Leverkusen. Lazio. Bochum.

Grau, es wird kälter und der VfL steht unten. Zum Glück nicht in Liga 2, aber der Weg zeigt da hin - Foto: Einsachtvieracht

Der VfL Bochum gewinnt sensationell 3:2 gegen den FC Bayern München und holt drei ganz wichtige Punkte im Abstiegskampf. Dauerregen, Kampf, Protest – am Ende trotzdem Gänsehaut. Ein Rückblick.
Nicht Vieles spricht vor Duellen mit dem großen FC Bayern München für den VfL aus Bochum. In der letzten Woche taumelten die Münchener ungewohnt stark und fingen sich gegen starke Leverkusener und Lazio Rom in der Champions League zwei Niederlagen hintereinander. Trotzdem sind die Bayern eine andere Hausnummer als unser Revierclub. Sind wir ehrlich – bei den meisten dürfte die Erwartungshaltung in die Richtung gegangen sein, dass wir ordentlich verdroschen werden und die Süddeutschen sich den Frust der letzten zwei Spiele aus den Beinen schießen. Und so würde es vermutlich an den meisten Tagen auch laufen. Normalerweise.

Thomas Letsch war gezwungen, sein Team auf zwei Positionen umzubauen. Neben dem gelbgesperrten Matus Bero fiel kurzfristig auch noch der Shootingstar der letzten Wochen, Patrick Osterhage, aus. Zwei herbe Verluste, zumal die Laufstärke der beiden sicherlich auch gegen den FC Bayern wichtig gewesen wäre. Christopher ‚Jimmy‘ Antwi-Adjei und Erhan Masovic ersetzten die Mittelfeldmotoren in der Startelf. In der ersten Hälfte bot der VfL gegen den Ball ein ‚4-1-4-1‘ an. Sobald der Ball über den rechten Außen- oder Innenverteidiger lief, wurde durch das Verschieben von Takuma Asano ein ‚4-1-3-2‘ daraus. Bei eigenem Ballbesitz zeigte sich ein ‚4-2-3-1‘, in dem Kevin Stöger häufiger auf links das Spiel überlud.

Der VfL kam gut in die Partie und hatte vor allem auch auf die zweiten Bälle guten Zugriff, da, bedingt durch Bayerns ‚4-4-2‘ im Zentrum, Überzahlmomente geschaffen werden konnten. Trotzdem sah es durch den Treffer von Jamal Musiala in der 14. Minute kurz so aus, als würde der Nachmittag den erwarteten Lauf nehmen. Aber auch nur kurz. Denn genau zur ‚richtigen‘ Zeit sorgte die fast 15-minütige Unterbrechung im Rahmen der Proteste gegen den Investoren-Einstieg dafür, dass sich unsere Jungs sortieren und durchatmen konnten.

Starkes Vorwärtsverteidigen sorgte dafür, dass die Bayern zunehmend ihren Spielfluss verloren und der VfL viele Situationen schon in ihrer Entstehung entschärfen konnte. So drehten Asano und Keven Schlotterbeck innerhalb von sechs Minuten das Spiel noch vor Ende der ersten Halbzeit. Waren die Ränge schon von Minute eins an wach, verwandelte sich das Ruhrstadion nun endgültig in ein Tollhaus.

In Halbzeit zwei setzten sich die Ereignisse der ersten Halbzeit nahtlos fort. Während der FC Bayern zunehmend ratlos und frustriert wirkte, kam der VfL erneut stark aus den Katakomben. Selten hat man den Rekordmeister so leblos auf dem Feld gesehen. Kein Aufbäumen, kaum Kampf, keine Ideen. Folgerichtig konnte der VfL in der 78. Spielminute durch einen Elfmeter von Kevin Stöger auf 3:1 erhöhen und war nun durch den Platzverweis von Dayot Upamecano sogar personell in Überzahl. Sollte sich hier etwa der Februar 2022 wiederholen, an dem es gelang, die Bayern an der Castroper Straße in die Knie zu zwingen? Das Stadion brannte aber irgendwie lag noch eine gewisse Ungläubigkeit mit Skepsis in der Luft.

Aber der VfL wäre ja nicht der VfL, wenn er uns auch an so einem Tage nicht noch ein paar Nerven kosten würde. So konnte Harry Kane in der 87. Minute noch auf 3:2 verkürzen. Nicht wenige hatten in der Situation sicherlich den ein oder anderen Flashback an so manch verschenkten Punkt in den letzten Minuten eines Spiels in dieser Saison. Aber diesmal kam es anders. Mit Kampf, dem nötigen Glück und dem unbekannten Luxus, taktisch sinnvolles Zeitspiel einzubringen, brachten die Bochumer die Führung über die Zeit. Dass der sehnsüchtig erwartete Schlusspfiff einen torjubelähnlichen Emotionserguss nach sich zog, lässt erahnen, welch schwere Last gewohnter Last-Minute-Punktverluste sich in ungläubige Freude verwandelte.

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Entwicklung diese Mannschaft unter Trainer Thomas Letsch in dieser Saison genommen hat. Man hat es geschafft, mit dem vorhandenen Kader ein System zu formen, dass die Stärken der Spieler perfekt zur Geltung bringt und selbst bei Ausfällen von zentralen Stützen in der Lage ist, durch minimale Anpassungen hervorragend zu funktionieren. Schafft man es in den nächsten Wochen, dieses Leistungsniveau mit Konstanz zu untermauern, schafft man es unter Umständen, den Verantwortlichen deutlich früher Planungssicherheit für die kommende Spielzeit zu verschaffen. Und die ist auch nötig. So sehr ich mich über den Sieg freue – mit Schlotterbeck, Stöger, Asano und ‚Jimmy‘ standen heute vier Leistungsträger auf dem Platz, deren Vertrag ausläuft.

Aber jetzt erstmal genießen. Wir haben in Bochum zwar keine Titel und Trophäen – dafür aber Heimsiege, von denen man sich noch lange erzählen wird. Und das war einer davon. Genießen wir den Moment. Leverkusen. Lazio. Bochum. Wer hätte vor neun Tagen gedacht, dass diese drei Namen mal in einer Reihe stehen? Nur ein paar Leute in Block M anscheinend.

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Autor: Claudio Gentile

Als gebürtiger Bochumer wurde ich das erste Mal im zarten Alter von sechs Jahren ins Ruhrstadion geschleppt. Der VfL verlor. Was auch sonst. Trotzdem ließ mich der Verein nicht mehr los und spätestens als ich ein paar Tage nach meinem ersten Stadionbesuch das legendäre Papagei-Trikot mit einem "Peter Peschel"-Flock überstreifen durfte, war es um mich geschehen. Das ist jetzt 26 Jahre, wenig Siege und viele Niederlagen her. Wo die Liebe im Fußball hinfällt, kann man sich ja bekanntlich nicht aussuchen. Und eine Liga kennt Liebe auch nicht.

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