fußball. Ein echter Fußballfan kann eben doch nicht ohne seine Leidenschaft. Spätestens als ich dann beim Abschiedsspiel von Darius Wosz dessen letztes Bundesligator, den Abstieg Gladbachs und unseren beinahe Einzug in den UI-Cup live im Gladbacher Stadion feiern durfte, wars um mich dann komplett geschehen. Seitdem sind mäßige Spiele, Niederlagen, Abstiege und sämtliches Leid aller VfL Fans mein ständiger Wegbegleiter.

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