Der VfL Bochum steckt in einer tiefen Krise. Der Abstiegskampf droht nicht, er ist längst Realität. Uwe Rösler soll den VfL in der 2. Bundesliga halten – und steht dabei vor einer immensen Herausforderung.
In den ersten acht Spielen der Zweitliga-Saison hat sich der VfL schlicht als nicht konkurrenzfähig erwiesen. In Gleichzahl hat der VfL nicht einen Zähler geholt, beim einzigen Erfolg in der Liga und beim Weiterkommen gegen Regionalligist BFC Dynamo waren jeweils eine Überzahl (und Verlängerung) nötig, um zu punkten.
Die Niederlage waren – mit Ausnahme in Darmstadt – zwar allesamt knapp, aber dennoch fast immer verdient. Kurzum: Der VfL Bochum, der oben mitspielen wollte, ist nicht zweitligatauglich. Das zu ändern, ist die große und einzige Aufgabe von Uwe Rösler. Der Abstand zum rettenden Ufer darf sich in den kommenden Wochen nicht vergrößern. Um mehr als den Klassenerhalt geht es in dieser Saison ohnehin nicht mehr. Tritt keine klare Leistungssteigerung ein, wird der VfL Bochum in die 3. Liga absteigen. Die Mängel sind groß, ihre Liste lang. Wir blicken auf die größten Baustellen von Uwe Rösler.
Selbstvertrauen herstellen, wo keins sein kann
Dass der Kader völlig unausgewogen zusammengestellt ist, ist längst keine neue Beobachtung mehr. Alleine das befördert einen Bundesliga-Absteiger aber nicht direkt wieder ans Ende der Tabelle. Viele Spieler, die als Leistungsträger vorangehen sollten, sind Teil des Problems und nicht einer Lösung.
Echte Erfolgserlebnisse liegen für Philipp Hofmann, Maximilian Wittek und Matus Bero inzwischen lange zurück. Ihr Selbstvertrauen ist im Keller und das ist in jedem Spiel deutlich zu sehen. Wer seit über einem Jahr die allermeisten Fußball-Spiele (28 von 42 in der Liga seit Saisonbeginn 2024/2025) verliert, dem ist das kaum zu verübeln. Und doch befindet sich hier Uwe Röslers wichtigste Aufgabe.
Er muss den ‚vermeintlichen‘ Leistungsträgern, dazu zählt auch Kevin Vogt, Selbstvertrauen vermitteln. Der neue Coach muss den genannten Spielern glaubhaft vergewissern, dass sie besser sind als das, was ihre Leistungen derzeit aussagen – auch, wenn da aktuell wohl kein VfL-Fan zustimmen würde.
Dennoch ist genau das die Aufgabe eines Trainers, abseits aller taktischen Inhalte. Nur so können Automatismen entstehen, die die katastrophale Kaderzusammenstellung zumindest stellen kaschieren.
Rösler kommt auch deshalb nicht darum herum, seine Spieler starkzureden, weil er auf seiner Antritts-Pressekonferenz betont hat, dass das Leistungsprinzip zähle. Für viele der genannten Spieler gibt es aber keine Alternativen, die bei ausbleibenden Leistungen in die Startelf rücken könnten.
Pragmatismus: Punkte statt „Ohs und Ahs“
Der VfL befindet sich an einem Punkt, an dem spielerische Ansprüche längst verflogen sind. Die von Dieter Hecking einst angekündigten „Ohs und Ahs“, die ein mutiger fußballerischer Ansatz auslösen sollte, benötigt im Ruhrstadion keiner mehr. Es geht für den VfL um Punkte, egal wie.
Deshalb muss Uwe Rösler schnell die richtigen Lehren aus den Fehlern seiner Vorgänger ziehen, deren Wechsel in der zweiten Halbzeit nicht nur einmal einen erheblichen Leistungsabfall bewirkt haben – zuletzt zu sehen in Kaiserslautern.
Es braucht Pragmatismus und Punkte. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass keine Zeit für die Installation eines komplexen Spielsystems ist, das irgendwann mal das Maximum aus dem Kader holen kann. Es braucht die Aufstellung, die Formation und das System, die schnellstmöglich regelmäßig zu Punkten zu führen. Rücksicht auf Namen darf der neue Übungsleiter dabei nicht nehmen.
Beinahe eine Herkulesaufgabe dürfte es dabei sein, eine Balance zwischen eigenem und generischem Tor zu finden. Weil in der Offensive kein Spieler konstant mehr als durchschnittliche Zweitliga-Qualität besitzt, fehlen Einzelaktionen und Überraschungsmomente beinahe völlig. Diese Symptomatik mit einer offensiveren Spielweise zu behandeln, ist gleichzeitig ein Spiel mit dem Feuer – zu anfällig für individuelle und taktische Fehler zeigte sich die VfL-Hintermannschaft bislang.
Man kann natürlich das Risiko im Aufbau minimieren und tiefer stehen. Ersteres nimmt einem jedoch die letzten offensiven Überraschungsmomente, letzteres macht uns oft passiv und anfällig für Standards aus gefährlichen Situationen.
Vielleicht eine neue Hierarchie, danach aber Kontinuität
Der Trainerwechsel ist eine einmalige Gelegenheit, um mögliche Korrekturen in der Hierarchie der Mannschaft vorzunehmen. Matus Bero scheint als Mannschaftskapitän für die aktuelle Lage keine optimale Besetzung, die schon genannten Führungsspieler sind mehr mit ihrer Leistung als mit Führen beschäftigt. Das gilt nicht für Timo Horn und Gerrit Holtmann, die zweitweise zu den wenigen Lichtblicken zählen. Scheinen intern Korrekturen notwendig, wessen Wort der Trainer wieviel Gewicht zuschreibt, ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür.
Dann braucht es aber Kontinuität und Ruhe. In solchen Fragen, aber auch auf dem Feld. ,,Ich würde mich als flexiblen Trainer bezeichnen, der sein System aber nicht von Woche zu Woche wechselt“, sagt Rösler bei seiner Vorstellung. Er habe in der Regel ein favorisiertes System und eine Alternative, tausche aber nicht zwischen vier oder fünf Ansätzen.
Genau das benötigt es im Abstiegskampf. Das Festhalten an Dingen, von denen man überzeugt ist, schafft mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten – hier ergibt sich eine Verbindung zur ersten und zweiten Baustelle – als die vielen Systemwechsel, die Fehlstart mit sich brachte. Die Fragen nach der Abwehrkette (Dreier- oder Viererkette) und der Aufteilung davor (Zentrumsfokus oder Flügelspiel forcieren?) sollte Uwe Rösler einmal beantworten und danach nicht mehr – was Anpassungen an den Gegner natürlich trotzdem ermöglicht.
Sympathien gewinnen
,,Die Grundlage für meinen Fußball ist hohe Intensität“, sagte Rösler am Montag. Ist die auf dem Platz zu sehen, stehen die Chancen gut, dass der VfL trotz der bedrohlichen Lage das Ruhrstadion weiter emotional mitnimmt.
Da ist der Trainer auch selbst gefragt: Mit seiner Vorstellung (,,Ich bin der Uwe“) könnte der 56-Jährige ins Ruhrgebiet passen. Wie viel Kredit das Bochumer Umfeld einem Trainer aufgrund dessen Sympathie bewilligt, war bei Dieter Hecking zuletzt zu beobachten.
Gelingt das auch Rösler in Kombination mit ersten Punkten, kann sogar eine zarte Aufbruchsstimmung entstehen. Dass die Fans bereit sind für Abstiegskampf, haben sie in den vergangenen Jahren gezeigt. Ein Menschenfänger mit Ruhrpott-Charme als Kopf einer Mannschaft kann dafür sorgen, dass das auch in der 2. Liga gilt.
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