Der VfL Bochum verliert 0:1 beim SC Paderborn und setzt damit den Saisonstart endgültig in den Sand. Nach fünf Spielen stehen mickrigen drei Punkten auf der Habenseite. Die Stimmung im Anhang kippt deutlich. Eine kommentierende Analyse von Timo Janisch.
„Am Ende sind es immer Erfolgserlebnisse, mit denen du den Umschwung schaffst. Die haben wir aktuell nicht – dementsprechend hocken wir in der Scheiße“ – es waren rabiate und gleichzeitig treffende Worte, die Dirk Dufner nach der Niederlage in Paderborn wählte. Und dennoch waren sie zahm für die Lage, in der sich der VfL Bochum nach fünf Zweitliga-Spielen befindet.
Denn die Scheiße, in der der VfL steckt, ist kniehoch. So hoch angestiegen, dass sie nicht von alleine versickert. Machen die Bochumer so weiter, verläuft diese Saison ekelhaft.
Die Auftritte in den bisherigen Pflichtspielen und nicht zuletzt die Kaderzusammenstellung lassen eigentlich nur den Schluss zu, dass keine ernstzunehmende Aussicht auf Besserung besteht. Zu konstant ist das niedrige Niveau, auf dem der VfL performt. Besonders deutlich wurde das im DFB-Pokal – Sieg über einen Regionalligisten, erst als dieser sich in zweifache Unterzahl manövriert hatte – und zuletzt im Testspiel gegen Drittliga-Aufsteiger MSV Duisburg. Eine unumstritten gute Leistung zeigte die Mannschaft von Dieter Hecking nur in der zweiten Halbzeit gegen die SV Elversberg – in Überzahl. Ansonsten offenbarten sich stets mehr Mängel als klare Stärken.
Versprechen nicht eingehalten
Der wohl offensichtlichste Grund ist die unausgewogene Kaderzusammenstellung. Es fehlt an Tempo, an Pässen in die Tiefe, an Flanken und Standards auf hinnehmbarem Zweitliga-Niveau, an Kreativität und Torgefahr im Gesamten. Das Versprechen, den Kader schneller aufzustellen und spielerisch für „Ohs“ und „Ahs zu sorgen, bleiben Mannschaft und Trainerteam bislang vollständig schuldig.
Myron Boadu, Moritz Broschinski und Georgios Masouras sind weg. Auf Leistungsträger-Niveau hat sich an ihrer Stelle bislang niemand etabliert. Stattdessen ist eine Entwicklung von statten gegangen, in der selbst der Abgang von Broschinski ein durch den aktuellen Kader nicht zu stopfendes Loch in den selbigen reißt – vor einigen Monaten noch eine undenkbare Beobachtung.
Die kurz vor Schließen des Transferfensters getätigte Verpflichtung von Michael Obafemi wirkt eher wie ein Verzweiflungs-Transfer als eine Überzeugungstat – ein Umstand, der in Kombination mit dem öffentlichkeitswirksamen Platzen des Kabadayi-Wechsels viel am Anfang der Wechselperiode entstandenes Vertrauen verspielt hat.
Ausfälle relativieren Leistungen nur bedingt
Auch die zugegebenermaßen vielen Ausfälle, die Hecking immer wieder zum Reagieren und Rotieren zwingen, halten nur sehr eingeschränkt als Relativierung her. Helfen, die eklatanten Angriffsschwäche zu kaschieren, könnte wohl lediglich ein fitter Moritz Kwarteng – womit man wieder bei vor einigen Monaten undenkbaren Beobachtungen wäre. Klar: Natürlich wäre der VfL Bochum auch mit einem gesunden Ibrahima Sissoko nicht schlechter. Die offensichtlichsten Defizite würde aber auch er nicht beheben können.
Gleichzeitig zählen im Sport nicht nur harte Faktoren. Auch an den deutlich subjektiveren Aspekten mangelt es derzeit an allen Ecken und Enden. Die Mannschaft spielt schlechter als die Summe ihrer Teile, die ja auf vielen Positionen über solide bis gute Zweitliga-Qualität verfügt. Hier rückt auch Dieter Hecking in den Fokus der Verantwortung.
Er schafft es offensichtlich nicht, den Spielern Selbstvertrauen zu vermitteln – angesichts des Abstiegs und weniger Erfolgserlebnisse eine herausfordernde Aufgabe, für die er allerdings maßgeblich verantwortlich ist. Das Team tritt seit vielen Monaten mit dem Ball verunsichert auf und verfügt nur ganz selten über eine gute Handlungsschnelligkeit. Dass Automatismen fehlen, sich öffnende Räume zu bespielen, ist eher ein mentales als taktisches Defizit.
Auftreten wie ein Abstiegskandidat
Gerrit Holtmann fasste nach dem Paderborn-Spiel passend zusammen, dass der VfL Bochum „statt zwei eher drei, vier Kontakte“ brauche. Hecking ist es nicht gelungen, nach dem Abstieg einen mentalen Cut zu realisieren. Die Mannschaft tritt auch in der 2. Bundesliga auf wie ein Team, dass sich gegen überlegene Gegner die Punkte für den Klassenerhalt zusammensammeln muss.
Es sind drastische Zeilen. Zeilen, die nicht das Ergebnis einer kippenden, sondern einer schon umgekippten Stimmung sind. Bei einigen Bochumern ist sie das bereits während der lange erfolglosen Suche nach einem Broschinski-Nachfolger, bei anderen erst durch die vierte Niederlage im fünften Zweitliga-Spiel.
Der VfL Bochum ist nicht „zu gut“ für den Abstiegskampf
Der Saisonstart, die offenbarten Defizite und andere Beispiele der jüngeren Vergangenheit zeigen, dass der VfL Bochum sich auf keinen Fall darauf verlassen kann, „zu gut“ für den Abstiegskampf zu sein. Gibt es keine massiven Verbesserungen im Offensivspiel oder Selbstbewusstsein, sammelt der VfL wie in den zurückliegenden Jahren bis zur letzten Sekunde seine Punkte für den Klassenerhalt – inklusive der unschönen Begleitumstände, die solche Spielzeiten mit sich bringen. Denn Scheiße kann auch deutlich über Kniehöhe steigen.
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