Am 28. Spieltag der Bundesliga geriet der VfL Bochum im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart mit 0:4 unter die Räder. Nach dem zuletzt Hoffnung weckenden Auftritt bei Bayer Leverkusen gab es zu Hause gewaltig einen vor’s Brett. Die zweithöchste Heimniederlage der laufenden Saison verdeutlicht schonungslos, dass die Karten im Abstiegskampf weiter wild gemischt werden und noch kein Stück gelegt sind. Von Trumpfen oder gar Assen zugunsten unserer Bochumer war an diesem Wochenende im Ruhrstadion nichts zu sehen. Ein Kommentar.
Prinzipiell startete der 5.April wunderschön. Ein blauer Himmel mit praller Sonne, frisch gezapftes Fiege am Kirmesplatz und viele gut gelaunt bekannte Gesichter, die Bock auf den VfL hatten. Trotz der gewohnten Bochumer Skepsis war der Optimismus spürbar, endlich mal wieder in einem Heimspiel punkten zu können. Hatte der VfB noch unter der Woche in einem intensiven Pokalspiel Kraft gelassen und musste aufgrund von kartenbedingten Sperren personell auf Führungskräfte verzichten, konnten unsere Jungs mutig, auskuriert und gut vorbereitet auf den Rasten treten. So dachte und hoffte ich.
Nichts zu machen gegen von Beginn an bissige Stuttgarter
Relativ zügig zeigten die elf von Sebastian Hoeneß postierten Schwaben, dass ich mich irrte. Von einer vermeintlich personell und konditionell geschwächten Truppe war rein gar nichts zu sehen. Im Gegenteil. Während im Bochumer Hauptbahnhof am Wochenende aktuell keine Züge halten, knallten die Gäste von Anpfiff an wie ein frisch geölter ICE auf Durchreise durch das Ruhrstadion.
Lediglich elf Minuten brauchte es, um durch Jeff Chabot und Ermedin Demirovic mit 0:2 in Rückstand zu geraten. Eine vom VfL lasch verteidigte Ecke und eine zu unstrukturiert hoch stehende blau-weiße Abwehrkette ermöglichten es, auf Basis eines Fallschusses durch einen Innenverteidiger und eines eiskalten Konterlupfers die Kugel im Netz zu versenken.
Nachdem unsere Jungs dank des Pfostens nicht mit 0:3 in die Pause gingen zeigte die Anzeigetafel eben jenes Ergebnis nur drei Minuten nach Wiederanpfiff an. Erneut zu schlecht vom VfL verteidigt konnte Demirovic nach Hereingabe vom linken Flügel seinen zweiten Treffer erzielen. Das war er bereits, der DWM. Fünf Minuten vor Spielende schob Demirovic nochmal zu seinem dritten Tor ein. 0:4 – Feierabend.
Ein beängstigend schwacher Auftritt aus Bochumer Sicht
Dieter Hecking schickte das identische ‚3-5-2/5-3-2‘ System der Vorwochen auf den Platz. Anstelle von Georgios Masouras durfte der genesene – und sich laut Coach „in der besten Verfassung befindende“ – Myron Boadu im Angriff ran. Das restliche Personal stand bereits in der BayArena auf dem Platz. Hecking äußerte vor der Partie, dass der VfL seine „Hausaufgaben machen“ wolle. Aufgrund der „guten Raumaufteilung“ aus den letzten Partien bereitete es ihm keine Sorgen, dass der VfB Stuttgart, wenn auch nicht in Bestform, für tempoorientiertes Angriffsspiel durch die Zentrale und über die Flügel bekannt ist.
Sein Plan ging nicht auf, die ‚DI‘ hat sich verkalkuliert. Wieder und wieder konnten die Gäste unsere Defensive durch exakt eben jenes schnelle Offensivspiel, meist über die Flügel, überwinden. Dabei leisteten unsere Jungs wenig bis keine Gegenwehr – kamen zu spät in entscheidende Situationen, zeigten sich instabil und schlecht abgesprochen im Abwehrverhalten und reagierten mit teils kopflosen Konterversuchen. In den selten gelungenen Angriffssequenzen konnte keine zielstrebige Stringenz erspielt werden.

Unterˋm Strich konnten 11 Torschüsse, 12 Flanken, 54% Ballbesitz und 52% gewonnene Zweikämpfe zugunsten des VfL erarbeitet werden. Für größere (Tor-)Gefahr, mutiges Aufbauspiel, strukturiertes Defensivverhalten oder etwa Zählbares reichte es jedoch in keinem Moment.
Kritisch authentische Reflexionen aus den eigenen Reihen
In gutem Glauben bemühe ich mich, das Spiel nicht zu dramatisch hoch zu bewerten und es irgendwie in der Schublade der Ausrutscher zu schieben. Trotzdem merke ich, dass mein ansonsten vorhandener Optimismus einen festen Tritt in den Unterleib erhalten hat. Um es offen zu formulieren war das Spiel, meiner Ansicht zufolge, unter aller Sau und auf allen Ebenen zu dünn.
Sowohl die Jungs selber als auch der Coach kommunizierten es nach Abpfiff auf ähnliche Art und Weise. Laut Timo Horn ließ die Mannschaft „alles vermissen, was sie in den letzten Wochen ausgezeichnet hat“ und zeigte „das schlechteste Spiel seit Wochen, vielleicht auch Monaten“. Philipp Hofmann ergänzte, dass die Truppe „nicht mehr zusammengearbeitet“ habe, „jeder frustriert“ gewesen sei und „für sich gespielt“ habe.
Dieter Hecking sprach von einer „Nicht-Leistung“ und verteilten „Geschenken ohne Ende“. Weiter sprach er von „unterschiedlichen Wahrnehmungen“, da die Spieler vor Anpfiff benannten, dass genug Schärfe im Teamtraining spürbar gewesen sei – was Hecking anders sah. Professionell genug, diese Interna nicht an die Öffentlichkeit zu tragen, zeigte er sich selbstkritisch und gab an, dass er früher als zur Halbzeit mit Auswechslungen und taktischen Umstellungen hätte reagieren können und sollen.
Positive Reaktionen sind zwingend erforderlich
Die ehrliche Selbstbewertung in allen Ehren – ein Auftritt wie der gegen den VfB darf sich in den kommenden sechs Ligaspielen keinesfalls wiederholen. Kommenden Spieltag gastiert der zuletzt oft stark aufspielende und verteidigende FC Augsburg an der Castroper Straße. Daraufhin geht es auswärts zum SV Werder Bremen, um anschließend den FC Union Berlin im Heimspiel zu empfangen.
Das sind, bei allem Respekt, namenstechnisch andere Kaliber als die vergangenen vier Gegner. Dennoch arbeitet jede der Mannschaften akribisch an einem bestmöglichen Saisonergebnis und jedes einzelne Spiel wird auf eigene Art und Weise schwer für uns werden.
Um weiter mithalten zu können und das ausgerufene Ziel des Klassenerhalts zu erreichen, bedarf es dringend einer Rückkehr zu den zuletzt – teilweise beachtlich – guten Leistungen. Zu gut kommuniziertem und einheitlich dargebotenen Abwehrspiel in der hinteren Kette. Zu feinem Kombinations- und Aufbauspiel im zentralen Mittelfeld. Zu passend effizientem Abschluss- und Vorstoßspiel in der Offensive.
Bochum bleibt Bochum – und das ist auch gut so
Realistisch betrachtet wiederholt sich die Geschichte aus den vergangenen drei Erstliga-Saisons. Der VfL bewegt sich in einem bunten Mischrahmen aus überragend unerwarteten Siegen, fragwürdig halbgaren Leistungen und dem ein oder anderen Katastrophenspiel. Vermutlich wird auch diese Saison bis zur letzten Sekunde eine psychisch strapazierende Herausforderung, die von Hoffnung, Freude und Panik geprägt ist.

Mal schauen, wie und wo es dieses Jahr endet. Dass sich das nicht voraussehen lässt, wissen wir mittlerweile alle. Auf jeden Fall bleibt das Große und Ganze unverändert – anstrengend aber verdammt liebenswürdig. Ich kenne mich im Gefühl der Zuneigung zu anderen Vereinen außer dem VfL Bochum nicht aus aber für mich ist es weiterhin „nirgendwo so wie in Bochum“.
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